Beiträge von Zefira

    So, ich bin mit Lord Jim durch.
    Das letzte Drittel hat mich nicht mehr so richtig fesseln können - obwohl es noch einige sehr sprechende Szenen gibt, zum Beispiel im 37. Kapitel die Szene, als Jewel bei Stein auftaucht.
    Bei Wiki steht zu lesen, dass J.C. durch seine Erzähltechnik, alles Geschehen durch unterschiedliche "Erzählfilter" laufen zu lassen - Berichte aus zweiter und dritter Hand - bewusst Verwirrung beim Leser erzeugt. Ich erkenne das Muster an, finde es auch durchaus faszinierend, aber im letzten Drittel fühlte ich mich zunehmend angestrengt. Auf jeden Fall wird es, wie bei mir üblich, in zwei bis drei Jahren eine Zweitlektüre geben.

    Ich bin mir nicht sicher wegen der Redewendungen, meine aber, in den Neunzigern mal einen kurzen deutschen Roman mit allerhand Sprachspielereien gelesen zu haben, so erinnere ich mch an ein kurzes Kapitel ohne den Buchstaben E. Leider weiß ich ich den Titel auch nicht mehr. Kann sein, dass es der Buchtrinker von Huizing war.

    Ich verstehe natürlich, was diese Aktionsgruppe meint. Ich habe vor ein paar Wochen die ersten Kapitel in Zolas "Rom" gelesen - es ist das einzige, was mir von der Städtetrilogie noch fehlt - und war diesmal wirklich verärgert über Zolas hanebüchenes Frauenbild, obwohl ich es ja von der Rougon-Maquart-Serie hinreichend kenne. Aber andererseits ist das ja der Grund, warum man liest - um sich in einen anderen Kopf zu versetzen. Wenn ich nur noch Selbstbestätigung lesen will, kann ich es auch ganz lassen.


    Edit, hier noch ein Link zum Thema - auch da jetzt über den allgemeinen Kunstbegriff, nicht über Schullektüre:

    Schreiben mit Kondom

    Die Autorin hebt nach meiner Erinnerung (ich habe den Artikel jetzt nicht noch einmal gelesen) u.a. stark darauf ab, dass das Ziel der Schullektüre sein soll, Schüler und Schülerinnen erst mal ans Lesen heranzubringen, Interesse für Bücher zu wecken. Nach ihrer Meinung spielt es dabei eine Hauptrolle, inwieweit eine Identifikation möglich ist, bzw. der Leser / die Leserin beim Lesen das Gefühl hat, dass die Lektüre "einen angeht".


    Ich befinde mich da ehrlich gesagt auf unsicherem Gelände, weil ich gerade darüber nachdenke, was mich eigentlich als Jugendliche fürs Lesen begeistert hat - und ich habe so viel und so vertieft gelesen, dass meine Eltern mir schon mal im Ärger gesagt haben, ich lebe nur in Phantasiewelten. Ich glaube, ich habe viel eher aus Begeisterung über die Sprache gelesen als aus Interesse für bestimmte Themen. Zum Beispiel war ich begeistert von Balzacs Tolldreisten Geschichten und von Ludwig Thomas Lausbubengeschichten, die mir als Dreizehnjähriger glatt gar keine Gelegenheit zur Identifikation gegeben haben - ich habe mich nur an dem ungewohnten Sprachduktus berauscht. (“Ich habe doch gar keinen Stein nicht hineingeschmissen" usw - für mich als Mitteldeutsche eine irre Sprache ...)

    Ein Buch wie Hermann Kants "Die Aula", das bei uns Schullektüre war, hat mich dagegen sehr wenig interessiert. Das war mir mit all dem spätpubertären Gelaber viel zu nah an der Wirklichkeit.

    Ich meine mich zu erinnern, dass meine beiden Töchter (die immer gern gelesen haben, es auch beide schon lange vor der Einschulung konnten) einen ähnlichen Ansatz bei der Wahl ihrer Lektüre hatten.


    ps. Ich lese in einer Facebookgruppe für deutsche Literatur mit. Da ist gerade eine heftige Diskussion entbrannt über diese Aktion hier:
    Künstlergruppe bewirft Goethes Gartenhaus mit Klopapier
    Wie auf FB üblich, wird die Debatte schnell unnötig emotional bis zur gegenseitigen Beleidigung. Speziell geht es um Goethes "Heideröslein", worin er eine Vergewaltigung bagatellisiere. Wer natürlich an klassische Literatur die Maßstäbe der metoo-Debatte anlegt, kann fast den ganzen Kanon in die Tonne treten ... dies nur am Rand ...


    pps. "

    Nun ist es aber - soweit ich einige der Diskussionen um das Thema richtig verstanden habe - so, dass das N-Wort nicht mehr verwendet werden darf, weil es beleidigend ist und negative Gefühle auslöst." (Zitat JHNewman)

    Mein Himmel - wenn man das so weiterdenkt - das wäre ja das Ende jeder Literatur. Zum Haareraufen, dieser Standpunkt.



    Ich habe mir für die letzten zwei (Urlaubs-)Wochen mehrere Bücher aus der Onleihe auf den Reader geladen und war von einem derart beeindruckt, dass ich es mir demnächst kaufen werde. Es war "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude" von Radka Denemarková. Ein Buch über ein quälendes Thema, aber mit einem bemerkenswerten zärtlichen Optimismus geschrieben.

    Ich lese gerade mal wieder Gottfried Keller, die Legenden.

    Keller ist ein begnadeter Erzähler, der unvergessliche Figuren schafft. Der Ritter Zendelwald, der sich alles, was er unternehmen will, so eingehend ausmalt, dass er es am Ende gar nicht mehr unternimmt, ist ein erstaunlich moderner Charakter. Vor allem habe ich aber über seine Mutter gelacht, die eigenhändig das Schlossdach ausbessert und dabei fast einen einreitenden Besucher mit Ziegelsteinen "totschmeißt".

    Und dann das Turnier - der Kämpfer, der seine Nasenhaare zu Zöpfchen geflochten hat! "Game of Thrones" ist armselig dagegen. =O:D:D

    Weiter oben wurden die Sozialkaufhäuser erwähnt. Auch ich bin regelmäßige Kundin bei einem solchen. Übrigens bringe ich jedes Mal, wenn ich Bücher kaufen gehe, auch eine Bücherspende mit. Letztes Mal war die Verkäuferin so erfreut, dass sie mir einfach meine ausgewählten Bücher gegen die (größere) Bücherspende überließ.

    Ich habe tolle Schnäppchen gemacht: "Der Weltensammler" von Ilja Trojanow, "Caravaggios Erben" von Iain Pears (den ich nach "Das Urteil am Kreuzweg" sehr schätze) und "Tochter ihrer Mutter" von Marilyn French. Von Marilyn French habe ich letztes Jahr "Vater unser" gelesen, "Tochter ihrer Mutter" ist quasi ein Vorläufer dazu. Das Buch ist fast 1000 Seiten dick.

    Ich kaufe kaum noch Bücher auf "normalem" Wege. Manchmal suche ich nach einem bestimmten Fachbuch in Englisch, das muss ich mir dann bestellen. Und es gibt zwei französische Thrillerautoren, von denen ich mir jede Neuerscheinung sofort kaufe. Den Großteil meiner Lektüre beziehe ich aber aus Offenen Bücherschränken und dem Sozialkaufhaus, sowie aus der Onleihe. Ich bin froh, wenn die Bücherberge hier nicht weiter wachsen.

    Ich habe endlich mit "Lord Jim" von meiner Leseliste begonnen und die ersten 14 Kapitel gelesen.

    Meine Gefühle sind ein wenig gemischt. Einiges hat mich so hingerissen, dass ich mich fragte, warum dieses Buch eigentlich seit zehn Jahren ungelesen hier steht (ich hatte zwei vergebliche Anläufe in dieser Zeit!). Zu diesen Stellen gehört die Schilderung der Nacht unmittelbar vor der (vermuteten) Havarie und jene Szene im Gericht, als Jim den im Vorübergehen gehörten Ausspruch "Kanaille" auf sich bezieht - die letztgenannten Szene zeigt eine psychologische Hellsichtigkeit, wie ich sie sonst nur bei Tolstoi erlebt habe.

    Manchmal macht mich allerdings die breite Schilderung von Nebensächlichkeiten ein wenig nervös, wie zb gerade im 14. Kapitel die Begegnung mit dem Kapitän, der Jim für eine Guano-Expedition anwerben will. (Man kann natürlich drüber diskutieren, ob das eine Nebensächlichkeit ist; ich habe es beim Lesen als erzählerischen Seitenweg empfunden, der nicht so viel Breite gebraucht hätte.)
    Auf alle Fälle eine echte Bereicherung, ich freue mich sehr über dieses Buch.

    "Sie (die Patna) steuerte zwischen zwei kleinen Inseln hindurch, ließ de Ankerplätze für Segelschiffe links liegen, zog einen Halbkreis und glitt im Schatten eines Hügels dahin, um schließlich dicht an gischtumsprühten Riffen entlangzufahren. Der Araber, der aufrecht auf dem Achterdeck stand, deklamierte laut das Gebet für Reisende auf hoher See. Er betete zum Allerhöchsten, Er möge dieser Fahrt gnädig sein, und erflehte Seinen Segen für des Menschen Mühe und Plage und für seine geheimen Herzenswünsche; dazu stampfte der Dampfer in der Dämmerung durch die ruhigen Wasser der Meerenge, während weit hinten ein von Ungläubigen auf Schraubpfählen errichteter Leuchtturm dem Pilgerschiff mit seinem Feuerauge zuzuzwinkern schien, so als spottete er seiner frommen Mission."

    - diese Stelle ließ mich beim Lesen in eine Art Trance fallen ...

    Thornton Wilder finde ich großartig; Theodore Dreiser habe ich auch mal gelesen, fand ihn aber etwas schwerfällig. H.P. Lovecraft könnte man noch nennen (obwohl schnöderweise dem Gruselgenre zugehörig) und als "jungen" Klassiker John Williams ... Wurde Walt Whitman schon genannt?


    Edit: und wenn Bukowski genannt wird, will ich auch Marilyn French genannt haben.

    Lach, ja, das passiert mir bei Zweitlektüren immer wieder, dass ich mich über die (m.M.n.) Schwachstelle eines Buches furchtbar aufrege. Noch schlimmer wird es, wenn ich das Buch nach Jahren ein drittes Mal vornehme - da kulminiert der Ärger zum äußersten.

    Stoners Brautwerbung erinnert mich jedes Mal an die berühmten Szenen in Hoffmanns Sandmann, wo die Automatenfrau dem entflammten Liebhaber immer nur "ach, ach" antwortet und er das für ungemein geistreich hält.

    Wieso gibt es eigentlich keinen Thread über "Stoner" von John Williams?

    Ich habe das Buch gerade als Zweitlektüre (wenn nicht gar Drittlektüre) vor, und jedes Mal ärgere ich mich ein wenig mehr über die Darstellung der Eheproblematik in diesem Buch. Wenn ich in den einschlägigen Leserforen surfe, wird mein Ärger noch größer.

    Stoner ist ein hinreißender Mensch - aber an seinem Ehedesaster ist er selbst schuld - so sehe ich das.

    ".... die Epiphanie, durch Worte etwas zu erkennen, das sich in Worte nicht fassen lässt."

    Für solche Sätze liebe ich das Buch, trotzdem.