Es heißt jetzt, mehr als ein Jahrhundert zurückzugehen und das Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den Augen Fontanes zu betrachten.
In "Stine" besuchen wir das Berlin der Gründerzeit, nach dem Krieg mit Frankreich 1870/71, der einen der Haupthelden seine Gesundheit kostete……………..
Die Gegend ist von der Industrialisierung geprägt, die Betriebe, die sich in der Nähe befinden und deren Arbeiter vorbeihasten, werden namentlich genannt, Borsig und Schwarzkopf. Die Proletarisierung hat sich verstärkt. Die neue Zeit ist angebrochen.
Hallo Karamzin,
auch von mir ein herzliches Danke schön für deine gute Einführung in Zeit und Ort des Geschehens. Interessant finde ich vor allem Fontanes Auseinandersetzung mit der Geräuschkulisse Berlins, auf die du hingewiesen hast.
Um mich auf den Roman einzustimmen habe ich mich jetzt auch noch kurz mit der „Gründerzeit“, also der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befasst, eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs der u.a. dem Eisenbahnbau zu verdanken war. Viele Unternehmen wurden gegründet, die auch heute noch Bedeutung haben. Für Berlin seien vor allem das 1837 gegründete Maschinenbauunternehmen Borsig und der 1847 als Siemens & Halske gegründete Elektrokonzern Siemens genannt. Das auf der ersten Seite des Romans erwähnte Unternehmen Borsig war während der Zeit der Dampflokomotiven der größte Lokomotivenlieferant in Europa. Dass mit der im gleichen Satz verwendeten Bezeichnung Schwarzkoppen das Unternehmen Schwarzkopf gemeint ist, kann ich mir allerdings nur schwer vorstellen. Zwar wurde das Unternehmen Schwarzkopf auch in Berlin gegründet, aber der Chemiker und Apotheker Hans Schwarzkopf brachte sein in mehrjähriger Arbeit entwickeltes Shampoo erst 1904 auf den Markt und da war Fontanes Roman „Stine“ längst geschrieben und veröffentlicht.
Meiner Meinung nach sind mit „Schwarzkoppen seine“ die Soldaten des preußischen Offiziers Emil von Schwartzkoppen gemeint, der nach dem Deutsch-Französischen Krieg zunächst Militärgouverneur von Berlin und ab 1873 General der Infanterie war.
„wo Borsig und Schwarzkoppen seine grade die Straße runterkommen“ wäre dann als „wo Arbeiter und Soldaten die Straße runterkommen“ zu lesen.
Falls du aber für deine Lesart gesicherte Quellen hast, lasse ich mich da gerne belehren.
[i]die schräg gegenüber an der Scharnhorststraßen-Ecke wohnende alte Lierschen brummte vor sich hin: »Ich weiß nicht, was der Pittelkow'n wieder einfällt. Aber sie kehrt sich an nichts. Un was ihre Schwester is, die Stine, mit ihrem Stübeken oben bei Polzins un ihren Sep'ratschlüssel, daß keiner was merkt, na, die wird grad ebenso. Schlimm genug. Aber die Pittelkow'n is schuld dran. Wie sie man bloß wieder dasteht und rackscht und rabatscht! Und wenn es noch Abend wär', aber am hellen, lichten Mittag, wo Borsig und Schwarzkoppen seine grade die Straße runterkommen. Is doch wahrhaftig, als ob alles Mannsvolk nach ihr raufkucken soll; 'ne Sünd' und 'ne Schand.«
Viele Grüße
montaigne