Beiträge von Sir Thomas


    Ich glaub, "Bartleby" ist eine der besten Novellen, die ich je gelesen habe.
    Eine unglaublich starke Studio eines "Mannes aus der Masse", eines völlig gesichtslosen Menschen.


    Kannte Melville Poe's "The Man of the Crowd"?.


    Hallo Leibgeber,


    interessanter Zusammenhang, auf den ich von allein nicht gekommen wäre.



    Ob Melville Motive aus den Erzählungen von Poe kannte, habe ich mich auch schon öfter gefragt. Die Biografen liefern da allenfalls Allgemeinplätze. Aktueller Anlass bei mir: in der Erzählung "William Wilson" tritt eine Person mit dem Namen "Glendinning" auf. Das war in Melvilles "Pierre" der Familienname des Helden. Zeitlich würde das passen, die Mehrzahl der Erzählungen von Poe stammt aus der Zeit um 1840.


    Ich dachte, Melvilles Lektürevorlieben und Vorbilder seien bekannt. Der Name "Glendinning" in Poes "William Wilson" ist aber sicher kein Zufall.


    LG


    Tom


    Hat jemand Lust dieses oder ein anderes Buch von Steinbeck mitzulesen?


    Vor Jahren las ich "Früchte des Zorns". Viel Elend, Ausbeutung und Ungerechtigkeit, zum Teil ziemlich sentimental serviert. Dieser Autor liegt mir definitiv nicht.


    LG


    Tom


    Insbesondere hat Haydn beim Streichquartett und bei der Sinfonie Entwicklungsarbeit geleistet, ohne die Mozarts Sinfonien oder Beethovens Streichquartette, die zwar über die Werke ihres Vorgängers hinausgehen, überhaupt nicht denkbar wären.


    Hallo montaigne,


    Haydns historische Leistung ist mittlerweile anerkannt. Die Zeiten, in denen er in Mozarts und Beethovens Schatten stand, sind vorbei.




    ... ist der Höhepunkt der abendländischen Musik für mich die so genannte Wiener Klassik d.h. die Musik der Komponisten Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven.


    Das kann man anders sehen. Mit dem Aufkommen der sog. Wiener Klassik hat auch eine Vereinfachung musikalischer Strukturen stattgefunden. Hier nur einige Stichworte: Verschwinden der Polyphonie, Vereinfachung der Harmonik, Standardisierung der musikalischen Formen, Entwicklung von musikalischen Leitmotiven ... Davon hat die Musik sich lang nicht "erhohlt". Das ganze 19. Jahrhundert (bis zu Debussy, Ravel und Schönberg) war im Grunde genommen Musik nach dem klassischen Schema. Schöne Musik, aber eben auch im Vergleich zur barocken Vielfalt "ärmere" Musik.

    LG


    Tom


    Was ich sehr spannend fand, ist die Tatsache, dass Herder offenbar in eine verheiratete Frau verliebt gewesen war bevor er abreiste. Es wird erwähnt, dass Herder auf diese Tatsache in seinem Journal anspielt. Ich muss aber gestehen, dass mir nichts dergleichen aufgefallen wäre.


    Hi Katrin,


    tröste Dich, mir ist es auch nicht aufgefallen. Entweder gibt sich das Nachwort hier doch ein wenig zu hellsichtig, oder wir sind ganz einfach unsensible und unaufmerksame Leser ... :zwinker:


    LG


    Tom


    ... Christa Wolf 82jährig in Berlin verstorben ...


    Schade. "Kein Ort. Nirgends" finde ich großartig. Es ist die schönste (fiktive) Begegnung zweier Literaten, die ich je gelesen habe. "Kassandra" und "Medea" kenne ich nicht. Lohnen die sich? Und was sollte man sonst noch unbedingt lesen, Eurer Meinung nach?


    :winken:


    Tom


    es wird 2012 eine Neuauflage des Buches geben:


    Als ich im Sterben lag:
    Diogenes Verlag; Auflage: 6 (26. Juni 2012)


    Ach Maria, Du überbringst uns immer wieder gute Nachrichten! Weisst Du zufällig auch, ob die Übersetzung eine neue sein wird?


    LG


    Tom

    Ja? Mir ist er eigentlich als ernstzunehmender Literaturkritiker bekannt. Hast du außer meinem Zitat Anhaltspunkte für deinen „Verdacht“?
    :winken:


    Hallo Gontscharow,


    ja, ich habe weitere Anhaltspunkte.


    Greiner: Kleist machte das keineswegs zum Spaß.
    Was kann man an einer solchen Aussage ernstnehmen?


    Greiner: Gerade dann, wenn Kleist sich solchen Abgründen der Seele und des Schicksals nähert, baut er diese zerbrechlich wirkenden Hypotaxen, und wenn der Leser sie beschreitet, ergreifen ihn Schwindelgefühle und die Furcht, die Brücke könnte brechen.
    Wie ich schon sagte: Mir wurde bislang niemals schwindlig beim Lesen, auch habe ich keine Furcht, etwas könnte beim Lesen unter mir zerbrechen.


    Greiner: Die von Kleist gebauten Sprachbrücken brechen nie, aber sie zittern im Anblick des Ungeheuerlichen ...
    Das macht mich jetzt wirklich sprachlos. Hier ist wohl jemand fürchterlich verliebt in seine Metapher der "Sprache als Brücke".


    Greiner: Da fällt zuerst die regelwidrige Interpunktion auf. Kleist benutzt die Satzzeichen als rhythmische Markierungen, er verwendet sie wie ein Schlagzeug, um den Exzess anzufeuern. Nicht allein das, was diese Satzkaskade schildert, ist Gewalt, sondern der sprachliche Sturzbach selber ist Gewalt, eine Gewalt, die das Sprachgefüge bis ins Innerste zum Beben bringt, aber niemals zum Einsturz.
    Interpunktion als Schlagzeug? Ein Sprachgefüge, das im Innersten zum Beben gebracht wird?


    Ich möchte an dieser Stelle H. Greiners Urheberrechte wahren und keine weiteren Zitate anführen. Ob er ein ernstzunehmender Kritiker ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Kleist-Hymne jedenfalls ist zum Teil ein ziemlicher Schmarrn.


    LG


    Tom


    Ulrich Greiner hat in seinem exzellenten Artikel über Kleist Sprache eine treffende Metapher dafür gefunden:


    Das ist ganz nett, fast schon poetisch formuliert. Ich gestehe allerdings, dass mich beim Kleist-Lesen weder Schwindelgefühle noch Furcht übermannt haben. Hymnische Verehrungen wie die des Herrn Greiner sind mir deshalb ziemlich verdächtig. Hier schreibt jemand, um seine Zunftkollegen "spinnwebhaft-filigran" zu beeindrucken, auf dass sie zittern mögen "im Anblick des Ungeheuerlichen".


    Ich kann nicht mal genau sagen was mich an ihm fasziniert und fesselt.


    Hallo Katrin,


    es ist in der Tat nicht einfach, den Sog des kleinen Büchleins zu erklären. Vielleicht ist es die Mischung aus aufklärerischem Optimismus und mitreissender Sprache, die uns an den Herderschen Zeilen kleben lässt.



    ... ich weiß schon jetzt, dass ich noch weitere Werke von ihm lesen werde.


    Hast Du schon etwas Konkretes auf der Liste?


    LG


    Tom


    Und diese Gedanken zur Bildhauerei sagen mir auch nichts.


    Aus dem Journal geht natürlich nicht hervor, wie sehr Herder später während seiner Italienreise 1788/89 die antiken Skulpturen bewundert und schätzen gelernt hat - mehr als die Malerei, die Goethe oft zum Mittelpunkt seiner Italienerfahrungen machte. Die gesamten Briefe und Tagebücher dieser Reise Herders sind erhalten. Ich habe sie nur in kurzen Auszügen gelesen, so wie auch Ausschnitte aus den danach entstandenen "Briefen zur Förderung der Humanität". Dort wird wiederholt auf die Bedeutung der antiken Plastiken eingegangen. Im Journal ist das alles noch recht wirr und unausgegoren - und daher nebulös bis unverständlich. Es scheint, als habe Herder erst sehr viel später Klarheit in seine Gedanken bringen können.


    LG


    Tom


    Ob Kleist da wirklich so viel besser war?


    Hallo Katrin,


    "besser" ist immer so eine Sache ... Kleist war anders, viele empfinden ihn als moderner im Vergleich zu Goethe oder Schiller (auch der FAZ-Rezensent). Ich bin geneigt, dem zuzustimmen, habe aber keine wirklich umfangreichen Kleist-Kenntnisse (Der zerbrochene Krug, Penthesilea, Die Marquise von O. sowie die kleine Abhandlung "Über das Marionettentheater").


    LG


    Tom


    Das ist ein himmelweiter Unterschied und der Vergleich mit den "Protokollen" nicht nur ziemlich daneben, sondern überdies wohl ein Missverständnis. Nicht die "Protokolle" und ihre Entstehung sind mit der Verschwörung gemeint (jedenfalls nicht vorrangig), sondern ihr Inhalt, der eine "jüdische Weltverschwörung" propagiert.


    Ist mir bekannt, daher gibt es kein Missverständnis. Ist das Anfertigen eines Dokuments, das eine nicht vorhandende Verschwörung konstruiert, nicht auch schon eine Verschwörung?


    Der Vergleich der "Protokolle" mit den "Märchen aus 1001 Nacht" und "Grimms Hausmärchen" ist natürlich ein wenig schief. Deshalb steht der Begriff "Verschwörung" im Threadtitel zwischen zwei Gänsefüßen. Bitte also nicht gleich alles so fürchterlich ernst nehmen ... :zwinker:


    LG


    Tom