Zitat von scardanelli
suum cuique - ich mag weder diese sendung noch den gedruckten conrady (zu subjektiv seine auswahl, zu unkritisch oft sein material zu gewissen zeiten);
Mir dagegen gefällt die gedruckte Conrady-Gedichtanthologie sehr gut, sie bietet einen guten Überblick über die deutsche Lyrik von den althochdeutschen Anfängen bis zur Gegenwart, gerade auch für Lyrik-Einsteiger halte ich den Conrady deshalb für sehr empfehlenswert. Den Vorwurf der Subjektivität kann man natürlich immer machen, nur: wie soll denn eine objektive Auswahl aussehen? Welche Anthologie macht das besser als der Conrady? Mir fiele da noch die von Walther Killy hrsg. Sammlung Deutsche Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart ein, erschienen in zehn Bänden bei dtv. Die ist natürlich auch sehr interessant.
Klar, jeder wird im Conrady das ein oder andere Gedicht vermissen (bei zeitgenössischen Gedichten hat das manchmal auch ganz einfach nur urheberrechtliche Gründe), dafür wird er im Conrady aber auch vieles ihm Unbekannte antreffen.
Die gesprochene Conrady-Anthologie habe ich als Hörbuch, da höre ich gerne immer wieder mal hinein, das einzige, was mich stört, ist, daß die Namen der Dichter nicht angesagt werden. Wenn man wissen will, wen man da eigentlich gerade hört, muß man ins Beiheft schauen, das hätte man besser machen können.
Zitat von scardanelli
zudem wirft dies die grundsätzliche frage auf, gedichte laut lesen oder nicht?
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Zum Hör-Conrady gibt es übrigens auch eigens eine dazu passende gedruckte Ausgabe, in der man alle vorgetragenen Gedichte nachlesen kann.
Ansonsten sind die meisten Gedichte ja zum Lautlesen gedacht, es ist natürlich richtig: aus einem bloß gehörten Gedicht kann man normalerweise nicht das Druckbild rekonstruieren, das bei Gedichten aber wichtig ist, denn Gedichte bestehen aus Versen, und die Verseinteilung kann man in vielen Fällen nicht "erhören", man muß sie sehen. Der optische Eindruck eines Gedichtes ist sehr wichtig, es handelt sich nicht um Prosa, die mehr oder weniger beliebig umformatiert werden kann. Aber wie gesagt: Der Hör-Conrady soll einen ja nicht vom Gedichtelesen abhalten, ganz im Gegenteil.
Manche Gedichte erschließen sich auch erst richtig beim Hören, ich denke da an die Dialektgedichte von H. C. Artmann oder auch an Gedichte von Oskar Pastior, wie etwa seine "Ballade vom defekten Kabel". Die meisten Dichter haben ihre Gedichte auch vorgelesen - oder auch Gedichte, die sie übersetzt haben. Von Paul Celan gibt es beispielsweise das schöne Hörbuch: Paul Celan liest Gedichte von Ossip Mandelstam und Sergej Jessenin.
Schöne Grüße,
Wolf