Hallo JMaria
Ganz habe ich den Seume während meiner Wanderung leider nicht geschafft. Und so wie´s aussieht komme ich in nächster Zeit auch nicht dazu. Aber einen kurzen Eindruck kann ich Dir geben.
Zunächst: Ich bin auf dem sog. "Rhön-Höhenweg" durch die bayerische und hessische Rhön bis an den Thüringer Wald gewandert. Das waren 137 km. Von meinen bisherigen Weitwanderungen bisher zwar die Kürzeste, aber mit Sicherheit die Schönste. Ein kleiner aber feiner Wanderweg und (noch) ein echter Geheimtip.
Seume ist in "Mein Sommer 1805" wenig zu Fuß unterwegs, was er immer wieder sehr bedauert, da er sich dadurch in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. Immer wieder läßt er sich über schlechte Mitfahrgelegenheiten aus. So fährt er einmal bei einem Bauern auf dem Heuwagen mit, als dieser Bauer das Heu mit seiner Pfeife in Brand setzt und der Wagen Feuer fängt. Seume kann gerade noch seinen "Seehundtornister" (der vom "Spaziergang") retten und nur mit viel Mühe gelingt es den beiden den Brand zu löschen. Daß Seume stinksauer war ist verständlich.
Überhaupt ist das Buch sehr politisch und teilweise sehr wütend geschrieben. Schon die Vorrede entwickelt sich zu einem politischen Pamphlet in dem Seume gegen Despotismus, Mißwirtschaft und die Lahmarschigkeit der Deutschen wettert.
"Es ist mir seit langer Zeit ein etwas trauriger Gedanke, ein Deutscher zu sein;...Stürmen will ich nicht, aber offen sagen, wo ich glaube, daß die Krankheit liegt."
Und das tut er:
"Alle wollen nur genießen; und niemand will tun. Jeder bürdet dem andern auf; keine allgemeine Übereinstimmung zum Guten, kein tätiges Mitwirken zum Gemeinwohl. Die Feinde sind nur stark durch unsere physische und moralische Schwäche, die unsere Schuld ist. Überall ist unter dem Volke grobe schmutzige Selbstsucht."
Voller Bewunderung ist er dagegen für die Errungenschaften der Französischen Revolution, Freiheit und Gleichheit, auch wenn er durchaus sieht, daß zwar im Nachbarland noch nicht alles perfekt läuft, aber die Einheit der Nation der richtige Weg ist.
"Der Franzose ohne Unterschied schlägt für sein Vaterland, das ihm lieb geworden ist, das ihm und seiner Familie eine gleiche Aussicht auf alle Vorteile vorhält, und diese Vorteile wirklich gewährt...Für wen soll der deutsche Grenadier sich auf die Batterie und in die Bajonette stürzen? Er bleibt was er ist, und trägt seinen Tornister so fort; und erntet kaum ein freundliches Wort von seinem mürrischen Gewalthaber."
Immer wieder proklamiert er die Freiheit als höchstes Gut des Menschen.
Zwar interessiert er sich auch diesmal sehr für die Kunst und Architektur (besonders St. Petersburg hat es ihm angetan) aber doch mehr für die gesellschaftliche Situation Rußlands und des Baltikums. Interessant z. B., daß Seume schon damals "das Trinken" als "russische Krankheit" bezeichnet und als eine der Wurzeln gesellschaftlichen Übels ausmacht. Er würdigt jedoch auch die Freundlichkeit der Menschen und hat Augen für die Schönheit der Landschaft.
Und wie Seume es schafft diese verschiedenen Aspekte seiner Reise so zusammenzufassen, daß man einen guten Gesamteindruck der bereisten Gegenden bekommt bewundere ich schon. Vor allem aber sein klares analytisches Denken.
Zwei Hinweise habe ich noch
Am 4. Juli wird in Grimma das Seume-Haus eröffnet
http://www.seume.de/Sites/Veranst/Veran.shtml
und ich schätze, daß ich es demnächst doch mal schaffen werde Grimma zu besuchen :smile:
Leichter ist allerdings dieses zu bewerkstelligen:
Am Sonntag, 6. Juli um 11.00 Uhr, läuft im Radioprogramm von Bayern 2 der erste Teil einer Lesung des "Spaziergangs". Er wird gelesen von Gert Heidenreich.
Viele Grüße
ikarus