Zefira
Bei dem von Dir
zitierten Beispiel gehe ich mal davon aus, dass es sich um Fiktion
handelt. Ich gehe außerdem davon aus, dass die bekannte Übersetzerin
Eva Rechel-Mertens sich an das Original gehalten hat. Weiter
unterscheide ich zwischen Erzähler und Autor. Ich weiß weder, in
welchem Ton der Roman geschrieben ist, noch, in welchem Kontext
dieser Satz geschrieben steht. Das sog. N-Wort
läuft jeden Tag 1000fach im Radio, zusammen mit f-Wort und b-Wort.
Die Nachrichten sind voll von Meldungen über schlimmste Verbrechen
und jeder Mensch weiß, dass es z.B. Rassismus im kleinen und großen
Rahmen gibt. (Ich will das nicht relativieren)
Soll Literatur nicht
mehr dazu führen, dass man „mächtig schlucken“ muss, nicht mehr unbequem sein? In meinen
letzten Lektüren, Thomas Mann und Prus, ist das N-Wort auch
zu finden, bei Letzterem noch aufkeimender Antisemitismus im ausgehenden
19. Jahrhundert (hierzu gibt es literaturwissenschaftliche Untersuchungen).
Ich komme wieder auf
die Frage zurück, wo fängt man an, wo hört man auf?
In der heutigen
Zeit, in der Kinder Pornos auf ihren Handys gucken, die Krisen
Horrormeldungen am Fließband produzieren und das Internet
ungefilterte Blicke in dunkelste Ecken zulässt, fällt es mir schwer
zu glauben, dass man zum Schutz der Kinder & Jugend irgendwelche
Bücher zensieren müsste. Noch viel weniger Kinderbücher.
Dass man sich über
Bücher, über einseitige Darstellungen usw. ärgert, ist doch normal
und gehört meines Erachtens auch zum Aufwachsen und Lernen dazu. In einem gewissen
Alter sind Mädchen für Jungs nicht so interessant und werden auch
mal ausgeschlossen. Das dreht sich aber doch recht schnell wieder ins
Gegenteil. Kinder sind fies, blöd… [setze 1000 weitere
Adjektive ein].
Man kann auch Bücher
weglegen, ohne Verbote zu fordern. Warum werden Bücher aus
vergangenen Jahrhunderten noch gelesen? Doch auch, weil sie ein
Fenster in vergangene Zeiten sind (neben anderen Kriterien). Will man diesen Blick ungetrübt (und ungeschönt) oder durch Filter?
Für mich sind das alles rhetorische Fragen.
Wie sollen wir denn sonst mit Geschichte umgehen, wenn wir vor dem scheinbar geschützt werden, was an Unmenschlichkeiten auch den Autor*innen unterläuft? Wir müssen uns damit ehrlich auseinandersetzen können und gerade dadurch ins Nachdenken kommen und nicht in eine perfektionierte Scheinwelt eintauchen.
Richtig! Wir müssen
doch in der Lage sein, uns mit der Vergangenheit auseinander zu
setzen. Die mangelnde Vergangenheitsbewältigung und ihre Folgen
sieht man gerade am Beispiel Russland, die immer wieder den 2.
Weltkrieg als Parallele heranziehen.
Wir müssen in der
Lage sein, bestimmte Dinge auszuhalten. Sie können ein Ansporn sein,
etwas besser zu machen. Es wird auch nie eine 100%ige Gerechtigkeit geben.
Zeitgenössische Schriftsteller*innen kann man mit ihren chauvinistischen, rassistischen oder in anderer Weise bedenklichen Worten konfrontieren, und dann sollen sie sich damit auseinandersetzen, aber seit Jahrzehnten veröffentlichte Werke sollten einen Schutz auch vor gut gemeinten Veränderungen haben. Wir sollten auch und gerade als Demokraten nicht vor kritischen Einschätzungen und Erkenntnissen bewahrt werden.
Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu. Es gäbe zu vielen Werken genügend Material z.B. aus der Literatur- und Geschichtswissenschaft, um sich eingehend und kritisch damit, vor allem aber auch mit Erkenntnisgewinn, zu befassen. Das wäre für mich der Ansatz, auch daheim.
Um zum Stein des Anstoßes zurückzukehren:
Es ging bei den Änderungen bei Dahl ja viel um Geschlechterneutralität, vermeintliche Vorurteile, Gerechtigkeit, Diversität und ähnliche Geschichten. Es gibt unzählige Kinderbücher, wenn wegen einzelner, in meinen Augen harmloser Worte nun alternative Ausgaben den Markt "bereichern" sollen, dann könnte man doch gleich zu zeitgenössischen Kinderbüchern greifen, die allen diesen Bereichen achtsam und bunt gerecht werden, oder nicht?