Hallo zusammen!
Zitat
Du wirst doch aber nicht bestreiten, dass Posa den König richtiggehend für seine politischen Ziele zu instrumentalisieren, zu manipulieren beabsichtigt?
In der letzten Szene des dritten Aktes steckt mehr. Für de Posas flammende Rede für mehr Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit ("Geben sie Gedankenfreiheit!") im Reich hätte er genauso gut vor der Inquisition landen können. Dem war er sich auch vorher bewußt ("Sein oder nicht-"). Er trägt (nachdem der König nach ihm verlangte, nicht umgekehrt) seine wahren Ideale vor und hofft, den König damit zum Umdenken zu bringen ("auch eine Feuerflocke Wahrheit nur, in des Despoten Seele kühn geworfen..."). Schließlich gelingt es, und der König ist von de Posa spontan begeistert. Wie schon gesagt, der König ist sehr unsicher über sein eigenes politisches Konzept und daher beeinflußbar.
Dies bemerkt de Posa und macht es sich zu nutze; hier entsteht ein moralischer Zwiespalt. Er mißbraucht das Vertrauen des Königs zugunsten von etwas, das er als moralisch höherstehend ansieht.
De Posa handelt weiter im Sinne derselben Ideale, die er dem König so flammend vorgetragen hat. Felipe II versteht die Konsequenz eines so idealistischen Handelns nicht (persönliche Beziehungen sind zweitrangig) und wähnt de Posa auf seiner Seite und ist so natürlich der Betrogene.
Auch da Schiller seine eigenen politischen und ideellen Vorstellungen durch de Posa verkünden läßt, bin ich überzeugt, daß der Charakter de Posas nicht als so negativ bewertet werden sollte, wie viele ihn sehen. Aber letztlich muß jeder selbst aus diesem Werk das seinige lernen.
Ich habe viel aus de Posas größtem Fehler gelernt. Eine der Eigenschaften, die nach Konfuzius einen edlen Menschen auszeichnen, ist die folgende: "Er handelt erst, bevor er spricht, und danach spricht er so, wie er gehandelt."
Meine Begeisterung nach der Konfuzius-Lektüre relativiert sich allmählich. Wie man an de Posa sieht, ist gerade dieses zitierte Verhalten gegenüber Don Carlos das, was de Posa scheitern läßt.
Im ganzen Stück ist der einzige, der stets sicher in seinem Verhalten ist und den Durchblick behält, bezeichnenderweise der Inquisitor.
Viele Grüße,
Pius.