Januar 2003: Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel!

  • Hallo


    bin auch durch. Auch mich lässt der Schluß im Unklaren.


    Schrieb ich von einem Bruch am Ende des 32. Kapitels, so musste ich mich eines besseren belehren lassen. In der Familie war keine wirkliche Veränderung. Ein paar Seiten weiter waren die Beziehungen wie gehabt.


    Bis bald
    Rainer

  • Hallo zusammen !


    Da macht ihr mich ja richtig neugierig auf das Ende ! Ich habe noch so 50 Seiten und da sich das Buch nun wirklich recht flüssig liest, werde ich spätestens morgen damit fertig :smile: ! Allerdings vermisse ich die Intensität des Anfangs schon ein bißchen. Jetzt wirkt es manchmal etwas klischeehaft, z.B. die Paradiesszene, Psychodrama an Weihnachten und große Emotionen bei Bens Tod. Naja, aber vielleicht ist das Leben ja so ?!


    Rainer schrieb:

    Zitat

    Schrieb ich von einem Bruch am Ende des 32. Kapitels, so musste ich mich eines besseren belehren lassen. In der Familie war keine wirkliche Veränderung. Ein paar Seiten weiter waren die Beziehungen wie gehabt.


    Es war doch sehr aufwühlend, dieses 32. Kapitel. Wie genau er die Beziehungen innerhalb der Familie herausgearbeitet hatte das war schon richtig psychologisch. Da fiel mir ein Artikel ein, den ich vor einiger Zeit gelesen habe: jedes Familienmitglied hat innerhalb der Familie eine bestimmte Position und Beziehung zueinander. Diese Beziehungen sind nur sehr schwer zu lösen, auch wenn die Kinder schon erwachsen sind.


    Diese Verhaltensmuster sieht man ja ganz deutlich. Auch bei Bens Tod, wo Eliza wieder sehr angegriffen wird. Und plötzlich taucht die Erinnerung an Bens Zwilling wieder auf, der an Thyphus gestorben war - aber Eliza hat doch offensichtlich die ganze Zeit an ihn gedacht. Der Erzähler und der Leser (zumindest ich) musste sich erst wieder erinnern! So herzlos war sie wohl doch nicht, vielleicht hatte sie eher Schwierigkeiten, ihre Gefühle auszudrücken.


    Was wurde eigentlich aus den zwei ältesten Geschwister, Daisy und Steve ? Ich kann mich gar nicht erinnern ... :redface:


    Immer noch spannend finde ich, wie sich der Erzähler oft von seinen Personen distanziert, plötzlich schreibt er wieder "der Junge", "der Seemann" usw. Manchmal ist man ganz dicht dran und dann wird man schnell wieder weggezogen. Fast als wenn Thomas Wolfe das ganze zu unangenehm geworden wäre - ich meine jetzt nicht nur, dass er diese Nähe seinen Lesern nicht zumuten wollte, sondern dass er eher sich selbst erschrocken zurückzieht. Oh lost ...


    Gruß von
    Steffi

  • Hallo zusammen


    Also ich brauche noch eine Weile mit dem Buch. Ich bin gerade im 29. Kapitel.


    Das 24. kapitel ist ja schon sehr von euch gelobt worden und mir hat es bisher auch mit am besten gefallen. Wie Eugene mit seinem kumpel durch die Straßen schlendert und die Leute beobachtet verschafft doch einen guten Eindruck von der kleinbürgerlichen Welt Altamonts. Danach gleich das kurze 25. Kapitel in dem Ben aus gerade dieser Welt ausbrechen und mit aller Gewalt zum kanadischen Heer will "um etwas von der Welt zu sehen".


    Das mit den Schrägstrichen fand ich zunächst auch etwas merkwürdig. Ich glaube auch, daß es sich um Klassiker-Zitate handelt. Thomas Wolfe hat bisher schon öfter auf seine (bzw. Eugenes) Liebe zu Shakespeare hingewiesen und da ist mir die Idee gekommen, ob es sich vielleicht um Zitate aus Shakespeare-Dramen handeln könnte. Bei Shakespeare kenne ich mich aber überhaupt nicht aus.


    Die Familienbande, die zwar noch nie besonders fest waren, lockern sich immer mehr. Die Familie Gant schafft es jetzt nicht mal mehr an Weihnachten zusammen zu kommen. Oliver Gant hat Krebs, Eugene ist sehr unglücklich auf der Universität und Helen scheint einen Drachen zur Schwiegermutter zu bekommen. Alles ziemlich traurig.


    Im 24. Kapitel heißt es daß, "des Apothekers betäubte Ehefrau, die, wenn man das weiße, löchrige Gewebe ihrer Haut betrachtete, zu oft vom Honigtau genascht zu haben schien, ...". Weiß jemand, was damit gemeint ist?


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hi zusammen, :smile:


    ich hab´ einiges von Shakespeare gelesen, aber diese Zitate sind mir nicht begegnet. Stelle die Vermutung an: Es sind auch keine Shakespeare Zitate.
    Shakespeares Versmaß waren jambische Pentameter. Unsere Verse passen da gar nicht.


    Gruß
    Rainer

  • Hallo !


    In der englischen Ausgabe liest man über die Frau des Drogisten:
    "...the druggist'st drugged wife who, by the white pitted fabric of her skin, and the bright somnolence of her eyes, on honey-dew had fed too often ..."
    Sieht m.E. nach Rauschgift aus (honey fungus = Hallimasch).


    Nochmal zu den Schrägstrichen: In der englischen Ausgabe gibts die nicht ! Und in meiner deutschen Übersetzung find ich sie auf die Schnelle nicht (aber wie schon oben gesagt, scheint es sich hier um eine gekürzte Ausgabe zu handeln). Könntet ihr nochmal angeben, wo in etwa sich die Schrägstriche befinden ? Vielleicht kriegen wir über das englische etwas raus.


    Wow, Rainer, du scheinst dich gut auszukennen bei Shakespeare ! Ich überhaupt nicht (außer Hamlet). Wäre mal was für eine neue Leserunde, mach doch mal einen Vorschlag ! Außer einer Anspielung auf Iphigenie "Fremde auf Tauris" oder so ähnlich und einem Auszug aus dem Kinderreim Humpty-Dumpty " Humpty-Dumpty sat on a wall, Humpty-Dumpty made a great fall, and all the kings horses, and all the kings men, couldn't bring Humpty together again" konnte ich nichts feststellen. Was aber leider bei mir kein Wunder ist :zwinker: Das war übrigens anläßlich Bens Tod, makaber oder ?


    Übrigens, Humpty-Dumpty ist ein Ei !


    Viele Grüße von
    Steffi

  • Hallo zusammen


    Steffi: hauptsächlich im Kapitel 24 sind diese Vers-Einfügungen zu finden:
    ------------------
    Beispiele:
    Der Dieb fängt den Dieb. Zwar wächst er nicht breit wie ein Baum, / Doch trotzdem zog der Mensch das beßre Los...


    Auf eine Speisekarte:
    Heute: Brathähnchen mit Süßkartoffeln. Gegrüßest seist du, muntrer Geist,/ Vogel warst du niemals...


    Ach, schmerzliches Bevor,/ Das davon kündet, wie die Jugend schwand.


    Sein mageres Gesicht unter der vorspringenden, kugelförmigen Stirn grinste unentwegt; breite, überlappende, schwemmten seine Züge. Und lebte er auch tausend Jahr, / Er würd nie den Humor verliern.


    Ihr Lachen spritzte heraus, verwickelte und verlor sich in Rauchwolken, und sie soffen auch sehr dabei:/ Der Diener, der Bauer und der Lakai.
    -------------------


    Hier noch ein paar Gedanken, bevor ich sie vergesse:


    Ich dachte ja, daß Ben zum Militär kommt und war dann doch ziemlich überrascht, daß es Luke ist. Aber Ben hat wohl zuviel geraucht und seine Lunge war wirklich nicht die stärkste. Ein tragisches Ende oder wenn man den Schluß betrachtet, doch nicht?


    Im Kapitel 31 versucht Eugene den Alkohol, ein berauschendes Erlebnis ;-)
    Gant soll ein Gespräch mit ihm führen. Das war zum Schmunzeln. Gant verlegen:


    Sie gingen stillschweigend über den Square, an dem eisberingten Brunnenbecken vorbei. Gant hatte sich bereits mehrere Male verlegen geräuspert. "Junge", sagte er schließlich, "ich hoffe, du läßt dir den Vorfall von gestern nacht zur Warnung dienen. Ich will dir wahrhaftig keine Vorwürfe machen, aber ich hoffe, daß es dir eine Lehre gewesen ist. Besser tot als ein Säufer. Willst du dir's merken?"


    So, Schluß damit, das wäre überstanden!


    "Ja, das werde ich", sagte Eugene. Dankerfüllt und erleichtert...


    Da waren wohl beide froh es hinter sich zu haben :)


    Elizas Versuche wenigsten zu Weihnachten eine harmonische Atmospäre aufzubauen, fällt fehl. Die Familie ist einfach zu emotional. Sie schreien sich an, sie lieben sich, sie tun sich weh, sie lachen hysterisch - besonders wenn es kritisch wird.


    Es gibt Zeiten da ist Eugene stolz auf seine Familie, dann wiederum fühlt er sich nicht dazugehörig, liegt das an seiner Jugend? Mich würde es interessieren, wie er im Alter über seine Familie gedacht hätte. Das erfahren wir ja nicht.


    Diese Selbstzerfleischung als er nach Virginia ging um sein Geld selbst zu verdienen, nur um zu beweisen, daß er es ohne seine Familie schafft , paßte sehr gut ins Bild das ich mir von Eugene gemacht habe.


    und trotzdem fällt es mir schwer die Person "Eugene" zu charakterisieren.


    Ben hat zu seinem Begräbnis das Beste vom Besten gekriegt.


    Steve und Daisy kommen nur noch sporadisch im Bericht vor. Daisys Kinder haben Ben mit Grippe angesteckt. Steve kommt um seinen Anteil des Erbes zu sichern, falls Gant stirbt. Eugene unterschreibt ein Schriftstück um sich zu beweisen, daß er besser ist als seine Familie(?). Eliza war entsetzt und ich hatte den Eindruck, wenn der Roman noch weitergegangen wäre, dann hätte Eliza ihren Kindern noch ein Schnippchen geschlagen.


    Trotzdem war auch für Eugene Geld wichtig:


    Ein Rebell jedoch war Eugene nicht. Er hatte kein größeres Bedürfnis nach Revolution als die meisten Amerikaner, nämlich überhaupt keines. Er war vollauf zufrieden mit jden System, das ihm Behagen und Sicherheit verbürgte, ihm Geld genug zu einem Leben, wie er es begehrte, gab und seine Freiheit zu denken, essen, trinken, lieben, lesen und schreiben, was ihm passte, unangetastet ließ.


    bloß woher kam bei ihm das Geld? Ohne Arbeit wird sich auch der gute Eugene schwer tun.


    In den letzten Kapitel wird oft beschrieben, daß Eugene ziemlich unsauber ist. Er wechselt erst nach Wochen die Unterwäsche. :entsetzt:


    Da bilde ich mir ein, ich wäre ein Mordskerl, und die anderen behaupten, daß ich stinke, weil ich nicht gebadet habe. Ich! Ich! Bruce-Eugene, die Geißel der Mexikaner, der größte Sportheros, der je für eine Universität Baseball spielte! Marschall Gant, der Retter des Vaterlandes! Kampfflieger Gant, der Himmelshabicht,......Jesus-von-Nazareth Gant, verspottet, gelästert, angespuckt....


    usw. da kommt noch eine ganze Litanei an Helden, die er verkörpert. Was haltet ihr davon?


    Als er auf den Campus zurückkommt, ist nach 3 Wochen der Krieg zuende. Also keine Heldentaten für ihn.


    Was aber - spach Eugene langsam vor sich hin ins Dunkel - , wenn ich kein Genie wäre? Er legte sich diese Frage nicht oft vor....Ja, was aber, wenn sonst jemand denkt, ich wäre keins'? Er fletschte wie ein Rasender die Zähne..


    Steffi - danke für den Gedanken, daß er oft auf Distanz mit seinen Angehörigen geht, wenn er über Luke spricht : der Seemann...
    das ist mir auch aufgefallen, aber habe es weiter nicht beachtet.


    und dann, wie bereits erwähnt der Schluß, sein Gespräch mit Ben, aber da warte ich mal, bis ihr soweit seid.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • aber mir verweigert sich dieses Buch einfach, ich komme nicht rein oder es läßt mich nicht ein. :sauer:


    Und bevor ich mich quäle, mache ich von meinem dritten unantastbaren Leserrecht gebrauch -


    DAS RECHT, EIN BUCH NICHT ZU ENDE ZU LESEN :cool:


    Vielleicht klappt es ja bei einem anderen Buch besser.


    Wer die 10 unantastbaren Rechte des Lesers noch nicht kennt, hier gibt es sie zum nachlesen



    http://www.bibliomaniac.de/tex…0Recht%20auf%20Bovarysmus



    Allen noch viel Spaß mit Thomas Wolfe


    Dyke[/code]

  • Hallo


    Zitat

    Shakespeares Versmaß waren jambische Pentameter. Unsere Verse passen da gar nicht.


    Du scheinst wirklich Ahnung von Literatur und von Shakespeare zu haben, Rainer. Bin beeindruckt. Steffis Idee finde ich nicht schlecht. Warum nicht mal ein Drama von Shakespears gemeinsam lesen.


    Steffi: An Rauschgift dachte ich zuerst auch. Durch Dein Originalzitat bin ich aber auf eine Spur gestoßen. "Honey Dew" ist eine Bezeichnung für gesüßten Tabak. Ob allerdings dessen übermäßiger Genuß diese beschriebenen körperlichen Erscheinungen hervorruft, kann ich nicht sagen. Denn auf dem Gebiet der Drogen kenne ich mich noch weniger aus als bei Shakespeare :smile:


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "Dyke"

    aber mir verweigert sich dieses Buch einfach, ich komme nicht rein oder es läßt mich nicht ein. :sauer:


    Halle Dyke
    solche Bücher gibt es. Vielleicht ist das nächste Buch in der Leserunde mehr dein Fall. :)


    @Ikarus/Rainer/Steffi:
    etwas von Shakespeare würde mir auch gefallen. Mögt ihr lieber seine Komödien oder seine Dramen?


    CU Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    nein, nein. Bin weder Shakespeare-Experte noch kundig in irgendwelchen Versmaßen. Hab´ nur schon einiges von Willi gelesen und deshalb wusste ich das mit den jambischen Pentametern. An anderer Stelle komm´ ich auf den Wunsch zurück, Shakespeare mal gemeinsam zu lesen.


    Mir ging es ähnlich wie Dyke mit unserem Buch. Is´ natürlich schwer zu beschreiben, was das Buch für mich so sperrig machte. Ich mag dicke Bücher, das ist es nicht, aber ich ertappte mich dabei, immer mal wieder auf die Anzahl der bereits gelesenen Seiten zu schauen und dabei so etwas wie eine „Geschichte“ ausfindig machen zu wollen. Sicher, es ist die Geschichte einer Familie. Aber der Autor hat mir keine Geschichte erzählt, sondern Tage, Monate, Jahre aneinander aufgereiht. Sehr kunstvoll, manchmal auch unterhaltend, aber für einen solchen Wälzer fehlt einfach der Faden, ein Handlungsstrang. In, für mich, zu scharfen Schnitten kam Wolfe von Oliver Gant zu Eugene, zu Eliza und den anderen und wieder zurück zu Oliver und Eugene.
    Wie der allmähliche Übergang von einer Generation zur anderen in einem Buch stattfinden kann- ein Übergang, der vom Leser so selbstverständlich angenommen wird, wie er ja tatsächlich auch ist- hat uns T. Mann mit den Buddenbrooks vorgemacht.
    Wie dem auch sei, ich hab´s bis zur letzten Seite gelesen weil „da muss doch noch was kommen“, aber außer einem frei interpretierbaren Ende kam nichts mehr.
    Dennoch, ich bereue nicht, Thomas Wolfe Gelesen zu haben.


    Werde mich sicher noch mal zu dem Buch melden.


    Schöne Grüße
    Rainer

  • Hallo !


    Nun bin ich auch fertig und freue mich schon auf die Diskussion über das Ende ...


    Ja, da ging es uns doch alle ähnlich, oder ? Genau diese fehlende Handlung machte mir doch schwer zu schaffen, auch kein "üblicher" dramatischer Aufbau - aber wenn ich so über mein Leben nachdenke, dann ist das halt so. Dramatische Ereignisse verpuffen im Nichts, Personen, die einem eine Zeitlang sehr wichtig waren, verschwinden irgendwie aus dem Leben und plötzlich werden Dinge wichtig oder unwichtig, von denen man das nie geglaubt hätte. Ich finde es eigentlich sehr schwierig, das so aufzuschreiben, aber ich fand es sehr spannend, das zu lesen. Aber ehrlich gesagt, ohne euch hätte ich vielleicht auch nicht durchgehalten :winken: Es tut schon gut, immer mal wieder auch andere Gedanken und Hinweise zu kriegen !


    ikarus: gesüßter Tabak - ich kenne mich auch nicht aus, aber schon faszinierend, was Wolfe wieder aus einem Satz macht, ähnlich wie im Titel, die Engel, der Geist usw. Das ist mir oft aufgefallen, dass er immer mehrere Interpretationen zuläßt, ohne jemals eine Lösung zu präsentieren - vielleicht ist das Buch deshalb so schwer greifbar ?


    JMaria: das mit dem stinken fand ich auch ... Es klang, als sei er ein bißchen stolz darauf, naja Genies können sich alles erlauben !? Eugene war ja wohl nicht so beliebt, was wohl seine Kommilitonen von ihm dachten? Aber er war ja auch erst 16 oder 17.


    Viele Grüße
    Steffi

  • Danke, Maria, für die Zitate ! Folgendes habe ich herausgefunden:


    Zitat

    Der Dieb fängt den Dieb. Zwar wächst er nicht breit wie ein Baum, / Doch trotzdem zog der Mensch das beßre Los...


    Dog eat dog. Thief catch thief. It is not growing like a tree, in bulk doth make man better be.


    Ben Jonson (1573–1637) aus A Part of an Ode to the Immortal Memory and Friendship of that noble pair, Sir Lucius Cary and Sir H. Morison
    http://www.bartleby.com/101/194.html



    Zitat

    Gegrüßest seist du, muntrer Geist,/ Vogel warst du niemals...


    Hail to thee, blithe spirit, bird thou never wert.


    Percy Bysshe Shelley (1792–1822) aus To a Skylark
    http://www.bartleby.com/101/608.html


    Zitat

    Ach, schmerzliches Bevor,/ Das davon kündet, wie die Jugend schwand.


    Ah, woeful ere, which tells me youth's no longer here.


    S. T. Coleridge (1772-1834) aus Youth and Age
    http://www.bartleby.com/106/280.html




    Dann noch ein deutsches Zitat:
    Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.

    Nur wer die Sehnsucht kennt,
    Weiss, was ich leide!
    Allein und abgetrennt
    Vor aller Freude,
    Seh' ich ans Firmament
    Nach jener Seite.
    Ach! der mich liebt und kennt
    Ist in der Weite.
    Es schwindelt mir, es brennt
    Mein Eingeweide.
    Nur wer die Sehnsucht kennt,
    Weiss, was ich leide!


    von J.W.von Goethe (1749-1832) aus Wilhelm Meisters Lehrjahre



    So, nun wissen wir Bescheid ! :winken:


    Liebe Grüße von
    Steffi

  • Hallo Steffi


    du bist einmalig! :klatschen:
    es ist doch schön, wenn man Gewißheit bekommt, da der Verdacht doch da war, daß es Verse aus anderen Werken waren. Goethe hätte man evtl. noch erkennen können.


    Schade, daß sich der Verlag nicht die Mühe eines Glossars macht. Zuviel Nachforschungsarbeit???


    Letztens las ich Thomas Hardy: Die Woodlanders, herausgegeben von Manesse-Verlag und da war der Anhang sehr hilfreich, da dieser Schriftsteller gern andere zitierte.


    Vielen Dank, Steffi, daß du dir die Mühe gemacht hast, nachzuforschen. Es ließ mir auch keine Ruhe.


    CU Maria
    PS: ich grübele immer noch über Eugenes' Gespräch mit Ben.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr Lieben,


    ich muss mich leider bei diesem Buch auch abmelden. Während des Lesens war die Versuchung zu groß, zwischendurch was anderes anzufangen u. so habe ich den Weg zurück zu WOLFE nicht mehr gefunden.
    :sauer:
    Mir steht jetzt in 2 Wochen auch noch einen Umzug bevor, so dass ich eh nicht mehr die innere Ruhe habe, was anständiges zu lesen. Wer weiß, vielleicht mache ich trotzdem nachher weiter, eure Diskussion macht einfach Lust darauf :zwinker: Oder wir treffen uns bei einem anderen Buch. Ich bleibe auf jeden Fall dabei :smile:


    Viele schönen Lesestunden wünscht euch Dana :winken:

  • Hallo zusammen


    Steffi: Auch von mir :klatschen: . Echt spitze! Danke für Deine Recherche. Ich habe nämlich auch noch etwas nachgegrübelt, was das wohl für Zitate sein könnten.


    Ich habe aber auch etwas recherchiert und bin hinter das Geheimnis des Buchtitels gekommen: Thomas Wolfe wollte das Buch zunächst "O verloren" nennen, das sich ja auch als Leitmotiv durch den ganzen Roman zieht. Sein Verleger war damit aber nicht einverstanden und bat um Änderung des Titels. So bediente sich Wolfe eines Zitats aus einer Elegie von John Milton. Dieser hier:


    http://www.bartleby.com/4/210.html (Zeile 163)


    Ich bin nun auch mit dem Buch durch und kann sagen, daß es für mich eines der beeindruckendsten war, vor allem sprachlich, die ich je
    gelesen habe. Ich kann allerdings auch Leser wie Dyke oder Dana verstehen, die keinen Zugang finden. Anfangs hatte ich auch, wie wir alle, glaube ich, etwas Mühe in die Geschichte hineinzufinden.
    Thomas Wolfe schweift ab, gerät ins philosophieren, oft versteht man nicht, was er meint, (besonders die Schlußkapitel und vor allem Eugenes Vision haben mir da zu schaffen gemacht), viele Personen treten auf, man verliert sie wieder aus den Augen bis sie wieder erscheinen. Aber auch von den Familienmitgliedern, die einen durch das ganze Buch hindurch begleiten bleiben alle merkwürdig fern. Bis gegen Ende vielleicht bei Ben´s
    Sterbeszene und Eugene´s "Ausbruchsversuch" an die Küste von Virginia. Da hatte ich das Gefühl einer gewissen Nähe zu den Figuren. Manchmal
    ist mir der Roman auch eher wie eine Ansammlung fragmentarischer Kurzgeschichten vorgekommen, da ein durchgehender Handlungsfaden fast völlig fehlt. Je länger ich jedoch am Buch las, desto mehr hat es mich in seinen Bann gezogen.


    Für mich ist es die tragische Geschichte einer Familie, deren Mitglieder sich, allerdings ohne böse Absicht, das Leben schwer machen und
    aneinander leiden. Der Schoß der Familie als Gefängnis. Sämtliche Aktionen der Familienmitglieder haben ihren Antrieb in Fluchtgedanken.
    Oliver Gant flüchtet sich in den Alkohol, zu welchem ja alle, bis auf Eliza, eine gewisse Affinität besitzen. Auch Eugene empfindet den
    Rauschzustand nach seinem köstlichen alkoholischen Selbstversuch als befreiend und "göttlich". Er fragt sich sogar, warum eigentlich nicht
    alle Menschen dauernd betrunken wären. Eliza flüchtet sich in die Arbeit für ihre Pension und in Grundstücksspekulation. Sie kann gar nicht
    verstehen, warum ihr nicht alle aus Dankbarkeit für ihren materiellen Wohlstand zu Füßen liegen. Helen flüchtet sich in die Pflege ihres
    Vaters. Daisy gründet früh eine eigene Familie. Luke geht zur
    Marine. Ben ist die traurigste Figur. Er hat einen richtigen Haß auf die Familie, insbesondere auf seine Mutter und deren Raffgier. Sein
    Freiheitswunsch ist am ausgeprägtesten und er scheitert am tragischsten. Alle leben sie ihr "begrabenes Leben" aus unerfüllten Träumen und enttäuschten Hoffnungen und schaffen es nicht, sich
    daraus zu befreien. Dabei leben sie doch im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" in dem angeblich jeder sich entfalten und selbst
    verwirklichen kann. Eugene flüchtet in die Literatur und später ins Studium. Sein Versuch in Virginia in der Kriegswirtschaft Geld zu
    verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen scheitert zwar kläglich, letztendlich schafft er es aber, als Einziger, doch, aus dem
    Familiengefängnis zu entkommen.


    Vielleicht hat mir das Buch auch deshalb so gut gefallen, weil mich die Geschichte und er Schreibstil Thoams Wolfes manchmal an Thomas Mann
    erinnert haben. (Auf die Ähnlichkeit zu den Buddenbrooks hat Rainer ja auch schon hingewiesen.) Nicht nur daß beide den selben Vornamen haben :smile:. Wolfes Altamont (bzw. Asheville) ist Manns Lübeck. Beide haben auch reale Vorbilder für ihre Romanfiguren genommen und
    sind dadurch in ihrer Heimatstadt sehr angefeindet worden. Vor allem durch ihre nicht sehr schmeichelhaften Personenbeschreibungen.
    Insbesondere hat mir aber diese wohlformulierte Sprache und die manchmal abenteuerlichen Wort- bzw. Satzschöpfungen gefallen. Wenn auch nicht immer leicht zu lesen.


    Dana: Ich verstehe Dich sehr gut. Ich bin ja auch erst kürzlich umgezogen und weiß daher, daß sich zum Lesen weder Zeit noch Muße finden.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus


    du hast es so gut zusammengefaßt, ein schöner Abschluß der Leserunde.
    Auch in mir stieg der Vergleich mit den Buddenbrooks auf.


    (Sag mal, vergleichen wir alles mit Thomas Mann? *gggg*)


    Sprachlich ist das Buch wirklich etwas besonderes, und vermutlich haben wir garnicht alles so richtig erkannt, was aber m.E. auch garnicht so wichtig ist. Das Gefühl der Familie Gant und somit auch Thomas Wolfe näher gekommen zu sein, ist doch ausschlaggebend. :)


    CU Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Ja, ikarus, du hast eine sehr schöne Zusammenfassung des Buches geschrieben. Ich habe am Wochenende mit meiner Schwester telefoniert (sie lebt in Amerika) und zu meinem Erstaunen eine halbe Stunde über das Buch erzählt, da ist mir aufgefallen, dass es mich doch mehr berührt hat, als ich dachte ! Sie hat mir erzählt, dass dieser Stil, also das episodenhafte, die spärlichen Charaktere wohl bei einigen amerikanischen Autoren dieser Zeit zu finden sind, ebenso gibt es wohl oft den Typus starke, liebesunfähige Mutter und alkohol- oder opiumsüchtiger Vater und dadurch die "Befreiung" der Kinder.


    Gestern abend habe ich nochmal das letzte Kapitel gelesen. Die Erinnerung an Ben läßt diesen erscheinen und Eugene schließt nun mit seinem bisherigen Leben ab, um ein neues zu beginnen. Danach hat er sich ja immer gesehnt und sich auch schon darauf vorbereitet. Hier schließt sich nun der Kreis zum Anfang des Romans : a stone, a leaf, an unfound door ... Eugene ist immer noch auf der Suche nach dieser Tür zu einem neuen Leben, aber ich denke, Ben, und dadurch auch tief in seinem Inneren, Eugene, hat sie schon gefunden : Du bist deine Welt, sagt Ben zu Eugene. Und beendet damit Eugenes Fragen über das Leben, die spärlichen Erinnerungen, die vergessenen Namen, Gesichter, Begebenheiten.


    Gants Engel bewegen sich, sie verkörpern für mich die Sehnsucht Gants, aus diesem Leben auszubrechen, sein Wunsch, mehr über die Welt zu erfahren, alte Kulturen, Kunst usw. als im engen, gefängnisartigen Altamont. Gant hat es nicht geschafft, aber Eugene wird den Traum seines Vaters erfüllen. Um das zu erreichen macht er sich ganz frei von Altamont, von seiner Vergangenheit, es scheint, daß nur Ben ihn bisher davon abgehalten hatte. Nach Bens Tod zieht nun Eugene mit aller Konsequenz einen Schlußstrich, letzte Erinnerungen an ein unglückliches Leben.


    Manche Dinge sind mir immer noch nicht klar geworden, manche Zitate wahrscheinlich auch nicht aufgefallen. Wenn ich an die wundervolle Manzoni-Übersetzung denke, würde ich mir wünschen, dass auch dieses Buch vernünftig neu übersetzt und mit Anmerkungen versehen wird.


    Gruß von
    Steffi

  • Hallo zusammen


    Zitat

    (Sag mal, vergleichen wir alles mit Thomas Mann? *gggg*)


    Das wäre sehr unfair, jeden Autor mit dem "Meister" :zwinker: zu vergleichen. Aber bei Wolfe hat sich dieser Vergleich geradezu aufgedrängt: Sprachgewaltiges Buch, Familie im Verfall begriffen - wer denkt da nicht gleich an die "Buddenbrooks"?


    Zitat

    Ich habe am Wochenende mit meiner Schwester telefoniert (sie lebt in Amerika) und zu meinem Erstaunen eine halbe Stunde über das Buch erzählt, da ist mir aufgefallen, dass es mich doch mehr berührt hat, als ich dachte !


    Das habe ich bei mir auch gemerkt, Steffi, daß "Schau heimwärts, Engel" zu jenen Büchern gehört, die noch länger "nachhallen", einen erst nach dem Lesen richtig zu beschäftigen beginnen und kaum mehr loslassen. Gerade dieses visionäre Schlußkapitel war mir sehr rätselhaft. Aber Du hast mir jetzt die "Tür zur Erkenntnis" geöffnet:


    Zitat

    Du bist deine Welt, sagt Ben zu Eugene.


    Das ist wohl der Schlüsselsatz, da hast Du recht. Ben verhilft Eugene zu der Erkenntnis, daß es Erfüllung im Leben nur in der Besinnung auf sich selbst geben kann. Das ist es vielleicht, was uns Wolfe mit diesem Roman sagen wollte.


    Über die Übersetzung kann ich nicht urteilen, aber ein Anhang mit Erklärungen wäre bei diesem komplexen Werk wirklich hilfreich. Das habe ich auch vermißt.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Steffi
    ich kann mich Ikarus nur anschließen. Du hast mir das Ende des Buches verständlich gemacht. Mir war bei dem Gespräch zwischen Ben und Eugene nicht klar, wohin der Autor wollte. Jetzt kann ich gedanklich auch mit dem Buch abschließen. Es wird mir in guter Erinnerung bleiben und wer weiß, vielleicht picke ich mir ab und zu ein paar Passagen raus. Mir ist immer noch der Frühling in Eugens jungen Jahren in Erinnerung. Ich fand das so poetisch :)
    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)