Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • Zitat von "sandhofer"


    Dante ruft zu Beginn von Gesang 1 wieder jemand an, ihm beim Abfassen seines Werks zu helfen. Es sind aber nicht mehr die Musen, es ist ihr 'Chef' - Apollo, der ihm beistehen soll.


    Trotzdem finde ich es sehr erstaunlich, dass - literarische Konventionen hin oder her - am Beginn der Reise ins theologische Elysium ausgerechnet die Anrufung eines antiken Gottes steht.


    Interessant auch


    da lohte weithin, wie mir schien, der Himmel
    in Sonnenflammen auf, ein Feuer-See,
    so weit wie keine Überschwemmung reicht.


    Ein Feuersee als eines der ersten Bilder für das Paradies erinnert doch schon wieder stark an die Hölle.


    Zitat von "sandhofer"


    Gesang 2


    Im übrigen halten wir uns in der Sphäre des Mondes auf (im Mond? in seiner Substanz?). Beatrice widerlegt Dante in scholastisch-logischer Manier dessen Ansichten über die Flecken im Gesicht des Mondes.


    Ich finde das auch sehr bemerkenswert. Beatrice beschreibt hier eine Art von Frühempirismus (um diesen danach zurückzuweisen):


    Wenn sterbliche Vermutung dort sich irrt,
    wo sinnliche Erfahrung nicht vorausgeht
    [...]
    Von diesem Einwurf kann dich die Erfahrung,
    wenn du sie je versuchen willst, befreien;
    sie ist zumeist die Quelle eures Wissens.


    So klassisch-scholastisch ist das gar nicht. Sie beschreibt ja sogar ein Experiment. Philosophisch pikant auch, dass Dante seine alte "wissenschaftliche" Mondfleckentheorie nun durch eine "unwissenschaftliche" theologische Erklärung ersetzt.


    Zitat von "sandhofer"

    3. Gesang


    Ein philosophischer Krimi! Wo sonst kann man "echte Substanzen" vor einem sehen :breitgrins:


    Zitat von "sandhofer"


    Der dritte Gesang führt Dante wieder zu theologischen Fragen, die im vierten dann behandelt werden.
    (Ganz allgemein scheint mir Dante im Paradiso stärker an den herrschenden theologischen Ansichten übers Paradies orientiert zu sein als im Inferno und im Purgatorio.)


    Sehe ich ähnlich: Es ist ein Weg, der vom Volksglauben zur Philosophie und Theologie führt. Womit aber nicht gesagt sei, dass in der Hölle die Theologie keine Rolle spiele, alleine die "Geographie" zeigt das ja.


    Zitat von "sandhofer"


    Gesang 5 behandelt dann das theologische Problem des Gelübdes bzw. seiner Auflösung. Und zum Schluss fliegen wir in einem Augenblick (wortwörtlich!) vom Mondhimmel in den des Merkur.


    Bis jetzt finde ich die theologischen Darlegungen gut nachvollziehbar, weshalb ich vor dem 6. Gesang eine kleine Pause einlege :zwinker:


    CK

  • Servus! :winken:


    Ich habe den Läuterungsberg nun ebenfalls abgeschlossen.


    Zitat von "xenophanes"

    Die letzten Gesänge, die im Garten Eden spielen und wo Beatrice zum ersten Mal auftritt, fand ich vergleichsweise abstrakt. Viel Allegorik. Vermutlich schon ein Vorgeschmack aufs Paradies ...


    Ging mir genauso. Also wenn das jetzt das ganze Paradies hindurch so weitergeht ... *schluck*


    Zitat von "Maja"

    Ich war vom Purgatorio positiv überrascht, da eigentlich immer primär von der Hölle gesprochen oder geschwärmt wird. Ich fand es mindestens ebenso kurzweilig zu lesen.


    Hm, also ich gehöre wohl auch eher zur Höllenfraktion. Du hast schon recht, der Läuterungsberg wirkt "menschlicher" ... aber ich persönlich konnte mir die Hölle optisch irgendwie besser, also wesentlich bildhafter vorstellen, und das macht für mich beim Lesen einen großen Reiz aus.


    Zitat von "sandhofer"

    Vergil, zu dem sich Dante in seiner Angst wenden will, ist - verschwunden.


    Ich war schon seit ein paar Gesängen gespannt darauf, wie dieser Abschied zwischen Vergil und Dante vor sich gehen würde (ich hatte eigentlich doch mit etwas Herzschmerz oder einem kleinen Ohnmachtsanfall gerechnet :breitgrins: ), und war über Vergils heimlichen Abgang überrascht.


    Eine Frage habe ich zu Gesang 24: kennt sich zufällig jemand von euch mit provenzalischer Dichtung aus?
    Zum hier auftauchenden Bonagiunta meint mein Kommentar nämlich: ein Dichter der Generation vor Dante, sklavischer Nachahmer der provenzal. Dichtung.
    Und etwas später zu Guitton: Dichter aus Arezzo (2. Hälfte des 13. Jhs.), der zwischen der sizilianischen Dichterschule und der Schule des "süßen neuen Stils" steht, jener Richtung, die von Guido Guinizelli aus Bologna begründet und von Dante selbst und seinem Freund Guido Cavalcanti zur Vollendung geführt wurde. Sie verzichteten auf die sklavische Nachahmung der provenz. Dichtung und pflegten eine verfeinerte Liebesauffassung, die sich auch in veredelter Sprache äußerte.
    "Süßer neuer Stil" - hat das auch etwas mit dem Übergang von Mittelalter zu Renaissance zu tun, den wir zu Beginn der Leserunde diskutiert hatten? Und was genau waren denn nun diese Liebesauffassung und Sprache, die den Nachfolgern nicht fein und edel genug waren? Google gibt diesbezüglich leider nicht viel her (werde noch im Lexikon nachschauen), aber vielleicht kann mir ja von euch jemand weiterhelfen?


    Ich wünsche euch noch einen schönen Abend!


    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    "Süßer neuer Stil" - hat das auch etwas mit dem Übergang von Mittelalter zu Renaissance zu tun, den wir zu Beginn der Leserunde diskutiert hatten? Und was genau waren denn nun diese Liebesauffassung und Sprache, die den Nachfolgern nicht fein und edel genug waren?


    Irgendwo gibt, glaube ich, Dante selber eine Erklärung: die neuen Poeten lassen das Herz sprechen, anstatt sich stur an Regeln zu halten. Oder so ähnlich. Ich müsste es jetzt nochmals nachlesen, aber heute abend fehlt mir die Zeit. Vielleicht später ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Im 7. Gesang hat mir ehrlich gesagt den bleibendsten Eindruck hinterlassen die Tatsache, dass Dante - ganz konform mit der damaligen Lehrmeinung - Tieren und Pflanzen die Unsterblichkeit abspricht.


    Der Gesang ist darüber hinaus eine pointierte Zusammenfassung der Heilsgeschichte und der entsprechenden theologischen Auffassung im Mittelalter.


    Zitat von "sandhofer"


    8. Gesang
    sogar via Aristoteles' Zoon Politikon zu einer (wie wir heute wohl sagen würden:) soziologischen Kraft der Vergesellschaftung des Menschen macht.


    Nicht nur das! Am Ende des Gesangs wird dieser Gedanke dann noch einmal differenziert, wenn Martell für plädiert, doch individuelle Begabungen zu berücksichtigen:


    Wenn eure Welt die von Natur gegebne
    Anlage sachgemäß betrachten möchte,
    bekäm sie ein gutes Menschenvolk.
    Ihr aber biegt und zwängt zum Klosterleben
    ein für das Schwert geschaffenes Menschenkind
    und krönt zum König einen Kanzelredner.


    Zitat von "sandhofer"


    Die Liebe bleibt Thema auch im 9. Gesang, wo Dante die trifft, die allenfalls zu viel bzw. ein falsches Objekt geliebt haben.


    Und Florenz wird gegen Ende als geldgierige Schöpfung des Luzifers beschimpft.


    Zitat von "sandhofer"


    10. Gesang
    Prompt trifft Dante die ganz grossen Kirchenväter hier:


    Wo in aller Welt hat er den Augustinus gelassen?!


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Wo in aller Welt hat er den Augustinus gelassen?!


    Ich meinte, der war auch da. Oder kommt er erst noch? Ich habe den Text zu Hause liegen und kann nicht nachschauen. Und zu Hause kann ich zwar nachschauen, aber im Moment nicht ins Internet - mein PC röchelt sterbend vor sich hin und erkennt mal diese mal jene Karte nicht mehr ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Augustinus
    Ich meinte, der war auch da. Oder kommt er erst noch?


    Nein, nur eine Quelle von ihm, Paulus Orosius wird erwähnt (und Augustinus dann im Kommentar).


    Zitat von "sandhofer"


    mein PC röchelt sterbend vor sich hin und erkennt mal diese mal jene Karte nicht mehr ...


    In welchen Höllenkreis wirst du deinen PC nach dessen Tod stecken? :breitgrins:


    CK

  • 11. Gesang


    Dante beginnt hier mit einer netten Publikumsbeschimpfung:


    Unsinnige Verstrickung irdischer Sorgen,
    wie mangelhaft eure Gedankenkünste,
    daß ihr die Flügel kaum vom Boden hebt!
    In Rechtsgeschäfte, in Gesundheitslehre,
    in Pfründenwesen, in Regierungsssachen
    verfangen mit Gewalt und Klügelei [...]


    Danach setzt Thomas von Aquin zu einer fulminanten Lobpreisung des Franz von Assisi an. Hier wiederum spielt das Lob der Armut eine herausragende Rolle. Wenn man im Hinterkopf hat, dass Dante zu dieser Zeit ein bettelarmer Emogrant war, erhält das eine besondere Note.


    12. Gesang


    Die Himmelsmechanik zu beginn als "heiliges Mühlrad" zu bezeichnen, fand ich komisch. Wie übersetzen das die anderen Ausgaben?
    Das Lob des Dominicus hebt nicht zuletzt dessen inquisitative Effizienz hervor:


    und apostolischem Amte drang er vor,
    ein Gießbach, der mit mächtigem Gefäll
    die ketzerischen Wurzelstöcke traf
    und überall, wo sie massig widerstanden,
    nur desto lebhafter sich auf die stürzte.


    13. Gesang


    Thomas von Aquin lobt die himmlische Weisheit und stellt danach Salomon als perfekten irdischen Weisen hin. Warum? Weil er sich auf praktische Dinge beschränkte und sich nicht für philosophische Fragen interessierte:


    daß er um Weisheit bat als König [...]
    nicht um die Zahl der himmlischen Beweger
    zu wissen, noch ob aus Notwendigkeit
    und Zufall sich ein logischer Schluss ergebe.


    Eine nette kleine antiphilosophische Polemik das :zwinker:


    14. Gesang


    König Salomon beschreibt die Sehnsucht nach dem Körper und weiter gehts zum Marshimmel, der ausführlich beschrieben wird.


    15. Gesang


    Dante trifft auf seinen Ururgroßvater Cacciaguida der, wie es Großvätern zeitlos zu eigen zu sein scheint, sich über die Dekadenz der Gegenwart beklagt, und die alte Zeit verklärt:


    So friedlich und so schön und traulich war
    das Leben in der Bürgerschaft, so lieb
    die Heimat


    Globalisierungskritik gibt es auch:


    Denn zu Hause blieb ihr Gatte;
    zog nicht nach Frankreich des Gewinnes halber;
    und wo die Wiege stand, war auch das Grab.


    Vorher wird noch ein Aspekt der Seligkeit erläutert:


    Bei jedem Eurer Schar
    steht Fühlen mit Verstehn im Gleichgewicht


    Wozu sich auch heute noch jeder Psychotherapeut bekennt :smile:


    Außer mir noch jemand da? :winken:


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Außer mir noch jemand da? :winken:


    Bin auch wieder da!


    Zitat von "Sandhofer"

    Uff! Soweit ins Paradiso hinein habe ich es in drei Anläufen noch nie geschafft!


    Das erstaunt mich gar nicht, ich fand den Anfang des Paradieses recht mühsam, und ohne die Leserunde...


    Zuerst noch @ Bluebell: (zu Purg. 24)

    Zitat von "Bluebell"

    "Süßer neuer Stil" - hat das auch etwas mit dem Übergang von Mittelalter zu Renaissance zu tun,...


    Bei mir steht da noch, dass diese Dichterschule dem eigenen Empfinden selbständigen Ausdruck verlieh.Das tönt doch schon sehr humanistisch, mit der Aufwertung des Menschen als Individuum. "Süss" finde eine etwas unglückliche Übersetzung von "dolce", das tönt so klebrig, fast abwertend! In der Musik ist "dolce" doch oft so schön!


    Zu den Zahlen: Das Paradiso umfasst 2x39x61 Verse und ist somit ganz auf den Zahlen Beatrices aufgebaut. Die Zahlen des Sünder Dante (42 und 118) haben hier nichts mehr zu suchen.
    Beim Durchblättern ist mir aufgefallen, dass die Längen der Gesänge hier weniger stark schwanken als in den ersten beiden Teilen. Auch das ein Ausdruck von Harmonie?


    Gesang 1: Die Anrufung Apollos hat mich auch sehr überrascht!
    Gesang 2:

    Zitat von "xenophanes"

    Beatrice vertritt hier eine Art von Frühempirismus:
    ... sinnliche Erfahrung ... sie ist zumeist die Quelle eures Wissens.


    Danke für den Hinweis, ich habe es zuerst gerade umgekehrt gelesen, dass sinnliche Erfahrung weniger weit reiche als verstandesmässiges Wissen.
    Warum übrigens ausgerechnet die Frage nach den Mondflecken??


    Gesang 3: Ein wunderschönes Bild, wie das Erscheinen der Seelen beschrieben wird (V. 11 - 13) :
    wie ... in reinen, ruhigen Gewässern,
    Die nicht so tief, dass man den Grund verlieret,
    sich unsre Angesichter widerspiegeln...

    Das Bild des Wassers wird am Ende nochmals aufgegriffen: schwand sie
    Hinweg wie etwas Schweres tief im Wasser.


    In Vers 39 (nicht zum ersten Mal) der Hinweis, dass man das alles nicht verstehen kann, wenn man es nicht erlebt hat. Ich bin gespannt, ob diese Bemerkung noch öfter auftauchen wird.


    Gesang 4: Da wird ja nur noch geredet! Ohne Kommentar würde ich nicht allzu viel verstehen. Langsam gehen mir die ganzen Blicke und das viele Licht auf die Nerven. Bin wohl bettreif... :schnarch:


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Zitat von "Maja"


    Danke für den Hinweis, ich habe es zuerst gerade umgekehrt gelesen, dass sinnliche Erfahrung weniger weit reiche als verstandesmässiges Wissen.


    Du liest hier schon richtig, ich habe mich nur unpräzise ausgedrückt. Ich meinte nicht, dass Beatrice diesen Frühempirismus selbst vertritt, sondern nur dass sie diesen formuliert (mit mitleidigen Unterton).
    Ich fand schon aufschlussreich, dass sie die Möglichkeit einer solchen erkenntnistheoretischen Anschauung überhaupt in Erwägung zieht.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Maja"

    Bin auch wieder da!


    Eigentlich bin ich auch immer noch da. Einerseits aber hat mich die Arbeit wieder, andererseits mache ich an 2 Tagen die Woche eine Weiterbildung, und dritterseits ist mein PC zu Hause internet-mässig gesehen definitiv tot. Ich kann also zu Dante im Moment nichts Konkretes beitragen, zum Thema "sinnliche Erfahrung vs. verstandesmässiges Wissen" habe ich in meinen Anmerkungen und in einem Kommentar zu Thomas von Aquin ein paar Bemerkungen gefunden, die ich noch darlegen möchte. Doch dazu brauche ich zuerst einen funktionierenden Internetanschluss zu Hause (und als zweites Zeit ...)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Sandhofer"

    (Gesang 1) Ein erster(?), für mich allerdings noch nicht befriedigender Anlauf wird genommen, um Dante die theologische Seite des freien Willens zu erklären. Gesang 5 behandelt dann das theologische Problem des Gelübdes bzw. seiner Auflösung.


    In Gesang 5 finde ich die Erklärung der Willensfreiheit jetzt sehr einfach und einleuchtend (und schön): sie ist das höchste Gut, das Gott geschaffen hat.
    Im Abschnitt über die Gelübde spricht Dante auch wieder sehr direkt zum modernen Menschen! Wenn man denkt, wie leichtfertig heute Versprechungen gegeben und gebrochen werden, fühlt sich wohl jeder irgendwie angesprochen.


    In 66 - 73 wieder zwei Beispiele aus Bibel und Antike nebeneinandergestellt, damit geht es also weiter. Aber die Überraschung in 73: Die Aufforderung an die Christen, besser zu sein!


    Zitat von "Sandhofer"

    Und zum Schluss fliegen wir in einem Augenblick (wortwörtlich!) vom Mondhimmel in den des Merkur.


    Wie meinst Du das mit dem wortwörtlichen Augenblick? Bei mir fliegen wir hier sehr anschaulich, wie ein Pfeil.


    Die Leseranrede in 109 kommt mir wie ein Gegensatz zur entmutigenden Anrede vom Anfang vor. Fast wie ein Versprechen, weiterzuerzählen.


    In 107 bin ich über den hell leuchtenden Schatten gestolpert. Und prompt werden die Toten im nächsten Abschnitt als Lichter bezeichnet! Wurde wohl hier zum letzten Mal die alte Bezeichnung verwendet??


    Gesang 6: Am Anfang ist mir bewusst geworden, dass Dante hier nicht mehr nach dem Wer und Warum gefragt wird. Eigentlich logisch...
    Und nun kann sich Bluebell freuen :zwinker: : Zuerst kommt ein Abriss der römischen Geschichte, der mit einem erneuten Lob der Pax Augusta abschliest, das geht ja noch. Aber dann wird den Römern sowohl die Kreuzigung Jesu unter ihrer Herrschaft wie auch die Rache dafür an den Juden (Zerstörung Jerusalems) als Ruhmestat angerechnet! :rollen:


    xenophanes: Welche Zeilen hast du zum Erfahrungswissen zitiert? Bei mir lauten 2, 52-57:
    Sie lächelte ein wenig und "Dieweilen
    Der Menschen Meinung", sprach sie, "irre gehet,
    Wo unsre Sinne nicht als Schlüssel dienen,
    So dürfte dich nun der Verwundrung Pfeile
    Gewiss nicht treffen, wenn den Sinnen folgend
    Dir kurz erscheinen des Verstandes Flügel.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo,
    entschuldigt das ich mich hier so unverbrämt einmische aber ich habe schon seit längerem eine Frage auf die ich sonst nirgendwo eine Antwort bekomme. Es geht um den vierzehnten Gesang und dort um die Verse vierundneunzig bis hundertneunundzwanzig. Wer ist dieser Greis der seinen Rücken gegen Ägypten kehrt? Eine Zeit lang dachte ich das es etwas mit dem Daniel Buch aus dem AT zu tun hat, aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.
    Auch wenn ihr in eurer Leserunde schon viel weiter voran geschritten ist, vielleicht kann die/der Eine oder Andere doch eine schlüssige Deutung geben.
    Außerdem möchte ich auch hier noch einmal meiner Freude darüber Ausdruck geben das so ein einmaliges Buch wie die Göttliche Komödie hier mit so einer Ausdauer und Liebe gelesen wird. Für bibliomanisch infizierte ist dieses Forum so eine Art von Segen.
    Vielen lieben Dank, siodmack.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "siodmack"

    Wer ist dieser Greis der seinen Rücken gegen Ägypten kehrt? Eine Zeit lang dachte ich das es etwas mit dem Daniel Buch aus dem AT zu tun hat, aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.


    Einen Allegorie, gemischt aus antiken Vorstellungen und einem Traum Nebukadnezars im Buch Daniel - mehr gibt mein Kommentar dazu auch nicht her ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo siodmack,
    bei mir steht noch, dass diese symbolische Gestalt wahrscheinlich das Römische Kaiserreich und seine mittelalterliche Fortsetzung darstelle. Doch es seien auch andere Auslegungen (Weltzeitalter, Menschheit) gegeben worden. (Reclam).
    Welche Ausgabe liest Du denn?


    Weiterhin viel Spass und Ausdauer bei der Lektüre wünscht Dir
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Aus verschiedenen Gründen bin ich nicht sehr viel weiter gekommen. Einer der Gründe ist, dass ich mich von Dante zu einer Lektüre des Thomas von Aquin habe verführen lassen ...


    Zitat von "xenophanes"

    Trotzdem finde ich es sehr erstaunlich, dass - literarische Konventionen hin oder her - am Beginn der Reise ins theologische Elysium ausgerechnet die Anrufung eines antiken Gottes steht.


    Dantes Behandlung der antiken Götter erstaunt mich schon durchs ganze Werk hindurch ...


    Zitat von "xenophanes"

    So klassisch-scholastisch ist das gar nicht. Sie beschreibt ja sogar ein Experiment.


    Jein. Mit Thomas von Aquin kam auch Aristoteles wieder zu Ehren im scholastischen Denken: Logik, Vernunft - und ein Prüfen dieser Vernunft am alltäglichen Erfahren, vielleicht gelenkt durch spezielle Experimentationen.


    Bei den Gesängen 11 und 12 habe ich xenophanes' Ausführungen im Moment nichts hinzuzufügen. Und weiter bin ich noch nicht gekommen.


    Maja, zum Augenblick in Gesang 5: Beatrice blickt nach oben und - schwupps! - sind die beiden da. Dante verwendet die Figur des Pfeils, das stimmt; aber der "Augenblick" ist mir bei der Lektüre halt so durch den Kopf geschossen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "siodmack"


    bekomme. Es geht um den vierzehnten Gesang und dort um die Verse vierundneunzig bis hundertneunundzwanzig.


    Ich zitiere den Kommentar einer meiner Ausgaben (Artemis & Winkler):


    "Anlehnung an den Traum des Nebukadnezar (Daniel 2, 31ff.), wo ein ähnliches Standbild den Verfall des assyrisch-babylonischen Weltreichs darstellt. D. will entweder die verschiedenen Weltzeitalter darstellen - dafür spräche die Lokalisierung der Greisenstatue auf Kreta, wo die Zeitalter mit dem Goldenen unter Saturns Regierung ihren Anfang nahmen - oder die Entwicklung des römischen Imperiums bis ins M.A. Sicher bedeutet der unterste Teil der Statue das Kaiser- und Papsttum, dieses wegen seiner Verderbtheit durch den tönernen Fuß verkörpert."


    CK

  • Hallo,
    vielen lieben Dank für eure Antworten. Am Ende müssen wir dann wohl doch Dante fragen, aber wegen „schwerer Erreichbarkeit“ fällt das leider weg.
    @ Sandhofer,
    du schreibst von T. v. Aquin, war das wirklich so ein Soldat GOTTES wie er sich selbst nannte? War er ein Mystiker, ein Dogmatiker, ein ergebener Diener der Kirche oder brachte er neues? Falls meine Fragen nicht hierher gehören bitte ich im Voraus um Entschuldigung.
    Lieben Gruss an alle bibliophil Abhängigen.

  • Zitat von "siodmack"


    @ Sandhofer,
    du schreibst von T. v. Aquin, war das wirklich so ein Soldat GOTTES wie er sich selbst nannte? War er ein Mystiker, ein Dogmatiker, ein ergebener Diener der Kirche oder brachte er neues?


    Auch wenn ich nicht gefragt wurde:


    Thomas war das Gegenteil eines Mystikers. Der Vereinfachung halber geht man bei der Philosophie des Hochmittelalters oft von zwei Schulen aus, der mystischen mit Bonaventura als Hauptvertreter und Thomas von Aquin als Vertreter der "rationalistischen" Schule.


    Er hat versucht, Glauben und Vernunft zu vereinen und ging das mit einer bewunderungswürdigen logischen Brillanz an. Handwerklich gesehen war er der beste Denker, den die christliche Theologie hervorbrachte, weshalb er aus guten Gründen immer noch eine herausragende Rolle in klerikalen Gedankengebäuden spielt. (Dass er mit seinem intellektuellen Projekt scheiterte, weshalb damit auch das entsprechende "Projekt" der Kirche gescheitert ist, ist ein anderes, interessantes Thema).


    Die Argumentation des Thomas von Aquin genügt logischen Standards, welche die meisten Philosophen der Neuzeit nie erreicht haben. Aber das sagt nichts über die Inhalte der Philosophie aus, Logik ist ja (wie die Mathematik) inhaltsleer.


    Wenn man die Philosophie des Abendlandes überblickt, ist es sehr schade, dass so ein philosophisches Genie wie T.v.A. ausgerechnet im Mittelalter geboren wurde. Nicht auszudenken, was er in der Antike oder Neuzeit geleistet hätte :zwinker:


    CK