Beiträge von Sir Thomas

    Soeben gelesen in Thomas Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen": Die Kunst steht mit der Tugend auf keinem guten Fuß. ... Sie wird nie im politischen Sinn moralisch, nie tugendhaft sein. Nie wird der Fortschritt sich auf sie verlassen können. Sie hat einen unzuverlässigen, verräterischen Grundhang. Ihr Entzücken an skandalöser Anti-Vernunft, ihre Neigung zu Schönheit schaffender „Barbarei“ ist unaustilgbar.


    Wenn man "Kunst" durch "Dichtung" ersetzt, trifft das Zitat durchaus auf unseren Freund Olafur zu. :zwinker:


    Ich beginne den musikalischen Teil des Tages heute auch mit Sonaten von Scarlatti, gespielt von Clara Haskil.
    Wirklich kein schlechter Einstieg. :klatschen:


    ... und auch in der Wiederholung einfach klasse! Beim zweiten Hören in der Mittagspause haben sie mir sogar noch ein wenig besser gefallen.



    1) Ja.
    2) Nein. Vielleicht sogar die schwächsten und dümmsten seiner Radio-Essays. Aber wenn Schmidt zu andern Autoren Dummes in grandioser Art und Weise gesagt hat, ist es hier nur dumm ... :winken:


    Oha, danke für die Warnung! Das Nichthörenmüssen bringt eine Zeitersparnis von rund zwei Stunden ... :breitgrins:


    LG


    Tom

    Ich hoffe, in absehbarer Zeit eine gute Joyce-Einführung durch Arno Schmidt zu bekommen. In seinen "Nachrichten von Büchern und Menschen" hat Schmidt sich zweimal mit dem Iren befasst - einmal unter dem Titel "Der Triton mit dem Sonnenschirm", dann speziell mit dem "Geheimnis von Finnegan's Wake". Kennt jemand diese Radio-Essays? Sind sie empfehlenswert (denn Schmidt hat mMn. auch einigen Blödsinn erzählt)?


    LG


    Tom

    Ich bin auch fertig. Ihr habt viele interessante und schöne Dinge in Eure Schlußresümees gepackt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.


    Hier noch ein treffendes Zitat aus dem 1. Band:
    „Es dauert ein langes Menschenleben, sich in die Literatur Islands hineinzuversetzen, und sei es auch nur, um sich klar zu machen, dass man nur ganz wenig von ihr kennen und noch viel weniger von ihr verstehen kann.“


    Allen Mitstreitern herzlichen Dank!


    Tom

    Die Tagebücher sind ein Muss, selbst wenn man Kafka sonst nicht allzu viel abgewinnen kann. Ich ziehe die Tagebücher jederzeit dem restlichen Werk vor. Das Spannende ist der Mix aus alltäglichen Beobachtungen, schrifstellerischen Versuchen, persönlicher Reflexion, Nonsens und offener Verzweiflung.


    Ich glaubte bislang im Besitz der Kafka-Tagebücher zu sein. Animiert von diesem Post habe ich nachgesehen - und fand "lediglich" die Briefe. Einen kleinen Teil des voluminösen Werks habe ich mit Gewinn und Genuss gelesen. Wenn die Tagebücher dieses Niveau halten, dann komme ich wohl um deren Anschaffung nicht herum. Eigentlich hatte ich mir ein wenig mehr Kaufenthaltsamkeit verordnet ... :rollen:


    Ich hoffe, Sir Thomas, Du nimmst an der Dämonen-Leserunde nicht nur deswegen nicht teil, weil Du „identifikatorische Leser“ fürchtest


    Meine letzte Dämonen-Lektüre liegt gerade einmal zwei Jahre zurück und hat den positiven Eindruck der Erstlektüre (ca. 20 Jahre her) nicht bestätigt. Außerdem stehen andere Dinge an als die Beschäftigung mit Dostojewski, den ich weitgehend abgeschlossen habe.

    Noch einmal ganz kurz zu Euren letzten Postings:



    ... jetzt, wo das Ende naht, will ich es auch hinter mir haben, denn genau wie du, Maria, kann ich den Ljosvikingur nicht mehr ertragen.



    Wenn das drum herum nicht wäre, würde ich abbrechen. Mich regt der Lichtvikinger seit beginn des 4. Teils derart auf !


    Diese Reaktionen bezüglich eines fiktiven Charakters verstehe ich nicht. Eure Aversionen sind mir fremd.
    Mir stellt sich die Frage: Warum schildert der Autor uns seine Hauptperson zum Teil derart negativ? Was steckt dahinter? Ich kann (noch) nicht glauben, dass Laxness das Dichterdasein als unauflösbaren Widerspruch zum "normalen" Leben begreift. Aber vielleicht ist gerade das die Kernaussage des gesamten Buchs.


    Dostojewski hat ähnlich ambivalente, widersprüchliche, zum Teil sogar unverständliche Gestalten in seinem Werk auftreten lassen. Das nur als "Warnung" für die anstehende Dämonen-Runde (an der ich ganz gewiss nicht teilnehmen werde).

    Als Ergänzung zu den "Betrachtungen eines Unpolitischen" habe ich jetzt den Essay "Friedrich und die große Koalition" aus dem Jahr 1915 gelesen. Es geht um die menschenverachtende Einsamkeit Friedrichs des Großen, dessen 300. Geburtstag im Januar gefeiert wurde. Thomas Mann schafft es auch auf dem Feld der Geschichtsschreibung, einen kleinen Roman zu entwerfen, der uns den Hauptakteur und dessen politisches Umfeld vermutlich sehr viel näher bringt als all die neu erschienenen Sachbücher. Seine Skizze des ebenso martialisch auftretenden wie zerbrechlich wirkenden preussischen Herrschers ist ungewohnt kritisch und ohne jede Sympathie. Er beschreibt den "bösen Mann" (so nannte ihn Maria Theresia) jedoch in einer Lebendigkeit, die zwar kein Mitleid, aber immerhin Verständnis für die politische Situation schafft, in der Friedrich der Große sich befand. Er war ein monarchischer Emporkömmling in den Augen der anderen gekrönten Häupter Europas; er war umzingelt von Feinden, was ihm allerdings sehr recht war, weil es ihm permanent einen Grund für seine Kriege lieferte. So ganz nebenbei tuscht der Zauber auch noch ein Sittengemälde des 18. Jahrhunderts auf das Papier - ein weibisches und verlogenes Jahrhundert entsteht vor dem Auge des Lesers. Ob das alles nun stimmt oder eher nicht? Es ist wie mit den Einlassungen zur ägyptischen Kultur in den Joseph-Romanen: Selbst wenn es erfunden und erdichtet ist - es klingt plausibel. Unterhaltsam auf hohem Niveau ist es allemal.


    LG


    Tom

    Ich habe gestern den vierten Teil begonnen, bin aber über das erste Kapitel nicht hinausgekommen. Der Einstieg in das Finale ist grandios. Die Landschaft am Gletscher spiegelt die Befindlichkeiten des restlos resignierten Dichters. Sehr schön geschrieben, sehr poetisch! Das gefällt mir - und Euch hoffentlich auch.


    LG


    Tom


    "Das Haus des Dichters"


    Mir fällt auf, dass der dritte Teil die am wenigstens poetische Überschrift trägt. Im Vergleich zu "Der Klang der Offenbarung des Göttlichen" (Teil 1), "Das Schloß des Sommerlandes" (Teil 2) und "Die Schönheit des Himmels" (Teil 4) klingt "Das Haus des Dichters" alltäglich und banal. Tatsächlich ist ja auch das geschilderte Leben in Svidinsvik trivial, wie das Leben halt zu sein pflegt. Auch die Entwicklung des Dichters verläuft im dritten Band weniger poetisch und sehr viel wirklichkeitsnäher als zuvor. Angesichts der Überschrift des vierten Teils erwarte ich wieder etwas weniger "Leben", dafür mehr "Poesie". Vielleicht ist meine These aber auch für den Papierkorb ...


    LG


    Tom


    ich bin nochmals zurück zu Kapitel 3/17 :


    Doch der Gegner Juel J. Juels war auch ein Mann, selbst wenn er weniger Aufhebens machte. Er war zwar nicht der Mann, den die Leute in Örn Ulfar gesehen und geliebt hatten und dem sie bereitwillig bis ans Ende der Welt gefolgt wären. Dennoch hieß es, der Gegner sei ein Fürsprecher des arbeitenden Volkes....


    somit ist es nicht Örn Ulfar.


    Danke für's Nachschlagen, Maria. Diese Episode gehört für mich zu den verwirrenden Aspekten des dritten Teils, den ich, wie gesagt, für den bislang schwächsten halte.



    Aber ist das nicht das Schöne an Literatur und spricht letzten Endes auch für Laxness, dass wir mit unterschiedlichen Interessen im gleichen Roman Ansprechendes, aber auch Abstoßendens finden?


    So ist es, finsbury. Wirklich Abstoßendes fand ich zwar bislang nicht, sondern höchstens die eine oder andere weniger gelungene Passage.


    LG


    Tom

    Ich habe jetzt die ersten 100 Seiten hinter mir. Wenig Neues habe ich bislang erfahren, einiges an Kokolores hingenommen (über Deutschlands Sonderstellung in Europa, die deutsche Seele, den zersetzenden Geist des Zivilisationsliteraten udgl. mehr) und schließlich doch ein wenig Nektar aus der geistigen Selbstverortung des Zauberers geschlürft. Schopenhauer, Wagner, Nietzsche: Dieses Dreigestirn des 19. Jahrhunderts (dem TM sich aus vielerlei Gründen unbedingt zugehörig fühlt) war sein intellektueller Steinbruch. Schopenhauer als Moralist und Pessimist, Wagner als Künstler par excellence und als großer Prosaiker und Symboliker; Nietzsche schließlich als Psychologe der Dekadenz, der die Idee des Lebens mit neuem Gefühl durchdrungen, mit einer neuen Schönheit und Kraft umkleidet und zum obersten Rang erhoben hat; er hat das Gute nicht vor das Tribunal des Schönen, vor das Leben selbst hat er es gezogen. Das ist nicht uninteressant, zumal es sein Frühwerk (u.a. Buddenbrooks, Tonio Kröger, Der Tod in Venedig) ganz gut mit Hintergrund anfüllt.


    Ich bin noch unentschlossen, ob ich die "Betrachtungen ..." weiter verfolge.


    LG


    Tom