Mai 2003: Honoré de Balzac - Ursule Mirouet

  • Moin, Moin!


    Darf ich mal etwas zwischenfragen? Ich lese <a href="http://www.wikiservice.at/buecherlei/wiki.cgi?LGB2004">seit gestern</a> "Die Fischerin im Trüben" - so bezeichnet die btb-Ausgabe den Roman, der im deutschsprachigen Raum sonst immer unter dem Titel "Junggesellenheim" ediert wurde. Ebenso, wie ich <a href="http://home.arcor.de/frank.weidemann/00035.html">bei Frank las</a>, wurde aus Tante Lisbeth Tante Bette. Darf ich noch weitere Überraschungen gewärtigen. Oder weiß einer, warum btb/Goldmann alles ummodelt?

  • Hallo Dostoevskij,
    ich freue mich über dein „Lesebuch“ von Balzac. :smile:


    Den französischen Titel gibt es nur einmal. Die Übersetzer sind die Urheber der weiteren Titel. Da Balzacs Bücher sehr häufig übersetzt wurden und Balzac mit seinem Titel auch eine gewisse Freiheit der Auslegung vorgibt, will natürlich ein Übersetzer, seiner Arbeit nicht den gleichen Namen geben wie sein Vorgänger. Zu deinem Titel gibt es noch eine „Krebsfischerin“. :rollen:


    Am übertriebensten sind die Übersetzungen der tolldreisten Geschichten. Die Darstellungen der Übersetzer legen sich so aus, dass jeder neue Übersetzer der Meinung ist, dass seine Arbeit zeitgemäßer und moderner ist, also dass von Zeit zu Zeit ein Werk immer wieder mal aufs Neue übersetzt werden muss, zur „Zeitangleichung“. :zwinker:


    http://www.frankweidemann.de/00044.html


    Sollten wir dich inspiriert haben, Balzac zu lesen? Alles Gute, Frank. :winken:

  • Bonjour, ihr französisch sprechenden Leseratten,
    helft doch mal einen „Ossi“, der in der Schule nur russisch gelernt hat,
    bei der Übersetzung dieses französischen Titels : „La Rabouilleuse“.
    Unter diesem Titel werden folgende Balzac’schen Romane geführt: „Die Fischerin im Trüben“, „Die Krebsfischerin“, „Ein Junggesellenheim“, „Junggesellenwirtschaft“ und was weiß ich noch. Schönen Samstag, Frank. :winken:

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Frank W."

    Bonjour, ihr französisch sprechenden Leseratten,
    helft doch mal einen ?Ossi?, der in der Schule nur russisch gelernt hat, bei der Übersetzung dieses französischen Titels : La Rabouilleuse.
    Unter diesem Titel werden folgende Balzac?schen Romane geführt: ?Die Fischerin im Trüben?, ?Die Krebsfischerin?, ?Ein Junggesellenheim?, ?Junggesellenwirtschaft? und was weiß ich noch. Schönen Samstag, Frank. :winken:


    Das Verb 'rabouiller' - gemäss meinem Larousse ein Regionalismus, der soviel bedeutet wie 'Troubler (l'eau) pour prendre plus facilement les poissons' - 'im Trüben fischen' trifft also den wörtlichen Sinn durchaus, wobei m.W. 'rabouiller' aber keinen sprichwörtlichen Nebensinn erhalten hat - mal von Balzacs Romantitel abgesehen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • @Hallo Sandhofer, danke für die tolle Erläuterung. Das hat mein Wörterbuch für 5 Euro (HC) nicht hergegeben, merci beaucoup.


    @Hallo Maria, nun habe ich weiter gelesen und ein Ende ist in Sicht, vielleicht morgen oder übermorgen. Also noch mal von "vorn" (S.198/278)


    Die Mutter von Savinien ist immer noch verbissen, zumindest rettet der gute Friedensrichter der alten Dame noch eine Pacht und damit eine gute Rente.


    „Und so gewann die alte dame, anstatt ihrer Einkünfte verlustig zu gehen, aus ihrer Liquidation zweitausend Francs Rente. Die Familie Portenduere blieb also in Nemours.“


    Der Posthalter Minoret hat nun Gewissensbisse wegen seines Diebstahls und damit er nicht dauernd sein Gewissen wenn er Ursule sieht, möchte er alles unternehmen um sie aus Nemours zu vertreiben. Schön auch gleich die mitgelieferte Definition von Balzac:


    „Der Gewissensbiss ist mehr als ein Gedanke; er entspringt einer Empfindung, die sich nicht mehr verbirgt als die Liebe und die ihre Tyrannei übt.“ (Ob’s stimmt?) :rollen:


    Ratlosigkeit bei Ursule und ihren Freunden, warum ihr der Doktor nichts vermacht hat. Sie wird schwermütig. :redface:


    Die anonymen Briefe an sie und Saviniens Mutter. Erst fängt es ja ziemlich „bescheiden“ an, danach geht es dann in einen regelrechten Briefterror über. :entsetzt:


    Der hässliche Goupil, der hinter der ganzen Geschichte steckt, verbindet mit dem Druck auf Ursule natürlich nur eigene Interessen. Schön fand ich hier die Darstellung der Situation:


    Die Mutter erhält einen anonymen Brief, wo ihr vorgeschlagen wird, ihren Sohn mit Mademoiselle de Rouvre zu verheiraten. Sie wittert sofort „Blaues Blut“ und fährt mit ihrem Sohn dahin. Ursule erfährt davon, "macht sich fertig", ist das erste Mal im Leben Eifersucht. Nun absolut – das Herantasten der Beiden.


    „Eifersucht und Zweifel nehmen der Liebe alle Scham“ (S.215)


    Jetzt kommt eine Bemerkung, wo wir forschen müssen:


    „Ursule wurde von einem nervösen Erzittern befallen, das sich der Abbé Chapperon mitteilte, als hätte er die Ladung einer Leidener Flasche erhalten; außerdem verspürte er eine andauernde Herzerregung.“
    Scheint etwas Medizinisches zu sein? :sauer:


    Wenn immer gesagt wird, Balzac „vergöttert“ den Adel, so verbindet er m.M.n. das Wort Adel mit edel: „das er ebenso edel von Gemüt wie von Abkunft ist. (S.216)


    Goupil wird nun immer dreister:
    „Wenn sie mich nicht heiratet, werde ich sie zu Tode ärgern.“
    Aber die Beiden schwören sich Treue.
    „Nichts vermag uns zu trennen.“ (S.221)


    Die Briefe werden immer unverschämter, Ursule wird krank. Jetzt kommt Balzacs Abneigung gegen die Engländer zum Ausdruck. Diese kommen in der Menschlichen Komödie nicht gut weg.


    „Ursule gewann die Blässe, die Schwäche der jungen, schwindsüchtigen Engländerinnen."


    Nun kommt eine Strickleiter an ihrem Fenster, ein gefälschter Brief mit der Handschrift des Pfarrers, alles böse Machenschaften, um sie aus Nemours zu vertreiben.


    So erst mal „Pumpe“. Es sind nur noch wenige Seiten, aber ich denke, dass diese Seiten Gerechtigkeit bringen. :smile:
    Der Doktor soll ihr ja noch mal im Traum erscheinen? :grmpf:


    Noch ein paar Tiere, für den „Zoo“:


    „Diese Bürger sind wie Jagdhunde.“ (S. 198)


    „… und es ist ein Gewirr, dass eine Henne ihre Küchelein nicht finden könnte!“ (S. 201)


    Erst mal wieder Tschüß, das letzte Stück schaffen wir auch noch Maria!


    Kopf hoch, Frank. :winken:

  • Hallo Maria, nun das vorletzte „Stückchen“, :zwinker:


    Mademoiselle de Rouvre heiratet einen reichen polnischen Grafen, also Savinien hat nichts mehr zu „befürchten“.


    Goupil wird immer dreister da er bisher nicht entdeckt wurde, denkt an die Entführung Ursules, wird „größenwahnsinnig“ und ist der Meinung, dass sie ihm nicht widerstehen kann.


    Minoret (der Posthalter) ist reich geworden, möchte sich mit dem Erwerb des Schlosses Rouvre auf das Land zurückziehen.


    Wieder schöne Sprüche, die Balzac hier einflechtet:


    „…auch die Dummheit hat ihre Tiefe,“ (Seite 228)
    „Was geht mich Ursule an. Seit dem Tode Onkel Minorets hab ich nicht mehr an sie gedacht als an mein erstes Hemd.“ (S. 236)
    „Jeder ist Herr in seinem Hause.“ (S. 238)


    Ursule ging mit schnellen Schritten dem Tod entgegen, „die Beute jener unerklärlichen Krankheiten, die ihren Sitz in der Seele haben. :sauer:


    Wieder etwas für „unseren“ Zoo:


    „Als Madame de Portenduere gehört hatte, dass dies junge Mädchen sterbe wie ein Hermelin ... (S. 230) Wie stirbt ein Hermelin? Hier ist sicher der Bezug auf den Pelzmantel gemeint. :rollen:
    „…diesem komischen Sonderling, dem ich nicht die Interessen meines Hundes anvertrauen würde.“ (S. 236) – Hundeinteressen stehen für Belanglosigkeit
    „Ich will von Ihnen, die sie zwar nichts sind als Insekten, … (S. 237) – Insekten stehen für Bedeutungslosigkeit
    „Es ist irgend ein Streich, dieses ekligen Affen Goupil, …“ (S. 238) – Affe steht für Ekel
    „“Ein Mädchen ohne einen Sou, er? Diese Katze? Warte…“(S. 238) – Katze steht für Niederträchtigkeit


    Nun doch Versöhnung mit der „Schwiegermutter“, wurde ja auch langsam Zeit. :eis:


    Goupil, dieser skrupellose Verursacher der Krankheit Ursules, will einem Duell mit Savinien aus dem Weg gehen, die Begründung ist gut: „Wenn sie mich im Duell oder auf andere Weise töten, was hätten sie von meinem Blut? Könnten Sie es trinken? Es würde sie sofort vergiften.“


    Goupil gesteht, dass er im Auftrag Minorets gehandelt hat, Savinien stellt ihn zur Rede. Minoret, der Dieb, fühlt sich in die Enge getrieben. Auch eine genaue Typ-Beschreibung, da kenne ich auch einen. :zwinker:


    Nun hat Ursule einen Traum.


    Schönen Sonntag, Frank. :winken:

  • Hallo Frank


    Zitat von "Frank W"


    @Hallo Maria, nun habe ich weiter gelesen und ein Ende ist in Sicht, vielleicht morgen oder übermorgen. Also noch mal von "vorn" (S.198/278)


    Die Mutter von Savinien ist immer noch verbissen, zumindest rettet der gute Friedensrichter der alten Dame noch eine Pacht und damit eine gute Rente.


    doch nachdem Ursule glaubt ihr Ruf und ihre Reinheit wäre ruiniert, kam die Mutter Saviniens und sprach ihr Mut zu und nannte sie 'Tochter'. Eine herzerweichende Szene und Ursule bekam wieder Farbe in ihr Gesicht.


    Zitat


    Der Posthalter Minoret hat nun Gewissensbisse wegen seines Diebstahls und damit er nicht dauernd sein Gewissen wenn er Ursule sieht, möchte er alles unternehmen um sie aus Nemours zu vertreiben. Schön auch gleich die mitgelieferte Definition von Balzac:


    „Der Gewissensbiss ist mehr als ein Gedanke; er entspringt einer Empfindung, die sich nicht mehr verbirgt als die Liebe und die ihre Tyrannei übt.“ (Ob’s stimmt?) :rollen:


    es gibt Gewissensbisse, die die Person eigentlich zur Umkehr bewegen sollte, so war dieser Begriff für mich immer definiert. Aber in den letzten Leserunden (u.a. Zola: Therese Raquin) habe ich festgestellt, dass es auch Gewissensbisse gibt, die den Menschen in noch weitere 'Verbrechen' wirft. *schauder* (Aber was für eine Wandlung am Ende).


    Zitat


    Die anonymen Briefe an sie und Saviniens Mutter. Erst fängt es ja ziemlich „bescheiden“ an, danach geht es dann in einen regelrechten Briefterror über. :entsetzt:


    Der hässliche Goupil, der hinter der ganzen Geschichte steckt, verbindet mit dem Druck auf Ursule natürlich nur eigene Interessen. Schön fand ich hier die Darstellung der Situation:


    das war sehr hässlich, du hast recht. Auch hier nur der kurze Gedanke, dass es eine erstaunliche Wandlung Goupils' gibt.

    Zitat


    Die Mutter erhält einen anonymen Brief, wo ihr vorgeschlagen wird, ihren Sohn mit Mademoiselle de Rouvre zu verheiraten. Sie wittert sofort „Blaues Blut“ und fährt mit ihrem Sohn dahin. Ursule erfährt davon, "macht sich fertig", ist das erste Mal im Leben Eifersucht. Nun absolut – das Herantasten der Beiden.


    was ich nun garnicht mal schlecht fand, denn zu Ursules' Erwachsenwerden gehört auch eine gesunde Form der Eifersucht, aber dennoch war Ursule bereit auf Savinien zu verzichten, damit er glücklich werden konnte. Er hat ihr aber klar und deutlich gemacht, dass nicht sie allein ihn aus seinem Versprechen lösen kann, sondern er hat auch noch ein Mitspracherecht. Das hat mich sehr gefreut.


    Zitat


    Jetzt kommt eine Bemerkung, wo wir forschen müssen:


    „Ursule wurde von einem nervösen Erzittern befallen, das sich der Abbé Chapperon mitteilte, als hätte er die Ladung einer Leidener Flasche erhalten; außerdem verspürte er eine andauernde Herzerregung.“
    Scheint etwas Medizinisches zu sein? :sauer:


    meine Forschungen ergaben, dass die Leidener Flasche etwas mit Elektrizität zu tun hat: http://www.uni-regensburg.de/F…kon/L/LeidenerFlasche.htm


    Julie war durch diese permanente Erregung des Todes wirklich nahe.

    Zitat


    Wenn immer gesagt wird, Balzac „vergöttert“ den Adel, so verbindet er m.M.n. das Wort Adel mit edel: „das er ebenso edel von Gemüt wie von Abkunft ist. (S.216)


    danke für den schönen Gedanken.


    Zitat


    Die Briefe werden immer unverschämter, Ursule wird krank. Jetzt kommt Balzacs Abneigung gegen die Engländer zum Ausdruck. Diese kommen in der Menschlichen Komödie nicht gut weg.


    ich werde darauf achten, hat sich in "Eine Frau von 30 Jahren" Lord Grenville nicht aus dem Fenster gestürzt? jedenfalls ist irgendetwas mit dem Engländer passiert :zwinker:

    Zitat


    So erst mal „Pumpe“. Es sind nur noch wenige Seiten, aber ich denke, dass diese Seiten Gerechtigkeit bringen. :smile:
    Der Doktor soll ihr ja noch mal im Traum erscheinen? :grmpf:


    Gerechtigkeit nähert sich mit Riesenschritten und zwar in eine sehr spannende Weise. Du ahnst richtig, ich bin bereits durch :breitgrins:


    Zitat

    Erst mal wieder Tschüß, das letzte Stück schaffen wir auch noch Maria!


    mir gefiel die Geschichte sehr gut, die Wendungen gaben die nötige Spannung und eine gute Beschreibung der Characteren und der Schluß, wie sich gewisse Menschen änderten, fand ich erstaunlich.


    Du hast ja bereits mehr Romane von Balzac gelesen. Wo würdest du 'Ursule Mirouet' auf deiner Beliebtheitsskala ansiedeln?


    Mit den Schlußgedanken warte ich noch bis du soweit bist.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria, ich wede mich anstrengen, die letzten Seiten zu lesen.


    Zitat


    Du hast ja bereits mehr Romane von Balzac gelesen. Wo würdest du 'Ursule Mirouet' auf deiner Beliebtheitsskala ansiedeln?


    Maria, wenn du mehrere Kinder hast, würdest du sagen: "Dieter ist der Beste?" Aber ganz im Ernst, es gibt ganz große Romane, wie "Vater Goriot", "Eugenie Grandet" oder "Verlorene Ilussionen" ; ein paar sind "zusammengestückelt" wie die "Frau von dreißig Jahren" Ursule Minouret ist eine "schöne Geschichte" aus der Provinz. Zeigt auch unverwechselbare Typ-Eigenschaften, Beschreibungen und Verhalten der geldgierigen Erben. Es ist ein Teil, was zum Gesamtwerk dazugehört. Würde es fehlen, wäre die "Menschliche Komödie" nicht vollständig. :zwinker:


    Außerdem habe ich Ursule in mein Herz geschlossen. :redface:


    Zitat


    Mit den Schlußgedanken warte ich noch bis du soweit bist.


    Ich erwarte dein Resümee mit Spannung. :klatschen:


    Liebe Grüße
    Frank. :smile:

  • Hallo Frank

    Zitat

    Maria, wenn du mehrere Kinder hast, würdest du sagen: "Dieter ist der Beste?" Aber ganz im Ernst, es gibt ganz große Romane, wie "Vater Goriot", "Eugenie Grandet" oder "Verlorene Ilussionen" ; ein paar sind "zusammengestückelt" wie die "Frau von dreißig Jahren" Ursule Minouret ist eine "schöne Geschichte" aus der Provinz. Zeigt auch unverwechselbare Typ-Eigenschaften, Beschreibungen und Verhalten der geldgierigen Erben. Es ist ein Teil, was zum Gesamtwerk dazugehört. Würde es fehlen, wäre die "Menschliche Komödie" nicht vollständig. :zwinker:


    Außerdem habe ich Ursule in mein Herz geschlossen. :redface:


    klingt schlüssig für mich und Ursule und Savinien habe ich auch ins Herz geschlossen. :smile:

    Zitat

    Ich erwarte dein Resümee mit Spannung. :klatschen:


    ich weiß nicht ob ich richtig liege, aber ich hatte das Gefühl, dass es im letzten Drittel von der Wissenschaft wieder zu Religion ging. Dass alles ursprüngliche, alles was man sich nicht erklären kann, göttlichen Ursprungs ist.


    z.B. fragt Zelie den Pfarrer:

    Glauben Sie an Gespenster?


    der Pfarrer antwortet:
    glauben Sie an Einkünfte?


    diese Antwort fand ich in ihrer Kürze genial auf den Punkt gebracht.


    weiteres Beispiel:
    der alter Pfarrer spricht mit dem Posthalter Minoret um ihn zur Umkehr zu bewegen:
    S. 259
    Im übrigen sind Sie ein fast primitiver Mann, Sie werden zu sehr von Gewissensbissen gequält. Wir tragen in uns ein Gefühl für das Rechte, der zivilisierte Mensch wie der wildeste.....


    dazu die Bibelstelle: Römer 2,14
    Denn wenn die Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun des Gesetzes Werk, so sind sie obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz...


    das Gespräch des Pfarrers mit Posthalter Minoret geht weiter: S. 259


    ...denn die Gesellschaften sind nach der von dem Gott der Welten selbst eingesetzten Ordnung gebildet. Die Gesellschaften sind hierin göttlichen Ursprungs. Der Mensch findet keine Ideen, erfindet keine Formen, er ahmt die ewigen Beziehungen nach, die ihn von allen Seiten umgeben...


    dazu die Bibelstelle: Römer 13:1
    Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet.


    Es mag die Wissenschaft noch soviele Dinge finden/erfinden/herausfinden, es ist doch am Ende von Gott gegeben.


    Was meinst du, lenkt Balzac den Blickwinkel wieder auf die Religion?


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria, nun habe ich auch die letzte Seite umgeschlagen.


    Ich bewundere deine Bezüge zur Bibel.


    Die Träume der Ursule, haben ja „Licht ins Dunkel“ gebracht. Der Posthalter Minoret wurde überführt, konnte sich selbst aus seiner Verstrickung nicht mehr herauswinden und musste „Kleinbei“ geben.


    Hier hat Balzac sehr gut den Wandel der Charaktere dargestellt, wenn die Gier zum Ausbruch kommt, dieser dickfellige genügsame „Elefant ohne Rüssel“ wird zur „Bestie“ und verprügelt sogar seine Frau.


    „…jeder Mensch, der zum Schafott geht und das Geheimnis seines Verbrechens mit sich trägt, lässt sich den Kopf nicht abschneiden, ohne dass er ein Geständnis macht,…“


    Natürlich spielt die Religion und auch die Mystik eine große Rolle. Sie wird hier benutzt zur „Entwirrung des Knotens.“


    „…glauben sie, dass die Toten wiedererscheinen können.“


    Es wird wieder Swedenborg genannt, mit seiner phantasievollen Theorie der „Welt der Ideen“.


    Jedenfalls wird der Tote Dr. Minoret wieder ganz schön mobil.


    Trotz aller Mystik und Religion, gewinnt m.M.n. doch die „kalte“ Wissenschaft. Der Friedensrichter beweist anhand von Zahlen und Buchstabenabdrücken die Zusammenhänge und obwohl er nichts in der Hand hat, als die beiden Bände der Bibliothek kann er anhand von Seriennummern und Buchstaben nachvollziehen, was der Doktor seiner Patentochter übertragen hatte. Diese Überlegungen sind genial.


    Der zum Notar gewordene Goupil wird nun auch ein anständiger Mensch:


    „Die Weisheit kommt mit dem Büro: das Vermögen ist die Quelle der Sauberkeit.“


    Minoret wird nun schnell von der Justiz als Täter erkannt. Désire passiert ein Unglück, von „ferner Hand“ gesteuert, er stirbt. Er, der ehemals „glückliche Dummkopf“, geht zugrunde. Hier hätte Balzac dem Leser gegenüber etwas rücksichtsvoller schreiben können. :entsetzt:


    Jedenfalls werden Ursule und Savinien mit dem Segen der Mutter ein glückliches Paar.


    Ein Roman mit Happyend, einer der wenigen in der „Menschlichen Komödie“. :smile:


    Also ich melde mich noch mal. Erstmal alles Gute, Frank. :winken:

  • Hallo Frank


    Zitat

    Hier hat Balzac sehr gut den Wandel der Charaktere dargestellt, wenn die Gier zum Ausbruch kommt, dieser dickfellige genügsame „Elefant ohne Rüssel“ wird zur „Bestie“ und verprügelt sogar seine Frau.


    die Prügelszene hat mich ganz schön schockiert. Paßte aber zu dem Charakter des 'Caliban'


    Zitat

    Natürlich spielt die Religion und auch die Mystik eine große Rolle. Sie wird hier benutzt zur „Entwirrung des Knotens.“


    schön geschrieben.


    Zitat

    Trotz aller Mystik und Religion, gewinnt m.M.n. doch die „kalte“ Wissenschaft. Der Friedensrichter beweist anhand von Zahlen und Buchstabenabdrücken die Zusammenhänge und obwohl er nichts in der Hand hat, als die beiden Bände der Bibliothek kann er anhand von Seriennummern und Buchstaben nachvollziehen, was der Doktor seiner Patentochter übertragen hatte. Diese Überlegungen sind genial.


    und mich erinnerte es an das biblische Menetekel an der Wand, nur stand es in diesem Buch *bg*


    ich weiß auch nicht ob es jetzt nur meine Eindrücke sind, aber im letzten Drittel meinte ich Balzac stupft mich regelrecht mit umschriebenen Bibelzitaten bzw. bibl. Szenen.


    Zitat


    Der zum Notar gewordene Goupil wird nun auch ein anständiger Mensch:


    „Die Weisheit kommt mit dem Büro: das Vermögen ist die Quelle der Sauberkeit.“


    die Wandlung des Goupil hat mich auch sehr verwundert. Aber wie auch beim Posthalter Minoret leiden die Kinder unter den Sünden der Väter. Wieder ein biblischer Bezug? Desire stirbt wie prophezeit und die Kinder des Groupils sind zurückgeblieben.

    Zitat


    Minoret wird nun schnell von der Justiz als Täter erkannt. Désire passiert ein Unglück, von „ferner Hand“ gesteuert, er stirbt. Er, der ehemals „glückliche Dummkopf“, geht zugrunde. Hier hätte Balzac dem Leser gegenüber etwas rücksichtsvoller schreiben können. :entsetzt:


    ich empfand auch Mitleid, aber mir fiel dieser Bezug zur den Sünden der Väter auf.


    Zitat

    Ein Roman mit Happyend, einer der wenigen in der „Menschlichen Komödie“. :smile:


    das fand ich besonders schön. :klatschen:
    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Also Maria, :blume: :blume: :blume:



    ab sofort streite ich mich nicht mehr mit dir über Religion, ich ziehe ja eh nur „den kürzeren“. :breitgrins:


    Vielleicht hast du Theologie studiert oder bist Professor? :rollen:
    Ich will damit sagen, dass ich bei dir viel dazu gelernt habe. Du hast Verknüpfungen (Roman-Religion) gefunden, die ich in den nächsten 100 Jahren nicht gesehen hätte. :breitgrins:


    Danke, für soviel Wissen, das du mir vermittelt hast. Ich habe in „unserer Konstellation“ immer die Verbindung von Wissen und Leidenschaft gesehen. Ich hatte auch immer den Eindruck, dass wir beide ein gutes Team waren und uns gegenseitig immer „den Ball zugeworfen haben“. :bussi:


    Es hat wirklich Spaß gemacht, obwohl ich ein „notorischer Schwarzseher“ bin. Ich hatte immer Angst, wenn es zu mystisch wird, dass du aufgibst. Natürlich völlig unbegründet. :smile:


    Aber diese „Wand“, haben wir gemeinsam durchbrochen und am Ende waren wir beide über den glücklichen Ausgang zufrieden. „Ist ja alles noch mal gut gegangen.“ :zwinker:


    Eigentlich wollte ich gern mal wissen, was du so im privaten Leben machst, nachdem ich mich hier nun völlig geoutet habe. Na ja vielleicht bekomme ich mal eine e-mail, Briefe und Päckchen sind ja zu lange unterwegs. :redface:


    Also Maria, ich ziehe mich nun in die ewigen „Balzac-Gründe“ zurück. Wenn es wieder mal heißt: „Gemeinsames Lesen mit Balzac“, so „weckt mich“. :bang:


    Ich wünsche dir noch viel Spaß mit den Klassikern und der Forums-Gemeinschaft. Tschüß, Frank. :winken:


    @Hallo Alamir, Steffi, Ivy, Daniela, Sandhofer, Hubert und Dostoevskij,


    ich möchte mich nun wieder „zur Ruhe setzen“. :entsetzt:


    Es hat mir Spaß gemacht im Klassikerforum mit Euch über Balzac „zu reden“. In den letzten 4 Wochen sind die Emotionen manchmal hochgeschlagen und haben sich „Gott sei Dank“ wieder beruhigt. Das beweist aber nur, dass wir Menschen sind und Gefühle haben, im Gegensatz zu Computern. :redface:


    Ich habe aber auch dabei begriffen, wie sensibel das Internet ist. Lernen wir daraus.


    Ich wünsche Euch auch Alles Gute und lasst Euch nicht unterkriegen. :breitgrins:


    Noch viel Spaß im Klassikerforum wünscht Euch Frank. :winken:

  • Hallo Frank :blume: :blume: :blume:


    ab sofort streite ich mich nicht mehr mit dir über Religion, ich ziehe ja eh nur „den kürzeren“. :breitgrins:


    huch - ich hoffe, ich habe nicht den Besserwisser rausgekehrt? Fiel mir nur so heftig ins Auge. Ehrlich gesagt, habe ich befürchtet, dass du die Leserunde langweilig findest, weil ich mehr von deinen Beiträgen über Balzac und sein Leben profitierte. Ich froh zu lesen, dass es dir genauso viel Freude bereitet hat.


    Ich nehme dich beim Wort. Ich möchte nämlich sehr gerne weitere Romane von Balzac lesen. Am Ende einer Leserunde werde ich ganz wehmütig, besonders wenn es eine schöne Leserunde war.

    Zitat


    Vielleicht hast du Theologie studiert oder bist Professor? :rollen:
    Ich will damit sagen, dass ich bei dir viel dazu gelernt habe. Du hast Verknüpfungen (Roman-Religion) gefunden, die ich in den nächsten 100 Jahren nicht gesehen hätte. :breitgrins:


    nein, nur öfters mal in der Bibel gelesen und einiges blieb hängen. Ein ganz normaler gläubiger Christ, verheiratet und hilft dem Manne seinen (Handwerks)Betrieb zu führen. *bg* - alles ganz unspektakulär.


    ich habe in „unserer Konstellation“ immer die Verbindung von Wissen und Leidenschaft gesehen. Ich hatte auch immer den Eindruck, dass wir beide ein gutes Team waren und uns gegenseitig immer „den Ball zugeworfen haben“. :bussi:


    wir waren ein Dreamteam :knuddel:

    Es hat wirklich Spaß gemacht, obwohl ich ein „notorischer Schwarzseher“ bin. Ich hatte immer Angst, wenn es zu mystisch wird, dass du aufgibst. Natürlich völlig unbegründet. :smile:


    nein, so schnell geb ich nicht auf. Außerdem hat Balzac es sehr gut zwischen Wissenschaft (den damaligen Stand) und Religiosität ausbalanciert. Das gefiel mir.



    Also Maria, ich ziehe mich nun in die ewigen „Balzac-Gründe“ zurück. Wenn es wieder mal heißt: „Gemeinsames Lesen mit Balzac“, so „weckt mich“. :bang:


    ich melde mich dann auf jeden Fall bei dir. Eine Balzac-Runde ohne dich kommt ja überhaupt nicht mehr in Frage.

    Ich wünsche dir noch viel Spaß mit den Klassikern und der Forums-Gemeinschaft. Tschüß, Frank. :winken:


    und ich wünsche dir viel Spaß weiterhin mit Balzac und deiner Webseite. Melde dich ab und zu bei uns.


    Alles Gute und liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Frank, hallo Maria !


    Ich möchte euch zum Ende der Leserunde ein ganz großes Kompliment machen - es war richtig spannend, euch über die Schulter zu sehen und ich wollte euch danken, dass ich an eurer Begeisterung teilhaben konnte ! :winken:


    Natürlich, Frank, kannst du dich nicht so einfach wieder verabschieden. Ich hatte die vage Hoffnung, irgendwann mit dir zusammen einen weiteren Roman von Balzac zu lesen - vielleicht einen der "ganz Großen " ? Darauf freue ich mich nämlich schon - und ich bin sicher, ein paar andere auch !


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    Zitat von "Steffi"

    Ich möchte euch zum Ende der Leserunde ein ganz großes Kompliment machen - es war richtig spannend, euch über die Schulter zu sehen und ich wollte euch danken, dass ich an eurer Begeisterung teilhaben konnte ! :winken:


    Danke Steffi, für die Lorbeeren. :smile:


    Zitat

    Natürlich, Frank, kannst du dich nicht so einfach wieder verabschieden. Ich hatte die vage Hoffnung, irgendwann mit dir zusammen einen weiteren Roman von Balzac zu lesen - vielleicht einen der "ganz Großen " ?


    Darauf kannst du wetten, aber "Kleist"ert Euch erstmal zu. :zwinker:


    Und zum Jahreswechsel lesen wir dann gemeinsam einen von den "ganz Großen", Alles Gute, Frank.

  • Hallo Maria, Steffi und Interessenten,
    gerade stöbere ich im Klassikerforum und finde doch einen Eintrag von Hubert, die Zeit - Liste (100 Bücher der Weltliteratur). Hier stehen ja die ganz Großen, auf Platz 45 Balzacs "Verlorene Illusionen". Vielleicht ein Vorschlag für die nächste Balzac - Leserunde am Jahresende. Überlegt es Euch. :rollen: Ich selbst beurteile ja Bücher nicht nach "Einschaltquoten", aber dieser Roman ist für Literaturliebhaber, Autoren oder Journalisten ein "Schmeckerchen". :smile: Soll ja nur ein Vorschlag sein. Ansonsten wünsche ich Euch noch viel Spaß beim Lesen, Tschüß Frank. :winken:

  • Hallo Frank !


    Sehr gut, dass Du schon einen Vorschlag gemacht hast - wie ich sehe, entkommst Du dem Klassikerforum nicht :breitgrins:


    Ich würde mich auf jeden Fall freuen, so Ende des Jahres ...


    Damit das Ganze etwas "offizieller" wird, werde ich deinen Vorschlag in die Lesevorschläge eintragen - ich hoffe, das ist dir recht ?!


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen
    hallo Steffi


    schließ mich euch gerne an. Toller Vorschlag :winken:


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)