Beiträge von ikarus

    hallo zusammen


    Steffi schrieb:


    Zitat

    Mehrere Parallelen zu heutigen Western und Actionfilme fielen mir auf: die Bösen, obwohl in der Übermacht schießen immer daneben, während die Guten immer treffen, Blut spritzt und die Frauen sitzten stickend und schlummernd nebenan !


    Interessant, daß einigen von uns beim Lesen immer wieder Filme eingefallen sind. Mir ging es ja auch so. Und so falsch scheint das auch gar nicht zu sein. Denn in der letzten TV-Sendung von "Schümer & Dorn", der Literatursendung des SWF, fiel der Satz: "Jeder gute Film enthält Strukturen der Odyssee." Ein Zitat. Leider weiß ich nicht mehr von wem, vielleicht finde ich es aber noch raus.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Ich bin auch fertig mit dem Buch. Das Abschlachten der Freier war ja sehr brutal und drastisch geschildert.
    Die Odyssee zu lesen hat mir wirklich großen Spaß gemacht. Man kann das Buch als reines Fantasy-Abenteuer lesen, so wie ich es vor allem am Anfang gemacht habe, und wird großartig unterhalten. Wenn man sich aber tiefer mit der Materie beschäftigen will, bietet sich aber auch dazu reichlich Stoff. Mir bot sich jedenfalls ein interesanter Einblick in die Gesellschaft und das Weltbild der griechischen Antike. Die griechische Mythologie ist mir jetzt auch nicht mehr ganz so fremd. Dazu haben vor allem natürlich Eure Erklärungen und die Links beigetragen. Überhaupt war schön, daß diesmal so viele mitgelesen haben. :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo Steffi, hallo sandhofer


    Alles richtig was ihr schreibt und ich stimme voll zu. Aber in diesem Sinne habe ich Schlaffers Artikel auch gelesen. Ich finde ihn auch nicht mal pessimistisch, sondern er beschreibt lediglich den aktuellen Zustand des Literaturbetriebes. Er kritisiert meines Erachtens auch nicht mal so sehr die um sich greifende Kanonitis, sondern vielmehr, daß sich die heutige Leserschaft viel zu sehr nach den Bestsellerlisten richtet, so nach dem Motto: "Was auf der Bestsellerliste steht muß gut sein, sonst würden es nicht so viele Leute kaufen." Und die sogenannte klassische Literatur fällt dabei hinten runter, was zu bedauern ist. Hört euch doch mal um. Wer liest den heutzutage noch Klassiker? Unser kleiner (aber feiner :smile: ) Haufen hier ist eine absolute Ausnahme. Es findet sich wahrscheinlich sehr schnell jemand, mit dem man sich über Dieter Bohlens "Buch" oder über Harry Potter unterhalten kann - beim "Zauberberg" wird´s aber sehr schwer werden einen Diskussionspartner zu finden.


    Das hast Du sehr schön geschrieben Steffi:


    Zitat

    Und genießen wir es nicht, uns intensiv mit einem Buch zu beschäftigen, es zu untersuchen und uns Gedanken zu machen ? Für mich ist das aber nicht Arbeit oder Askese, sondern Vergnügen, manchmal eine Art Meditation. Und steht am Ende nicht auch ein bißchen Stolz darauf, es wieder geschafft zu haben, eine wertvolle Erfahrung gemacht zu haben ?


    Aber wie viele sehen das noch so? Kaum jemand. Und wenn Schlaffer schreibt:


    Zitat

    Welch eine Askese verlangt dagegen das Lesen: Stillsitzen, Einsamkeit, Ausdauer, Konzentration auf ein enges Blickfeld, nur um reizlose kleine, schwarze Zeichen in eine undeutliche Vorstellung im Hirn zu verwandeln!


    so ist das natürlich ironisch gemeint. Aber viele (wenn nicht die meisten) Menschen sehen das wirklich so. Ich kenne jedenfalls genügend deren einzige Lektüre die Fernsehzeitung ist. Bücherlesen? Viiiiel zu anstrengend!!


    Schlaffer bedauert aber auch den Leser, der nur die Bestsellerlisten rauf und runter liest. Er weiß nämlich gar nicht was ihm entgeht, wenn er die Klassiker ausblendet.
    Aber das wissen wir zum Glück besser :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Steffi


    Der link über die Geographie ist ja sehr ausführlich - ich denke, so verbissen sollte man das Ganze doch nicht angehen. Da interessiert mich doch mehr der Inhalt als der Wahrheitsgehalt !


    Da hast du recht. Ich habe jetzt noch eine sehr informative Seite gefunden, die mir wesentlich besser gefällt:


    http://virtuelleschuledeutsch.…k_epos_vtfg1.htm#Bradford


    Besonders interessant finde ich den Abschnitt über den Kyklopen. Ich habe mir daraufhin dieses Kapitel nochmals vorgenommen und in der Tat steht nirgends, daß diese Kreatur einäugig sei. Es steht nur, daß Odysseus ihm ein Auge ausbrennt, nicht, daß es das Einzige gewesen wäre.


    Fevvers


    Zitat

    Frauen wie Nausikaa z.B. werden oft als "flechtenschön" bezeichnet. Was habe ich mir darunter vorzustellen? Haben sie kunstvolle Zopffrisuren?


    Wahrscheinlich. In meiner Übersetzung (von Gerhard Scheibner) werden die Frauen immer als "schöngezöpft bezeichnet.


    Ingrid


    Zitat

    Mir geht nur immer Ikarus Indiana-Jones nicht mehr aus dem Kopf! Mir fehlt glaube ich - im Moment der richtige Ernst für dieses Buch!


    Ist dieser "Ernst" denn überhaupt vonnöten? Das glaube ich gar nicht. Mir geht er nämlich auch ziemlich ab :smile: . Ich denke schon, daß diese Gesänge in erster Linie zur Unterhaltung des Publikums dienen sollten. Jede Zeit hat ihre Geschichtenerzähler. Homer - Shakespeare - Spielberg stehen da bei mir in einer Linie.


    Hier habe ich noch eine Seite gefunden. Wenn ihr auf die Ziffern in der landkarte klickt, erscheint eine teils recht witzige Zusammenfassung der Ereignisse am jeweiligen Ort. :smile:



    http://www.casimirianum.de/htm…r/griech/odysseusneu.html


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo


    Gerade diese verschiedenen Deutungsmöglichkeiten machen mir das Buch momentan noch etwas un-faßbar und ich finde noch keinen rechten Ansatz.


    Steffi schreibt:

    Zitat

    Zum anderen glaube ich, wird auch die Geschichte des griechische Volkes erzählt, z.B. Besiedelung und Erkundung des Mittelmeeres. Ich denke schon, daß es zu den vorkommenden Orten auch Parallelen zu tatsächlich existierenden Orten gibt, natürlich etwas ausgeschmückt und verändert. Aber die Zuhörer sollten bestimmt etwas wiedererkennen.


    Zur Geographie in der Odyssee habe ich folgendes gefunden:


    http://www.kimmerier.de/kap07211.htm


    Zitat

    Außerdem werden die wichtigen gesellschaftlichen Strukturen und Normen vermittelt, Ethik und Politik, Religion und Recht. Ein kleiner Exkurs in die griechische Geschichte !


    Nicht nur in die griechische Geschichte, sondern vor allem in das Weltbild der alten Griechen. Der Mittelmeerraum war ja damals die ganze Welt; eine Scheibe umgeben von einem Strom, dem Okeanos. Die Götter leiten die Geschicke der Menschen. Verhält man sich den Göttern wohlgefällig, so lassen sie einen die Gefahren des Lebens erkennen und erfolgreich umschiffen. Somit steckt in jedem Menschen ein potentieller Held, der es schaffen kann. So gesehen, könnte die Odyssee auch als Erbauungsliteratur gesehen werden.
    Ich glaube, so langsam lichtet sich der Nebel :smile:


    Etwas Kurioses habe ich im Harenberg-Literaturlexikon entdeckt. Unter den vielen Übersetzungen der Odyssee gibt es auch eine ins Bayerische von Otto Kuen aus dem jahr 1987. Leider sind nur die ersten paar Verse abgedruckt.


    Zunächst die Übersetzung von J. H. Voß von 1781:


    "Sage mir, Muße, die Taten des vielgewanderten Mannes,
    Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
    Vieler Menschen Städte gesehen und Sitte gelernt hat,
    Und auf dem Meere so viel´unnennbare Leiden erduldet,
    Seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft."


    und hier für die Bayern:


    "Muserl, varrod-ma den Mo, den wo-s aso bäs umanandaghaut
    hod, wia de heilige Stod vo Troja is zgrundganga damois,
    wo sovui Städt vo de Menschn hod gsehgn und as gneißt, was-an Sinn ham,
    wo aufn Meer sovui Schmerzn hod durchgmacht ganz tief in sein Herz drin,
    daß-a si söim und seine Kameradn as wieda guat zruckbringt."


    Auch nicht schlecht. :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo elfenkönigin


    Danke für die Aufklärung und den interessanten Link.
    Im gleichen Text stand nämlich auch, daß der Name Odysseus "Schwierigkeiten machen" aber auch "Unruhe" bedeuten soll. Das habe ich aber von vornherein mit Vorsicht genossen und darum auch nichts dazu geschrieben.
    Den tieferen Sinn (sofern es einen gibt) werde ich in der Odyssee wohl nicht entdecken können. Aber als Abenteuer-Roman ist es einfach großartig. Ich bin gerade an der Stelle, als die Mannen von Kirke wieder Abschied nehmen. Denen ging´s ja wirklich nicht schlecht dort. Und als ob sie nicht schon genug Verluste erlitten hätten stürzt so ein Dödel auch noch im Suff vom Dach :entsetzt: "und seine Seele ging zum Hades hinab". Oh no!


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Klar bin ich noch dabei :smile: Ich habe bisher nur noch nichts verlauten lassen, da mir die Materie schon sehr fremd ist. Griechische
    Mythologie ist einfach nicht mein Ding. Eure Beiträge und die Links helfen mir aber sehr zum Verständnis.
    Ich hatte auch erhebliche Vorurteile dem Buch gegenüber. Ich hielt es für langatmig, schwierig zu lesen, mit kompliziertem
    Beziehungsgeflecht von Göttern und Menschen. Alle meine Vorurteile sind aber widerlegt worden! Das Buch liest sich erstaunlich flüssig, hat
    einen tollen Plot und macht einfach Spaß.
    Ich bin gerade beim Kyklopen-Kapitel und da geht´s ja richtig zur Sache. Action ist angesagt. Wie Odysseus und seine Gefährten den
    Kyklopen betrunken machen, ihm sein Auge ausbrennen und an den Bäuchen der Schafe aus der Höhle entkommen - dagegen sind sämtliche
    Indiana-Jones-Filme doch langweilige Schinken.
    Da mir die griechische Mythologie aber wohl trotzdem immer etwas fremd bleiben wird, lese ich die Odyssee einfach als Helden-Epos, habe meinen Spaß daran
    und folge mit zunehmender Begeisterung den weiteren Abenteuern des Odysseus.


    Ich habe etwas in Sekundärliteratur zur Odysee geblättert und erfahren, daß Kalypso im Altgriechischen "Verhüllerin" bedeutet. Leider wurde das nicht näher erläutert. Ich habe es für mich so interpretiert, daß diese Nymphe Odysseus sämtlicher Sinne beraubt und ihn sich hörig gemacht hat. Auch alle Kraft muß sie ihm genommen haben, die ihn zu einer Strategie zur Flucht von der Insel hätte gelangen lassen. Andererseits kann "verhüllen" auch im Sinne von "vor etwas beschützen" verstanden werden. Vor seiner Begegenung mit Kalypso hat Odysseus wahrlich genug Schwierigkeiten meistern müssen, so daß sie ihn in ihrer Grotte erstmal vor weiteren Gefahren beschützt hat. Das glaube ich aber weniger, denn: Da bekämpft dieser Mann ein menschenfressendes Ungeheuer wie diesen Kyklopen, aber gegen die Reize einer Frau ist selbst der stärkste Held machtlos. Oh Mann!! :rollen:


    Viele Grüße
    ikarus


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Radiotipp:
    Am Sonntag, 2. März 2003 um 13.30 Uhr sendet Deutschlandradio Berlin die Geschichte "Telemach und sein Lehrer Mentor" als Hörspiel für Kinder. Ich bin mir aber sicher, daß uns das auch gefallen wird.
    Ich schalte jedenfalls ein.


    An dieser Stelle mal ein dickes Lob an Dyke :bussi: :redface: und seinen hervorragenden Radio-Service, durch den ich auf diese Sendung aufmerksam wurde.


    Und weil man auf Dykes tolle Seite gar nicht oft genug hinweisen kann, hier auch der Link:


    http://www.buecher4um.de/Dyke0903.htm


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    Dieser Brief ist im Zuge der Recherchen zu zwei Katia-Mann-Biographien aufgetaucht, die kürzlich erschienen sind. Der führende deutsche Thomas-Mann-Forscher Hermann Kurzke rezensiert beide heute in der Literarischen Welt und findet sie von sehr unterschiedlicher Qualität. Interessant finde ich, daß "Frau Thomas Mann" auf ihrem Briefkopf stand. Sie war wirklich die Chefin der "Weltfirma Thomas Mann", wie Kurzke schreibt.


    http://www.welt.de/data/2003/02/22/44047.html


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo


    Damit habe ich jetzt gar nicht gerechnet. Ich habe mich gedanklich schon auf Shakespeare vorbereitet gehabt :rollen: Macht aber nix. Da ich nämlich auch die Prosa-Übersetzung vom Aufbau-Verlag bei mir rumstehen habe, lese ich mal mit. Ich befürchte nur, da mich der Wolfe immer noch nicht loslassen will, daß ich nicht so schnell umschalten kann. Außerdem hatte ich schon immer Mühe, bei der griechischen Mythologie, wo alle miteinander verschwistert, verschwägert oder sonst was sind, durchzusteigen. Aber ich lasse mich mal überraschen und bin gespannt, wie mir´s ergeht.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Zitat

    (Sag mal, vergleichen wir alles mit Thomas Mann? *gggg*)


    Das wäre sehr unfair, jeden Autor mit dem "Meister" :zwinker: zu vergleichen. Aber bei Wolfe hat sich dieser Vergleich geradezu aufgedrängt: Sprachgewaltiges Buch, Familie im Verfall begriffen - wer denkt da nicht gleich an die "Buddenbrooks"?


    Zitat

    Ich habe am Wochenende mit meiner Schwester telefoniert (sie lebt in Amerika) und zu meinem Erstaunen eine halbe Stunde über das Buch erzählt, da ist mir aufgefallen, dass es mich doch mehr berührt hat, als ich dachte !


    Das habe ich bei mir auch gemerkt, Steffi, daß "Schau heimwärts, Engel" zu jenen Büchern gehört, die noch länger "nachhallen", einen erst nach dem Lesen richtig zu beschäftigen beginnen und kaum mehr loslassen. Gerade dieses visionäre Schlußkapitel war mir sehr rätselhaft. Aber Du hast mir jetzt die "Tür zur Erkenntnis" geöffnet:


    Zitat

    Du bist deine Welt, sagt Ben zu Eugene.


    Das ist wohl der Schlüsselsatz, da hast Du recht. Ben verhilft Eugene zu der Erkenntnis, daß es Erfüllung im Leben nur in der Besinnung auf sich selbst geben kann. Das ist es vielleicht, was uns Wolfe mit diesem Roman sagen wollte.


    Über die Übersetzung kann ich nicht urteilen, aber ein Anhang mit Erklärungen wäre bei diesem komplexen Werk wirklich hilfreich. Das habe ich auch vermißt.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Steffi: Auch von mir :klatschen: . Echt spitze! Danke für Deine Recherche. Ich habe nämlich auch noch etwas nachgegrübelt, was das wohl für Zitate sein könnten.


    Ich habe aber auch etwas recherchiert und bin hinter das Geheimnis des Buchtitels gekommen: Thomas Wolfe wollte das Buch zunächst "O verloren" nennen, das sich ja auch als Leitmotiv durch den ganzen Roman zieht. Sein Verleger war damit aber nicht einverstanden und bat um Änderung des Titels. So bediente sich Wolfe eines Zitats aus einer Elegie von John Milton. Dieser hier:


    http://www.bartleby.com/4/210.html (Zeile 163)


    Ich bin nun auch mit dem Buch durch und kann sagen, daß es für mich eines der beeindruckendsten war, vor allem sprachlich, die ich je
    gelesen habe. Ich kann allerdings auch Leser wie Dyke oder Dana verstehen, die keinen Zugang finden. Anfangs hatte ich auch, wie wir alle, glaube ich, etwas Mühe in die Geschichte hineinzufinden.
    Thomas Wolfe schweift ab, gerät ins philosophieren, oft versteht man nicht, was er meint, (besonders die Schlußkapitel und vor allem Eugenes Vision haben mir da zu schaffen gemacht), viele Personen treten auf, man verliert sie wieder aus den Augen bis sie wieder erscheinen. Aber auch von den Familienmitgliedern, die einen durch das ganze Buch hindurch begleiten bleiben alle merkwürdig fern. Bis gegen Ende vielleicht bei Ben´s
    Sterbeszene und Eugene´s "Ausbruchsversuch" an die Küste von Virginia. Da hatte ich das Gefühl einer gewissen Nähe zu den Figuren. Manchmal
    ist mir der Roman auch eher wie eine Ansammlung fragmentarischer Kurzgeschichten vorgekommen, da ein durchgehender Handlungsfaden fast völlig fehlt. Je länger ich jedoch am Buch las, desto mehr hat es mich in seinen Bann gezogen.


    Für mich ist es die tragische Geschichte einer Familie, deren Mitglieder sich, allerdings ohne böse Absicht, das Leben schwer machen und
    aneinander leiden. Der Schoß der Familie als Gefängnis. Sämtliche Aktionen der Familienmitglieder haben ihren Antrieb in Fluchtgedanken.
    Oliver Gant flüchtet sich in den Alkohol, zu welchem ja alle, bis auf Eliza, eine gewisse Affinität besitzen. Auch Eugene empfindet den
    Rauschzustand nach seinem köstlichen alkoholischen Selbstversuch als befreiend und "göttlich". Er fragt sich sogar, warum eigentlich nicht
    alle Menschen dauernd betrunken wären. Eliza flüchtet sich in die Arbeit für ihre Pension und in Grundstücksspekulation. Sie kann gar nicht
    verstehen, warum ihr nicht alle aus Dankbarkeit für ihren materiellen Wohlstand zu Füßen liegen. Helen flüchtet sich in die Pflege ihres
    Vaters. Daisy gründet früh eine eigene Familie. Luke geht zur
    Marine. Ben ist die traurigste Figur. Er hat einen richtigen Haß auf die Familie, insbesondere auf seine Mutter und deren Raffgier. Sein
    Freiheitswunsch ist am ausgeprägtesten und er scheitert am tragischsten. Alle leben sie ihr "begrabenes Leben" aus unerfüllten Träumen und enttäuschten Hoffnungen und schaffen es nicht, sich
    daraus zu befreien. Dabei leben sie doch im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" in dem angeblich jeder sich entfalten und selbst
    verwirklichen kann. Eugene flüchtet in die Literatur und später ins Studium. Sein Versuch in Virginia in der Kriegswirtschaft Geld zu
    verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen scheitert zwar kläglich, letztendlich schafft er es aber, als Einziger, doch, aus dem
    Familiengefängnis zu entkommen.


    Vielleicht hat mir das Buch auch deshalb so gut gefallen, weil mich die Geschichte und er Schreibstil Thoams Wolfes manchmal an Thomas Mann
    erinnert haben. (Auf die Ähnlichkeit zu den Buddenbrooks hat Rainer ja auch schon hingewiesen.) Nicht nur daß beide den selben Vornamen haben :smile:. Wolfes Altamont (bzw. Asheville) ist Manns Lübeck. Beide haben auch reale Vorbilder für ihre Romanfiguren genommen und
    sind dadurch in ihrer Heimatstadt sehr angefeindet worden. Vor allem durch ihre nicht sehr schmeichelhaften Personenbeschreibungen.
    Insbesondere hat mir aber diese wohlformulierte Sprache und die manchmal abenteuerlichen Wort- bzw. Satzschöpfungen gefallen. Wenn auch nicht immer leicht zu lesen.


    Dana: Ich verstehe Dich sehr gut. Ich bin ja auch erst kürzlich umgezogen und weiß daher, daß sich zum Lesen weder Zeit noch Muße finden.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo


    Der serbische Autor Aleksandar Tisma ist tot.


    [Blockierte Grafik: http://www.spiegel.de/img/0,1020,244142,00.jpg]



    Gelesen habe ich von ihm "Das Buch Blam", "Die wir lieben" und "Die Schule der Gottlosigkeit". Insbesondere das letztgenannte, ein Erzählband, wird mir für immer in Erinnerung bleiben.
    In der Titelgeschichte geht es um einen Folterer, der einen Gefangenen zu Tode quält, wahrend der kleine Sohn des Folterers zu Hause im Sterben liegt. Tisma schildert die Folterszenen ganz nüchtern, sehr akribisch und ungeheuer brutal. Man verspürt immer größeren Haß auf diesen Menschen. Andererseits lassen die Gedanken des Folterers an seinen kranken Sohn aber auch den liebenden Vater erkennen. Dieser Widerspruch und die Intensität der Folterszenen haben mir das Lesen richtig zur Qual gemacht und manchmal meinte ich, es nicht mehr aushalten zu können.
    Eine anderer Geschichte, an die ich mich noch erinnere schildert die verzweifelte Nacht eines Vaters, der weiß, daß er mit seiner Familie am nächsten Morgen ins KZ deportiert wird.
    Wer jemals "Die Schule der Gottlosigkeit" gelesen hat, wird dieses Buch wohl nie mehr vergessen könnnen.
    Schade um diesen großen Autor.


    ikarus

    Hallo


    Zitat

    Shakespeares Versmaß waren jambische Pentameter. Unsere Verse passen da gar nicht.


    Du scheinst wirklich Ahnung von Literatur und von Shakespeare zu haben, Rainer. Bin beeindruckt. Steffis Idee finde ich nicht schlecht. Warum nicht mal ein Drama von Shakespears gemeinsam lesen.


    Steffi: An Rauschgift dachte ich zuerst auch. Durch Dein Originalzitat bin ich aber auf eine Spur gestoßen. "Honey Dew" ist eine Bezeichnung für gesüßten Tabak. Ob allerdings dessen übermäßiger Genuß diese beschriebenen körperlichen Erscheinungen hervorruft, kann ich nicht sagen. Denn auf dem Gebiet der Drogen kenne ich mich noch weniger aus als bei Shakespeare :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Also ich brauche noch eine Weile mit dem Buch. Ich bin gerade im 29. Kapitel.


    Das 24. kapitel ist ja schon sehr von euch gelobt worden und mir hat es bisher auch mit am besten gefallen. Wie Eugene mit seinem kumpel durch die Straßen schlendert und die Leute beobachtet verschafft doch einen guten Eindruck von der kleinbürgerlichen Welt Altamonts. Danach gleich das kurze 25. Kapitel in dem Ben aus gerade dieser Welt ausbrechen und mit aller Gewalt zum kanadischen Heer will "um etwas von der Welt zu sehen".


    Das mit den Schrägstrichen fand ich zunächst auch etwas merkwürdig. Ich glaube auch, daß es sich um Klassiker-Zitate handelt. Thomas Wolfe hat bisher schon öfter auf seine (bzw. Eugenes) Liebe zu Shakespeare hingewiesen und da ist mir die Idee gekommen, ob es sich vielleicht um Zitate aus Shakespeare-Dramen handeln könnte. Bei Shakespeare kenne ich mich aber überhaupt nicht aus.


    Die Familienbande, die zwar noch nie besonders fest waren, lockern sich immer mehr. Die Familie Gant schafft es jetzt nicht mal mehr an Weihnachten zusammen zu kommen. Oliver Gant hat Krebs, Eugene ist sehr unglücklich auf der Universität und Helen scheint einen Drachen zur Schwiegermutter zu bekommen. Alles ziemlich traurig.


    Im 24. Kapitel heißt es daß, "des Apothekers betäubte Ehefrau, die, wenn man das weiße, löchrige Gewebe ihrer Haut betrachtete, zu oft vom Honigtau genascht zu haben schien, ...". Weiß jemand, was damit gemeint ist?


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    Gelesen habe ich zwar noch nichts von ihm, aber zwei Romane auf meinem SUB entdeckt: "Der Bürgermeister von Casterbridge" und "Fern vom Treiben der Menge". Auf ihn aufmerksam geworden bin ich durch eine Freundin von mir, die mir immer von Hardys Roman "Tess of the D` Urbervilles" vorgeschwärmt hat.


    Dieser Covertext zu "Woodlanders" hört sich wirklich unheimlich und dramatisch an. Rolf Vollmann schreibt in seinem "Roman-Navigator" zu Hardy: "Vielleicht, sagt man sich, kann Gott gar keine Landschaft machen, die ganz von ihm verlassen wäre - Hardy konnte das." Paßt gut zu diesem Text.


    Würde sich sicher lohnen, auch mal was von ihm zu lesen. Danke für die Erinnerung. :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    Zitat

    es tut gut, endlich mal wieder an einem Stück lesen zu können


    Oh ja. Wem sagst Du das!


    Da bin ich ja jetzt froh, daß Du auch noch nicht allzu weit mit dem Buch bist. Ich dachte schon, ich würde hoffnungslos hinterher hinken. Aber unter der Woche komme ich zur Zeit einfach nicht zum Lesen.


    Zitat

    Könnt ihr die Familienverhältnisse nachvollziehen? Darin tu ich mir schwer


    Geht mir auch so. Stört mich aber nicht sehr. Man kommt recht schnell wieder auf die richtige Spur.


    Dieses hatte ich bisher Eliza zugeschrieben:


    Zitat

    Als er körperlich auch wuchs wurde er für seine Schwester Helen uninteressant, er hatte keinen rundlichen Kinderkörper mehr


    Aber Du hast natürlich recht. Es ging um Helen.


    "Das Leben summte langsam wie eine Schmeißfliege" heißt ein Satz. Das könnte auch als Motto über dem ganzen Buch stehen. Die Zeit vergeht langsam und Wolfes Satzkonstrukte und sein ausführliches Erzählen zwingen einen auch dazu sehr langsam zu lesen. Mich zumindest. Auch liegt immer etwas leicht morbides über der Geschichte. Steves fauliger Atem, der Marmorengel der langsam in Wind und Regen verwittert oder Gants fortschreitende Krankheit. Und daß schlechte Zähne ein untrügliches Merkmal für den Zerfall einer Familie darstellen, wissen wir ja von den Buddenbrooks :smile: Seit dem Verkauf seines Engels geht es mit Gants Gesundheit rapide bergab. Syphilis? Bis jetzt ist nur von einer schmerzhaften Vergrößerung der Prostata die Rede. Das hier:


    http://www.fa-urologie.de/erkr…stata/prostata_vergr.html


    Aber ich bin in Gants Krankheitsgeschichte noch nicht sehr weit fortgeschritten.


    Schade um Gant. Mittlerweile ist er mir richtig sympathisch geworden. Richtig sympathisch ist mir allerdings nur Luke. Was für ein gewitzter Bursche! "Sein Gesicht war wie eine Kirche, in der Schönheit und Humor getraut werden" schreibt Wolfe über ihn. Schöner Satz.


    Zitat

    Ja, Gant´s Begegnung mit Elizabeth ist nicht Eindeutig. Nicht die erste Begegnung. Vor 15 Jahren gab´s schon mal mindestens eine.
    „ Zwischen ihnen gab es keine Entschuldigungen, keine Fragen, keine Antworten. Die Welt zählte nicht.“
    Eine Liebschaft? Dagegen spricht, dass nur von „Bekanntschaft“ geschrieben wird. Ich tendiere zu der Ansicht, Gant war als Freier bei Elizabeth. Sie lässt nun, mit 38 Jahren, für sich arbeiten. Eins ihrer Mädchen war gestorben, als „Puffmutter“ kümmert sie sich um die Belange ihrer „Schützlinge“. Erst die Pflege, dann die Beerdigung von Lily.


    Danke für die Erklärung, Rainer. Darüber habe ich auch etwas gerätselt.


    Ich bin im 21. Kapitel. Gerade ist die Alkohol-Prohibition beschlossen worden. Gant hat sich merkwürdigerweise auch dafür eingesetzt. Dabei ist für ihn, sowie Teile seiner Familie und überhaupt für ganz Altamont der Alkohol doch geradezu Lebenselixier. Da bin ich mal gespannt, ob und wie lange das gut gehen soll.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Steffi schrieb:


    Zitat

    Manchmal habe ich Schwierigkeiten, seinen Gedanken zu folgen, z.B. las ich heute 2 Seiten nur "sie tut das, sie sagt das", ohne zu wissen, wer "sie" eigentlich ist ...


    Da bin ich jetzt richtig froh, daß es nicht nur mir so geht. Wenn mich bisher etwas an dem Buch gestört hat, dann, daß ich manchmal nicht wußte von wem gerade die Rede ist.


    Ansonsten gefällt mir das Buch immer besser. Wolfes ausdrucksstarke Sprache und dieses ausladende Erzählen gefallen mir sehr. Am Besten fand ich bisher das 14. Kapitel, in dem er in kurzen Abschnitten aus verschiedenen Perspektiven das morgendliche Erwachen des Städtchens schildert. Einfach großartig.


    Das ist übrigens das Bild "Das Lied der Lerche", dessen phanasievolle Beschreibung in Eugenes Aufsatz seine Aufnahme in die Privatschule Margaret Leonards zur Folge hatte:


    [Blockierte Grafik: http://www.powerlines.com/personal/lark0.jpg]


    Es stammt von dem französischen Maler Jules Breton (1827 - 1906) aus dem Jahr 1884 und befindet sich im Art Institute of Chicago.


    Ich komme zum 17. Kapitel.


    Viele Grüße
    ikarus