Beiträge von Zefira

    Ein Blick ins Bücherregal: Etzel Andergast (noch nicht gelesen) habe ich doppelt. Den Kerkhoven habe ich gar nicht. =O8o

    Aber ich habe ihn auf jeden Fall im Reader - also kein Problem.

    (Falls irgendjemand hier einen der beiden Etzels geschenkt haben möchte, bitte per PN melden. Ein Tausch wäre natürlich toll, aber ich verschenke ihn auch gern einfach so.)

    Wenn man die Zusammenfassung des Etzel Andergast bei Wiki liest, kann es einen grausen. Aber das ist nicht anders, wenn man etwa die Zusammenfassung des Gänsemännchen liest. Wassermanns Romane lassen sich nun mal schwer zusammenfassen, das Ergebnis sieht immer irgendwie komisch aus ... =O

    Ich habe "Reclams Romanführer" zu Hause, der enthält eine bessere Einführung.

    In den nächsten Tagen steige ich ein.

    Ist denn die erschöpfende Kenntnis des "Fall Maurizius" Voraussetzung für das Lesen des Kerkhoven?
    Ich habe den Maurizius natürlich gelesen, aber das ist viele Jahre her.
    Wenn ich diese Lektüre nicht wiederholen muss, würde ich direkt mit in den Kerkhoven einsteigen. Magst Du einen Faden dazu aufmachen? (Ich brauche noch ein, zwei Tage, um den Faldbakken zu beenden, aber der liest sich leicht weg.)

    Habe heute mehr oder weniger zufällig nach "Unjahre" von Knut Faldbakken gegriffen; von 1976, wenn ich richtig informiert bin.

    Typischer Endzeitroman bis jetzt, erinnert mich an einige Bücher von J.C.Ballard, die ich auch mal gerne gelesen habe. Bin gespannt, was noch kommt.

    "der irrationale Jagdgeist hält sie alle vorher gefangen, neben Ahab auch die "heidnischen" Harpuniere."


    Dann wäre John Williams' Roman "Butcher's Crossing" (den ich sehr schätze, habe ihn diesen Sommer zum zweiten Mal gelesen) quasi eine Fortsetzung: Obwohl der Protagonist Miller keine Gelegenheit auslässt, zu beklagen, dass es in den Weiten der Prärie früher viel mehr Büffel gegeben habe, vernichtet er doch blindwütig schießend eine ganze Herde von Tausenden Büffeln; viel mehr, als er "verwerten" kann (es stellt sich am Schluss heraus, dass er überhaupt keine Felle verkaufen kann; nicht mal ein einziges!). Die Stelle, als Miller seine Schießerei beginnt, ist eine bewegende Schlüsselszene. Er schießt ohne Unterlass, solange er sein Ziel noch erkennen kann, lässt sich jeweils eine neue Flinte geben, wenn die alte zu heiß geworden ist, und stellt sich völlig taub gegenüber allen Einwänden, dass man all diese Büffel nicht wird häuten können - es ist ihm völlig schnurz, er schießt, solange sich noch etwas bewegt. Und das bei einem Menschen, der vorher als überlegt, intelligent, sogar sympathisch geschildert wurde.

    Ich habe natürlich die finale Waljagd in einer "bereinigten Ausgabe" schon vor x Jahren kennen gelernt - aber wie aussichtslos sich diese Jagd von Anfang an ausnimmt, habe ich erst diesmal wirklich wahrgenommen. Ahab kommt mir so chancenlos vor wie jemand, der miit einem Schälmesser einem Tiger nachstellt.

    In irgendeiner Inhaltsangabe habe ich mal gelesen, auch Moby Dick ginge bei dieserJagd zugrunde. Das hatte ich jetzt die ganze Zeit im Hinterkopf, aber keinen Beleg dafür gefunden. Hattet ihr den Eindruck, der Wal sei tot?



    Ein Zitat aus D.H.Lawrence' Aufsatz über Moby Dick, der in meiner Ausgabe abgedruckt ist:
    "So endet eines der seltsamsten und schönsten Bücher der Welt, indem es sein Geheimnis und seinen gequälten Symbolismus zum Abschluss bringt. Es ist ein Epos des Meeres, wie es bisher noch kein Mensch geschaffen hat; und es ist auch ein Buch voll esoterischem Symbolismus von tiefer Bedeutung - und beträchtlicher Eintönigkeit."

    Weiter geht es: "Melville (...) wusste, dss seine Rasse dem Verderben geweiht war. Seine weiße Seele, dem Verderben geweiht. Seine große weiße Epoche, dem Verderben geweiht. (...) Der Idealist, der Geist, dem Verderben geweiht."

    Moby Dick stehe für "das tiefste Blut-Sein der weißen Rasse, (...) unser tiefstes Blut-Wesen. Und er wird gejagt vom manischen Fanatismus unseres weißen Verstandesbewusstseins. (...) Und in dieser manisch-bewussten Jagd nach uns selbst lassen wir uns von dunklen und hellen Rassen helfen, von Roten, Gelben und Schwarzen, (...) sie alle holen wir zu Hilfe bei dieser gespenstischen manischen Jagd, die unser Verderben und unser Selbstmord ist. Die letzte phallische Jagd des weißen Mannes.

    (...)

    Die Pequod war das Schiff der weißen amerikanischen Seele. Sie ging unter und nahm Neger, Indianer und Polynesier, Asiaten und Quäker, gute geschäftssinnige Yankees und Ishmael mit sich.
    (...)

    Wenn der Große Weiße Wal das Schiff der Großen Weißen Seele 1851 versenkt hat, was ist dann seither eigentlich geschehen? Postmortale Phänomene vermutlich."

    Mir sträubt sich da alles. Vielleicht hat es aber unter all dem Rassengeschwurbel eine Spur von einem wahren Kern - wenn es eine "phallische Jagd des weißen Mannes" gibt, dann blüht die wohl mehr als je zuvor in USA ... .

    Hallo Lesegemeinde, ich meine mich zu erinnern, dass eine(r) oder mehrere hier "Das grüne Gesicht" von Gustav Meyrink bzw. "Joseph Kerkhovens dritte Existenz" von Jakob Wassermann auf dem Stapel hatten.

    Wäre eine Leserunde mit einem dieser beiden Werke (oder evtl. auch einem anderen Werk eines dieser beiden Autoren) für jemanden interessant?


    Grüße von Zefira

    Ich war drei Tage unterwegs, hatte keine Lust, mich mit dem dicken Klotz "Moby Dick" zu belasten und habe statt dessen "Drachenläufer" angefangen. Obwohl ich nur während der Fahrt und abends vor dem Schlafengehen im Hotel lesen konnte, habe ich das Buch durch.

    Es ist äußerst grausam und nichts für schwache Nerven, aber vermutlich eine wichtige Lektüre. Bei uns im Westen kann man ja leicht den Eindruck haben, wenn man die Taliban abzieht, sei Afghanistan ein Heroinexportland und sonst nichts. Wenn man Khalid Hosseini glaubt, ist dort eine großartige Kultur komplett untergegangen. Die Geschichte ist, wie auch bei Perlentaucher zu lesen, "konventionell erzählt", aber vermutlich muss das so sein - je konventioneller die Erzählweise, um so krasser wirken die Ungeheuerlichkeiten, die da erzählt werden; jedenfalls bei mir.

    ("Gute Urlaubslektüre" steht in einer der Amazon-Kritiken. Ich weiß ja nicht, wie andere gern Urlaub machen ... Ich habe das Buch direkt an meiner Tochter weitergegeben mir der Warnung, dass man zum Lesen einen starken Magen braucht; obwohl ich als Krimileserin einiges gewohnt bin.)

    Das Schicksal Pips empfinde ich auch als quälend. Schlimm genug, dass so ein Zwerg mit einer Bande ausgewachsener Seemänner jahrelang aufs Schiff muss, aber was hat er denn im Fangboot zu suchen? Da kann er doch niemandem nützen.

    Die Waljagd wird ja bis heute immer wieder mal diskutiert, und manchmal frage ich mich, ob Melville ahnen konnte, dass er irgendwann mal Leser haben wird, die bei der Lektüre der Walfangszenen "für den Wal" sind. Auch wenn Naturschutz und speziell Schutz der Meeresfauna damals kein Thema waren, klingt bisweilen eine leise Verachtung durch, wenn er anmerkt, dass die unter Todesgefahr erjagten Wale zur Parfümherstellung und für Korsett-Fischbeinstäbe verramscht werden.

    Kapitel 95 "Die Soutane":
    Was für ein Teil des Wals ist das, dem da die Haut abgezogen wird, um sie als Umhang zu tragen?
    In meiner Übersetzung wird dieser Teil "Grandissimus" genannt. Könnte es sich um den Penis des Wals handeln?

    In dem vorhergehenden Kapitel "Die Trankocherei", wo es um das Durchkneten des Walrats geht, hat Delbanco übrigens prompt jede Menge sexueller Anspielungen ausgemacht.

    Ich sehe gerade, dass ich einen dussligen Fehler gemacht habe. Die Titelrolle des Billy Budd ist eine Baritonrolle, und Peter Pears war auch kein Countertenor, sondern ein Tenor. Gleich zwei Fehlleistungen auf einmal.

    Ich habe Billy Budd mit Peter Grimes verwechselt. Das ist eine Tenorpartie, die Britten für Pears geschrieben hat.

    Das nur am Rand, gehört ja nicht wirklich her, ich wollte nur den Fehler nicht stehen lassen. .

    Sorry, ich habe tatsächlich die Kapitelzahlen verwechselt. Was dadurch begünstigt wurde, dass die Kapitelzahlen bei mir römisch sind, ich bin nicht gerade sattelfest in römischen Zahlen. Es ist das Kapitel 73 "Stubb und Flask töten einen Glattwal".

    Bei mir heißt Ahabs geheimnisvoller Freund übrigens Fedallah und nicht Abdallah.

    Das Döner-Zitat stammt von Duran Kabakyer, einem gelernten Koch, der ein automatisches Döner-Schneidegerät erfunden hat und produziert (das ist kein Witz!). Der Alkadur-Schneideroboter wird tatsächlich unter dem Namen "Der Gerät" vermarktet.


    Ich stecke immer noch in Walbetrachtungen, Kapitel 75. Dafür habe ich die Biographie ausgelesen. Delbanco betrachtet "Billy Budd" als Meisterwerk und widmet ihm eine geradezu hymnische Besprechung. Ich kenne das Buch nicht, weiß nur, dass Benjamin Britten eine Oper dazu komponiert hat; die Titelrolle schrieb er seinem Lebensgefährten Peter Pears, einem Countertenor, "auf den Leib".

    Edit, stimmt so nicht, siehe unten!

    Eben habe ich schallend losgelacht. Daran möchte ich euch teilhaben lassen.

    Auszug aus "The Confidence Man", von Delbanco zitiert:

    "Ich halte mich lieber an Maschinen. Zum Beispiel meine Apfelmostmaschine - die würde mir gewiß nie meinen Apfelmost stehlen, wie? Odeer meine Mähmaschine - die läge sicher nie bis Mittag im Bett, nicht wahr? Oder meine Maisaushülsmaschine - die käme mir bestimmt nicht frech, oder? Nein (...), sie alle verrichten getreulich ihre Arbeit. Und dabei sind sie uneigennützig, kriegen weder Kostgeld noch Lohn, und doch tun sie uns ihr Leben lang nur Gutes ..."


    Das Buch erschien 1857.

    Wie heißt es über 150 Jahre später über den Döner-Schneideroboter:

    „Der Gerät wird nie müde, der Gerät schläft nie ein, der Gerät ist immer vor der Chef im Geschäft und schneidet das Dönerfleisch schweißfrei.“


    :D:D:D

    In Kapitel 73 lässt sich der Erzähler ih launiger Weise über die Verarbeitung des erlegten Wals aus. Es wird - über mehrere Kapitel - eingehend dargelegt, wie der getötete Wal am Schiff festgemacht wird, der Walspeck quasi abgeschält und am Ende derr Kopf vom Rumpf getrennt wird, um einzelne Teile am Kopf noch zu "ernten". Melville behält dabei einen launigen Erzählton bei, zieht immer wieder lustige Vergleiche zum Alltag und stellt sogar Augenblicke höchster Lebensgefahr, wie im Kapitel "Die Affentamp", als amüsante Episode dar.

    Ein reizvoller, geradezu shakespearischer Kontrast zu dem tiefen Ernst, der Ahabs Leidenschaft charakterisiert.

    Im letzten Absatz des 53. Kapitels betrachtet der geheimnisvolle Fedallah den Walkopf und vergleicht die Furchen in der Haut des Wals mit den Linien seiner Hand, was die arbeitende Mannschaft, die ihn mit einem Auge beobachtet, zu "lappländischen Mutmaßungen" veranlasst - ein Ausdruck, den ich noch nie gehört habe. Liegt das auf einer Linie mit der berühmten deutschen Gründlichkeit, der jüdischen Hast und dem polnischen Abgang ...?

    Oh, der blinde Mörder ist so genial! Ich hatte das Buch als TB, dann habe ich es als Hardcover gekauft (was ich nur mache, wenn ich ein Buch sehr liebe), gleich ein zweites Mal gelesen und das TB verschenkt. Viel Freude damit! Es ist ein tolles Buch!

    Den Hawthorne habe ich vor zig Jahren mal gelesen und nehme ihn mir vielleicht auch noch ein zweites Mal vor, weil ich gerade die Melville-Biographie lese und Melville mit Hawthorne eng befreundet war.

    Kapitel 48 "Das erste Wegfieren" habe ich heute zum zweiten Mal gelesen, weil ich nicht sicher war, gestern alles richtig verstanden zu haben ...


    Wir bekommen die erste Waljagd, die in einem völligen Fiasko endet. Kein Wal erlegt, Ismaels Fangboot zertrümmert, es ist reines Glück, dass die Mannschaft des Fangboots überhaupt vom Schiff aufgenommen werden kann. In diesem Kapitel geht die Erzählperspektive vom Personalen ins Auktoriale (wie schon mehrmals); was da erzählt wird, kann Ishmael gar nicht alles wissen. Soweit ich mich erinnere, sitzt er in Starbucks Fangboot zusammen mit Queequeg als Harpunier.

    Eine bezeichnende Metapher ist der auf den Schultern des "Negers" Daggoo stehende kleine hellhäutige Flask. "Der Träger schaute eher aus als der Reitersmann", stellt Ishmael fest, schildert eingehend Flasks Gezappel auf seinem kernfest stehenden Träger und resümiert: "Solchermaßen habe ich Leidenschaft und Eitelkeit auf die lebendige großmütige Erde aufstampfen sehen, doch die Erde hat drum doch nicht ihre Jahreszeiten und Gezeiten geändert."

    Ehrlich gesagt hat mich neute, beim zweiten Lesen, das Grauen gepackt - die geschilderte Situation, wie die Besatzung des Fangboots ins Meer springt, kurz bevor die Pequod das Boot überrennt, ist unfassbar beängstigend. Und das ist erst der Anfang. Die allererste Waljagd.

    In Delbancos Biographie habe ich die Anmerkungen zu"Moby Dick" bereits hinter mir und heute morgen das Kapitel zu "Pierre oder die Doppeldeutigkeiten" (ich hoffe, der Titel ist halbwegs korrekt zitiert) gelesen. Delbanco geht eingehend alle sexuellen Anspielungen ein, die er, bzw. die Literaturkritik überhaupt, in diesem Werk ausgemacht hat; insbesondere findet er (wie bereits in Moby Dick) etliche Belege für Melvilles homosexuelle Neigungen. Ich war überrascht zu lesen, dass es zu Melvilles Zeiten nicht mal das Wort "homosexuell" oder ein anderes Wort für die entsprechende Veranlagung gab. (Walt Whitman z.B. bezeichnete eine erotische Beziehung unter Männern als "Adhäsion".)


    Ein Exkurs: Was mich aber wirklich auf die Palme gebracht hat, waren Delbancos Ausführungen über Melvilles sexuelle Frustration während des Wochenbettes seiner Frau. "Besser geeignet, schlechte Laune zu heilen ud gute hervorzurufen, als jegliches Mobiliar auf der Welt ist der Anblick eines liebreizenden Weibes" schrieb Melville in "White-Jacket" (Zitat nach Delbanco, ich kenne das Buch nicht), doch wenn "die Kinder zahnen, so sollte die Kinderstube ein paar Treppen weiter oben sein, auf See etwa auf dem Kreuzmars", wo immer das sein mag. Das sind Zitate nach Melville, ich zitiere darüber hinaus Delbanco: "Doch wenn die Frau das Baby schaukelt oder die Kleinen ihr den letzten Nerv rauben, büßt sie ihren Reiz vielleicht ein".
    Diese unbekümmert unverschämte Grundeinstellung, die Ehefrau allein von ihrem erotischen Nutzen für den Mann her zu definieren, hat einen wenig schmeichelhaften Widerpart in Helene Böhlaus Roman "Halbtier", den mir ein Freund vor ein paar Jahren geschenkt hat. Exakt das gleiche - aus der Gegenperspektive - kann man da lesen; die verbitterte Frau sagt selbst, dass sie am besten samt dem Neugeborenen während des Wochenbetts ausziehen solle, da die Qualen und die Nachwirkungen der Geburt und die Bedürfnisse eines Kleinkinds dem Vater nicht zuzumuten seien; das überfordere seine Nerven. Der Roman endet übrigens damit, dass die Schwester jener Ehefrau den Mann erschießt.

    Im Winter 1852 litt Melvilles Frau an einer Brustentzündung, die sich über Monate hinzog. Delbanco resümiert: "Melville litt sexuelle Not, als er Sex als literarisches Thema in "Pierre" einführte."