März 2010 - Thomas Morus: Utopia

  • Hallo,


    ich habe inzwischen mit dem zweiten Buch begonnen, bin aber noch nicht sehr weit gekommen ("Of the magistrates"). Dieser Teil ist wirklich recht einfach zu lesen, da hauptsächlich aufgezählt wird oder beschrieben wird. Manchmal fehlen mir ein bißchen die Begründungen, warum etwas so ist wie es ist. Warum z.B. wird Getreide nur für Brot angebaut (also offensichtlich nicht zum Bierbrauen verwendet), Alkohol gibt es aber schon (Wein)? Ist die neuartige Geflügelaufzucht dazu da, die Erträge zu optimieren? Andererseits wird ganz gut erklärt, warum die Utopier Ochsen statt Pferde als Arbeitstiere verwenden.


    Jetzt geht es dann um Wissenschaft und Handwerk. Bin gespannt, was die Utopier da alles können.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    ich las heute Nacht das Kapitel von der Sklaverei und den Anfang vom Kriegswesen.
    Beide Kapitel machen deutlich, dass die Utopier Pragmatiker und Utilitaristen sind, die ihre Bräuche und Aktivitäten nach dem größten Nutzen richten, das ihr als absolut richtig angesehenes Staatswesen davon hat.
    Auch die von mir unten angesprochene Modernität in der Einstellung gegenüber der Frau hat sich als falsch erwiesen, denn in einer Zwischenzeile wird eindeutig gesagt: „Die Ehemänner züchtigen ihre Frauen, die Eltern ihre Kinder.“
    In dem Kapitel über das Kriegswesen kommt es meiner Meinung nach zu Widerdsprüchlichkeiten in Bezug auf Bündnisse. Die Utopier verteidigen zwar angegriffene Bundesgenossen, sind aber gegen Militärbündnisse (wohl eine Anspielung auf die ständig wechselnden Bündnisse zu Morus‘ Zeiten).


    Das kann aber auch an der Begrifflichkeit meiner Übersetzung liegen.


    Einen angenehmen Restsonntag und Wochenbeginn wünscht


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Jetzt geht es dann um Wissenschaft und Handwerk. Bin gespannt, was die Utopier da alles können.


    Ok, es ging nicht um die Wissenschaften. More verwendet das Wort "science" hier im Sinne von "Können, Fertigkeit"; es ging also um das Handwerk und die Berufe bei den Utopiern. Interessant finde ich, daß alle Leute, die keiner produzierenden Tätigkeit (Handwerker, Bauern) nachgehen, gleich als Müßiggänger abgestempelt werden. Da hört man förmlich die Aufschreie aller Frauen, die den ganzen Tag kochen, putzen, waschen und oftmals nebenher auch noch Geld verdienen mußten... und nun werden sie pauschal als Müßiggänger abgestempelt, zusammen mit den Bettlern und den Dienstboten. Er hat natürlich größtenteils recht, wenn er die reichen Leute als Müßiggänger verurteilt, und beim Klerus könnte sein Urteil durchaus auch gelegentlich richtig sein...


    In Utopia gehen alle Menschen einer produzierenden Tätigkeit nach, und bilden sich nebenher noch, so sie dazu Lust haben. Ich bin neugierig, wer denn dann das Putzen, Waschen etc. übernimmt. Das Kochen übernehmen wohl die Frauen, wie es an einer Stelle heißt. Die niedrigen Arbeiten werden von sog. "bondmen" (Knechte in der deutschen Übersetzung) erledigt. Vielleicht wird darüber später noch mehr berichtet, wer diese Knechte sind (und wer bzw. was bestimmt, wer Knecht wird).


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    ich habe gestern das erste Buch beendet (Gott sei Dank) denn ich fand diese Debatte am Schluss nur mehr lähmend. Ich bin froh, dass es endlich zur Insel direkt geht und wir mehr über sie erfahren und nicht den beiden Diskutierenden zuhören müssen wie sie sich über die Zustände beschweren und darüber reden was ein König tun und lassen muss oder sollte.


    Solche langen Debatten ermüden mich eher, als das ich einen Nutzen aus ihnen ziehen würde.


    Ich hoffe mal, dass es im zweiten Buch besser wird.


    Katrin


  • ich habe gestern das erste Buch beendet (Gott sei Dank) denn ich fand diese Debatte am Schluss nur mehr lähmend.


    Hallo Katrin,


    ich fand diesen Teil das ersten Buches auch nicht besonders spannend; ich habe da auch eher quer drüber gelesen. Ich merke aber auch, daß es im zweiten Buch Themenbereiche gibt, die ich etwas zäh finde. Momentan stecke ich da auch etwas fest...


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    am Mittwoch habe ich die Utopia abgeschlossen und nun auch die fast ebenso dicke Einleitung von Hermann Oncken, geschrieben zu Beginn der zwanziger Jahre, gelesen.
    Die Utopia ist für mich - wie ich unten schon schrieb - sehr widersprüchlich - und wohl mehr ein Bild und Gegenentwurf zu den Zeitläuften des Thomas Morus als eine wirklich ideale politische Welt.
    Deshalb fand ich auch das erste Buch fast spannender, weil es sich auf die unmittelbare (englische) Lebenswelt des ausgehenden 15. Jahrhunderts bezog, aber auch zwischen den Zeilen der eigentlichen Utopia kommt diese Lebenswelt immer wieder zum Tragen, wie auch die oben angesprochene Einleitung noch einmal aussagt.
    Merkwürdig finde ich vor diesem Hintergrund auch ihren Autor, Thomas More, der im politischen Leben wohl oftmals genau das Gegenteil dessen verteidigte, was seine Utopia mit ihrem Verfechter Raphael verkündet. Auch damals muss wohl die Politik zu interessanten "realpolitischen" Entscheidungen geführt haben, wie heute noch -wobei More schließlich sogar für die alten kirchlichen Werte gestorben ist.
    Ich denke aber, dass mir ein Großteil der historischen und philosophischen Bedeutung des Werkes verschlossen bleibt: Um es richtig würdigen zu können, müsste ich mich mindestens mit den Staatstheorien der Antike, Erasmus und Macchiavelli auskennen, und darüber weiß ich nur wenig und nichts aus erster Hand.
    Vielleicht aber führt ja eins zum anderen ..., wenn auch nicht in nächster Zeit.


    Fazit: Ein sehr interessanter Einblick in eine Kulturepoche, aus der nicht viele Zeugnisse in meinem Leserbewusstsein angekommen sind: Mir ist jetzt klar geworden, wie lebendig und spannend die Literatur in diesem von mir vorurteilshaft als trocken eingestuften Humanismus daherkommt.


    Vielen Dank, Jaqui und thopas, für diese Leserunde, vielleicht treffen wir uns ja in nicht allzuferner Zeit mal bei Machiavelli oder Erasmus; Von meinem langjährigen Leseschwerpunkt wären auch die Politiken des Platon oder Aristoteles recht interessant für mich.



    Jetzt geht es aber erstmal mit dem "Titan" des Jean Paul weiter.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Merkwürdig finde ich vor diesem Hintergrund auch ihren Autor, Thomas More, der im politischen Leben wohl oftmals genau das Gegenteil dessen verteidigte, was seine Utopia mit ihrem Verfechter Raphael verkündet.


    Das will mir als die Crux dieses Werks erscheinen: Ist Utopia Morus' Utopie oder die von Raphael? Morus hält sich durch die Erzählsituation, die er benutzt, äusserst bedeckt, finde ich.


    Vielen Dank, Jaqui und thopas, für diese Leserunde, vielleicht treffen wir uns ja in nicht allzuferner Zeit mal bei Machiavelli oder Erasmus; Von meinem langjährigen Leseschwerpunkt wären auch die Politiken des Platon oder Aristoteles recht interessant für mich.


    Zu Erasmus liesse ich mich vielleicht auch noch überreden ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    ich stecke momentan noch mitten im zweiten Buch und es geht langsam voran. Ich hatte auch gelegentlich schon das Gefühl, daß das, wofür Hythloday die Utopier lobt, nicht unbedingt von More umgesetzt wurde. Momentan bin ich dabei, einige Wissenslücken über die damalige Zeit zu schließen. Dabei bin ich auch einigemale über Erasmus von Rotterdam gestolpert. Was würde sich denn anbieten, von ihm zu lesen? (muß nicht unbedingt demnächst sein, wir können da gerne noch warten...)
    Machiavelli habe ich auch noch nicht gelesen...


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    die ersten Kapitel des zweiten Buches habe ich nun beendet und ich muss sagen: Besser als der erste Teil, aber für mich nicht nachvollziehbar.
    Was soll denn bitteschön so toll an diesem Lebensstil sein den Morus beschreibt? Sechs Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und den Rest der Zeit darf man nicht mal machen was man will, sondern muss lernen, sich bilden, nur ja keinen Müßiggang zeigen.
    Irgendwie finde ich dieses Leben nicht so toll und erstrebenswert, aber jedem das seine.


    80 Seiten habe ich noch vor mir, die schaffe ich auch noch :winken:


    Katrin


    Edit: Habe gerade gesehen, dass in "Lob der Torheit" von Erasmus auch Thomas Morus vorkommt.

  • Zu Erasmus liesse ich mich vielleicht auch noch überreden ... :winken:


    Das ist natürlich ein Anreiz! :zwinker: Allerdings erst ab der kommenden Spätherbst-Wintersaison, vorher habe ich anderes zu lesen.
    Was sollte es denn werden?
    "Lob der Torheit" klingt am interessantesten, und ist, wie Jaqui schreibt, ja auch Morus gewidmet. Dagegen ist "Die Erziehung des Christlichen Fürsten" bezüglich des politischen Aspektes das Passendere zur Utopia. Auf jeden Fall habe ich durchaus Lust auf Humanismus, nachdem ich an Morus festgestellt habe, dass die Humanisten ganz schön modern sein können!


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,



    Interessant finde ich, daß alle Leute, die keiner produzierenden Tätigkeit (Handwerker, Bauern) nachgehen, gleich als Müßiggänger abgestempelt werden. Da hört man förmlich die Aufschreie aller Frauen, die den ganzen Tag kochen, putzen, waschen und oftmals nebenher auch noch Geld verdienen mußten... und nun werden sie pauschal als Müßiggänger abgestempelt, zusammen mit den Bettlern und den Dienstboten.


    Ja, ich schreie hier auf, aber leider wird die Tätigkeit im Haushalt heutzutage ja noch immer als "minderwertig" und "schnell erledigt" abgestempelt.


    Aber nun wieder zum Buch. Sehr spannend fand ich beim Kapitel "Sklaven" die Tatsache, dass sie dem Thema Sterbehilfe aufgeschlossener gegenüberstanden als wird. Da heißt es nämlich: "... enden ihr Leben entweder freiwillig durch Nahrungsenthaltung oder erhalten ein Schlafmittel und finden im bewußtlosen Zustande ihre Erlösung".


    Da sind sie human, aber beim Thema "Ehebruch" kennen sie keine Gnade. Dieser wird rigoros bestraft.
    Lustig fand ich auch die Tatsache, dass sich die angehenden Ehepartner nackt gegenüberstehen müssen, weil man ja nicht wissen kann was sich unter der Kleidung verbirgt :breitgrins:


    Da ich nicht mehr viel vor mir habe, werde ich das Buch heute noch beenden. Ein abschließendes Resumee kommt dann morgen von mir. :winken:


    Katrin

  • Hallo,


    Nun habe ich die Utopia hinter mir gelassen und ich muss sagen: Hut ab vor Thomas Morus. So eine Kritik am Adel muss man sich mal trauen und das auch noch in seiner Position. Es wundert mich ja, dass er nach Veröffentlichung nicht sofort verhaftet wurde. Denn besonders im letzten Kapitel sind die ganzen Leute, die Geld haben, die super Bösen, die man geradezu verachten soll, da sie die ehrlichen Leute, die arbeiten nur ausbeuten.
    Das diese harten Worte keine unmittelbaren Konsequenzen nach sich zogen?


    Was mir beim Lesen noch aufgefallen ist: Hatte Morus ein Faible für das römische Reich? Immerhin kommt der Mithraskult (Sonnenkult) vor und es werden Quästoren (niedrigste Amt der senatorischen Ämterlaufbahn in der römischen Republik) erwähnt.


    Das Thema Kriegswesen fand ich sehr spannend. Als beste Variante gelten also Söldner, die für Geld heute da und morgen dort kämpfen! Na wenn er meint.
    Was ich aber nicht ganz verstanden habe: Frauen und Männer stehen nebeneinander auf dem Schlachfeld. Es ist aber eine Schmach für den Mann wenn er ohne seine Frau wieder heimkommt, weil sie im Krieg gefallen ist. Was soll denn der Mann in so einer Situation bitteschön tun? Sich auch umbringen lassen? Darauf gibt er nämlich keine Antwort.


    Auch das Thema Gesetze fand ich sehr interessant. Obwohl Morus selber so was wie ein Anwalt war, gibt es in Utopia keine Anwälte. Weil es keine schwierigen Gesetze gibt und jeder sich selbst verteidigen kann vor Gericht.


    Alles in allem bin ich sehr angetan von dem Buch, dass ich nie alleine gelesen hätte. Es hat mir wieder einmal sehr viel Spaß gemacht eine neue Epoche kennen zu lernen.
    Sollte es zu einer Erasmus Leserunde kommen, bin ich mir großer Wahrscheinlichkeit mit von der Partie. :winken:


    Katrin


  • Nun habe ich die Utopia hinter mir gelassen und ich muss sagen: Hut ab vor Thomas Morus. So eine Kritik am Adel muss man sich mal trauen und das auch noch in seiner Position. Es wundert mich ja, dass er nach Veröffentlichung nicht sofort verhaftet wurde. Denn besonders im letzten Kapitel sind die ganzen Leute, die Geld haben, die super Bösen, die man geradezu verachten soll, da sie die ehrlichen Leute, die arbeiten nur ausbeuten.
    Das diese harten Worte keine unmittelbaren Konsequenzen nach sich zogen?


    Hallo Katrin,


    die Utopia ist ja eine Realitätsfiktion, d.h. Morus berichtet ja nur von einem Gespräch, das er mit Raphael Hythloday geführt hat und in dem ihm dieser von den Utopiern und deren Staat erzählt hat. Damals war es üblich, solche "Berichte" als echt auszugeben (vermutlich auch, um sich vor eventuellen Konsequenzen zu schützen). More konnte sich immer dahinter verstecken, daß es ja nicht seine Ansichten sind, die er hier beschreibt, sondern die von Hythloday. Ganz am Ende schreibt More ja, daß er Hythloday gerne noch mehr gefragt hätte, daß er gerne einige Ungereimtheiten geklärt hätte und auch nicht mit allem übereinstimmt, was dieser gesagt hat... Er würde sich wünschen, daß manches davon auch in unseren Staaten verwirklicht werden würde.



    Was ich aber nicht ganz verstanden habe: Frauen und Männer stehen nebeneinander auf dem Schlachfeld. Es ist aber eine Schmach für den Mann wenn er ohne seine Frau wieder heimkommt, weil sie im Krieg gefallen ist. Was soll denn der Mann in so einer Situation bitteschön tun? Sich auch umbringen lassen? Darauf gibt er nämlich keine Antwort.


    Für mich klang das so, als ob dann tatsächlich die Hinterbliebenen so lange Kämpfen, bis sie selbst vernichtet werden, um dieser Schmach zu entgehen...


    Ich habe die Utopia auch gestern beendet, es sind noch einige Anhänge in meiner Ausgabe, die ich noch lesen möchte; hauptsächlich Beigaben zu den diversen Ausgaben (v.a. Briefe).


    Für den Bereich Religion nimmt More sich viel Zeit, da hat er sich einige Gedanken gemacht. Schade, daß die Toleranz, die in Utopia bzgl. des Glaubens herrscht, dann im wirklichen Leben von More nicht auch praktiziert wurde (More war ein entschiedener Gegner der Reformation). Allerdings kenne ich mich in diesem Bereich zu wenig aus, um über Mores genaue Ansichten bescheid zu wissen.


    Wenn ich alle Anhänge und die Einleitung nochmal gelesen habe, kann ich dann evtl. nochmal etwas mehr Gedanken beisteuern.


    Viele Grüße
    thopas