Beiträge von Krylow

    (...) brauche weder mir noch diesem Forum irgendetwas zu beweisen

    Ich glaube, niemand ist in diesem Forum, um irgendwem etwas zu beweisen.

    Persönlich finde ich das pauschale Abwatschen der Beiträge, insbesondere im Hinblick auf ihre vermeintliche Substanzlosigkeit, ziemlich daneben. Man kann das anders sehen.


    Blogs sind daran nicht unschuldig; auch ich muss zugeben, dass ich vorwiegend in meinem Blog poste und hier wenig davon zum Besten gebe.

    Dein Blog ist einer derjenigen, auf die ich hier im Forum aufmerksam wurde und wo ich gerne mitlese. Es verblüfft mich immer wieder, wenn ich die Menge an Büchern sehe, die Du da verschlingst. Manchmal glaube ich, bei Dir haben die Tage 48 Stunden.

    Übrigens: https://www.elfenbein-verlag.de/camoes.htm


    Rechner aber, selbstredend: Debian Gnu/Linux.

    Ha, bis vor kurzem auch noch, momentan wieder bei Arch Linux. Na ja, unter anderem. Ich habe immer ein paar auf Reserve und zum Experimentieren.

    Die große Zeit der Foren ist schon lange vorbei, ebenso die der Blogs (die meines Erachtens ein wenig zum Verfall vieler Foren beigetragen haben). Die Freiheit, auf einer Plattform sein eigenes Ding machen zu können, quasi ohne Einschränkungen oder Moderation, hat viele gereizt. Es gab immer wieder die Diskussion um den Stellenwert von Blogs in der Literaturszene (oder sonstwo), da ein gewisser Teil sich als Produzenten betrachtete, die wie Journalisten bezahlt werden müssten. Ich kann mich dunkel an einige Kontroversen um Rezensionsexemplare und unkritische bzw. substanzlose Rezensionen und um die Qualität im Allgemeinen erinnern.


    In eine ähnliche Kerbe schlägt da ja Dein Beitrag. Zuerst habe ich natürlich nach Deinen gehaltvollen, literarisch besonders wertvollen, Bogen schlagenden und Brücken bauenden Beiträgen gesucht: nichts!! (Das muss nichts heißen, mir geht so manches durch die Lappen)


    An besagter Rezension aus dem Jahr 2018, die hier witzigerweise von Dir mit einem Hinweis aufs Copyright versehen ist, könnte man sich abarbeiten, wozu man natürlich das Buch gelesen haben sollte. Oberflächlich betrachtet fällt mir auf, dass die Rezension praktisch nur auf den Aufbau eingeht und den Inhalt komplette unter den Tisch fallen lässt. Zudem Teile ich die Ansicht nicht, die meisten Historiker würden ihre gewonnenen An- und Einsichten als das Maß aller Dinge ansehen. Im Gegenteil, meiner bescheidenen Erfahrung nach, werden bemerkenswerte Schlußfolgerungen, die beispielsweise bisherige Erkenntnisse ergänzen oder gar widerlegen sollen, sehr ausführlich und ausgiebig, auch interdisziplinär, diskutiert. Sei es in Fachzeitschriften, auf Tagungen oder durch Forschungsarbeit u.ä.


    Im Übrigen bleibt einem nichts als der Versuch, sich mit als gesichert geltendem Wissen, vielen Variablen und Unbekannten einer jahrtausende alten Kultur anzunähern.


    Zurück zum Forum: Es ist doch völlig normal, dass, außer man verabredet sich über Leserunden, kaum einmal der Fall eintreffen sollte, dass in einem literarischen Forum über Klassiker der Literatur, in dem sich momentan vielleicht ein Dutzend dauerhaft aktive Benutzer versammeln, plötzlich zwei finden, die gerade ein Buch über das Erbgut von Maispflanzen lesen.


    Ich glaube, Du solltest die Erwartungshaltung stark dämpfen und statt Dich über mangelnde Qualität zu beschweren, diese erst einmal selbst abliefern. Das ist erfahrungsgemäß deutlich schwieriger und würde so wunderbar den heutigen Zeitgeist untergraben.

    Ich für meinen Teil bin auf der Suche nach spezielleren Titeln in der Vergangenheit immer wieder auf dieses Forum aufmerksam geworden, das über Jahre eine sehr große Anzahl an interessanten Beiträgen und auch Diskussionen selbst zu weniger bekannten Werken versammelt. Nimmt man dann noch Blogs oder Webseiten hinzu, auf die ich über das Forum aufmerksam wurde, bin ich froh, dass ich mich hier angemeldet habe (auch wenn ich zuletzt alles andere als aktiv war.)

    Zeromski, Schutt und Asche eingetroffen. Manesse Corona, 1988, neuwertig. Sieht ungelesen aus. Hat es nicht verdient, ändere ich. SUB, Statt, wie an sich vorgesehen, Krieg und Frieden (SWB).

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    Vorhin, beim Kampa Verlag, gesehen, dass die auch Gombrowicz, Ferdydurke in Neuübersetzung anbieten.

    Schön, bin auch gespannt darauf. Vielleicht aber erst im Herbst. Mal sehen.

    Der Kampa Verlag hat ein schönes Programm, an den genannten Autoren bin ich auch interessiert. Momentan blättere ich in den Lesebüchern aus der Polnischen Bibliothek, da sind viele kurze Erzählungen oder aber nur Ausschnitte aus Werken, die teils noch gar nicht ins Deutsche übersetzt wurden.

    Ich hab gerade vorbestellt. Bevor dieses schönen Forums wegen die ganze Auflage ausverkauft ist ;)

    soll erscheinen: 25. Mai

    https://kampaverlag.ch/boleslaw-prus-die-puppe/

    Ich werde die Tage auch meinen Buchhändler aufsuchen und vorbestellen.
    Gerade habe ich nochmal nachgeschaut, am 20. Februar habe ich das Buch ausgelesen und großspurig einen Bericht angekündigt...

    Im Pharao bin ich kaum weitergekommen, überhaupt fehlt es mir am Abend an Leseenergie. Während des Autofahrens habe ich mich beim Sendersuchen verdrückt und bin bei MDR Kultur gelandet, das ich seit einigen Wochen höre. Da kommt am Morgen ab 9.00 Uhr die Lesezeit, in der Lesungen, gekürzt oder ungekürzt, auf dem Programm stehen. Neulich war da "Der dressierte Mann" von Esther Vilar, in wunderbar polemischen Tonfall gelesen von Leslie Malton, zu hören. Man muss da heute schon das Erscheinungsjahr 1971 berücksichtigen, aber gerade zu unserem vorherrschenden, hysterischen Zeitgeist, war diese Lesung ein köstlicher Gegenpol.

    https://www.mdr.de/kultur/radi…-dressierte-mann-100.html

    Ja, das stimmt theoretisch. Aber inzwischen kommt ja auch keineswegs diskrimierend gemeinte Fragen wie "woher kommst du denn?" prompt der Rassismusvorwurf. Ich hatte kürzlich einen geschäftlichen Kontakt mit einem dunkelhäutigen jungen Mann, der mir im Lauf des Gesprächs von sich aus erzählte, dass er ursprünglich aus dem Kongo stamme, aber hier zur Schule gegangen sei, usw. Ich fand es sehr interessant, darüber zu hören, aber danach zu fragen, hätte ich mich nicht getraut.

    Ich kann mich an eine Debatte in einer Wochenzeitung zum Thema Herkunft erinnern. Das war vor etwa 6 Jahren. Zwei junge Menschen mit Migrationshintergrund, geboren in Deutschland, zeigten sich genervt davon, dass sie aufgrund des Namens und/oder Aussehens (so genau weiß ich das nicht mehr) ihr Leben lang die Frage nach der Herkunft beantworten müssen. Damit ist nicht die Frage „Woher kommst Du?“ sondern die anschließende Nachfrage „Nein, ich meine, woher ursprünglich?“ gemeint.


    Ich konnte auf der einen Seite nachvollziehen, dass das nerven kann, denn so bleibt man doch irgendwie fremd im eigenen Land. Auf der anderen Seite war den beiden klar, dass meistens keine böse Absicht dahinter steckte. Sie wollten ihre Sicht der Dinge darstellen.


    In den Kommentaren zum Artikel ging es hoch her. Ich habe mich damals noch sporadisch an Diskussionen beteiligt, die aber seinerzeit schon Grabenkämpfen glichen und sich selten um die Artikel selbst drehten. Wenig später habe ich mich da ausgeklinkt. Ich schrieb damals, dass man sich vielleicht eher über Werte als über nationale Identität definieren sollte.


    Im Grunde spielen der Ton und die Gesprächssituation eine große Rolle. Sofern man wirklich in ein Gespräch kommt, wird eine Frage nach den Wurzeln der Familie sicher anders aufgenommen, als wenn ich mit der Tür ins Haus falle. In den meisten Fällen ist das eher eine Frage der Höflichkeit, als irgendwas Rassistisches.


    Mittlerweile hat sich der Ton noch mehr verschärft. Zudem hat sich in Teilen der Gesellschaft eine Überempfindlichkeit breit gemacht, die aberwitzige Blüten trägt. Heute las ich, dass in einem Bericht der Tagesschau online, die Redakteurinnen das Wort Mutter als diskriminierend einordneten und durch „entbindende Person“ und „gebärende Personen“ und das Wort „Arbeitgeber“ durch „Arbeitgebende“ ersetzten. Inzwischen wurde das wieder geändert. (Siehe Anmerkung am Ende des Artikels)


    https://www.tagesschau.de/inla…aus-sonderurlaub-101.html


    Ich habe mir ein paar Gedanken zu diesen Auswüchsen gemacht und auch ein paar Thesen aufgeschrieben, letztlich aber verworfen. Thesen, die ich schon vor längerer Zeit bei Byung-Chul Han gelesen habe (z.B. Müdigkeistgesellschaft) und aus Caroline Fourests „Generation Beleidigt“ sowie eigene Beobachtungen, zusammengeworfen und weitergesponnen.


    Dann bin ich über das Wort "Zeitgeist" und die Verweise bei Wikipedia auf ein Zitat von Hans Magnus Enzensberger gestoßen und musste lachen:


    „Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, muß verblöden.“


    Die Zitate von Herder klingen auch sehr vielversprechend, dahingehend muss ich meine Bücher mal wälzen.


    Die Informationsflut, sozialen Medien, die Geschwindigkeit, die Sprache, die Blasen, die Erziehung usw. werden alle ihren Einfluss darauf haben, dass das, was man mal als „gesunden Menschenverstand“ bezeichnete, also eine Art allgemeiner Konsens zu einem friedlichen Miteinander, Maßstäbe, Werte, an Gültigkeit zu verlieren scheinen. Lesekompetenz und Textverständnis nehmen rapide ab, ebenso die Aufmerksamkeitsspanne. Das Ergebnis sind aufgeblasene Banalitäten und Empörung, die jegliches Maß verloren hat. Oder sollte ich lieber Entrüstung schreiben?


    Eine sehr lesenswerten Text zur Entrüstung habe ich dabei zufällig gefunden:


    https://bullmed.ch/article/doi/bms.2019.17615

    Interessant, das Foto.

    Zeromski, nie gehört, denke ich ... ich liebe ältere und noch ältere Manesse.

    Wie gesagt, "going down the rabbit hole". Ich habe jetzt Listen mit Namen polnischer Autoren, vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die mir weitgehend bisher auch kein Begriff waren. Ein paar dieser Namen habe ich sporadisch im Forum gefunden, wie z.B. Władysław Reymont, dessen Hauptwerke "Das gelobte Land", "Die Bauern" und "Die Empörung" in den Fokus gerückt sind. Bei Manesse sind noch ein paar alte Sammelbände zu Polen und Tschechien erschienen, die vielleicht mal den Weg zu mir finden werden.

    Ich bin als europäische Weiße von Geburt an privilegiert und deshalb vielleicht nicht berechtigt, mich dazu zu äußern.

    Ich glaube, dass solche Gedanken schon die Auswirkungen der Identitätsschlachten der letzten Jahre sind und daraus ein Druck entstanden ist, der Dich dazu bringt, Dich vorauseilend zu erklären. Das ist sicher gut gemeint, bringt mich in dem Kontext aber ebenso ins Grübeln. Ich glaube nicht, dass das die richtige Richtung ist.


    Es ist nicht immer klug, sich zu jedem Thema zu äußern, aber das ist eine Binsenweisheit. In einer Debatte muss es aber doch nach den Argumenten gehen und wie diese unterfüttert sind, nicht nach Hautfarbe, Herkunft usw.

    Genau das ist aber heutzutage ein Problem, denn auch sog. marginalisierte und unterdrückte Gruppen versuchen Diskurse mittels Identitätsideologien zu steuern und würgen sie dadurch praktisch ab. Wenn nur noch die gehört werden wollen, die beispielsweise einer bestimmten Ethnie angehören, widerspricht das der angeblich angestrebten Gleichheit.

    Enttäuschendes Interview, die Dame hat kaum etwas beizusteuern. „Ich kann dazu nichts sagen“, „ich kann das nicht nachvollziehen“ - im Grunde alles halb so wild. Ich hätte gerne noch mehr von der zu Wort kommenden Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie gehört, der ich in ihrer Aussage, Literatur werde zunehmend „unter ideologischen Gesichtspunkten betrachtet, als unter künstlerischen“ nur zustimmen kann.


    "Nothing demonstrates this better than the recent phenomenon of 'sensitivity readers' in the world of publishing, people whose job it is to cleanse unpublished manuscripts of potentially offensive words.

    "This, in my mind, negates the very idea of literature."


    https://www.bbc.com/news/entertainment-arts-63797087


    Genau das ist der springende Punkt! Der kommt mir in der Angelegenheit einfach zu kurz.

    Literatur und Kunst im Allgemeinen dürfen verletzen, aufrütteln, anstößig sein usw, müssen praktisch alles dürfen (die Grenzen überlasse ich dem gesunden Menschenverstand).

    Wenn die Debatten über das, was darf und soll nur noch in den Hinterstübchen der Verlage unter Lektoren und Sensitivity Readern geführt werden, dann können diese nicht mehr in der Öffentlichkeit, der Gesellschaft geführt werden. Genau das wäre, gerade in der heutigen Zeit, enorm wichtig mit Blick auf die oft zitierte Debattenkultur.

    Hier wird in meinen Augen versucht, die Gesellschaft für dumm zu verkaufen.

    Wie gesagt, der Geist ist aus der Flasche. Das bekommt man nicht mehr eingefangen.


    Alle paar Tage liest man Artikel wie den hier:

    https://www.tagesspiegel.de/ku…-verdachtigt-9542528.html


    Die Amerikaner, meines Wissens der Ursprung dieser Auswüchse, schießen da, wie so oft, den Vogel ab:

    https://www.faz.net/aktuell/ge…in-gefeuert-18779616.html


    Also, wer definiert, was "potenziell anstößige Sprache" ist? Und was das "moderne Publikum" ist und was dieses will?

    Ist "potentiell anstößig" nicht eine wunderbare Formulierung, die von denen, die es wollen, auf alles angewendet werden kann, was beliebt?

    Genau das ist die Frage! Es sind Individuen, die sich selbst und ihre Lebenserfahrung auf einen Sockel stellen und den moralischen Zeigefinger erheben. Sie halten sich für Weltverbesserer und haben keine Scheu, ihre privaten Ansichten für allgemeingültig zu erklären, sich selbst als Instanz mit der Deutungshoheit. Mit literarischen Grundlagen und Diskursen zu Fragen wie "Was ist Kunst, Literatur?" oder Themen wie Werk & Autor und ähnlichen Geschichten, scheinen sie nicht in Berührung gekommen zu sein.


    Es kann sich heute jeder einen entsprechenden Lebenslauf zusammenstricken und dann den Rotstift zücken. Da komme ich wieder zum "Wettbewerb der Opfer" zurück, den es sicher bald geben wird, unter den wie Pilze aus dem Boden sprießenden Sensitivity Readern.


    Ich frage mich, ob wirklich so viel Bedarf besteht?


    Waren nicht die Bände von Reader's Digest stark eingedampfte Versionen der Originale?

    Ich habe nur "Stolz und Vorurteil" aus dem Winkler Verlag, das ist von einer Helga Schulz übersetzt. Bei den Dünndruckbänden muss man sich über die Papierqualität keine Sorgen machen, es ist aber nicht jedermanns Sache. Ich mag sie sehr, platzsparend sind die Bücher auch. "Verstand und Gefühl" ist noch erschienen, "Emma" allerdings nicht. Über die unterschiedlichen Übersetzungen habe ich noch nichts gelesen. Manche Titel aus dem Winkler Verlag habe ich noch, falls günstig zu bekommen, in Neuübersetzung aus dem Hanser Verlag.


    Eigentlich sind die Reihen beide nicht so in meiner Preisklasse, allerdings findet man ab und zu welche für um die 10€. Ein paar Regalmeter sind es über die Jahre geworden, Auswahl ist genügend vorhanden, ob die Zeit ausreicht, alles zu lesen, bleibt abzuwarten.


    Leider sind besonders die Bände aus dem Winkler Verlag in letzter Zeit auf diversen Plattformen, allen voran Ebay, zum Spekulationsobjekt verkommen, so dass das die Preise bei Medimops und Konsorten in einigen Fällen stark nach oben getrieben hat und einzelne Bände schnell verkauft wurden ("Wiederverkäufer"). Ich schätze, dass auch aus diesem Grund das Steuergesetz für Privatverkäufe kürzlich reformiert wurde. Wer jetzt 7 Mal hintereinander "Dombey und Sohn" für je 40€ verkauft, wird es schwer haben, das als privaten Verkauf zu begründen.


    Ich freue mich endlich den Schuber mit den 3 Bänden von Ebner-Eschenbach gefunden zu haben, der ist mir bisher noch nie begegnet.

    Zefira

    Bei dem von Dir zitierten Beispiel gehe ich mal davon aus, dass es sich um Fiktion handelt. Ich gehe außerdem davon aus, dass die bekannte Übersetzerin Eva Rechel-Mertens sich an das Original gehalten hat. Weiter unterscheide ich zwischen Erzähler und Autor. Ich weiß weder, in welchem Ton der Roman geschrieben ist, noch, in welchem Kontext dieser Satz geschrieben steht. Das sog. N-Wort läuft jeden Tag 1000fach im Radio, zusammen mit f-Wort und b-Wort. Die Nachrichten sind voll von Meldungen über schlimmste Verbrechen und jeder Mensch weiß, dass es z.B. Rassismus im kleinen und großen Rahmen gibt. (Ich will das nicht relativieren)


    Soll Literatur nicht mehr dazu führen, dass man „mächtig schlucken“ muss, nicht mehr unbequem sein? In meinen letzten Lektüren, Thomas Mann und Prus, ist das N-Wort auch zu finden, bei Letzterem noch aufkeimender Antisemitismus im ausgehenden 19. Jahrhundert (hierzu gibt es literaturwissenschaftliche Untersuchungen).


    Ich komme wieder auf die Frage zurück, wo fängt man an, wo hört man auf?


    In der heutigen Zeit, in der Kinder Pornos auf ihren Handys gucken, die Krisen Horrormeldungen am Fließband produzieren und das Internet ungefilterte Blicke in dunkelste Ecken zulässt, fällt es mir schwer zu glauben, dass man zum Schutz der Kinder & Jugend irgendwelche Bücher zensieren müsste. Noch viel weniger Kinderbücher.


    Dass man sich über Bücher, über einseitige Darstellungen usw. ärgert, ist doch normal und gehört meines Erachtens auch zum Aufwachsen und Lernen dazu. In einem gewissen Alter sind Mädchen für Jungs nicht so interessant und werden auch mal ausgeschlossen. Das dreht sich aber doch recht schnell wieder ins Gegenteil. Kinder sind fies, blöd… [setze 1000 weitere Adjektive ein].


    Man kann auch Bücher weglegen, ohne Verbote zu fordern. Warum werden Bücher aus vergangenen Jahrhunderten noch gelesen? Doch auch, weil sie ein Fenster in vergangene Zeiten sind (neben anderen Kriterien). Will man diesen Blick ungetrübt (und ungeschönt) oder durch Filter?


    Für mich sind das alles rhetorische Fragen.


    Wie sollen wir denn sonst mit Geschichte umgehen, wenn wir vor dem scheinbar geschützt werden, was an Unmenschlichkeiten auch den Autor*innen unterläuft? Wir müssen uns damit ehrlich auseinandersetzen können und gerade dadurch ins Nachdenken kommen und nicht in eine perfektionierte Scheinwelt eintauchen.

    Richtig! Wir müssen doch in der Lage sein, uns mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Die mangelnde Vergangenheitsbewältigung und ihre Folgen sieht man gerade am Beispiel Russland, die immer wieder den 2. Weltkrieg als Parallele heranziehen.


    Wir müssen in der Lage sein, bestimmte Dinge auszuhalten. Sie können ein Ansporn sein, etwas besser zu machen. Es wird auch nie eine 100%ige Gerechtigkeit geben.


    Zeitgenössische Schriftsteller*innen kann man mit ihren chauvinistischen, rassistischen oder in anderer Weise bedenklichen Worten konfrontieren, und dann sollen sie sich damit auseinandersetzen, aber seit Jahrzehnten veröffentlichte Werke sollten einen Schutz auch vor gut gemeinten Veränderungen haben. Wir sollten auch und gerade als Demokraten nicht vor kritischen Einschätzungen und Erkenntnissen bewahrt werden.

    Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu. Es gäbe zu vielen Werken genügend Material z.B. aus der Literatur- und Geschichtswissenschaft, um sich eingehend und kritisch damit, vor allem aber auch mit Erkenntnisgewinn, zu befassen. Das wäre für mich der Ansatz, auch daheim.


    Um zum Stein des Anstoßes zurückzukehren:

    Es ging bei den Änderungen bei Dahl ja viel um Geschlechterneutralität, vermeintliche Vorurteile, Gerechtigkeit, Diversität und ähnliche Geschichten. Es gibt unzählige Kinderbücher, wenn wegen einzelner, in meinen Augen harmloser Worte nun alternative Ausgaben den Markt "bereichern" sollen, dann könnte man doch gleich zu zeitgenössischen Kinderbüchern greifen, die allen diesen Bereichen achtsam und bunt gerecht werden, oder nicht?

    Ich finde gerade einen Hinweis auf eine Übersetzung

    https://www.buchhandel.de/buch/Die-Puppe-9783311100485

    https://d-nb.info/1271712253


    Auf der Verlagswebsite https://kampaverlag.ch/ (noch) nichts

    Ich bin neulich auch darüber gestolpert, in der Verlagsvorschau von Kampa ist es zu finden.


    Die Neuübersetzung werde ich mir auf jeden Fall zulegen, da mir das Buch auch in der alten Übersetzung sehr gut gefiel (und ich ein paar Zeilen dazu immer noch nicht hier reingestellt habe. Kommt spätestens nach "Pharao"). "Die Emanzipierten" von Prus habe ich auch noch aus dem Aufbau-Verlag hier (siehe Anhang) Stefan Żeromski mit "Die Heimatlosen" und "In Schutt und Asche" sind daneben zu sehen. Auf den bin ich auch kürzlich aufmerksam geworden.


    Die anderswo angesprochene Lektüre zur Literatur Polens besteht u.a. aus dem sieben Bände umfassenden "Panorama der Polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts", das im Ammann Verlag erschien. Da sind sehr viele Entdeckungen zu machen.

    https://www.deutsches-polen-in…atur-des-20-jahrhunderts/

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    Leibgeber

    Ja, ich hatte es eher als leichten Schauer aufgefasst, aber wir treffen uns dann ja beim Unbehagen.



    Zefira

    Es ist ein schönes und zum Nachdenken anregendes Zitat. Gehe ich recht in der Annahme, dass Du in solchen Fällen also eine "Bereinigung" oder eine alternative Version befürworten würdest?


    Im Grunde sind Klassiker in Fassungen für Kinder und Jugendliche nichts Neues. Robinson Crusoe habe ich erst als Erwachsener in der kompletten Fassung gelesen. Die Rolle der Bibel hätte mich als Kind vielleicht gelangweilt, die Kannibalen gegruselt. Ob es meiner Entwicklung geschadet hätte, vermag ich nicht zu sagen, melde aber Zweifel an. Es ist halt auch kein Kinderbuch.


    Ich will mein Unbehagen nicht an diesem einen Beispiel, also Dahl, festmachen. Bei mir hat über die letzten Jahre ein Prozess stattgefunden. Ich kann nicht mehr sagen, wann mich das, was heute unter Political Correctness subsumiert wird, zu nerven begonnen hat. Ich schätze, seit diese neue Empfindlichkeitskultur um sich gegriffen hat und daraus Phrasen wie „kulturelle Aneignung“, „cancel culture“, Worte wie „woke“ und jede Woche neue Hexenjagden auf social media Kanälen ausgerufen wurden.


    Bei Dahl sind die Änderungen, meiner Meinung nach, diesem neuen Zeitgeist unterworfen. Schaut man sich diese und die Streichungen im Detail an, fragt man sich an den meisten Stellen, was denn wirklich damit bezweckt werden soll. Steht da ernstlich der Schutz einer Gruppe im Vordergrund oder ist das nicht eher eine politische Botschaft?


    Heikle Stellen, also beispielsweise Rassistisches, könnte man wunderbar diskutieren und dadurch ein Bewusstsein schaffen. Wenn alles Sperrige, Fiese, Beleidigende usw. eingeebnet wird, dann entspricht das doch auch nicht unserer Welt. Ich finde, dass man Kinder und Jugendliche unterschätzt, die Neugier und das Nachfragen führen auch dazu, dass sie ein Gespür für das Erkennen von problematischen Inhalten entwickeln. Muss man dazu Worte wie „fett“, „Pferdegesicht“, „winzig“ löschen, aus Vater Elternteil werden lassen, aus Indien Kalifornien und aus Kipling Austen machen? Genderneutral soll es sein! Die Änderungen sind in meinen Augen absurd und ich würde sie wohl in ihrer Gesamtheit vor wenigen Jahren für einen Scherz gehalten haben.


    Es stellt sich die Frage, wo fängt man an, wo hört man auf? Der Geist ist aus der Flasche. Lautstark melden sich auch bei uns selbsternannte Experten zu Wort, die sich in erster Linie über Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Orientierung usw. sowie ihre Lebenswirklichkeit, geprägt von Rassismus und Unverständnis, qualifizieren.


    Das Einordnen von Texten sollte in erster Linie anhand literarischer Kriterien geschehen, weniger an der Biografie des Autors, noch weniger aus einem Bauchgefühl. Man sollte den zeitgeschichtlichen Rahmen berücksichtigen. Man sollte das Leuten mit ein wenig Ahnung überlassen. Warum nicht dazu forschen, Sekundärliteratur verfassen oder wenigstens darüber debattieren, Perspektiven erläutern?


    Das würde Zeit und Fachkenntnis erfordern, da schießt man lieber aus der Hüfte. In den sozialen Medien verfängt das sowieso besser, als lange Texte. Ich glaube nicht, dass die Welt auf diese Art gerechter wird, sondern befürchte, dass sich die Gesellschaft weiter auseinander dividieren wird.

    Mein leichter Gänsehauteffekt: Kindle-Besitzern können ihre e-Books von Roald Dahl etc. inzwischen auf ihren Geräten geändert werden, ohne dass sie es merken.


    Leute, kauft Papier. Die alten Ausgaben. Habt ihr es in den Regalen, ist es nicht zu ändern

    "Gänsehauteffekt" wäre für mich in dem Fall eine euphemistische Beschreibung, Brechreiz vielleicht zu hart, kommt der Sache aber näher. Ich habe in den letzten Monaten ein paar Diskussionen um die sog. Sensitivity Reader und ähnliche Geschichten ein bisschen mitbekommen. Wie da auf allen Kanälen Druck aufgebaut und der Eindruck erweckt wird, eine Mehrheit würde diese "Korrekturen" wünschen, ruft bei mir Unbehagen hervor.


    Ich hätte nicht gedacht, dass die Themen, die Caroline Fourest in ihrem Buch "Generation Beleidigt" vor ein paar Jahren ausführte und u.a. als "Wettbewerb der Opfer" bezeichnete, uns in der Art, also praktisch deckungsgleich, und in der Geschwindigkeit, erreichen würden. Kulturelle Unterschiede würden das abfedern oder verlangsamen, evtl. nicht zulassen - Pustekuchen. Wenn mal wieder eine Professorin entlassen wird, weil sie ein Bild aus dem 14. Jahrhundert gezeigt hat, dann gibt es dafür m. E. keine Relativierung.


    Dennoch entspinnen sich aus diesen Fällen Diskussionen, nun ja, sagen wir mal, Diskussionsansätzchen oder wie man die 200 Zeichen umfassenden Scharmützel auch nennen mag. Furchtbar.


    Wäre es nicht schön, wenn man sich wieder mehr auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren (die sind doch wohl in der Mehrzahl) würde, als sich in immer skurriler werdende Unterschiede hineinzusteigern? Ein jeder meint halt, er wäre der Nabel der Welt.