Der "Grüne Heinrich" ist einer meiner Lieblingsromane. Ich sehe in dessen Tonfall viel Ähnlichkeit zu Jean Paul - immer erscheint die Sprache etwas heiter, die Sicht auf die Welt ist eine halb-spaßhafte, aber dieser belustigte Ton scheint immer kurz davor, in tiefe Melancholie zu kippen.
Einen Lieblingsroman würde ich den "Grünen Heinricht" nicht gerade nennen, aber er hat (in der Ursprungsfassung) sicher seine Qualitäten. Wirklich heiter geht es mMn. nicht zu im Leben des Helden. Unfähig, seine Liebe zu gestehen, hin und hergerissen zwischen dem lebendigen Vollweib Judith und der ätherisch-morbiden Anna, trifft er die denkbar schlechteste Entscheidung (nämlich die der leidenden Entsagung). Auch die Künstlerkreise, in den er später verkehrt, sind nur ausnahmesweise lebenslustig, z.B. während des Karnevals, und verlogen bis ins Mark. Heinrich lebt vollkommen parasitär, er verbraucht das wenige Geld seiner armen Mutter, macht Schulden und ist nur kurz vor der Abreise aus München in der Lage, eigenständig ein wenig Geld zu verdienen - bezeichnenderweise nicht mit echter Kunst.
Für mich ist "Der grüne Heinrich" ein zutiefst melancholisch-pessimistisches Werk. Es geht um das Scheitern als Künstler, das Scheitern im Leben. Und um den (Selbst)Betrug der Kunst. Schon als Schüler der dubiosen Habersaatschen Werkstatt täuscht Heinrich seinen Lehrer mit boshaftem Vergnügen: "Ich erfand, irgendwo im Dunkel des Waldes sitzend, immer tollere und mutwilligere Fratzen von Felsen und Bäumen und freute mich im voraus, dass sie mein Lehrer für wahr erachten würde.“
In München vervollständigt er diese "illusionäre" Art des Malens. Heinrich "zog es vor, eine ideale Natur fortwährend aus dem Kopf zu erzeugen, anstatt sich die tägliche Nahrung aus der einfachen Wirklichkeit zu holen. … Er versenkte sich nun ganz in jene geistreiche und symbolische Art. … Die Gegenstände waren fast immer solche, deren Natur er nicht aus eigener Anschauung kannte, ossianische oder nordisch mythologische Wüsteneien, zwischen deren Felsenmälern und knorrigen Eichenhainen man die Meereslinie am Horizont sah, düstere Heidebilder mit ungeheuren Wolkenzügen oder förmliche Kulturbilder, welche etwa einen deutschen Landstrich im Mittelalter, mit gotischen Städtchen, … kurz ein ganzes Weichbild aus einem andern Jahrhundert ausbreiteten."
Zur Kunst hat er zu diesem Zeitpunkt allenfalls noch ein extrem nüchternes, materielles Verhältnis. Deshalb lässt Keller (der vermutlich all dies so oder ähnlich erlitten hat) seinen Helden verarmen, scheitern und schließlich sterben. Was für ein Kontrast zu der heimeligen Rosenhaus-Athmosphäre in Stifters "Nachsommer"!