März 2010 - Thomas Morus: Utopia

  • Hallo liebe Mitleser,


    morgen startet die Leserunde zu Thomas Morus - Utopia. Ich lese diese Ausgabe [kaufen='3458329064'][/kaufen]


    Ich wünsche uns allen viel Spaß mit dem Buch und hoffe auf zahlreiche Beiträge und Diskussionen.


    Katrin

  • Hallo,


    ich werde einen fotomechanischen Reprint der von Gerhard Ritter übersetzten Ausgabe von 1922 lesen, 1979 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft verlegt.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo liebe Mitleser,


    Viel kann ich noch nicht zum Buch sagen, ich bin zwar schon bei Seite 52 im Buch, habe aber durch die ganzen Briefe im Vorwort erst ein paar Seiten in Utopias erstem Buch gelesen.


    Was mir aber aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass Morus seinen Lesern anscheinend erklären will, dass es dieses sagenhafte Land wirklich gibt. Das fand ich sehr faszinierend.


    Zudem habe ich mich an einen Wort gestoßen von dem ich nicht gewusst habe, dass es das schon so lange gibt. Im Brief von Thomas Morus an Petrus Aegidius schreibt Morus auf der zweiten Seite: "Komme ich heim, so heißt es mit der Gattin plaudern, mit den Kindern schäkern und mit der Dienerschaft sprechen."


    Da habe ich mal gestutzt und ich denke eher, dass Morus dieses Wort nicht benutzt hat sondern dass es an der Übersetzung liegt. Vielleicht weiß ja einer von euch ob es dieses Wort damals wirklich schon gab.


    Katrin


  • Zudem habe ich mich an einen Wort gestoßen von dem ich nicht gewusst habe, dass es das schon so lange gibt. Im Brief von Thomas Morus an Petrus Aegidius schreibt Morus auf der zweiten Seite: "Komme ich heim, so heißt es mit der Gattin plaudern, mit den Kindern schäkern und mit der Dienerschaft sprechen."


    Da habe ich mal gestutzt und ich denke eher, dass Morus dieses Wort nicht benutzt hat sondern dass es an der Übersetzung liegt. Vielleicht weiß ja einer von euch ob es dieses Wort damals wirklich schon gab.


    Ich mich da mal ein, wenn ich darf. :zwinker: Ganz so neu ist das Wort auch nicht. Es mindesten seit dem 18. Jhd. belegt (Adelung). Ein etymologisches Wörterbuch (Kluge) habe im Augenblick leider nicht zur Hand.


    Grimmsches Wörterbuch: SCHÄKERN
    Adelung: Schäkern

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo,


    ich habe auch noch nicht so viel gelesen, allerdings parallel dazu etwas in der Einleitung meiner Ausgabe geblättert. Es war damals wohl so üblich, daß man seinen Lesern vorgaukelte, daß die Inseln/Staaten, von denen man berichtete, in Wirklichkeit existieren. Deshalb waren den Ausgaben oft Karten etc. beigeheftet, um dies glaubhafter zu machen. Im Falle von Utopia wurde sogar ein Alphabet der Utopier mit angehängt.


    Typisch sind auch diese verschachtelten Erzählebenen. Da ist mir nicht immer klar, ob Morus berichtet oder Raphael Hythloday.



    Zudem habe ich mich an einen Wort gestoßen von dem ich nicht gewusst habe, dass es das schon so lange gibt. Im Brief von Thomas Morus an Petrus Aegidius schreibt Morus auf der zweiten Seite: "Komme ich heim, so heißt es mit der Gattin plaudern, mit den Kindern schäkern und mit der Dienerschaft sprechen."


    Da habe ich mal gestutzt und ich denke eher, dass Morus dieses Wort nicht benutzt hat sondern dass es an der Übersetzung liegt. Vielleicht weiß ja einer von euch ob es dieses Wort damals wirklich schon gab.


    In meiner englischen Übersetzung steht "chat" an dieser Stelle; ist ja auch ein heute noch sehr häufig gebrauchtes Wort. Jetzt wäre interessant, was im lateinischen Original da steht. Heute habe ich leider wenig Zeit, aber ich werde morgen mal danach suchen...


    Viele Grüße
    thopas


  • Ich mich da mal ein, wenn ich darf. :zwinker: Ganz so neu ist das Wort auch nicht. Es mindesten seit dem 18. Jhd. belegt (Adelung). Ein etymologisches Wörterbuch (Kluge) habe im Augenblick leider nicht zur Hand.


    Mein Kluge sagt: schäkern stammt aus dem 18. Jhd. Kommt vielleicht vom westjiddischen chek "Busen, Schoß".

  • Hallo,


    habe auch begonnen und befinde mich im letzten Drittel des ersten Buches.


    Wie du, thopas, hatte ich am Anfang des ersten Buches meine Schwierigkeiten, die Perspektive zu erkennen: Da der Titel lautet "Rede des trefflichen Herrn Raphael Hythlodeus ... ", dachte ich, dass das Erzähler-Ich auch dieser sei, aber Pustekuchen: More selbst schildert erstmal ausufernd, wie er vermittelt durch seinen Freund Peter Aegid - in Antwerpen den Erzähler des Folgenden kennen lernte. Aber nachdem ich das durchschaut hatte, begann es wirklich spannend zu werden. In den bis jetzt von mir gelesenen Passagen geht es zwar nicht um Utopia, aber mindestens genauso spannend um die Kritik an den bestehenden Verhältnissen in England um die Wende zum 16. Jh.. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen: Bisher hätte ich nicht vermutet, dass jemand damals so offen und modern gegen die Missverhältnisse zu Felde ziehen konnte. Auch eine kleine Wirtschaftsgeschichte Englands mit der Umstellung von Ackerbau auf extensive Weidewirtschaft zugunsten der expandierenden englischen Wollindustrie wird einem geliefert. Bisher ein tolles Buch: Für mich müsste Hythlodeus gar nicht nach Utopia: Die Darstellung des und Kritik am Bestehenden ist genügend spannend!


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • In meiner englischen Übersetzung steht "chat" an dieser Stelle; ist ja auch ein heute noch sehr häufig gebrauchtes Wort. Jetzt wäre interessant, was im lateinischen Original da steht. Heute habe ich leider wenig Zeit, aber ich werde morgen mal danach suchen...


    Nur der Vollständigkeit halber: auf Latein heißt es "garriendum cum liberis" (in etwa: "mit den Kindern schwätzen"). Kann man erkennen, ob die deutschen Übersetzungen auf das lateinische Original zurückgreifen oder auf eine englische Übersetzung?


    Ich bin inzwischen auch in etwa so weit wie finsbury und finde die Kritik an den englischen Verhältnissen recht spannend. More läßt ja Hythlodeus diese Kritik üben und versteckt sich gewissermaßen dahinter. So war es wahrscheinlich machbar, das so offen zu schreiben.


    Viele Grüße
    thopas


  • Nur der Vollständigkeit halber: auf Latein heißt es "garriendum cum liberis" (in etwa: "mit den Kindern schwätzen"). Kann man erkennen, ob die deutschen Übersetzungen auf das lateinische Original zurückgreifen oder auf eine englische Übersetzung?


    Danke für die Erklärung.


    Mein Buch vom Insel Verlag wurde von Hermann Kothe übersetzt und überarbeitet und geht auf die Ausgabe "The complete works of St. Thomas More, Bd.4, hg. Edward Surtz, S.J. und J.H. Hexter, New Haven und London 1965" zurück.


    Katrin

  • Ich finde das Buch bisher auch sehr gut.


    Vor allem die Debatte über die Strafen fand ich sehr aufschlussreich. Vor allem die Tatsache, dass er gegen die Todestrafe bei Diebstahl ist weil sonst der Verbrecher in Versuchung gerät sein Opfer gleich zu töten, da ihn da auch die gleiche Strafe erwartet. Diese Schlussfolgerung klingt ja noch logisch, aber die Art und Weise wie er die Leute "resozialisieren" will finde ich dann ein wenig sehr weit hergeholt.


    Ich bin derzeit leider erst Mitte des ersten Buches und warte schon gespannt darauf wann endlich Utopia kommt.


    Katrin

  • Momentan komme ich leider kaum zum Lesen, hoffe aber, daß ich dieses Wochenende wenigstens das erste Buch zu Ende lesen kann. Hythloday lehnt es ab, als Berater von Fürsten und Königen zu fungieren, denn er begründet sehr ausführlich und einleuchtend, daß Fürsten sowieso nur das hören wollen, was sie selbst planen (z.B. ihr Reich zu vergrößern); und wenn ein Berater etwas anderes vorschlägt, kann er gleich wieder gehen oder wahrscheinlich noch schlimmeres...


    Ich bin gespannt, wie toll dann wohl Utopia ist im Vergleich zu den europäischen Ländern.


    Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
    thopas

  • Hallo,


    leider bin auch ich im Moment mit Arbeit überhäuft und komme nicht weiter. Auch wird sich das an diesem Wochenende nicht ändern.
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    gestern Nacht habe ich mich endlich mal wieder der "Utopia" zugewandt. Diese langen Lesepausen hat das gut zu lesende Büchlein eigentlich nicht verdient, aber momentan bin ich selbst dafür oft zu abgespannt.


    Bin nun mit dem spannenden ersten Teil fertig: Die Kommunismus-Diskussion zwischen Hythlodeus und Morus ist die Gleiche wie heute noch: Macht das Leistungsdenken die Gleichbehandlung unmöglich?
    Als Antwort darauf geht Hythlodeus nicht direkt auf die Frage ein, sondern beginnt nun mit seiner Darstellung der Insel Utopia.
    Diese weist große Ähnlichkeit mit der britischen Insel auf, auch Lage von Hauptfluss und -stadt gleichen bis in Details Themse und London.
    Damit hört die Ähnlichkeit aber schon auf. Denn die Utopier sind in landwirtschaftlichen und städtischen Kommunen organisiert und teilen sich die Arbeit nach einem strengen Reglement, das möglichst niemanden benachteiligt, aber persönlichen Neigungen dennoch Raum gibt.
    Interessant ist, dass in Utopia diese Utopie nur für die Bürger gilt. Es gibt daneben wie im alten Rom an das Land gebundene Sklaven, die an dieser Idealgesellschaft nicht teilhaben,sondern für diese die Drecksarbeit, wie z.B. das Schlachten durchführen, denn die Utopier essen zwar gerne Fleisch, wollen aber ihre zarte Seele nicht dadurch verrohen lassen, dass sie aufhören, Mitleid mit der Kreatur zu empfinden.
    Ebenso wird das Festland kolonisiert, und nur diejenigen Ureinwohner werden geduldet, die die Lebensweise der Utopier uneingeschränkt übernehmen.
    Ich bin gespannt, ob es wieder zu einem Dialog zwischen Hythlodeus, Aegidius und Morus kommt, und wie die beiden letzteren auf diese Umstände reagieren.


    Wer liest noch mit?


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    bin ungefähr in der Mitte des zweiten Buches. Dieses lässt sich noch einfacher lesen als das erste.
    Dadurch dass Morus aber jetzt von der Kritik der bestehenden Verhältnisse zur Positivdarstellung eines Gegenentwurfes kommt, wird auch vieles sehr widersprüchlich.
    Die Idealwelt Utopia verstrickt sich wie schon unten aufgeführt, in der bestehenden Welt, weil sie aufgrund des Bevölkerungsdrucks Kolonisationstrupps aufs Festland entsendet, die die aufgefundene Urbevölkerung nur dulden, wenn sie sich ihrer Lebensweise anpassen.
    Positiv und sehr modern ist, dass die Frauen vollständig in den Arbeitsprozess integriert sind, wenn auch bei der Besetzung der höheren Stellen durchklingt, dass diese wohl Männersache sind.
    Genuss als Lebensprinzip ist der utopischen Gesellschaft zugrunde gelegt, allerdings ein kontrollierter Genuss im Sinne eines gemäßigten Epikuräertums, das Genussbefriedigung als Antwort auf zuvor erduldete Anstrengungen ansieht. Z.B. soll einem das Essen zu den Hauptmahlzeiten schmecken, weil man ja zuvor darauf verzichten musste und daher jetzt mit Genuss den Hunger befriedigen kann.
    Demnächst kommen die Kapitel "Von den Sklaven" und "Vom Kriegswesen", auf die ich schon sehr gespannt bin, stellen sie doch große Widersprüche in der utopischen Gesellschaft in den Vordergrund.


    Ein schönes Wochenende


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

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