Mit den Verhältnissen am Fürstenhof kam ich anfangs nicht so gut zurecht, weil ich überlesen hatte, dass der Fürst Irenäus mit dem "Spaziergang" nicht mit dem jetzigen identisch, sondern dessen Vater ist. Überhaupt ist die Gefahr groß, dass man in den krausen Sätzen die eine oder andere wichtige Info einfach verliert. Ich passe jetzt sehr genau auf beim Lesen. Aber Hoffmanns Erzählweise hat mich sofort wieder gefangen genommen.
Man muss ja praktisch zur Fortsetzung an den unterbrochenen Satz zurückblättern, um den Faden wieder aufzunehmen.
Ich glaube nicht, dass Du etwas überlesen hast, sondern, dass sich das erst nach und nach herausstellt, als der alte Fürst inkognito unterwegs ist und das Gespräch zwischen seinem Hofmarschall und dem Oberjägermeister belauscht. Dann geht es ja recht flott in der Erzählung von der Aufnahme Meister Abrahams ins Schloss bis zum Tod des alten Fürsten. Es kann natürlich sein, dass mir ein paar Details bei der speziellen Form entfallen sind.
Die Geschichte um den Fürstenhof verwirrt mich immer noch ein wenig, auch wenn ich jetzt zumindest konzentriert genug auf die Übergänge achte.
Die sind doch deutlich gekennzeichnet oder ist das bei Dir anders?
Ein bisschen ist mir unser Kater Murr aber doch noch suspekt - einerseits doch recht überheblich und arrogant wie er so über sein Wissen und seine Fähigkeiten schreibt (auch wenn es natürlich besonders ist) andererseits ja auch von natürlich-wildem Trieb der dann in Scham und Verstecken endet, wenn es Konsequenzen hat, so wie mit dem Fressen für die Mutter. Oder verstehe ich da etwa nicht so ganz?
Ich sehe das mit einem Augenzwinkern geschrieben, man denke an die Diskrepanz zwischen Vorwort des Kater Murr und seinem zweiten Vorwort (Unterdrücktes des Autors), sowie der Reaktion des Herausgebers (“Das ist zu arg”). Auf der einen Seite bescheiden, unterschrieben mit "Student der schönen Literatur", auf der anderen Seite das von Dir beschriebene Überhebliche, aber in meinen Augen eben auch die deutlich überzogene Art (unterschrieben mit "sehr berühmter Schritsteller"), was ich so verstanden habe, als dass man die Aussagen des Katers mit Humor, also nicht so wörtlich nehmen sollte.
Mir fällt hierzu auch der Vergleich der Katzenkinder mit den Menschenkindern ein (“Bei den Menschen (…) in den Jahren der Kindheit beträchtlich dümmer und unbeholfener ist, als wir”; Als ein ganz kleines Käterchen ist es mir niemals geschehen, daß ich mir selbst in die Augen gegriffen, ins Feuer oder ins Licht gefaßt, oder Stiefelwichse statt Kirschmus gefressen, wie das wohl bei kleinen Kindern zu geschehen pflegt.”)
Murr spricht den Leser auch direkt an (“Leser! - Jünglinge, Männer, Frauen unter deren Pelz ein fühlend Herz schlägt, die ihr Sinn habt für Tugend (…) ihr werdet mich verstehen und – mich lieben!”) und versucht ihn so auf seine Seite zu ziehen.
Die Beschreibungen der Bildung des Katers und seiner Fähigkeiten sind köstlich, beispielsweise die Begebenheit, die ihm die Gunst seines Herrchens einbrachte und damit das Lesenlernen, als er zufällig vermeintlich den Knigge über den Umgang mit Menschen gelesen haben soll:
“Nun lies nur – studiere fleißig mein Kater, allenfalls magst du auch die wichtigen Stellen im Buche durch sanfte Einrisse bezeichnen, ich stelle dir das frei!”
Da sind viele ähnliche, höchst amüsante Stellen, allerdings hatte ich mir vorgestellt, der Kater würde mit einer seiner Krallen schreiben und nicht mit der Feder.
Zu diesen niedlich bis witzigen Erzählungen, bilden die vom Instinkt getriebenen, animalischen einen Gegensatz. Der schon angesprochene Heringskopf, der der Mutter versprochen war und dann selbst verspeist wurde, wie überhaupt Minas Schicksal mit einem, wenn ich mich recht erinnere, sinngemäßen “ich hab sie nie wieder gesehen” keine Rolle mehr zu spielen scheint.
Die "Einschiebsel" der Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler, die sich anfänglich als Erzählung des Meisters Abraham darstellen, gefallen mir bisher auch sehr gut, wobei ich da noch keine Ahnung habe, wo sie hinführen werden. Witzig, auf eine etwas andere Art, als die Erzählung des Murr, sind sie, dazu noch ein wenig geheimnisvoll.
Sprachlich ist das, wie schon bemerkt wurde, bisher gespickt mit Anspielungen, die mir aber ehrlicherweise meist der Stellenkommentar erläutert hat. Dafür ist er ja da. Gleiches gilt für den Wortschatz, der sich beim Lesen immer erweitert (Die Sagazität = Scharfsinn, ist mir gleich mehrfach aufgefallen). Nur fraglich, wie lange das hängenbleibt.
Über das kleine, aus dem Kontext schon ersichtliche, Adjektiv “altfränkisch”, das synonym für altmodisch oder ‘nicht mehr der Gegenwart entsprechend’ benutzt wird, musste ich als Franke schon schmunzeln und habe gleich im Grimmschen Wörterbuch die entsprechenden Belege nachgeschlagen. Ein Beispiel:
du danzt nach deiner alten geigen,
altfrenkisch sind dein werk und daiding,
gleich also sind auch all dein klaiding.
H. Sachs I, 371a;
Wenn ich ehrlich bin, hat meine Oma früher ähnliche Sprüche zum Besten gegeben, besonders wenn ihr jemand blöd kam.
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Besonders weit bin ich noch nicht gekommen und leider habe ich unter der Woche nicht so viel Zeit, aber ich denke schon, dass ich an den Abenden etwas vorankommen werde. Bisher macht mir der Kater Murr jedenfalls sehr viel Spaß!