Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • 30. Gesang


    Zu Beginn verliert Dante viele Worte, dass er keine Worte für die verklärte Schönheit Beatrices finden kann.
    Es wird noch heller: Himmelssee und Himmelsrose werde beschrieben.


    31. Gesang


    Auftritt Bernhard von Clairvaux. Beatrice darf endlich auf dem ihr zustehenden Thron sitzen. Dante bedankt sich bei ihr für alle Wohltaten. Der Rest des Gesangs ist der Himmelskönig Maria gewidmet. Passenderweise von Bernhard begleitet, der viel zum Aufschwung des Marienkultes beigetragen hat.


    32. Gesang


    Nun geht es an die Detailbeschreibung der Himmelsrose. Die Bewohner derselben sind streng nach Verdienst angesiedelt. Hier trifft man nun endlich auf Augustinus. Allerdings ist mir nicht ersichtlich, weshalb dieser so weit über Thomas von Aquin im Himmel thronen darf. Vielleicht aufgrund seines Klassikerstatus? :zwinker:


    Beschreibung der göttlichen Willkür:


    und stattet sie, wie ihm gefällt, verschieden
    mit seiner Gnade aus, und so ist gut.


    33. Gesang


    Bernhard preist Maria und Dante schaut (nach der Bibelprominenz) Gott. Die Beschreibung erinnert an mystische Texte. Wenig überraschend wählt er erneut die Kreisform als Symbol.


    FERTIG :klatschen:


    CK

  • Hallo zusammen!


    Ich versuch mal, den Überblick zu behalten: xenophanes ist soeben zum Ende gekommen, Maja ein bisschen hinter mir (glaube ich ...), Georg schon seit Wochen fertig, nimue und Bluebell den süssen Heldentod gestorben.


    Mein aktueller Stand:


    Im 16. Gesang ist Dante immer noch im Gespräch mit seinem Urahnen. Für meinen Geschmack hängen beide ein bisschen allzusehr an dem kleinen Flecken Florenz. Auf dieser Ebene des Paradiso müssten sie doch den kleinlichen Lokalpatriotismus und Faktionengeist hinter sich gelassen haben ...


    Darauf, im 17. Gesang, wird Dante sein Schicksal, die Emigration prophezeit. Der Vergleich dieser Propheizeiung als richtig, da aus christlichem Mund und von Gott autorisiert im Gegensatz zu den falschen, weil heidnisch und rein menschlich motivierten griechischen Orakeln scheint mir allerdings recht gewagt. Dante prophezeit hier ja post festum, d.h., er verlegt die Prophezeiung so weit zurück, dass er die im realen Leben bereits zurückgelegten Jahre sich prophezeien kann. Und das dann als christlich-korrekt auszugeben ... hm ...


    Doch Dante erfährt nicht nur sein Schicksal, er erfährt auch seine Bestimmung: Dichter zu sein und die Wahrheit zu künden.


    Der freie Wille wird nun auch erklärt, bzw., warum von freiem Willen gesprochen werden kann, auch wenn Gott allmächtig und allwissend ist. Wenn ich es richtig verstehe, handelt es sich darum, dass Gott quasi ausserhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums angesiedelt ist; seine Allmacht und sein Allwissen uns also sozusagen nicht berühren.


    In Gesang 18 der Adler als Sinnbild der irdischen Gerechtigkeit. Die im 17. Gesang aufgebaute Spannung fällt für mein Gefühl hier allerdings wieder etwas zusammen.


    Gesang 19: Das vielseelige Adlerwesen spricht wie aus einem Mund. Einmal mehr zeigt sich Dantes Jenseits als multi-medial, alle Sinne beanspruchend. Dante erfährt zum ersten Mal, dass es Fragen gibt, auf die auch die Offenbarung dem Menschen keine Antwort geben kann, da gewisse Ratschlüsse Gottes vom Menschen nicht erfasst werden können.


    Im nächsten Gesang, dem 20., spricht das Adlerwesen weiter, weist auf einige seiner "Bestandteile hin: David, Trajan, Ripheus ... Die Erwähnung des letzteren wohl noch einmal eine Huldigung an Vergil, der ihn als einen der edelsten trojanischen Helden nennt.


    Gesang 21: Dante ist an die Grenze menschlicher Erkenntniskraft gelangt. Die Vorausbestimmung als tiefsten Grund der göttlichen Gerechtigkeit vermag er nicht zu begreifen. Beatrice hebt ihn einen Himmel höher, wir sind nun in der obersten Region des Paradiso. Beatrice lächelt nicht mehr, die Seelen singen nicht mehr - beides würde Dante sofort umbringen. Die Himmelsleiter - bekannt aus dem Alten Testament - erscheint.


    Soweit für heute.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Auch ich bin wieder ein Stücklein weiter, habe aber manchmal Verständnisschwierigkeiten...
    Zum Beispiel im 19. Gesang die Verse 13 - 18, die ersten Worte des Adlers. ???
    Ein freudiges Wiedererkennen gab es dann in der Schimpfrede auf die zeitgenössischen Herrscher am Ende: Dem Kaiser Albrecht bin ich diesen Sommer im Zusammenhang mit Wilhelm Tell begegnet. Er war es nämlich, der den Schweizern das Leben schwergemacht hat!


    Zum 20. Gesang:

    Zitat von "xenophanes"

    Im zweiten Teil wird dann die Willkür der göttlichen Gnadenwahl gepriesen. Leider für den armen lebenden Gläubigen noch nicht nachvollziehbar :zwinker:


    Warum? Ich habe es so verstanden, dass es besser ist, als Heide christlich zu denken und handeln als nur dem Namen nach Christ zu sein. Aber vermutlich sehe ich wieder mal das Problem nicht...


    Aufgefallen ist mir in 58 - 60, im Zusammenhang mit Konstantin:
    Nunmehr erkennt er, dass das Übel, welches
    Aus seiner Wohltat kam, ihm nicht geschadet,
    Wenn auch die Welt dadurch verwüstet wurde.

    Dass die Absicht mehr als die Wirkung zählt, ist doch auch eine (erst in neuerer Zeit?) umstrittene philosophische Position?!
    Übrigens heitsst es 6 Mal im Abstand von 6 Zeilen Nunmehr erkennt er,....
    Am Ende sind mir die zwei Flämmchen, die winken, irgendwie bekannt vorgekommen. In Inferno 27,88, bei Odysseus, ist es ähnlich.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    90% gelesen....


    Zitat von "Sandhofer"

    Im nächsten Gesang, dem 20., .... David, Trajan, Ripheus ... Die Erwähnung des letzteren wohl noch einmal eine Huldigung an Vergil, der ihn als einen der edelsten trojanischen Helden nennt.


    Jacoff deutet es als Zeichen von Gottes Undurchschauberkeit, aber auch von Dichterfreiheit.


    Zitat von "xenophanes"

    Warum erst ein Adler, danach aber eine vergleichsweise profane Leiter?

    Was heisst hier profan, sie ist immerhin aus Gold! :breitgrins: Traditionelles Symbol für das kontemplative Leben. Aber als Himmelsleiter auch Symbol der lebendigen Beziehung zwischen Mensch und Gott (Engel, die auf- und absteigen). Besonders witzig fand ich, dass die auf- und absteigenden Lichter bzw. Flämmchen am Anfang von Gesang 21 mit Krähen verglichen werden!


    In Gesang 22. war mir Vers 96 unklar: Kleinere Wunder reichen, um Ordensleute wieder auf den richtigen Weg zu führen. Ist das nun eine Relativierung der vorangegangenen Ordenskritik, oder Kritik an der Wundergläubigkeit, die manchmal fast an Aberglauben grenzt?


    Am Ende der Blick zurück zur Erde: Er hat eine Entsprechung am Ende vom 27. Gesang, die beiden Blicke auf die Erde rahmen den Aufenthalt im Fixsternhimmel.


    Im 23. Gesang wurde es mir ein bisschen kitschig. Irgendwie geht es mir nicht nahe, bleibt äusserlich.
    Dann immer wieder die Bemerkung, er könne das gar nicht beschreiben. (Sie kommt wohl fast in jedem Gesang einmal vor?) Dabei wird dann jeweils durchaus sehr anschaulich beschrieben, jedenfalls ist am Anfang vom 24. Gesang das Bild, wie die flammende Kugel um Beatrice herumkreist, sehr anschaulich, sogar witzig!


    Zitat von "xenophanes"

    23. Gesang
    Jetzt gehts ans Eingemachte: Dante sieht Christus und - explodiert:


    In meiner Übersetzung ist es nicht so dramatisch:
    So wie der Blitz hervorbricht aus der Wolke,
    Weil er vergrössert keinen Raum mehr findet,
    Und gegen die Natur sich stürzt nach unten:
    So ist mein Geist, der sich So sehr geweitet
    Von jenen Gaben, aus sich selbst gefahren,
    Und was geschah, kann er sich nicht erinnern.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Ich bin gestern auch noch dort angelangt. (Zum restlichen Text meine Bemerkungen später ...) Was Dante hier erlebt, ist keine Explosion, sondern (sprachlich damit verwandt) eine Ekstase. Für von Wartburg - und ich kann mich ihm hier nur anschliessen - ein Hinweis darauf, dass Dantes Commedia wohl in einer echten mystisch-ekstatischen Vision wurzelt. Wohl nur eine Vision hat Dante die Berechtigung geben können, übers Jenseits überhaupt zu schreiben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo xenophanes


    Zitat von "xenophanes"

    Sehe schon, meine Ironie ist hier vergeudet :breitgrins:


    Mir war schon klar, was Du meinst. Ich dachte bei meinem Beitrag mehr an den zufälligen Mit-Lurker, der Dante nicht gelesen hat. :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!
    96%....
    Unterdessen ist mir klargeworden, warum das Paradiso so viel "mühsamer" zu lesen ist: Nicht nur wegen all den Allegorien, sondern auch auf der rein sprachlichen Ebene: Die Sätze sind viel länger geworden, öfter als vorher gehen die Sinneinheiten über das Zeilen- oder sogar Terzinen-Ende hinaus (Enjambements).


    Im 25. Gesang wieder ein Vogelvergleich. Davon scheint es im Paradiso nur so zu wimmeln, wir hatten doch schon Vogelflug, Störche, Krähen, den Adler und einen anonymen Vogel, der Futter zum Nest bringt.


    Im 26. Gesang soll wieder Dante sprechen, man unterrichtet ihn nicht. Heisst das, dass es hier um Erkenntnisse geht, die nicht aus Büchern oder von andern lernbar sind, sondern auf die man selber kommen muss?


    In Vers 26 die Einheit von Vernunft und Offenbarung:
    ..."Aus Philosophischer Begründung
    Und durch die Macht, die niedersteigt von oben...

    Kurz und bündig nimmt Dante hier Stellung zur philosophischen Diskussion seiner Zeit!


    Zu 27:

    Zitat von "xenophanes"

    Petrus schimpft über seine Nachfolger:


    Überraschend, dieser "Absturz" ins Irdische-Profane, nach den hohen Themen der letzten Gesänge!


    Zum 28. Gesang ein Hinweis aus meinen Anmerkungen: in Zeile 12 kommt das Wort "Amor" zum dritten und letzten Mal mit grosser Initiale vor. Dies im 3900. Vers des Paradiso! (39 als "heilige" Zahl Beatrices).


    Im 29. Gesang fand ich die Schimpfrede auf die übertriebene Bibelauslegung richtig erfrischend! Flott geschrieben und klar verständlich, besonders witzig fand ich die Übersetzung von 103 - 106:
    Florenz hat soviel Hinze nicht und Kunze,
    Wie solche Fabeln man in jedem Jahre
    An allen Orten ausruft von den Kanzeln;

    Doch warum schaut der Teufel plötzlich in Form eines Vogels aus der Kapuze? (Vers 118!)


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!
    FERTIG :freu:

    Zitat von "Sandhofer"

    Wohl nur eine Vision hat Dante die Berechtigung geben können, übers Jenseits überhaupt zu schreiben.


    Das wird vermutlich in XXXII 139 gesagt, Bernhard sagt dort:
    Doch da die Stunde deines Traums entschwindet,
    Will ich hier schliessen...


    Zitat von "xenophanes"

    ...Bernhard ..., der viel zum Aufschwung des Marienkultes beigetragen hat.


    Das wusste ich nicht, danke für den Hinweis.


    Zitat von "xenophanes"

    ... Himmelsrose. Die Bewohner derselben sind streng nach Verdienst angesiedelt.


    Nach Verdienst? Nicht nach (undurchschaubarer) Gnade Gottes?


    Im Laufe von Gesang 30 habe ich mich gefragt, wann eigentlich die Beispiele aus der Antike aufgehört haben. Hat jemand darauf geachtet, oder müssen wir uns die Frage für den zweiten Durchgang notieren?
    Über die Vermischung von antiker und christlicher Mythologie wurde seit der Aufklärung diskutiert, einen Abschluss fand die Diskussion bei Hegel:
    Das Altertum blickt zwar in diese Welt des katholischen Dichters hinein, doch nur als Leitstern und Gefährte menschlicher Weisheit und Bildung, denn wo es auf die Lehre ankommt, führt nur die Scholastik christlicher Theologie und Liebe das Wort.


    Am Wochenende habe ich ein halbes Buch über die deutsche Dante-Rezeption gelesen: Der grosse Schub setzte in der Romantik ein, wobei nicht ganz klar ist, wie weit die Romantiker ihre Theorie von Universalpoesie in Dante bestätigt sahen oder sie eben gerade an ihm entwickelten. Doch schon damals war die Lektüre nicht einfach und beschränkte sich oft auf die Hölle oder ausgewählte Szenen. Ein A.W.Schlegel-Zitat zum Trost:Freilich ist es anstrengend, bei jedem Schritt seine Zuflucht zu einem Commentar nehmen zu müssen, der zuweilen noch verworrener ist als der Text; nur durch Geduld und Anstrengung wird man vertraut mit diesem Dichter, und erst beim zweiten oder dritten Lesen gelangt man zum vollen Genuss.


    Noch ein Müsterchen: Karl Witte, der seine jahrelangen Bemühungen um Dante zum Jubiläumsjahr 1865 mit einer Übersetzung krönte, übersetzte am liebsten im Freien auf und ab wandelnd, da er den italienischen Text auswendig wusste.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Nein, ich bin noch nicht fertig. Im Moment stecke ich am Ende von Gesang 28.


    Im Gesang 22 trifft Dante auf den heiligen Benedikt. Der wiederum verweist auf die Wichtigkeit der vita contemplativa. Und zum ersten Mal wird Dante nicht in einem Augenblick in den nächsten Himmel gehoben, sondern Beatrice muss ihn schieben. :smile: Die Kleinheit der Erde - dieser Teil wirkte auf mich sehr modern: Dante als Astronaut ...


    Im 23. Gesang sind wir nun im Fixsternhimmel. Die himmlischen Scharen, die Christus vorangehen, treten auf. Hier ist es auch (Vers 40 ff), wo Dante m.E. ganz eindeutig darauf verweist, dass zumindest der Kern seiner Commedia einer erlebten Ekstase entstammt.


    In Gesang 24 trifft nun Dante auf den harten Kern der Jünger Jesu: Petrus, Jakobus, Johannes. Fast wie in einem Katechismus wird er von ihnen abgefragt. Glaube, Hoffnung, Liebe sind die Themen der Befragung; jedes Thema ist einem Jünger zugeordnet. Petrus beginnt, Jakobus übernimmt, Johannes macht den Schluss. Dies geht so weiter in Gesang 25.


    Dante, der vorübergehend erblindet, wird in Gesang 26 wieder sehend. Ein viertes Licht erscheint neben Petrus, Jakobus und Johannes: Adam. Dante stellt ihm Fragen (bzw. eben nicht, aber da die ungestellten Fragen in Dantes Geist sich in Gott spiegeln und von da auch Adam zugänglich sind (eine Art gutartiger 'Big Brother'!), kann Adam trotzdem antworten. Seine Antworten sind allerdings völlig schulmässig und insofern m.E. nicht sehr interessant.


    Im 27. Gesang verflucht Petrus seine Nachfolger. Insbesondere die zur Zeit Dantes aktuellen Päpste haben es ihm angetan. Es geht mir hier wie Maja: Eine, wie ich finde, letztlich kleinliche Reaktion Dantes auf die Verfolgung durch diese Männer. Angesichts der Ewigkeit hätte er doch mehr Toleranz aufbringen können und diese Männer schlicht der Vergessenheit übergeben, findet Ihr nicht? Schliesslich endet der Gesang ja auch mit einem Rückblick auf die winzig-kleine Erde ...


    Und im 28. Gesang schaut Dante zum ersten Mal die Gottheit. Noch von ferne. Auch die Hierarchie der Engel erscheint hier - streng nach Dionysios Aeropagita.


    Danke für den Hinweis zu "Amor", Maja. Dieser Aspekt ist m.E. ungeheuer wichtig in der commedia!


    Soweit bin ich jetzt gekommen. Nächste Woche sollte auch ich zum Schluss kommen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Ich bin immer noch nicht fertig, aber auch wenn keiner mehr mitliest, werde ich doch noch meine Eindrücke hier posten :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Der 29. Gesang ist reinste mittelalterliche Theologie. Wieviele Engel gibt es, und seit wann gibt es sie? Wie steht Gott zur (irdischen) Zeit?


    In Gesang 30 betreten wir das Empireo, das unbewegte Bewegende, die Welt des reinen Lichts. So ganz nebenbei gibt uns Dante auch zu verstehen, dass er das Ende der Welt für nahe hält: Nur noch wenige Plätze im Empireo sind frei ...


    Es ist hier nur noch eine mystische Schau möglich, die letzten Endes auch die Möglichkeit der Beschreibung übersteigt. Symbolisch dafür verschwindet in Gesang 31 Beatrice als Führerin und ihren Platz nimmt einer der grossen Mystiker ein: Bernhard von Clairvaux. Damit verabschiedet sich Dante auch symbolisch von der Lehre der Kirche (= Beatrice). Den letzten Schritt hin zu Gott macht nur noch reine mystische Schau möglich. Eine interessante Perspektive. Die mir im übrigen ein weiteres Mal bestätigt, dass Dantes Commedia wohl wirklich ein mystisches Erlebnis zugrunde liegen muss.


    Zitat von "Maja"

    Im Laufe von Gesang 30 habe ich mich gefragt, wann eigentlich die Beispiele aus der Antike aufgehört haben. Hat jemand darauf geachtet, oder müssen wir uns die Frage für den zweiten Durchgang notieren?


    Vielleicht ganz einfach, weil die wenigsten Gestalten und Figuren der Antike (egal, ob sagenhaft oder echt) das "Recht" zum Einsitz im christlichen Paradies haben? Anders kann ich es mir auch nicht erklären.


    Mal schauen, wann ich Zeit finde für die letzten beiden Gesänge ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,
    Natürlich lese ich noch mit!


    Zitat von "Sandhofer"

    So ganz nebenbei gibt uns Dante auch zu verstehen, dass er das Ende der Welt für nahe hält: Nur noch wenige Plätze im Empireo sind frei ...


    ... und dass nur wenige Lebende noch des Paradieses wüdig sind!
    War das nahe Weltende nicht eine Vorstellung, die das ganze Mittelalter und noch einige Zeit darüber hinaus wirkte? Irgendwie habe ich da so eine Erinnerung an Brants Narrenschiff (1493)...


    Zitat von "Sandhofer"


    Vielleicht ganz einfach, weil die wenigsten Gestalten und Figuren der Antike (egal, ob sagenhaft oder echt) das "Recht" zum Einsitz im christlichen Paradies haben? Anders kann ich es mir auch nicht erklären.


    Meine Frage war eigentlich wann sie aufgehört haben. Denn es war doch erstaunlich, wie lange sie noch vorkamen!


    Zitat

    einer der grossen Mystiker ... Bernhard von Clairvaux.


    Danke für den Hinweis, ich hatte ihn auch bei den Philosophen eingeordnet und erst jetzt (als ich Dir widersprechen wollte :breitgrins: ) realisiert, dass er in den Philosophiegeschichten eigentlich eher am Rande erwähnt wird.


    Viel Spass noch bei der Lektüre,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Maja"

    Natürlich lese ich noch mit!


    Wunderbar!


    Ich bin unterdessen auch fertig, werde aber mein Posting dazu auf morgen oder übermorgen verschieben, da ich heute keine Energie mehr dafür habe.


    Zu den altertümlichen Gestalten noch: Sorry, Maja, ich habe Dein "wann" in ein "warum" verlesen. Wann also? Hm - der letzte war wohl jener Trojaner, den Dante aus Vergil genommen hat. Davor ... hm ... Trajan? Oder?


    Grüsse


    Sandhofer
    der sich jetzt schlafen legt ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,

    Zitat von "Sandhofer"

    Ich bin unterdessen auch fertig, werde aber mein Posting dazu auf morgen oder übermorgen verschieben, da ich heute keine Energie mehr dafür habe.


    Eigentlich solltest Du doch jetzt vor Energie nur so sprühen... :breitgrins:
    Gruss,
    Maja

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich bin immer noch nicht fertig, aber auch wenn keiner mehr mitliest,


    :grmpf:


    Es versteht sich von selbst, dass ich noch mitlese :zwinker:


    Allerdings breche ich am Samstag zu einer Studienreise nach Ägypten auf, was mich gehörig vom christlichen Mittelalter ablenkt. Etwaige noch offene Punkte, werde ich dann nach meiner Rückkehr beantworten.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Meine letzten beiden Gesänge:


    In Gesang 32 wird uns die Himmelsrose geschildert. Maria rückt ins Zentrum. Dieses Zentrum wird sie schliesslich in Gesang 33 definitv innehaben, bevor sie dann durch eine Vision der Dreieinigkeit abgelöst wird.


    Ich war überrascht, dass der Text hier einfach so abbricht. Dantes Rückkehr auf die Erde ist offenbar kein Thema mehr ...


    Noch kann ich kein eigentliches Fazit ziehen. Ist Dantes Text immer noch aktuell? Ich glaube schon. Seine starke Betonung der Liebe, die grosse Rolle, welche Frauen einnehmen, muten sehr modern an. Natürlich können die meisten heute Fragen wie der nach der genauen Dauer von Adams Aufenthalt im irdischen Paradies wenig mehr abgewinnen. Ebensowenig einer genauen Klassifizierung der Engel.


    Was mir wohl bleiben wird: Dantes starke Verbundenheit mit seiner Heimatstadt - im Guten wie im Schlechten. Diese rätselhafte Frau im irdischen Paradies. Dantes nach wie vor ungeheuer sinnliches Verhältnis zu seiner Beatrice. Vergil: kühl, nüchtern, seiner eigenen Grenzen wohl bewusst. Also im grossen und ganzen sehr viel Fleisch an einem eigentlich sehr trockenen theologischen Knochen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Nicht zu vergessen: der quasi erkenntnistheoretische Aspekt der Commedia. Der natürliche Verstand, der den Menschen allenfalls ins irdische Paradies zu bringen vermag, mehr nicht kann, aber wohl auch nicht will, u.U. schon damit zufrieden ist, sich im Limbo aufzuhalten: kein Schmerz, aber auch keine Freude (klingt doch sehr nach Stoizismus, oder?). Um weiter zu gelangen, braucht es die Religion, eine Kirche, deren Dogmen der Mensch anhängt. Und um wirklich zum Ziel zu gelangen, eine Erleuchtung. Ist das heute sooooooo anders? (Vorausgesetzt, man gibt sich eben nicht mit dem irdischen Paradies oder gar dem Limbo zufrieden?) Auch Kant, der Alleszermalmer, hat ja im Grunde nichts anderes gelehrt ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • "but no one has done for Homer what John A. Scott has now done for Dante in Understanding Dante (Notre Dame). An Australian scholar, Scott is one of the world's leading Dantisti. In this summa of his career he has written a commanding, elegant overview of Dante's works, analyzing his historical context; his political, moral, and religious ideas; the structure and texture of his writing; and the state of Dante scholarship. Scott has accomplished the nearly impossible: he has married close interpretation with broad synthesis—and in clear, often vigorous prose. This is a significant and deeply satisfying book. "


    Quelle:
    http://www.theatlantic.com/doc/prem/200504/schwarz


    CK

  • Hallo an alle!


    Heute hab'ich diese Forum entdeckt.
    Wahrscheinlich hätt'ich mich irgendwann eingeschrieben.
    Stattdessen sofort, wg Divina Commedia.


    Frage: kann ich noch einsteigen? Es ist nämlich so, daß mich zunächst und auf Anhieb die Hölle interessieren würde,
    bzw einige Cantici (Ulisse, Conte Ugolino, Paolo e Francesca, und etwas mehr...), Ihr aber längst darüber hinweg seid.


    Die Commedia hab'ich intensiv Ende der 40er, Anfang der 50er durchgeackert (auf Ital.).
    Irgendwo hab'ich noch im meinem Chaos die Unterlagen. Sollt'ich sie nicht finden (Modal-Fall bei mir!), würd'ich mir einen neuen it. Text besorgen, einen deutschen brauch'ich sowieso.
    Selbstverständlich werde ich mir alle bisherigen Beiträge aufmerksam "'reinziehen".


    Möchte aber nicht so mißverstanden werden, daß mein Interesse
    lediglich dem Inferno gilt!


    Vielleicht finden wir einen Modus?


    abifiz
    Gruß

  • Hallo abifiz und herzlich willkommen! :blume:


    Zitat von "abifiz"

    Heute hab'ich diese Forum entdeckt.
    Wahrscheinlich hätt'ich mich irgendwann eingeschrieben.
    Stattdessen sofort, wg Divina Commedia.


    Frage: kann ich noch einsteigen? Es ist nämlich so, daß mich zunächst und auf Anhieb die Hölle interessieren würde,
    bzw einige Cantici (Ulisse, Conte Ugolino, Paolo e Francesca, und etwas mehr...), Ihr aber längst darüber hinweg seid.


    Hm. Tut mir furchtbar leid. Soweit ich sehen kann, sind alle mit der Lektüre fertig. Zwei oder drei sind allerdings unterwegs den Heldentod gestorben; vielleicht kann man die und / oder ein paar neue ja motivieren zu einer dritten Dante-Leserunde ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus