Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "siodmack"

    T. v. Aquin, war das wirklich so ein Soldat GOTTES wie er sich selbst nannte? War er ein Mystiker, ein Dogmatiker, ein ergebener Diener der Kirche oder brachte er neues?


    Ich bin ja nun auch kein Spezialist, wenn's um Scholastik und mittelalterliche Philosophie und Theologie geht ... Aber mir will scheinen: er war alles von dem und er brachte Neues. Er versuchte u.a. - zuerst allem Anschein nach auch erfolgreich - den Nominalismus seiner Vorgänger-Denker zu überwinden und brachte offenbar Ansätze, die erst der deutsche Idealismus weiterentwickelt hat. Ob Kant & Co. allerdings bewusst auf Thomas zurückgegriffen haben, entzieht sich meiner aktuellen Kenntnis.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • 16. Gesang


    Ururgroßvater Cacciaguida setzt zu einem langen Exkurs über alte Florentiner Adelsgeschlechter an. Hervorhebenswert ist (neben der Ironisierung des Ahnenkult am Beginn), dass er für die Reinheit des Bürgertums das Wort erhebt:


    Noch immer war die Mischung der Personen
    der Anfang alles bürgerlichen Schadens,
    wie wirre Speise für den Körper ist.


    17. Gesang


    Autobiographisch von großer Bedeutung, legt Dante hier doch seinem Ahnen sein Schicksal in den Mund. Hier sind dann auch die oft zitierten Verse über das bittere Schicksal der Emigraton zu lesen:


    Wirst alles Liebe, wirst dein Teuerstes
    verlassen müssen: dieses ist die erste
    von der Verbannung dir geschlagne Wunde;
    und wirst erfahren, wie das Brot der Fremde
    so salzig schmeckt, und wie die fremden Treppen
    hinab hinan ein hartes Steigen ist.


    18. Gesang


    Auftritt der christlichen Märtyrer, speziell prominenten Teilnahmern an den Kreuzzügen. Zum Glück sind die islamischen Märytrer in ihrem eigenen Paradies, sonst gäbe es hier wieder Mord und Totschlag :breitgrins:
    Im zweiten Teil fliegen die Lichter mal nicht sinnlos durch das Firmament, sondern betätigen sich als Vorläufer der Neonleuchtschrift:


    Dilgite Justitiam Qui Judicatis Terram
    (Liebet die Gerechtigkeit, ihr Richter auf Erden)


    Der erste Spruch im Buch der Weisheit also ...


    19. Gesang


    Beginnt sehr spannend!:


    Und was ich jetzo zu berichten habe,
    ist mündlich nie und schriftlich nie erzählt,
    noch in Gedanken je ersonnen worden.


    Und wer hätte tatsächlich schon einmal einen Lichtadler über die Theodizee dozieren hören? Eben.
    Dieses Problem wird dann traditionell abgehandelt. Einerseits wird damit (zirkulär) argumentiert, dass Gott gut und gerecht ist, und deshalb alles von ihm kommende ebenso gut und gerecht sein müsse. Andererseits wird auf die eingeschränkte menschliche Erkenntnis hingewiesen. Ein Argument, das auch heute bei Bedarf noch aus der klerikalen Mottenkiste geholt wird (irgendein Bischof am Montag in "Kulturzeit" zum Tsunami).


    20. Gesang


    Man erfährt, dass es im Lichteradler privilegierte Plätze um und in den Augen gibt, welche besonders verdienstvolle Gläubige (David!) einnehmen. Im zweiten Teil wird dann die Willkür der göttlichen Gnadenwahl gepriesen. Leider für den armen lebenden Gläubigen noch nicht nachvollziehbar :zwinker:



    CK

  • Zitat von "sandhofer"


    Jein. Mit Thomas von Aquin kam auch Aristoteles wieder zu Ehren im scholastischen Denken: Logik, Vernunft - und ein Prüfen dieser Vernunft am alltäglichen Erfahren, vielleicht gelenkt durch spezielle Experimentationen.


    Was Logik und Vernunft angeht, bin ich bei dir. Weniger, was die empirische und gar nicht, was die experimentelle Seite angeht. Ein Phänomen der Aristotelesrezeption im Mittelalter war ja, dass seine Werke völlig unhinterfragt als autoritativ angesehen wurden. Niemand ist auf die Idee gekommen, die empirischen Thesen des Griechen nachzuprüfen. So wurde die falsche Zahl der menschlichen Zähne von Aristoteles einfach übernommen, niemand kam auf die Idee, einmal den Mund aufzumachen und nachzuzählen :zwinker:


    Anstelle der empirischen Überprüfung trat ein Nachschlagen in Aristoteles Werken. Das ging ja bis in die Renaissance so als Kleriker die Ergebnisse der Experimente des Galilei mit den Hinweis auf Bücher mit einem "kann ja gar nicht sein" zurückwiesen.


    CK

  • Servus,


    weit bin ich noch nicht, aber immerhin die ersten 4 Gesänge des Paradieses habe ich geschafft.


    Zitat von "Maja"

    Langsam gehen mir die ganzen Blicke und das viele Licht auf die Nerven.


    Lustig, bei mir ist es genau umgekehrt. Nennt mich ruhig kindisch, aber mir taugen diese ganzen Farben und Lichter und so kitschige Elemente wie ein Kristallhimmel ziemlich! :breitgrins:


    Ein Riesenunterschied vom Paradies zum Läuterungsberg und zur Hölle ist mir aufgefallen: in den ersten beiden Teilen schreibt Dante immer nur von seinen emotionalen Schwankungen (Mitleid, Ohnmachtsanfälle usw.), aber in meinen Augen tauchen erst in Gegenwart von Beatrice zwischen den Zeilen echte Gefühle auf - also hier kommt es mir so vor, als wäre Dante, während er diese Zeilen verfasst hat, tatsächlich aufgeregt/euphorisch/... gewesen. Geht das nur mir so?


    Melde mich später nochmal!


    LG, Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • So, da bin ich wieder.


    Zitat von "Maja"

    Gesang 3: Ein wunderschönes Bild, wie das Erscheinen der Seelen beschrieben wird (V. 11 - 13) :
    wie ... in reinen, ruhigen Gewässern,
    Die nicht so tief, dass man den Grund verlieret,
    sich unsre Angesichter widerspiegeln...

    Das Bild des Wassers wird am Ende nochmals aufgegriffen: schwand sie
    Hinweg wie etwas Schweres tief im Wasser.


    Die Stelle gefällt mir in deiner Übersetzung eindeutig besser. Bei mir heißt es (ab Vers 10):
    Was von den blanken und durchsichtigen Scheiben
    Und von den lautern, stillen Wassern gilt,
    So tief nicht, daß am Grund sie dunkel bleiben:
    Daß schwach sie reflektieren unser Bild

    Da hast du eindeutig die verständlichere Variante. :zwinker:
    Und zum Schluss schreibt er über Beatrice:
    ... und schwand hin beim Sang,
    Wie's geht im tiefen See, bei schweren Dingen.


    Als Dante im 3. Gesang Piccarda danach fragt, ob sich die hiesigen Seelen nicht nach einem höheren Kreis sehnen, fällt die Antwort doch ziemlich emotional aus:
    Sie lächelte erst mit den andern leise
    Und gab dann Antwort mir, so lusterfüllt,
    Als ob in erster Liebesglut sie gleiße

    Wow, so möchte ich mich auch freuen können ... oder missinterpretiere ich als moderner Mensch hier schon wieder etwas? :breitgrins:


    Zitat von "xenophanes"

    Ich zitiere den Kommentar einer meiner Ausgaben (Artemis & Winkler):


    Aha ... meine dtv-Ausgabe sagt wörtlich das Gleiche.


    Ciao :winken:
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Aha ... meine dtv-Ausgabe sagt wörtlich das Gleiche.


    dtv ist (war?) oftmals quasi das "Taschenbuch-Label" von Artemis & Winkler.


    xenophanes
    Du hast Recht. Wir dürfen natürlich weder von Aristoteles noch von der Scholastik eine Naturwissenschaft im heutigen Sinne (Hypothesenbildung mit Bestätigung durch Experimente) erwarten. Es ging mehr darum, dass die Hochscholastik das Evidente (als das ins Auge Fallende) durchaus als Argument zuliess. Dass spätere Zeiten daraus eine blinde Aristoteles-Gläubigkeit abgeleitet haben, ist ja nicht Thomas oder Dante anzukreiden.


    Beim Beispiel mit den Zähnen bin ich übrigens nicht so sicher, dass ein einfacher Blick in den Mund des Nachbarn genügt hätte. Bei den damaligen (mund-)hygienischen Verhältnissen hatten wohl auf 10 Personen deren 9 eine unterschiedliche Zahl Zähne im Mund ... Das Problem der Weisheitszähne, die nicht bei jedem wirklich hervorbrechen, kommt hinzu. Man hätte wohl sezieren müssen, um die Zahl wirklich definitiv festzulegen, und davor schreckte man schon aus religiösen Gründen zurück.


    Ich bin immer noch nicht weiter in meiner Lektüre ... :sauer:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Argument zuliess. Dass spätere Zeiten daraus eine blinde Aristoteles-Gläubigkeit abgeleitet haben, ist ja nicht Thomas oder Dante anzukreiden.


    Hast du nicht meine Thomas Eloge oben gelesen? Nie würde ich ihm etwas Unnötiges ankreiden :breitgrins:


    Zitat von "sandhofer"


    Beim Beispiel mit den Zähnen bin ich übrigens nicht so sicher, dass ein einfacher Blick in den Mund des Nachbarn genügt hätte. Bei den damaligen (mund-)hygienischen Verhältnissen hatten wohl auf 10 Personen deren 9 eine unterschiedliche Zahl Zähne im Mund ... Das


    Alles zugestanden, nur kam gar niemand auf die Idee nachzuzählen, und das zeigt IMO die typische Geisteshaltung zur Empirie in dieser Epoche.


    Habe mir für das Wochenende fünf weitere Gesänge vorgenommen.


    CK

  • 21. Gesang


    Die Reise geht weiter und die beiden gelangen zu einer Lichtleiter im Saturnhimmel, welche wie der Adler aus seelischen Glühbirnen besteht. Frage mich, ob die Art der Bilder hier eine Bedeutung hat:
    Warum erst ein Adler, danach aber eine vergleichsweise profane Leiter?


    Auftritt Petrus Damiani, der die heikle Frage der Prädestination wieder mit einem herzlichen "Dafür seid ihr einfach zu blöd" beantwortet:


    Denn, was du wissen willst, liegt fern im Abgrund
    des ewigen Entschlusses.


    22. Gesang


    Wieder eine Philippika gegen das verderbte Klerikerleben, dem Benedikt in den Mund gelegt. Diese scharfe Kirchenkritik, die auch zu Luther passte, hätte ich Anfang des 14. Jahrhunderts in dieser Form noch nicht erwartet (gilt natürlich für die Commedia) insgesamt.


    Die Mauern, die ein Kloster waren, sind
    nun Diebeshöhlen, und die Kutte ist
    ein voller Sack mit faulem Mehl geworden.


    Am Ende des Gesangs ein kurzer Rückblick auf die paradiesische Geographie.


    23. Gesang


    Jetzt gehts ans Eingemachte: Dante sieht Christus und - explodiert:


    Wie Feuer, das sich dehnt, bis es die Wolke,
    die ihm zu eng geworden, sprengt und gegen
    die eigene Natur zur Erde fährt,
    so war, von solcher Kost genährt, mein Geist
    gewachsen, sprengte seine Hülle [...]


    Ferner treten auf Maria und Gabriel.


    24. Gesang


    Dante besteht die Glaubensprüfung, der er von Petrus unterzogen wird. Als "Beweis" zieht er einerseits die Taten des Christentums, andererseits immer wieder die Bibel heran.


    Die "Definitionen" sind eher dunkel:


    Substanz des, das man hoffet, ist
    der Glaube, und Beweis des Unsichtbaren.


    25. Gesang


    Nach dem Glauben, folgen Fragen zur Hoffnung durch Jakobus. Dante antwortet mit einer Fülle von Bibelzitaten.
    Der Beginn des Gesangs ist biographisch interessant, gibt hier Dante doch seiner Hoffnung Ausdruck, aufgrund seiner Commedia zurück nach Florenz zu dürfen:


    und will als Dichter dort den Kranz empfangen



    CK

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Sandhofer"

    Im 7. Gesang hat mir ehrlich gesagt den bleibendsten Eindruck hinterlassen die Tatsache, dass Dante - ganz konform mit der damaligen Lehrmeinung - Tieren und Pflanzen die Unsterblichkeit abspricht.


    Danke für den Hinweis, so genau hatte ich nicht gelesen, und es gerade umgekehrt verstanden!
    Im 7.Gesang sank mein Lesetempo nochmals stark, aber ich war freudig erstaunt, wie viel ich davon verstand. Nur die Erklärung, warum die Rache an den Juden gerecht sein soll, fand ich etwas dürftig. (Oder war's doch zu hoch für mich? :breitgrins: )


    Was mir aufgefallen ist: Dante fragt Beatrice nichts, sie errät seine Fragen. Er fragt nur die Lichter. Ist das immer so??


    Gesang 8:

    Zitat von "Sandhofer"

    Interessant finde ich dann hingegen wieder, wenn die Liebe zum Schluss des Gesangs dann sogar via Aristoteles' Zoon Politikon zu einer (wie wir heute wohl sagen würden:) soziologischen Kraft der Vergesellschaftung des Menschen macht.


    Wen macht die Liebe oder wer macht wen zu was???
    Diese Stelle ist mir unklar, nur die Eignung zu verschiedenen Beruf, und daraus die Notwendigkeit, dass jeder seinen passenden Platz finden und einnehmen müsse, finde ich wieder sehr modern.
    Aber Am Anfang (v. 115/116)
    Er sagte noch: "Sag mir, wär' es denn schlimmer,
    wenn nicht der Mensch auf Erden Bürger wäre?"

    Wie er von da zu den Berufen kommt, kann ich bis jetzt noch nicht nachvollziehen.


    Im 9. Gesang hat mich die konkrete Leserin-Anrede überrrascht.
    In 20/21 dann ein neuer Ton, wie mir scheint: Der Geist soll zeigen,
    "dass sich in dir das, was ich denke spiegelt."
    Ist das eine Anlehnung an die Theorie, dass alles Wissen schon im Menschen vorhanden ist und "nur" hervorgeholt werden muss?


    Herrlich satirisch am Ende des Gesangs:
    ... nur die Dekretalien
    Studiert man noch, man sieht's an ihren Rändern.


    Bluebell:

    Zitat

    aber in meinen Augen tauchen erst in Gegenwart von Beatrice zwischen den Zeilen echte Gefühle auf - also hier kommt es mir so vor, als wäre Dante, während er diese Zeilen verfasst hat, tatsächlich aufgeregt/euphorisch/... gewesen. Geht das nur mir so?


    Ich werde darauf achten, Danke für den Hinweis!


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    aber in meinen Augen tauchen erst in Gegenwart von Beatrice zwischen den Zeilen echte Gefühle auf - also hier kommt es mir so vor, als wäre Dante, während er diese Zeilen verfasst hat, tatsächlich aufgeregt/euphorisch/... gewesen. Geht das nur mir so?


    "Amor", nicht "caritas" nennt Dante ja auch ganz klar die Macht, die uns zu Gott hinzieht. Wobei er damit eindeutig mehr meint als nur Sex oder romantische Liebe zweier junger Dinger ...


    In Gesang 13 verurteilt Dante jedes Denken ohne göttliches Ziel, da es von Beginn weg zum Scheitern verurteilt sei.


    In Gesang 14 trifft Dante auf die Blutzeugen - wieder in einem Augenblick (nämlich in einem Blick in die Augen von Beatrice!) - einen Himmel höher, im Mars-Himmel. Dazu passen Blutzeugen natürlich perfekt. Und zu den Blutzeugen passt, dass sie das Kreuz, für das sie gestorben sind, auch darstellen.


    InGesang 15 rechtfertigt Dante zuerst den Umstand, dass kurzzeitige, weltliche Sünden eine ewige Höllenstrafe nach sich ziehen können. Dantes Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten, als Florenz noch klein, überschaulich und sittlich gut war, wird von seinem Urahnen verkörpert.


    Weiter bin ich noch nicht.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Noch ein Nachtrag zu Gesang 6: Jacoff weist darauf hin, dass hier der politische Diskurs, der sich über die 6. Gesänge von Hölle, Purgatorium und Paradies hinzieht, kulminiert.
    Ausserdem ist Justinian der einzige Sprecher in einem ganzen Gesang, was seine Bedeutung zeigt.


    Gesang 10: In allen drei Teilen befinden wir uns in 1 - 9 in einer Art Vorstufe, auch hier kommen wir im 10. Gesang in den Bereich, der nicht mehr vom Erdschatten berührt wird.
    Hier gefällt mir die Beschreibung des Aufstiegs gut: (34-36)
    ...doch ich hab das Steigen
    Gar nicht bemerkt, nur so wie ein Gedanke,
    Der neu gekommen, plötzlich und bewusst wird.


    Ob man die hier versammelten Herren als "Kirchenväter" zusammenfassen kann, weiss ich nicht. Jacoff schreibt "the wise", zitiert "sapienti".


    Zitat von "xenophanes und Sandhofer"

    Wo in aller Welt hat er den Augustinus gelassen?!
    Ich meinte, der war auch da. Oder kommt er erst noch?


    Kommt noch, in 32 im Empyreum.
    Wie kommst du, Sandhofer, auf den Ambrosius? Der fehlt bei mir. Offenbar sind sich da die Kommentatoren wieder mal nicht einig!
    Als überraschend bezeichnet Jacoff die Anwesenheit Sigers (Th. v. Aquin kritisierte sein Werk) und Joachims (Gegner Bonaventuras). Das zeige Dantes eigenständige Position im Denken und seine Aufgeschlossenheit in theologischen Fragen.
    Die beiden prophetischen Figuren Nathan und Joachim deuten auf die prophetische Stimme der Commedia hin.


    In 11 und 12 finde ich es schön gemacht, wie er den Dominikaner den hl. Franz loben lässt und umgekehrt! So zerstritten wie doch die Orden, so viel ich weiss, waren!


    Zitat

    Die Himmelsmechanik zu beginn als "heiliges Mühlrad" zu bezeichnen, fand ich komisch.


    Bei mir ist es "die heilige Mühle". Mühlrad ist hier eindeutig anschaulicher!


    Zitat von "Sandhofer"

    In Gesang 13 verurteilt Dante jedes Denken ohne göttliches Ziel,


    Salomon wird doch gerade deshalb gelobt, weil er um das für einen König notwendige Wissen bat, also eher pragmatisches?!


    Zitat von "xenophanes"

    14. Gesang
    König Salomon beschreibt die Sehnsucht nach dem Körper


    War das ein Thema? Ich war immer der Ansicht, im Jenseites sei man froh, von der Last des Körpers befreit zu sein.


    Zu den Sinneswahrnehmungen:
    im 4 Gesang hiess es ja:
    So muss man ja zu eurem Geiste reden,
    Denn erkann nur durch Sinnenebild begreifen
    Das, was er später des Verstandes würdigt."

    Aristoteles-Diskussion hin oder her, aber wenn ich an die Vielfalt der sinnlichen Wahrnehmungen in Hölle und Purgatorium denke, habe ich schon den Eindruck, dass Dante den Sinneswahrnehmungen einen hohen (Erkenntnis-?) Wert zumisst.
    Weiss jemand mehr über Bonaventura? Ich habe den Hinweis gefunden, dass bei ihm der Erkenntnisweg des Menschen über die geschaffene Welt, in der er die Gegenwart Gottes erblickt, führe. Stichwort: "Spuren".


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Maja"

    Salomon wird doch gerade deshalb gelobt, weil er um das für einen König notwendige Wissen bat, also eher pragmatisches?!


    Das schliesst sich ja nicht aus, oder?


    Grüsse


    Sandhofer

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  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Gott denkt pragmatisch? :breitgrins:


    Wie Gott denkt, weiss ich nicht. Dante scheint m.M. davon auszugehen, dass Gott will, dass wir unsere Aufgabe in unserem Erdenleben so gut wie möglich erfüllen und uns nicht in leere, sinnlose Spekulationen philosophischer Art verstricken. Daher das Lob an Salomon, der genau um dieses Wissen bat. (Dass ein König mehr zu wissen hat als ein Schuster, davon scheint Dante ebenfalls auszugehen.)


    Grüsse


    Sandhofer

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  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe es ja schon beim Bulwer-Lytton und drüben im Literaturschockforum bei Mansfield Park angekündigt: hiermit trete ich den taktischen Rückzug diesen 3 Leserunden an!
    Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht so ein Multi-tasking-Genie bin wie Sandhofer (siehe "Was lest ihr gerade?" ... *staun*), tut sich bei mir auch anderweitig momentan so viel, dass ich sowieso kaum zum Lesen komme ... und mit der Komödie noch langsamer als bis jetzt voranzukommen, zahlt sich schon gar nicht mehr aus! :rollen:


    Aber dankeschön, dass ihr mich von der Hölle bis in die äußeren Teile des Paradieses begleitet habt - ohne die Diskussionen hier wäre die Lektüre nicht einmal halb so fruchtbar für mich gewesen. :schmetterling:


    Liebe Grüße,
    Bluebell :blume:

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  • Hallo zusammen!


    Schade, Bluebell! Na ja, vielleicht wird's ja noch. Ich habe im Moment ja auch viel um die Ohren, aber eine gewisse Sturheit lässt sich mir nicht absprechen :breitgrins: ... Das Ganze erinnert übrigens an klassische Heldenepen. Eine Schar Helden zieht aus, um (z.B.) das Goldene Vliess zu erobern. Unterwegs stirbt dann so der eine oder andere den Heldentod und die Schar dezimiert sich zusehends ...


    Zu Dante im Moment nur so viel:


    Thomas spricht davon, dass es zwei Wege gibt, Gott zu erkennen: die natürliche Vernunft, die uns erkennen lässt, dass es einen Gott geben muss, und die Offenbarung, die uns den Rest erkennen lässt. Mir scheint, Dante hat da Thomas 1:1 poetisch umgesetzt: Die Vernunft begleitet ihn von der Hölle bis ins Purgatorio in der Gestalt Vergils; dann übernimmt die Offenbarung in der Gestalt Beatrices.


    Etwas anderes ist mir noch aufgefallen: Ich bin jetzt im 18. Buch des Paradieses. In der Hölle gab es jede Menge mythologische Monster und Teufel, welche die armen Sünder gequält haben. Im Purgatorio quälten sich die Seelen schon selber, es gab aber immer noch Engel, die sie bewachten und Einlass in die nächsthöheren Kreise gewährten. Im Paradies - jedenfalls bis anhin - treffen wir nur die Seelen an, keine Engel, nix aussermenschliches. Eine Art Emanzipation des Menschen?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    @ Bluebell: Schade! Mit Deiner aktiven und persönlichen Leseweise wird der Leserunde echt etwas fehlen :heul: Überleg' Dir's doch noch einmal...

    Zitat von "sandhofer"

    aber eine gewisse Sturheit lässt sich mir nicht absprechen :breitgrins:


    Mir auch nicht. Jetzt wo wir wissen, wie es im Heldenhimmel aussieht!
    Übrigens hat Dante wohl unsere Lektüre vorausgeahnt: (Gesang 17, 130 - 132, Cacciaguida:)
    Denn wenn auch deine Kunde hart zu kauen
    Beim ersten Kosten, wird sie Lebensnahrung
    Dann hinterlassen, wenn man sie verdaute.


    In Gesang 15 wird unsere Diskussion um das Vorauswissen Gottes weitergeführt, (50/51)
    ...im grossen Buche lesend...
    In dem sich Schwarz und Weiss niemals verwandelt,

    ebenso im 17. Gesang, wo auch gleich deutlich gemacht wird, dass die Willensfeiheit dennoch gewährleistet sei (37 - 45)
    Das Weltgeschehen...
    Ist ganz gemalt im ewigen Angesichte.
    Notwendigkeit jedoch empfängt es davon
    so wenig wie....


    Obwohl ich noch nicht so das nötige Auge für stilistische Finessen habe, ist mir als ganz schön aufgefallen, wie er zweimal die 3 Kreise aufzählt, und zwar umgekehrt ("Chiasmus"?): in 112 - 115 heisst es:
    Dort in der Welt der Bitternis ohn Ende
    Und auf dem Berg,...
    Und dann im Himmel...
    136 - 138 dann umgekehrt:
    ...in diesem Kreise
    Und auf dem Berg und in dem Schmerzenstale...


    Im 18. Gesang. ist mir aufgefallen, das immer wieder von Spiegeln die Rede ist.
    Vers 20/21 noch einmal ein Plädoyer für die Sinneswahrnehmung! Beatrice sagt:
    ..."Schau um dich her und lausche
    Nicht nur in meinen Augen ist der Himmel."


    Zitat von "xenophanes"

    die Lichter ... betätigen sich als Vorläufer der Neonleuchtschrift

    :breitgrins: :breitgrins: Guter Vergleich!


    Zitat von "Sandhofer"

    Im Paradies - jedenfalls bis anhin - treffen wir nur die Seelen an, keine Engel, nix aussermenschliches. Eine Art Emanzipation des Menschen?


    Menschen treffen wir ja eigentlich auch nicht, eher Übermenschliches. Ob "Emanzipation" der richtige Ausdruck ist, bin ich nicht so sicher. Irgendwie sind sie ja "in Gott eingegangen", wenn man das so sagen kann. Das wäre ja quasi das Gegenteil.


    Und nun bin ich gespannt auf Gesang 19, der laut xenophanes spannend beginnt, könnte aber Montag werden...


    Herzliche Grüsse und schönes Wochenende,
    Maja

  • Servus!


    Zitat von "sandhofer"

    Das Ganze erinnert übrigens an klassische Heldenepen. Eine Schar Helden zieht aus, um (z.B.) das Goldene Vliess zu erobern. Unterwegs stirbt dann so der eine oder andere den Heldentod und die Schar dezimiert sich zusehends ...


    :lol: Na bitte, so ein Heldentod ist doch auch nicht zu verachten, oder? Und hat er nicht im letzten Drittel der Reise etwas besonders Dramatisches? :breitgrins:


    Zitat von "Maja"

    @ Bluebell: Schade! Mit Deiner aktiven und persönlichen Leseweise wird der Leserunde echt etwas fehlen


    :redface: Äh, meinst du? :redface:
    Naja, so ganz komme ich von der Komödie eh nicht los, sie beschäftigt mich doch noch ziemlich ... vielleicht bin ich ja doch nur heldenscheintot oder liege im Heldenkoma.


    Wünsche euch jedenfalls noch ganz viel Spaß und Erfolg bei den letzten Gesängen, und auf ein bisschen lurken meinerseits müsst ihr immer gefasst sein! :zwinker:


    Bye bye,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • 26. Gesang


    Der dritte Teil des Theologie-Rigorosums. Prüfer ist diesmal Johannes über die höchste Liebe. Ferner tritt Adam auf, der dem neugierigen Dante enthüllt, dass er nur wenige Stunden im Paradies weilte. Dumm gelaufen.


    27. Gesang


    Petrus schimpft über seine Nachfolger:


    die Stätte meines Grabs hat er entweiht
    zu einem Pfuhl des Blutes und Gestankes-
    dem Abgefallenen zum Trost dort unten.


    Besonders angetan hat es mir die Zeile:


    Göttliche Abwehr, ruhst du immer noch?


    :breitgrins:


    Aufstieg in den neunten Himmel.


    28. Gesang


    Gott ist ein Satzzeichen: :zwinker:


    und einen Punkt sah ich, so strahlend scharf


    Beatrice erläutert Dante die Himmelsmechanik, in der die unterschiedlichen Engel-Geisteskräfte eine maßgebliche Rolle spielen. Eine Schnellkurs in Himmelshierarchielehre. Laut meinem Kommentar inhaltlich komplett von Dionysius Areopagitas "De coelesti hierarchia" übernommen.


    29. Gesang


    Beatrice fährt in ihren Erklärungen fort. Gott sei außerhalb der Zeit, ein klassische scholastische Auffassung:


    denn weder vorher war's noch nachher, als
    der Geist des Herrn über den Wassern schwebte.


    Wieder ein Seitenhieb auf die Philosophie:


    Es lockt die Lust am Schein
    mit ihrem Trugschluß euch vom Wege ab.


    Danach wird noch gegen die zu komplexe Auslegung der Bibel gewettert.


    Plane morgen das Paradies endgültig zu verlassen.


    CK