Hallo nochmal,
mit mehr Zeit und vor allem dem Buch daneben melde ich mich wieder zu Wort:
Die Müdigkeit, die ja schon öfters Thema war und in der Unterhaltung mit Bürgel nochmals zu Tage trat, habe ich für mich nicht als Symbol für den Tod, sondern für immer stärkere Resignation gedeutet. Dieses Loslassen, "mir ist alles egal" - ob Kafka damit auch seine eigene Lebenssituation beschrieben hat? Ich meine ja.
Das Schicksal der Familie Barnabas erscheint mir auch wie eine Illustrierung des Einflusses, der undurchschaubaren Regeln und der Macht des Schlosses. Was mir in diesem Zusammenhang einfällt: Graf Westwest hat sich unserer Spekulationen als sehr unwürdig erwiesen :zwinker: und ist einfach verschwunden. Was bezweckte Kafka wohl damit, ihn einzuführen und dann untergehen zu lassen? Oder hätte er in einer vollendeten Version wohl noch eine Rolle gespielt?
Zum Namen Jeremias: Ja, ihm werden die Klagelieder zugerechnet. In dem interessanten Wikipedia-Artikel heißt es u.a., die Klagelieder würden von traditionellen Juden in der Trauerzeit gelesen. Was aber hat es mit Kafkas Jeremias auf sich? Er ist zwar stark gealtert, aber sonderlich traurig erscheint er mir nicht, immerhin hat er Frieda erobern können. Immerhin spricht er, dass Artur "Klage" über K. führe, also schon eine Anspielung auf die Klagelieder.
Ach ja, Klamm. Nachdem er so wichtig erschien, lachen die Wartenden vor dem Wirtshaus über ihn bzw. schweigen betreten, und die Antwort "natürlich sei er unentbehrlich" sagt ja eigentlich das Gegenteil. Wieder mal ein Beleg dafür, dass man in Bezug auf das Schloss nichts als sicher und gegeben ansehen kann. Zwiespältig auch das Verhalten des Bürgel, sich bei Eintreten des K. die Decke über den Kopf zu ziehen und das nachher als "krankhaft" zu verurteilen.
Zum Thema Landvermesser: im Gespräch mit der Wirtin wirft diese ihm vor, er sage nicht die Wahrheit, worauf er antwortet "Auch Du sagst sie nicht." Gibt er damit nicht zu, dass die Landvermessergeschichte eine Lüge ist?
So, jetzt noch ein paar Fragen, die sich mir gestellt haben (völlig unsortiert):
- Seht Ihr eigentlich eine Verbindung des Klamm-Vertreters Galater zu dem Galaterbrief des Paulus?
- Was meint Frieda am Anfang des 22. Kapitels damit, sie habe "Protektion" gehabt?
- Im Traum zertritt K. ein Glas - ist das nicht eine jüdische Sitte bei Hochzeiten, mit dem sie auf die Zerbrechlichkeit des Glücks hinweisen? Oder verwechsele ich hier etwas?
- Kann es sein, dass K. eine Art Frauenheld ist? Immerhin verlieben sich Frieda und Olga in ihn und auch Pepi scheint nicht abgeneigt.
- Pius, wer oder was sind pueri?
- Eure Kapitel verwirren mich etwas, bei mir ist das letzte das 25.
Zum Schluss noch ein Zitat, das mir gut gefällt: "Genau genommen ist man verzweifelt, noch genauer genommen ist man sehr glücklich". Aus dem Zusammenhang gelöst ist das für mich eine schöne Umschreibung für das abgedroschene "himmelhochjauchzend - zu Tode betrübt".
So, jetzt hoffe ich, dass Euch dieser ellenlange Beitrag nicht bereuen lässt, nach den Mitlesern gefragt zu haben und wünsche einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Manjula