Beiträge von Zefira

    Ich habe das Buch heute gelesen (und abends den Film gesehen) und als ich den Faden hier aufmachte, fiel mir das Kafka-Zitat mit dem gefrorenen Meer ins Auge. Das passt sehr gut zu der Wirkung, die "Die Wand" auf mich hat.

    Tief bewegt haben mich die Passagen, in denen die Erzählerin beklagt, dass es womöglich wieder junge Katzen geben wird - sie möchte das lieber nicht erleben, weil sie fürchtet, wieder ein Tier zu verlieren. Mehrmals gibt es Anspielungen dieser Art, über die Leiden der Verantwortung, die Liebe zu einem anderen Wesen mit sich bringt.

    Als ich nach fast sieben Monaten, in denen ich drei Fuß-Ops hatte, vor ein paar Tagen den ersten längeren Gang machen konnte, führte mich dieser (natürlich) zum Offenen Bücherschrank - ich hatte eine ganze Tasche voll Bücher hineinzutun. Herausgezogen habe ich "Die Wand" und bin dankbar für dieses Geschenk. Es könnte mein Buch des Jahres 2019 gewesen sein.


    "Nun, da ich fast nichts mehr besaß, durfte ich in Frieden auf der Bank sitzen und den Sternen zusehen, wie sie auf dem schwarzen Firmament tanzten. Ich hatte mich soweit von mir entfernt, wie es einem Menschen möglich ist, und ich wusste, dass dieser Zustand ncht lange anhalten durfte, wenn ich am Leben bleiben wollte. Schon damals dachte ich manchmal, dass ich später nicht verstehen würde, was auf der Alm über mich gekommen war. Ich begriff, dass alles, was ich bis dahin gedacht und getan hatte, oder fast alles, nur ein Abklatsch gewesen war. Andere Menschen hatten mir vorgedacht und vorgetan. Ich musste nur ihrer Spur folgen. Die Stunden auf der Bank vor der Hütte waren Wirklichkeit, eine Erfahrung, die ich persönlich machte, und doch nicht vollkommen. Fast immer waren die Gedanken schneller als die Augen und verfälschten das Bild."


    Grazia Deledda ist auch immer noch lesenswert.

    Edit: Ich war mal sehr bewegt von einem Roman von Vitaliano Brancati, "Schöner Antonio". Es ist weit über zehn Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber ich erinnere mich noch deutlich an meine Erschütterung. (Was, glaube ich, eher an der Kraft der Schilderung lag als am Inhalt.)

    Ich habe mir ein Buch schicken lassen, das ich als kleine Perle der Gruselliteratur empfinde, "De Verschwörung der Götter" von T.E.D.Klein. Klein ist zehn Jahre älter als ich und hat so extrem wenig geschrieben, dass man mit diesem Buch, das vier Erzählungen enthält, anscheinend schon ca. 50% seines Gesamtwerks kennt. Seine Bücher sind in Deutsch nur noch gebraucht erhältlich. Das Interessante an ihm ist, dass er sich ganz traditioneller Vorstellungen von Gruselromantik bedient, aber seine Geschichten in modernen Settings ansiedelt. Einer seiner Helden, der Werbemann Nadelman, erinnert sich als Erwachsener an ein Kindheitserlebnis: Er ging an einem bewölkten Tag die Uferpromenade in Long Beach (New York) entlang und glaubte für einen Augenblick, im Himmel ein riesiges Gesicht zu erkennen, das auf ihn herabschaute wie in ein Goldfischglas. Kleins Geschichten enthalten viele solcher sprechender Bilder, und er weiß sie so zu gestalten, dass man sie nicht so schnell vergisst.

    Ich sollte vielleicht dazusagen: Der Film ist sehr unkonventionell inszeniert. Große Teile der Szenen - in der ersten halben Stunde sogar alle - sind so gefilmt, als spielten sie sich auf einer Bühne ab. Man sieht in unterschiedlichen Perspektiven den Bühnenrand. Scheinwerfer, Teile des Zuschauerraums. In Gruppenszenen scheinen alle Gesten choreografiert. In der Ballszene haben sich ausnahmslos alle Personen unnatürlich bewegt wie Aufziehpuppen. Das hatte natürlich seinen Sinn, trotzdem hat mich diese aufgesetzte Künstlichkeit genervt; vor allem wurde jede persönliche Teilnahme am Schicksal der Hauptpersonen im Keim erstickt. Ein wenig authentischer wirkten die Szenen um Lewin, vor allem diejenigen, die in freier Natur spielten. In der zweiten Hälfte lockerte das Ganze nach und nach auf, der verkünstelte Eindruck ließ nach, aber da war es schon zu spät, ich wurde nicht mehr wirklich "hineingezogen".

    Es lohnt sich, ein wenig zu googeln und die Kritiken zum Film zu lesen, aber an meinem Eindruck hat es nicht viel geändert. Vielleicht hätte es geholfen, wenn Keira Knightley und vor allem Wronski so überzeugend gespielt hätten wie die Vikander. Aber die ist natürlich ein völlig anderer Typ.

    So, ich nun mal beide Filme rausgelegt hatte und wegen meines dicken Fußes ohnehin fast nichts zu tun habe (außer Steuer machen), habe ich mir den anderen auch gleich angeschaut.

    Bin sehr zwiegespalten. In der ersten halben Stunde fand ich es einfach nur furchtbar, vor allem die Ballszene. Nach und nach wurde es dann besser, oder ich habe die Absicht besser verstanden. Jude Law als fingerknackender Karenin war toll, auch die Szenen um Lewin herum fand ich wieder sehr schön, vor allem auch wegen der reizenden Alicia Vikander (als Kitty), an der ich mich nie satt sehen kann. Aber mit Keira Knightley und vor allem auch dem Darsteller des Wronski wurde ich bis zum Ende nicht warm. Knightley ist ja schon puppenhaft genug, das ist einfach ihre Ausstrahlung, vielleicht liegt es auch an mir, dass ich ihr Leidenschaft - mit Betonung auf Leiden - nie recht abkaufen kann. Aber Wronski war, wie soll ich es sagen, bis ans Ende einfach kein Mann. Was immer das heißen mag. Tut mir leid, ich kanns nicht besser ausdrücken.

    Die Verfilmung mit Sophie Marceau und Sean Bean habe uch eben angeschaut und mich sehr gefreut, dass Alfred Molina auch mitspielt, den schätze ich nämlich ganz besonders. Sophie Marceau hat mir gefallen, Mr. Bean weniger, was aber auch an mir liegen kann - für mich ist er ein bisschen auf eher bildungsferne Naturburschenrollen festgelegt, ich habe ihm die anfängliche Faszination nicht recht abgenommen.

    Einiges fand ich ganz toll, zum Beispiel die Szene, als Alfred Molina mit der Sense mäht. Ein wunderbar ins Bild gesetzter "workflow".

    Insgesamt ein erfreulicher Film.

    In den nächsten Tagen werde ich mir den anderen auch noch anschauen.

    Ich habe eben einen Blick in meinen häuslichen Fundus geworfen - beide Filme vorhanden, aber noch keinen von beiden geguckt. Schande über mich. Werde das so bald wie möglich nachholen.

    Keira Knightley hat mir in der Doktor Schiwago-Neuverfilmung überhaupt nicht gefallen - ich fand sie als Lara fehlbesetzt.

    "Zwölf Stühle" von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, sehr witzig. Hat mir eine Freundin geliehen. Ich hatte vor zig Jahren mal eine Verfilmung gesehen, kannte das Buch aber noch nicht.

    Ah, das ist ja interessant. Die Szene im Brautbett fehlt in meinem Text (wohl die alte Fassung, ich hatte sie bei Gutenberg runtergeladen). Das erklärt den merkwürdigen Bruch im Text am Ende der Hochzeit. Da hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass ein wichtiges Stück fehlt.


    De Darstellung der Ida fand ich aber gar nicht so befremdlich. Ich dachte, sie wollte sich einfach die Zeit vertreiben mit ein paar Sommerflirts. (Männliche Figuren, die sich exakt so verhalten, gibt in der Literatur zuhauf.)

    Ich habe nun doch mal Pause von meinen Krimis gemacht und einen kurzen Roman von August Strindberg gelesen: "Die Leute auf Hemsö", erschienen 1887.

    Hemsö ist, wenn ich das richtige Hemsö gegoogelt habe, eine 54 Quadratkilometer größe Insel im Bottnischen Meerbusen. Der junge Carlsson kommt dort auf den Hof der Witwe Flod, um als Verwalter zu helfen, da der junge Norman Flod kein Interesse an der Wirtschaft hat und lieber fischen und jagen geht. Schon das erste Kapitel ist übertitelt: "Carlsson tritt seinen Dienst an und wird als Gauner charakterisiert", was über Carlsson ebensoviel aussagt wie über die ironische Erzählhaltung, die sich durch das ganze Buch zieht. Nachdem Carlsson sich unentbehrlich gemacht hat, schafft er es, die Witwe zu heiraten, die den ganzen Roman hindurch immer "die Alte" genannt wird. (So ganz alt kann sie übrigens nicht sein, da sie nach der Heirat noch einmal schwanger wird, aber das Kind wird tot geboren.)

    Bei Strindberg kriegt jeder sein Fett ab; Carlsson selbst, seine "alte" Ehefrau, die diese Ehe übrigens mit viel Selbstironie betrachtet, der trinkfreudige Pfarrer, der tüddelige Altknecht Rundquist, das liebestolle Dienstmädchen Ida ...
    Dem Buch fehlt eine Sympathiefigur; andererseits habe ich viel Freude gehabt an den Schilderungen der ländlichen Arbeiten (bei der Heuernte beginnt so ein Tag um drei Uhr früh und endet spät in der Nacht) und Feste, besonders des Hochzeitsfestes.

    Jetzt werde ich bald auch "Das rote Zimmer" lesen, das bei mir seit Jahren herumsteht.

    Meine Leserei ist völlig auseinandergefranst. Das Desaster mit meinen mehrfachen Fuß-Ops verhindert jede intensive Konzentration. Ich könnte, da derzeit an den Rollstuhl gebunden, die tollsten guten Bücher lesen, aber statt dessen liege ich auf dem Sofa, jammere über den dicken Fuß und verschlinge einen blutigen Krimi nach dem anderen. Auch mit dem Giordano bin ich vorerst nicht zurande gekommen.

    Nachträglich Danke für die guten Wünsche, JHNewman. Ein halbwegs normaler Alltag ist bei mir frühestens in vier bis sechs Wochen in Sicht.

    Ich habe "Orfeo" 2016 gelesen und war total begeistert über die Passage, in der die Entstehung des"Quartetts vom Ende der Zeit" von Messiaen geschildert wird. Damals war ich wild entschlossen, mir dieses Werk komplett anzuhören und mich eingehend hinein zu vertiefen; leider habe ich den Zugang dann doch nicht so gefunden wie erhofft.

    Bisher ist es mein einziges Buch von Powers geblieben, allerdings hat sich meine erwachsene Tochter "Die Wurzeln des Lebens" zum Geburtstag gewünscht und ich bin gespannt, was sie dazu sagen wird.


    ps. "Widerstand gegen den Abholzungskapitalismus" klingt jedenfalls sehr sympathisch ...

    Ich habe "Die Bertinis" von Ralph Giordano angefangen, weil mir morgen wieder eine Op mit nachfolgender langer Liegezeit bevorsteht. Das Buch ist schön dick und liest sich süffig. Es ist allerdings nicht immer einfach zu folgen, Giordano hat einen eigenwilligen Stil.

    "Haus aus Sand und Nebel" von Andre Dubus III.

    Es geht um ein Haus in der Nähe von San Francisco, eine ziemlich armselige Butze wahrscheinlich, aber es ist für die alternierenden Erzähler des Romans enorm wichtig. Die Besitzerin ist eine junge Frau, die das Haus geerbt hat und ansonsten in jeder Beziehung gestrandet ist. Da sie Steuerrechnungen nicht bezahlt hat, wird das Haus versteigert. (Dass die Steuerrechnungen, wie sich herausstellt, gegenstandslos waren, ändert daran nichts.)

    Der Käufer des Hauses ist ein geflüchteter Iraner, der unter dem Schah ein hohes Tier war, klotzig verdiente und jetzt als Müllsammler und Tankstellenverkäufer arbeitet, um seine Familie durchzubringen. Das günstig erworbene Haus soll der Grundstein seines neuen Vermögens mit Grundstücksspekulation sein. Er gibt es auf keinen Fall zurück.

    Der Roman führt für beide Erzähler auf direktem Weg in den Abgrund; das weiß ich, weil ich den großartigen Film mit Ben Kingsley gesehen habe, aber ich wüsste es auch so. Eine eigenartige Untergangsstimmung beherrscht jedes Kapitel. Gut zu lesen.

    Hier noch ein Interview zum Thema: Deklinationen sind ein Albtraum für Araber


    Das fand ich sehr lesenswert, besonders den letzten Absatz, in dem sich Khider ein wenig erklärt.

    Ich habe nur ein Buch von ihm gelesen (das mit der Ohrfeige), aber ich habe Hochachtung vor diesem Mann, der in einer fremden Sprache Romane schreibt. Die Reaktionen auf sein "Deutschbuch" (ich sehe das auch gerade bei Facebook) sind furchtbar humorlos und pampig.