Oktober 2004: Dante Alighieri «Divina Commedia»

  • Zitat von "Maja"

    Beschränken sich die Ähnlichkeiten eigentlich auf die Hölle? Oder bist Du auch auf Paradiesschilderungen gestossen? Purgatorium wohl sowieso nicht...


    Vergleichbare Paradiesschilderungen fielen mir tatsächlich nicht auf. Plane aber noch, das eine oder andere Unterweltsbuch zu lesen.


    Ansonsten konnte ich gestern das Purgatorium abschließen. Die letzten Gesänge, die im Garten Eden spielen und wo Beatrice zum ersten Mal auftritt, fand ich vergleichsweise abstrakt. Viel Allegorik. Vermutlich schon ein Vorgeschmack aufs Paradies ...


    Bevor ich das letzte Drittel angehe, will ich noch einiges über Dante lesen. Vorhin fing ich die Dante-Biographie Antonio Altomontes an. Nach der Lektüre des ersten Kapitels kann ich allerdings noch kein qualifiziertes Urteil abgeben. Werde berichten, sobald ich weiter bin.


    CK

  • Zitat von "sandhofer"

    Da Gott allwissend ist, wüsste er das ja im voraus - würde also den Betreffenden gar nicht erst einladen. Dass er diese Einladung aber erhalten hat, zeigt Dante also, dass er das Paradies quasi 'auf sicher' hat.


    Dass Gott allwissend ist, entspricht deinem Gottesbild. Meinem z.B. nicht. Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte? Mir z.B. nicht.


    Davon abgesehen, was heißt allwissend? Alles wissen was war oder alles wissen was sein wird? Nach meinem Verständnis entspricht letzteres eher der Vorherbestimmung des Islam, nicht aber dem freien Willen eines Christenmenschen?


    Gruß


    Georg

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Georg"

    Dass Gott allwissend ist, entspricht deinem Gottesbild. Meinem z.B. nicht. Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte? Mir z.B. nicht.


    Solche und ähnliche Diskussionen haben die Bibel-Leserunde in den Abgrund geführt. Tut mir leid, Georg, auf Fragen des persönlichen Glaubens steige ich nicht ein.


    Das Problem des freien Willens ist im übrigen tatsächlich ein grösseres theologisch-metaphysisches. Irgendwo in diesem Forum schlummert eine Diskussion darüber.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Georg"


    Dass Gott allwissend ist, entspricht deinem Gottesbild. Meinem z.B. nicht. Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte? Mir z.B. nicht.


    Davon abgesehen, was heißt allwissend?


    Das Gottesbild Dantes zu rekonstruieren, dürfte nicht allzu schwer sein, da er anscheinend die zu seiner Zeit "klassischen" theologischen Texte kannte.


    Das Problem der Allwissenheit in Zusammenhang mit freiem Willen wurde von mittelalterlichen Philosophen akribisch diskutiert und logisch auch gelöst. Thomas von Aquin etwa hat das wunderbar auseinander gedröselt.


    CK

  • Zitat von "sandhofer"

    Hallo zusammen!



    Solche und ähnliche Diskussionen haben die Bibel-Leserunde in den Abgrund geführt. Tut mir leid, Georg, auf Fragen des persönlichen Glaubens steige ich nicht ein.


    Hallo sandhofer,


    imho hast du mit dieser Diskussion angefangen, nicht ich. Ich wollte eigentlich auch nur darauf hinweisen, dass dein Einwand, Gott sei allwissend, deinem persönlichen Glauben entspricht, oder auch deinem Glauben, dass Dante das glaubte, dass dadurch aber nicht erwiesen ist, was Dante wirklich glaubte und nur das letztere interessiert mich im Zusammenhang mit der göttlichen Komödie, nicht dein persönlicher Glaube.


    Gruss


    Georg

  • Zitat von "xenophanes"

    Das Gottesbild Dantes zu rekonstruieren, dürfte nicht allzu schwer sein, da er anscheinend die zu seiner Zeit "klassischen" theologischen Texte kannte.


    Hallo xenophanes,


    dass Dante die zu seiner Zeit "klassischen" theologischen Texte kannte, denke ich auch. Heißt das aber auch, dass er sie sich unreflextiert zu Eigen gemacht hat?


    Wie ich Dante einschätzte hat er sich auch zum Gottesbild eigene Gedanken gemacht.


    Gruß


    Georg

  • Zitat von "Georg"


    dass Dante die zu seiner Zeit "klassischen" theologischen Texte kannte, denke ich auch. Heißt das aber auch, dass er sie sich unreflextiert zu Eigen gemacht hat?


    Nein, aber er hat sie sich reflektiert zu eigen gemacht. Das zeigt sich ja sehr schön am Ende des Purgatoriums mit dem allegorischen "Kirchenwagen".


    Persönliche Gottesbilder sind geistesgeschichtlich ohnehin uninteressant. Entweder es gibt ein logisch konsistentes Gottesbild oder nicht. Unzählige kontradiktorische persönliche Gottesbilder haben keinerlei Erkenntniswert. Was man aber aufgrund des Satzes vom Widerspruch und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen aber sagen kann ist: Dass jedes persönliche Gottesbild mit einer nahezu hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit falsch ist.


    Mehr werde ich dazu aber auch nicht sagen, da solche Diskussionen völlig fruchtlos sind.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Georg"

    imho hast du mit dieser Diskussion angefangen, nicht ich. Ich wollte eigentlich auch nur darauf hinweisen, dass dein Einwand, Gott sei allwissend, deinem persönlichen Glauben entspricht, oder auch deinem Glauben, dass Dante das glaubte, dass dadurch aber nicht erwiesen ist, was Dante wirklich glaubte und nur das letztere interessiert mich im Zusammenhang mit der göttlichen Komödie [...]


    Ach so. Du scheinst ein absoluter Skeptiker zu sein. Oder ein absoluter Provokateur.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Ach so. Du scheinst ein absoluter Skeptiker zu sein. Oder ein absoluter Provokateur.


    Nein, als absolut würde ich mich nicht bezeichnen. Skeptiker, warum nicht? Gilt hinterfragen bei dir als Provokation? Dann auch ja.


    Gruß


    Georg

  • Hallo Georg,
    hallo zusammen!


    Zitat von "Georg"

    Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte? Mir z.B. nicht.


    Schön, dass Dich diese Frage interessiert. Ich habe gestern begonnen, im "Cambridge Companion to Dante" (hrsg. von Rachel Jacoff) den Aufsatz "The theology of Dante" von Chr. Ryan zu lesen.
    Zu den ersten 3 Seiten habe ich mir notiert:
    Es sei ein zentrales Anliegen in Dantes Werk*, zu verstehen, wie das Göttliche im Menschlichen präsent ist. Dahinter stehe die Überzeugung, dass Gott v.a. in der menschlichen Natur erkennbar sei. Die menschliche Natur lobpreisen heisse daher, Gott als deren Schöpfer lobpreisen.
    Gott ist präsent durch seine Werke und durch Beatrice, die ein Wunder ist und andere, v.a. Dante, sich ähnlich macht. (Wobei Beatrice irgendwie im übertragenen Sinn zu verstehen ist, nicht als reale Frau.)
    Über die Allwissenheit habe ich noch nichts gelesen.


    * In erster Linie wären dazu mal noch die Vita Nuova und das Convivio zu lesen.


    Dies entspricht wohlgemerkt weder meinem noch Chr. Ryans Gottesbild sondern dem, was man offenbar aus Dantes Werk herauslesen kann. (Oder ev. aus zeitgenössischen Kommentaren?)


    Ich hoffe, Du hast eine gute Bibliothek in der Nähe und findest Zeit für die Lektüre des einen oder andern Werkes. Wir freuen uns, etwas von Deinen Lesefrüchten zu hören.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • ]


    Hallo Maja,


    vielen Dank für deine Antwort. Gute Bibliotheken sind für mich schon erreichbar, die Zeit ist im Moment ein größeres Problem. Aber ich finde die Frage nach Dantes Gottesbild im Zusammenhang mit der Göttlichen Komödie, nicht nur interessant, sondern für das Verständnis einfach notwendig. Schön, dass du das auch so siehst und schade, dass du erst zur Leserunde gestossen bist, als ich schon so gut wie durch war. Deine Beitrage sind für mich aber auch jetzt noch immer lesenswert und ich freue mich immer wenn DU wieder was geschrieben hast.


    Wenn mir aber jemand auf die Frage "Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte?" wie Sandhofer antwortet: "Tut mir leid, Georg, auf Fragen des persönlichen Glaubens steige ich nicht ein.", dann frage ich mich: fühlt der sich jetzt als Dante? - und bin dann eher vorsichtig mich auf eine Diskussion einzulassen und so war diese Leserunde für mich, obwohl ich mich drauf freute, ein eher einsames Leseerlebnis.


    Liebe Grüße


    Georg

  • Hallo zusammen!
    Hallo Georg!


    Um zwei Dinge klar zu stellen:


    1.

    Zitat von "Georg"

    Wenn mir aber jemand auf die Frage "Ist es klar, welches Gottesbild Dante hatte?" wie Sandhofer antwortet: "Tut mir leid, Georg, auf Fragen des persönlichen Glaubens steige ich nicht ein.", dann frage ich mich: fühlt der sich jetzt als Dante?


    Dein entsprechender Abschnitt hat angefangen mit

    Dass Gott allwissend ist, entspricht deinem Gottesbild. Meinem z.B. nicht.


    Für mich ganz klar ein Eingehen auf den persönlichen Glauben von sandhofer. Dante kam erst im Nachsatz.
    2.

    Zitat von "Georg"

    und so war diese Leserunde für mich, obwohl ich mich drauf freute, ein eher einsames Leseerlebnis.


    Da musst Du dich selber an der Nase nehmen. Maja, Bluebell, nimue (bis zu ihrem Ausstieg), xenophanes und ich lesen alle mehr oder weniger im gleichen Tempo. Wenn Du uns davongerast bist, weil Du Dein Lesetempo nicht zügeln kannst ... Du solltest bei einer Leserunde für Speedreader mitmachen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Hallo Sandhofer,


    wenn wir gerade beim klar stellen sind:


    Imho hast du den allwissenden Gott in die Diskussion gebracht und da wird es ja erlaubt sein nachzufragen, ob das dein Gottesbild ist, oder das von Dante. Wenn es Dantes Gottesbild ist, hätte ein klitzekleiner Hinweis von dir genügt, die Diskussion zu beenden, wenn es aber nicht Dantes Gottesbild ist, warum bringst du dein Gottesbild in die Diskussion ein?



    Dein zweiter Punkt, mit eurem gleichen Lesetempo könnte man leicht wiederlegen, bringt uns aber in der Dantediskussion nicht weiter, also laß ich das.
    Gruß


    Georg

  • Zitat von "sandhofer"

    zu ihrem Ausstieg), xenophanes und ich lesen alle mehr oder weniger im gleichen Tempo. Wenn Du uns davongerast bist,


    Ich bin mit mir aber leserundentechnisch gar nicht zufrieden. Ist aber auch meine erste Leserunde, deshalb hoffe ich auf einen Anfängerbonus :zwinker:


    Bringe das Lesen und darüber schreiben in dieser Frequenz noch nicht wirklich zusammen ...


    CK

  • Hallo zusammen!


    Mal wieder zurück zum Text... :zwinker:


    Zu Gesang 23:

    Zitat von "sandhofer"

    Ich fand das Bild dieser Frau sehr anrührend gezeichnet, wie überhaupt die Schilderung von Frauen eine Stärke Dantes zu sein scheint.


    In den darauf folgenden Zeilen schimpft er aber dann recht über die Frauen! Er scheint sie einfach in 2 Kategorien einzuteilen, Tugendhafte und Lasterhafte.


    In Gesang 24, am Ende des 6. Kreises, kommt wieder ein sprechender Baum, ein Abkömmling des Baumes der Erkenntnis. Dazu finde ich auffallend, dass in Hölle 24 und 25 die Schlangen vorkamen.


    Wie ist bei Euch Gesang 25, Vers 1 übersetzt?
    Zu dieser Stunde soll man ledig steigen.
    Es ist mir klar, dass "ledig" nicht nur "unverheiratet" bedeutet, aber was hier??
    Diese Zeile ist mir übrigens auch dadurch aufgefallen, dass bisher noch nie (jedenfalls in meiner Übersetzung) der erste Vers eines Gesangs ein ganzer Satz war.


    Langsam sehe ich auch eine Übereinstimmung von Purgatorium und Hölle: die leichteren Sünden sind weiter oben:
    Zornige: Purg. 3 - Hölle 5
    Geizige: 5 und 4
    Schlemmer:6 und 3
    Wollüstige: 7 und 2
    Auch die Srafen passen besser, sind innerlicher. Die Schlemmer werden in der Hölle durch Schnee, Regen und Hagel bestraft, im Purgatorium durch Hunger und Begierde. Es kommt mir fast vor, als hätte Dante die besten Ideen für's Purgatorium aufgespart und sich für die Hölle "Ersatzstrafen" ausgedacht! :breitgrins:


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!
    Hallo Maja!


    Zitat von "Maja"

    Wie ist bei Euch Gesang 25, Vers 1 übersetzt?
    Zu dieser Stunde soll man ledig steigen.
    Es ist mir klar, dass "ledig" nicht nur "unverheiratet" bedeutet, aber was hier??


    "Die Stunde war's, die ungehemmtes Steigen fordert;" - also wohl "ledig" im Sinne von "ungebunden".
    Auf ganze Sätze oder so habe ich, ehrlich gesagt, nicht geachtet :sauer:


    Ich lese weiter, werde aber erst später dazu kommen, meine Eindrücke zu posten.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Servus, liebe Mitleser! :winken:


    Ich habe es in den letzten Tagen immerhin bis zum 20. Gesang geschafft.


    Gesang 15


    Zitat von "Maja"

    Besonders schön fand ich die Umschreibung der materiellen, irdischen Güter:
    ...Dinge, die durch Teilung sich vermindern.


    ... und im Gegensatz dazu stellt Dante bezüglich der himmlischen Güter die Frage:


    Wie ist es möglich, daß ein Gut zerspalten
    Die mehreren Besitzer reicher macht,
    Als wenn nur wenige davon erhalten?


    Das hat mich an meinen Religionsunterricht zu Volksschulzeiten erinnert. Die Lehrerin erzählte uns gerne die Geschichte von der Kerze, die ihre Flamme für sich allein behalten wollte - und am Ende überrascht war, dass das Licht nach dem Teilen doppelt so hell leuchtete. Quasi eine kindgerechte Aufbereitung der Theologie, die Dante hier vertritt. :zwinker:


    Zitat von "sandhofer"

    Das heisst bei mir: "so muss man Langsame und Träge reizen, // die säumen, ihrer Wachheit Tag zu nützen." - Macht das für Dich Sinn?


    Vielleicht zur Ergänzung noch meine Übersetzung:
    So muß die Sporen geben man den Trägen,
    Zu faul, wenn sie erwachen, aufzustehen.

    Also angesichts Sandhofers und meiner Übersetzung würde ich auch sagen, dass nicht "die Stunde beim Erwachen" gemeint ist, sondern: wenn sie erwachen, sollen sie die Stunde nützen.


    Gesang 16


    Das hier behandelte Thema der Willensfreiheit finde ich extrem spannend. Besonders hat es mir folgende Stelle angetan:


    Ihr Lebenden schreibt alles schnell bereit
    Dem Himmel zu, als ob sich alle Dinge
    Bewegten einzig nach Notwendigkeit.


    Wenn's an dem wäre, bräch's in euch die Schwinge
    Der Willensfreiheit; nicht wär's dann gerecht,
    Daß Tugend Lust und Sünde Kummer bringe.


    Dazu habe ich mal in einem meiner alten Lehrbücher nachgelesen ... Achtung, Exkurs! :zwinker:
    Also in der Philosophie existiert die Strömung des Indeterminismus. Dieser behauptet, dass wir in unseren Entscheidungen (mehr oder weniger) frei sind. Freiheitsgefühl (das Gefühl, auch anders handeln zu können), die Gefühle von Verantwortung, Reue, Schuld usw. wären ohne Willensfreiheit sinnlos (vgl. oben bei Dante!).
    Im Gegensatz dazu vertritt der aus der naturwissenschaftlichen Ecke stammende Philosoph Roger Sperry die Ansicht: "Je mehr wir über Hirn und Verhalten lernen, umso deterministischer, gesetzmäßiger und kausaler erscheint es uns."
    Diese beiden Auffassungen relativiert der "wohlverstandene Determinismus": Echte Freiheit besteht in dem Sinne, dass der Mensch nur durch sich selbst, nicht durch äußere Umstände determiniert ist. Also ich bin zwar immer durch Motive bestimmt (sonst könnte ich überhaupt nicht zu einer Entscheidung kommen), aber es sind meine ureigenen Gefühle, Bedürfnisse oder Interessen, die als Motiv zu einer Wahlentscheidung führen.


    Um wieder zur Komödie zurückzukehren: Mein Kommentar legt genau wie der von Sandhofer die Lehren des Thomas von Aquin der Einstellung Dantes zugrunde. Konkret erläutert wird dies anhand des Verses:
    Der Hirte, der pflegt vorzutraben
    Kann wiederkäun, hat Hufe ohne Spalt.

    Der Papst (der Hirte), der heutzutage auch den weltlichen Dingen vorsteht, hat zwar die rechte Kenntnis der Heiligen Schrift (kann wiederkäun), aber er kann Gut und Böse nicht unterscheiden (hat Hufe ohne Spalt). Die Verschlüsselung dieser Aussage führt mein Kommentar auf die Auslegung einer Bibelstelle (3. Mose 11, 3-7) eben durch Thomas von Aquin zurück. Hier heißt es ... *blätter*... Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. Jedoch dürft ihr von den Tieren, die wiederkäuen oder (!) gespaltene Klauen haben, folgende nicht essen ...
    Leider liefert mein Kommentar keine Angabe darüber, wo und wie genau Thomas von Aquin diese Stelle des AT interpretiert. Ich hätte sie nämlich schlicht und einfach als "Speisevorschrift" hingenommen ... :rollen:


    Abschließend noch ganz kurz eine Stelle, über die ich gestolpert bin:
    Nur weil die gute Führung ausgestorben,
    Entkeimte in der Welt der Sünde Saat,
    ...
    Rom, das die Welt so gut geordnet hat
    ...

    Diese absolut "romunkritische" Haltung Dantes gefällt mir überhaupt nicht. Aber das kritische Auseinandersetzen mit der Vergangenheit Roms dürfte sowieso eine relativ junge Erscheinung sein, oder?


    Ich glaube, das reicht vorerst ... später melde ich mich noch einmal zu den anderen Gesängen.


    Liebe Grüße,
    Bluebell


    PS@Georg: Sei doch bitte so kollegial und halte nicht uns vor, dass dir dein mit freiem Willen gewähltes :breitgrins: Tempo eine ziemlich einsame Leserunde beschert hat.

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • So, weiter im Text. (Bitte entschuldigt, dass ich heute gar so viel auf einmal schreibe, aber ich muss es ausnützen, wenn ich den Computer einmal fast den ganzen Tag für mich haben kann! :zwinker: )


    Gesang 17


    Wie ihr schon geschrieben habt, geht es hier vor allem um die Liebe als Urprinzip allen Handelns, sowie um ihre Richtung und ihre "Dosierung".


    Zitat von "sandhofer"

    Wichtig für den Menschen ist das Mass. Hier kommt m.E. Aristoteles wieder ins Spiel.


    Zitat von "Maja"

    Aristoteles wird übrigens auch im 11. Gesang der Hölle, wo der Aufbau der Hölle erklärt wird, genannt. Er scheint wirklich von zentraler Bedeutung zu sein.


    Womit wir indirekt wieder bei Thomas von Aquin angelangt wären - der ja versuchte, die christlichen Dogmen mit der Metaphysik des Aristoteles (der bis dahin als Heide verpönt war) in Einklang zu bringen.


    Zitat von "sandhofer"

    Somit wird er sozusagen zum Zentrum des Dante'schen Kosmos: Der Mensch als Schauplatz, auf dem der Kampf der ethischen Weltordnung ausgetragen wird.


    Sehr eindrucksvoller Vergleich!


    Gesang 18


    Zitat von "sandhofer"

    wir erfahren, dass Beatrice im Paradiso Dante weiter zum Thema "freier Willen" (also offenbar dem zentralen Thema der commedia ...) aufklären wird, da die Vernunft (und damit wohl eben letztendlich der Zweifel) gewisse Dinge nicht erklären kann


    Hier gefällt mir wieder sehr die Allegorie Vergil = Vernunft, Beatrice = Theologie.


    Gesang 19


    Zitat von "sandhofer"

    Hinter einer süssen, schönen Larve verbirgt sich ein hässlicher, stinkender Madensack. Bis weit ins Barock hinein wird dieses Bild erhalten bleiben.


    Wirklich? Das interessiert mich jetzt genauer! Mir ist nämlich nur das umgekehrte Motiv in diversen Märchen und Volkssagen eingefallen.


    Gesang 20


    So unrealistisch der plötzliche Sinneswandel auch gewesen wäre - im ersten Moment hatte ich gehofft, hier endlich auf eine kritische Metapher zum römischen Imperialismus gestoßen zu sein:


    Verflucht, o alte Wölfin, die gefressen
    An Beute mehr, als je ein Tier zerfleischt,
    Da unersättlich ist dein Drang, zu essen!


    Aber wieder nix - gemeint ist natürlich einzig und allein die Habgier.
    (Ich bin zwar nicht unbedingt romfeindlich eingestellt, aber spätestens seit wir im Lateinunterricht Caesars "De Bello Gallico" übersetzt haben, reagiere ich etwas allergisch auf römische Lobhudeleien. :rollen: )


    Hoppla - ich sehe gerade, dass ich eine Frage von Maja ganz übersehen habe! :redface:

    Zitat von "Maja"


    Öööh.... wo waren die? Habe ich irgendwie überlesen.


    Das war im 6. Gesang, als Dante über Florenz/Italien herzieht. Speziell zu den Montecchi und Capulets meint mein Kommentar: wahrscheinlich Beispiele heruntergekommener ghibellinischer Familien; doch könnte Dante die Namen auch als Muster der vielen Familienfehden in den italienischen Städten gewählt haben.


    Schönen Abend noch allerseits!


    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"


    Wirklich? Das interessiert mich jetzt genauer! Mir ist nämlich nur das umgekehrte Motiv in diversen Märchen und Volkssagen eingefallen.


    Dürer (glaube ich), Luther, Jakob Böhme, Gutzkow, Arnim, Lichtenberg ... Gib mal "Welt Madensack" bei Google ein. Das Bild wurde offenbar sogar weit ins 19. Jh. hinein verwendet.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,
    hallo Bluebell!


    Zitat von "Bluebell"

    (Diese absolut "romunkritische" Haltung Dantes gefällt mir überhaupt nicht. )


    So wie ich es verstanden habe, lobt Dante vor allem die Einheit des römischen Reiches unter einem starken Herrscher und die Pax Augusta. Zu seiner Zeit fehlte in Italien diese starke Hand.


    Gesang 16:

    Zitat

    Der Hirte, der pflegt vorzutraben
    Kann wiederkäun, hat Hufe ohne Spalt.


    Bei mir lautet das
    ...dieweil der Hirte, der vorangeht
    nur wiederkäut, doch nicht die Klauen spaltet.

    Mein Kommentar verweist hier nicht auf Th. v. Aquin, nur auf das mosaische Gesetz, gemäss welchem als reine Tiere gelten, "was die Klauen spaltet und wiederkäut."
    Das Wiederkäuen symbolisiere das Meditieren über die Hl. Schriften, die theologische Weisheit. Die gespaltene Klaue bedeute allegorisch die Gerechtigkeit, d.h. Unterscheidung zwischen Gut und Böse sowie zwischen geistlichen und weltlichen Gütern.


    Zitat von "Maja und Sandhofer"

    ...wenn er noch einen umbringt ... :breitgrins:


    Da Gott allwissend ist, wüsste er das ja im voraus - würde also den Betreffenden gar nicht erst einladen.


    Meine "Witzbemerkung" kam aus der Betonung der Willensfreiheit in den Gesängen 16 und 18 heraus. Aber - ohne wieder eine Glaubensfragendiskussion lostreten zu wollen - könnte man es nicht auch so verstehen, dass Dante gerade wegen der Jenseitsreise auf den rechten Weg kommt und des Paradieses würdig wird? Also erst nachher. Daraus leitet sich für mich (rein vom Text her!) noch keine Allwissenheit Gottes ab, sondern "nur" das Wissen um die Reaktion eines Menschen auf den Jenseitsbesuch. Also, auch wenn es jetzt ketzerisch tönt, Taktik oder pädagogische Berechnung.
    Und Dante wiederum vertraut darauf, bei seinen Lesern das Gleiche bewirken zu können.
    Erstaunlich, dass dennoch in der Commedia der Eindruck der Allwissenheit Gottes vorhanden ist, für mich ist noch nicht ganz fassbar, wie er entsteht. Wie xenophanes geschrieben hat:wunderbar auseinander gedröselt.


    Zitat

    die Geschichte von der Kerze, die ihre Flamme für sich allein behalten wollte - und am Ende überrascht war, dass das Licht nach dem Teilen doppelt so hell leuchtete.


    Ein sehr schöner Vergleich! Passt gut in die Adventszeit.


    Einen schönen 4. Advent wünscht Euch
    Maja