Beiträge von Wolf

    Hallo thopas,


    Zitat von "thopas"


    Eichendorff gelingt es sehr gut, einem ein richtiges Urlaubsgefühl zu vermitteln. Es scheint ja fast immer schönes Wetter zu sein, das Morgengrauen immer frisch und der Abend immer in goldenes Licht getaucht.


    die Landschaftsbeschreibungen, auch die Beschreibungen der Gebäude (meist Schlösser) und Gartenanlagen sind bei Eichendorff tatsächlich eher allgemein gehalten, er vermeidet es, spezifische Details zu schildern. Durch diese eher unscharfen, typhaften Beschreibungen erscheint das alles wie eine verzauberte Märchenwelt mit einsamen Schlössern, die von romantischen Gärten umgeben sind, in denen geheimnisvolle Marmorstatuen stehen. Solche Motive wie die Sommernacht, Marmorstatuen, die dämonische verführerische Frau usw. kommen in verschiedenen Eichendorff-Geschichten immer wieder vor.


    Typisch ist auch, daß sich die Verwicklungen einer abenteuerlichen Geschichte voller rätselhafter Geschehnisse schließlich ganz einfach auflösen und alles sein (gutes) Ende findet. Das ist beim Taugenichts so oder beispielsweise auch in der "Entführung", wo man sich fragt, wie das wohl alles ausgehen wird, und plötzlich ist der prosaische Schluß da, und man reibt sich verwundert die Augen und fühlt sich, als wäre man aus einem wilden Traum erwacht.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    von Raabe gibt es leider kaum Hörbücher, aber er ist ja auch ein Schriftsteller, der heutzutage ein wenig aus dem Blickfeld geraten ist. Umso erfreuter war ich, als ich das Hörbuch "Die Gänse von Bützow" entdeckt habe, erschienen als MP3-CD für nur 9 Euro, gelesen von Hans Jochim Schmidt, der einen Kleinverlag für Hörbücher betreibt: <a href="http://www.vorleser-schmidt.de/">Vorleser Schmidt</a>.


    "Die Gänse von Bützow" ist ein schrulliges und witziges kleines Meisterwerk, in einer künstlich archaisierenden Sprache geschrieben, mit vielen Zitaten und parodistischen Anleihen aus alten Klassikern (die Geschichte spielt Ende des 18. Jh.s). Die Lesung von Hans Jochim Schmidt hat mir sehr gut gefallen, besonders auch die plattdeutschen Stellen spricht er allerliebst. :breitgrins:


    Ich werde mir sicherlich noch das ein oder andere Hörbuch von Hans Jochim Schmidt zulegen; Vossens Idylle "Luise" habe ich mir auch schon gekauft und angehört. Die Hörbücher von "Vorleser Schmidt" kann man sich direkt über die oben verlinkte Website bestellen oder auch im Buchhandel, denn sie sind im VLB gelistet.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "giesbert"


    (ah, bei Amazon antiquarisch der Tobias Knaut für 11 Euro - da kann ich einfach nicht widerstehen ...)


    Davon habe ich die Ausgabe von Rütten & Loening aus dem Jahr 1990 im Regal stehen - vor langer Zeit in einem modernem Antiquariat billig für ein paar Mark gekauft, aber bislang noch nicht gelesen. "Textrevision von Erika Weber" steht da vorne übrigens drin, wie ich gerade sehe, na ja, hoffen wir mal das beste. ;-) Von Wezel habe ich nämlich das Büchlein "Kakerlak oder Geschichte eines Rosenkreuzers aus dem vorigen Jahrhunderte" gelesen, da war ebenfalls eine gewisse Erika Weber für "Textrevision und Anmerkungen" verantwortlich. Eine Anmerkung habe ich mir angestrichen, weil mir völlig unklar war, wie man auf einen solch abwegigen Gedanken kommen kann. Es ging dabei um folgende Stelle - Wezel schreibt:


    "[...] gewälzt wie Wellen drängen
    Die Töne bald sich rauschend fort, bald schlüpft
    Der schleichende Gesang hernieder - und erlischt,
    Wie ein verliebter West um eine Tulpe wirbt,
    Sie sanft berührt und dann mit leisem Seufzer stirbt."


    In den Anmerkungen wird nun in bewundernswerter Lakonie das Wort "West" so erklärt:


    West - Wespe


    Wespen sind sanft und können seufzen? Soso! ;-) Ein West ist natürlich keine Wespe, sondern ein milder Westwind.


    Zitat von "Knabe"


    Wieland, Tieck, Moritz habe ich gern, aber wer ist denn Wezel, und welches Werk wird denn von ihm empfohlen?


    Ich habe mit dem "Belphegor" angefangen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Lost,


    Zitat von "Lost"


    Wekches Buch über die griechische (antike) Mythologie, besonders über die Götterwelt, in dem das Gebiet kompakt erklärt ist, kann man empfehlen ?


    ich schaue gerne in das <i>Lexikon der antiken Mythen und Gestalten</i> von Grant/Hazel:


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    Das ist alphabetisch nach Namen sortiert, ziemlich klein gedruckt, aber dafür eben auch sehr umfangreich. Wenn es zu einzelnen Göttern oder Helden verschiedene Überlieferungen gibt, die sich voneinander unterscheiden, dann wird das in den jeweiligen Artikeln auch ausgeführt, man erhält da also nicht nur eine einzige Version, was mir gut gefallen hat.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    Zitat von "Sir Thomas"


    By the way: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erzählung, einer Novelle und einer Kurzgeschichte?


    aha, da hat jemand kein Literaturlexikon im Regal stehen. ;-)
    Deine Frage würde beispielsweise dieses Lexikon hier ganz gut beantworten:


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    Zitat von "Vult"


    Bei K. Mansfield sieht es dann ein wenig trübe aus, da habe ich keine Fundament, oder besser - keine Informationen


    Katherine Mansfield lese ich sehr gerne -- sollte man mal reinlesen, da hat Maria ganz recht. :-) Was deutsche Übersetzungen angeht, so habe ich: "Sämtliche Erzählungen in zwei Bänden", übersetzt von Elisabeth Schnack. Eine recht solide Übersetzung in zwei fadengehefteten Leinenbänden, erschienen 1980 bei Kiepenheuer & Witsch. Das ist, glaube ich, die einzige Gesamtausgabe von K. Mansfield, die es auf deutsch gibt. Noch besser gefällt mir die Übersetzung von Ursula Grawe, sie hat 2001 einen Auswahlband als Taschenbuch bei <i>Reclam Leipzig</i> herausgebracht, der den Titel "Miss Brill" trägt. Das ist ein sehr guter Querschnitt durch das Werk von Katherine Mansfield. Außerdem habe ich aus der Bibliothek Suhrkamp den Auswahlband "Meistererzählungen", der wurde von Heide Steiner übersetzt. Das ist eine schöne leinengebundene Ausgabe, mit der Übersetzung bin auch zufrieden, dieses Buch eignet sich ebenfalls zum Einstieg. Nicht so gut gefallen hat mir dagegen die Manesse-Ausgabe: "Erzählungen und Tagebücher", übersetzt von Ruth Schirmer. Da hat mir erstens die Druckqualität nicht gefallen, der Kursivdruck wurde durch einfaches Schrägstellen des normalen Fonts erzeugt, das sieht wirklich billig aus. Auch die Übersetzung fand ich nicht so gut.


    Ein zeitgenössischer deutscher Autor, den ich gerne lese, ist Ror Wolf, der sehr eigenwillige Geschichten schreibt. Als Einstieg könnte ich das Buch "Mehrere Männer" empfehlen. Die Geschichten sind wirklich kurz, oft weniger als eine Seite. Meine Lieblingserzählung aus diesem Band ist die Geschichte vom Fotografen Schlegel und seinem Trinkspruch. Nur eine halbe Seite lang, aber gerade für Klassikerfreunde ein echter Brüller. :breitgrins:


    Auch eher unbekannt ist die Autorin Silvina Ocampo, von der ein Sammelband mit Erzählungen in der Bibliothek Suhrkamp unter dem Titel "Die Furie" erschienen ist. Ein Autor, dessen Namen ich gleich nennen werde, sagte über sie: »Silvina Ocampo ist eine der größten Dichterinnen spanischer Sprache, sowohl diesseits des Ozeans als auch jenseits. Ihr Rang als Dichterin erhöht ihre Prosa. In ihren Erzählungen steckt ein Zug, den ich noch nicht recht verstanden habe; es ist ihre sonderbare Liebe zu einer gewissen unschuldigen und indirekten Grausamkeit. Ich schreibe diesen Zug dem erstaunten und bestürzten Interesse zu, den das Böse in einer noblen Seele weckt.« Dieses Zitat stammt von Jorge Luis Borges, dessen eigene Erzählungen natürlich auch unbedingt gelesen werden sollten, wenn man sich für Kurzprosa interessiert.


    Eine andere, ganz entlegene Autorin, von der nur ihr(e) Pseudonym(e) bekannt ist: <i>El Hor</i> oder <i>El Ha</i> war eine deutsche Schriftstellerin, die Anfang des 20. Jh.s sehr beeindruckende Prosaskizzen verfaßt hat; 1991 der Vergessenheit entrissen und neu herausgegeben von Hartwig Suhrbier:


    El Hor - El Ha: Die Schaukel. Schatten. Prosaskizzen. Neu herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Hartwig Suhrbier. Göttingen: Steidl, 1991.


    Und wenn wir schon bei der expressionistischen Prosa sind, noch der Hinweis auf diese Anthologie, in der man einige Entdeckungen machen kann, und die auch eine Erzählung von der gerade erwähnten El Hor enthält:


    Die rote Perücke. Prosa expressionistischer Dichterinnen. Hrsg. von Hartmut Vollmer. Paderborn: Igel Verlag, 1996.


    Das sind alles kurze Erzählungen, die nur wenige Seiten lang sind. Die Titelerzählung "Die Rote Perücke" kann man übrigens <a href="http://flitternikel.onlinehome.de/holzer.html">hier im Netz nachlesen</a>.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Dostoevskij,



    Dadurch das <a href="http://www.bibliomaniac.de/abc/ak/bits.htm#biegsam1">biegsame</a> und <a href="http://www.bibliomaniac.de/abc/ak/bits.htm#epaper1">beschreibbare</a> Displays vorangetrieben werden, gehen wir einen großen Schritt nach vorn.


    die Display-Technik ist doch gar nicht das Problem. Die heutigen Displays werden für Notebooks, Fernseher, Handys, PDAs usw. genutzt, man kann damit natürlich auch E-Book-Reader bauen. Portable Videoplayer (DVD-Player) werden sogar schon in Supermärkten angeboten, obwohl Displays für schnellbewegte, farbige Bilder keineswegs einfacher herzustellen sind als Displays für Texte. Aber die Produktion eines E-Book-Readers lohnt sich offenbar kaum, und auch die Verlage haben anscheinend kein besonderes Interesse daran, daß sich E-Book-Reader durchsetzen. Warum auch? Das Drucken von Büchern ist vergleichsweise billig, und weder Leser noch Rechteinhaber müssen sich Sorgen um einen Kopierschutz machen.


    Wer heutzutage E-Texte liest, der tut das auf Geräten, die nicht speziell dafür gebaut wurden: Notebook, PDA oder Handy (wie Giesbert mit dem iPhone). Das wird meiner Meinung nach auch in Zukunft so sein. Auf die Bequemlichkeit eines (mobilen) Internetzugangs werden wohl nur wenige Käufer einer "Textlesemaschine" verzichten wollen; man möchte auch via Text (E-Mail) und Sprache (Telefonie) kommunzieren können, dafür sind die genannten Geräte ebenfalls geeignet. Wer dagegen ein Gerät kaufen will, mit dem man nur lesen kann, der kauft sich am besten ein Buch, denn das wurde genau für diesen Zweck konstruiert. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,



    Florian Illies schrieb in der Zeit <a href="http://www.zeit.de/2008/21/III-Kunst_-LiteraturimNetz">"Das Stöbern stirbt"</a>.


    das Internet lädt doch geradezu zum Stöbern ein, der "Browser" ist ja sogar im Wortsinne ein "Stöberer". ;-) Auch den erwähnten Zeitungsartikel werden sicherlich viele Leute gelesen haben, die gar nicht gezielt danach gesucht haben.


    Außerdem ist es doch ein Widerspruch, zu behaupten, daß man mit Google jedes Gedicht finden könne oder im ZVAB jede längst vergriffene Erstausgabe (was natürlich eine Übertreibung ist), daß man aber andererseits nicht in diesen unzähligen Texten und Bücherkatalogen stöbern könne. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder, der schon einmal eine Webrecherche gemacht hat, weiß, wie leicht man da vom Hundersten ins Tausendste kommen kann.


    Es ist doch wirklich nicht schwer, beim Stöbern im ZVAB oder in "Google-Books" auf Bücher zu stoßen, die man vorher noch nicht kannte.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Dostoevskij,


    man braucht bloß eine alte Literaturgeschichte durchzublättern, dann findet man vergessene Namen zuhauf. ;-) Ich habe mal die "Geschichte der deutschen Literatur" von Daniel Sanders zur Hand genommen, eine Ausgabe von 1906, die von Julius Dumcke erweitert und bearbeitet wurde.


    Zu den Schriftstellern, "die den zeitgenössischen Roman pflegen", heißt es dort, gehören Theodor Fontane, Friedrich Spielhagen und Rudolf von Gottschall, wovon der letztgenannte der "wohl hervorragendste dieser Dichtergruppe" sei.


    Ein wichtiger Epiker sei Wilhelm Jordan, dessen Stabreimdichtung <i>Nibelunge</i> in "keiner noch so kleinen Hausbibliothek fehlen" dürfe.


    An einer anderen Stelle werden bedeutende Vertreter des historischen Romans genannt: August Becker, Charles Eduard Duboc (Pseudonym: Robert Waldmüller), Georg Ebers, Ernst Eckstein, Ferdinand Gregorovius, Adolf Hausrath (Pseudonym: George Taylor), Wilhelm Heinrich Riehl, Heinrich Steinhausen, Adolf Stern.


    Bei den Frauen der "Moderne" überschreitet laut Dumcke eine Gruppe "kühn alle Grenzen der bisher befolgten Moralgesetze und tobt sich aus in schwülen Schilderungen geschlechtlicher Schrankenlosigkeit". Er nennt folgende Schriftstellerinnen: Anna Croissant-Rust, Eugenie delle Grazie, Maria Janitschek, Helene von Mombert (Pseudonym: Hans von Kahlenberg), M. von Puttkamer (Pseudonym: Marie Madeleine).


    Marie Madeleine schrieb Gedichte wie dieses, das in ihrem 1900 erschienenen ersten Gedichtband "Auf Kypros" enthalten ist:



    Das war seinerzeit eine sehr auflagenstarke Lyrikerin. :-)


    Von Hans von Kahlenberg (= Helene Keßler, geb. Monbart) habe ich den Briefroman (oder besser: "Brieferzählung", denn das Buch hat nur 123 Seiten) <i>Nixchen. Ein Beitrag zur Psychologie höherer Töchter</i> gelesen. Erstmals 1899 erschienen und seinerzeit auch sehr aufsehenerregend. Zwei Freunde schreiben sich Briefe: der eine der beiden Freunde hat ein sechzehnjähriges Mädchen aus gutem Hause kennengelernt, das er umwirbt und heiraten will, er berichtet entzückt von der Naivität und der Reinheit des Mädchens; der andere ist ein Künstler und Lebemann, der gerade einen lasziven Backfisch kennengelernt hat, der mit allen Wassern gewaschen ist. Das ganze läuft natürlich darauf hinaus - Spoilerwarnung! :breitgrins: - daß das ein und dasselbe Mädchen ist.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Telemachos,


    es ist schon länger her, seit ich Shakespeare intensiv gelesen habe, aber seinerzeit hatte ich eine richtige Shakespeare-Phase, in der ich gar nicht genug von ihm bekommen konnte. :-) Erst habe ich ihn auf deutsch gelesen, hauptsächlich in der Schlegel-Tieck-Übersetzung. Nachdem ich Feuer gefangen habe, habe ich mir dann englische Ausgaben und die orangefarbenen zweisprachigen Reclam-Ausgaben gekauft, um ihn im Original zu lesen. Ich habe hier auch noch einige Hörkassetten mit BBC-Produktionen herumliegen, die ich mir seinerzeit mit großer Begeisterung angehört habe, u. a. <i>King Lear</i> mit Alec Guinness in der Hauptrolle und <i>Othello</i> mit Paul Scofield. Wenn man das wunderbare Shakespeare-Englisch von so hervorragenden Sprechern vorgetragen bekommt, dann ist das ein Hochgenuß.


    Die Sprachgewalt Shakespeares ist beeindruckend, es braucht da keine besonderen Regieanweisungen, man ist mitten im Geschehen drin und die kraftvoll gezeichneten Figuren sind voller Leben. Irgendwo bei Brentano heißt es ironisch, der Shakespeare ist ein rechter Tausendsapperloter, die anderen Dichter sind nur Mücken gegen ihn, die sich ins All hinausstürzen. Da ist schon was Wahres dran, der Shakespeare hatte echt was auf dem Kasten. :-)


    Meine Lieblingsstücke sind <i>King Lear</i>, <i>Othello</i> und <i>Macbeth</i>, aber auch hier schon genannte Stücke wie der <i>Sommernachtstraum</i> oder der <i>Sturm</i> sind natürlich ebenfalls ganz wunderbar. <i>Antony and Cleopatra</i> fand ich auch sehr gut, der <i>Titus Andronicus</i> ist mir wegen seiner Blutrünstigkeit und seines Zynismus im Gedächtnis geblieben, <i>Romeo und Julia</i> darf man sich ohnehin nicht entgehen lassen, <i>Twelfth Night</i> und vieles andere könnte man auch noch nennen. Für die Historien habe ich mich allerdings nicht so sehr interessiert.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo thopas,


    danke für die Schilderung Deiner Eindrücke zu Semus Heaneys Beowulf-Übertragung und für die Übersetzungprobe, sehr interessant. Zum Vergleich hier einmal die gleiche Stelle in der deutschen Versübersetzung von Martin Lehnert (aktuell lieferbar bei Reclam, es gibt sie aber auch antiquarisch in einer sehr schönen gebundenen Ausgabe, die 1986 im Leipziger Insel-Verlag erschienen ist):



    Die Übersetzung von Lehnert enthält eine recht ausführliche Einführung und einen hilfreichen Stellenkommentar, und das ist wohl die Standardübersetzung, um die man nicht herumkommt, wenn man den Beowulf in deutschen Versen lesen will.


    Die Übersetzung von Felix Genzmer aus den 50er Jahren gefällt mir eigentlich auch ganz gut, obwohl sie stellenweise ziemlich schrullig ist, aber das gibt dem ganzen einen archaischen Klang, der mir viel Spaß macht. Genzmer verwendet manchmal recht entlegene Wörter, die er in einem Anhang erklärt, wie beispielsweise das unten vorkommendene "Neck", das er mit "Im Wasser hausendes Fremdwesen" erklärt. Übersetzung von Felix Genzmer (Leipzig: Reclam, 1950):



    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Lost,


    Zitat von "Lost"


    Allerdings ist es ein großer Unterschied ob man dem Werk eines Autors die Bedeutung abspricht, wie es m.E. Giesbert bei Grass tut, oder ob man die Existenzberechtigung eines Werks verneint und dem Autor nahe legt aus seinem Umfeld zu verduften, wie es Madeleine bei Elfriede Jelinek so blumig angedeutet hat.


    na ja, diese "blumige Andeutung" von Madeleine hatte ich gleich als eine Anspielung auf ein Jelinek-Zitat erkannt, denn Jelinek hat ja gesagt, daß ihr Roman "Neid" jederzeit wieder aus dem Internet verschwinden könne. Die Verwurstung von Zitaten ist eine Methode, die Jelinek selbst verwendet. Madeleine hat sich davon inspirieren lassen, das fand ich eigentlich ganz nett. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Madeleine,


    Zitat von "Madeleine"


    Wieso darf man über einen so außerordentlich talentierten, humorvollen und geistreichen Schriftsteller so herziehen und ihn so übel beschimpfen?
    Täte man dies mit der geheiligten Jelinek, wäre doch gleich wieder Feuer am Dach.


    Mich ärgert das ungeheuer, wie hier verschiedene Maßstäbe angelegt werden, ohne das jemand erklären könnte, wie das zustande kommt.


    ist ja ironischerweise auch ein Thema der oben genannten Schriftstellerin, daß das Sprechen der Frauen immer wieder abgeblockt wird und die Männer die Definitionsmacht haben. :breitgrins:


    Was hindert Dich denn daran, über Jelinek so herzuziehen wie Giesbert über Grass? Mit Widerspruch muß man in beiden Fällen rechnen, und wer austeilt, sollte auch einstecken können, außerdem steht es Dir natürlich frei, auf einen groben Klotz einen groben Keil zu setzen, wenn Dir danach zumute ist. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Dostoevskij"


    Ich rief schon vor zwei Jahren: <a href="http://www.bibliomaniac.de/abc/lz/plaud01.htm#aschmidt">Macht Arno Schmidt billiger!</a>


    Das betrifft aber nur die Typoskript-Ausgaben des Spätwerks, die man ja am Anfang getrost links liegen lassen kann; außerdem gibt es öffentliche Bibliotheken, in denen man so etwas wohlfeil ausleihen kann. ;-) Die von sandhofer erwähnte Kassette mit dem erzählerischen Werk in acht Bänden bekommt man antiquarisch für weniger als 40 Euro. Das billigste Angebot, das ich gesehen habe, liegt bei 22 Euro ohne Versand. Ein für den Leser besonders "teurer" Autor ist Arno Schmidt also nicht, man kann sehr viel von ihm lesen, ohne mehr Geld dafür auszugeben als bei anderen Autoren.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "giesbert"


    Aktuell ist er bei Gottfrieds "Tristan", in Vorbereitung ist Wolframs "Parzival".


    Hoffentlich kommen die auch bald als Hörbücher heraus, das sind ja richtige Leckerbissen.


    Ich höre gerade mit großer Begeisterung die <i>Metamorphosen</i> von Rolf Boysen, wirklich unglaublich gut vorgetragen. Ich werde mir demnächst mal das Hörbuch mit seiner <i>Nibelungenlied</i>-Lesung anhören, darauf freue ich mich schon, und die <i>Ilias</i> und die <i>Aeneis</i> werde ich mir auch nicht entgehen lassen.


    Den <i>Parzival</i>, den <i>Tristan</i> und die <i>Nibelungen</i> gibt es jeweils auch in einer Lesung von Peter Wapnewski, die man sich ebenfalls nicht entgehen lassen sollte. Er liest neuhochdeutsche Übersetzungen, trägt aber einzelne Stellen zusätzlich auch in Mittelhochdeutsch vor, außerdem kommentiert er den Text und das Geschehen auf eine sehr eingängige und kluge Weise. Es macht großen Spaß ihm zuzuhören.


    Aber um noch mal zu Rolf Boysen zurückzukommen: wie der die <i>Metamorphosen</i> vorträgt, ist echt beeindruckend. Ich habe außerdem noch eine Lesung der <i>Metamorphosen</i> von Peter Simonischek hier, die auch gut sein soll, aber ob der den genialen Rolf Boysen erreichen kann? Na, ich werde es mir demnächst mal anhören. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Uhu"


    Warum denn gleich wieder so aggressiv? Hast Du ein Problem?


    »<i>Die Welt zerfällt in Aggressionen.</i>
    Der Sadismus ist die lebendigste Form der Kommunikation zwischen den Menschen. Nur wenn wir den anderen verletzen, spüren wir ihn noch. Der Rest ist Konvention.«
    (Heidi Pataki)


    Zitat von "Uhu"


    Und danke für das gleichermassen banale Schlusswort Deines Beitrags!


    »<i>Literatur ist ein Sprachspiel.</i>
    Sie unterscheidet sich nicht von Autofahren, Kettenrauchen, Reiskochen, Museen besuchen. Literatur ist eine Lebensform. Nicht die interessanteste, aber die Zeit vergeht.«
    (Heidi Pataki)


    So, nun lege ich aber das Buch "Schlagzeilen" von Heidi Pataki, das ich in einem benachbarten Thread zur Hand genommen habe, wieder weg. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Madeleine,


    Zitat von "Madeleine"


    Im typischen Jelinek-Stil käut sie die seit Jahrzehnten vorgekauten (und noch immer unverdauten) schalen Satzgebilde gebetsmühlenartig wider.


    wenn Elfriede Jelinek in den letzten Jahrzehnten keinen Text geschrieben hat, der Dir gefällt, dann wird sie ja wohl kaum jetzt auf einmal damit anfangen, das zu ändern, oder? ;-) Es gibt übrigens auch kürzere Texte auf ihrer Homepage, aber wenn ich mich über einen Schriftsteller, den ich nicht mag, ärgern wollte, dann würde ich mir natürlich auch einen extralangen Text aussuchen. ;-)


    Zitat von "Madeleine"


    Hoffentlich verschwindet dieser Text, von dem ich keine weitere Zeile mehr lesen werde, auf Nimmerwiedersehen in den unendlichen Weiten des Netzes.


    »gib a ruah und häng di auf stör nicht meinen lebenslauf«


    Über dieses hübsche Zitat von Elfriede Gerstl bin ich gerade auf Jelineks Website gestolpert. Elfriede Gerstl hatte ich auch schon öfter mal im Blickfeld, vielleicht nehme ich das jetzt mal zum Anlaß, ein Buch von ihr zu lesen. Bislang kenne ich nur einige Texte von ihr aus einem Sammelband - gerade mal aus dem Regal geholt: "Blauer Streusand" heißt er, ein Suhrkamp-Taschenbuch, hrsg. von Barbara Alms, mit Kurzprosa und Lyrik von Wiener Autorinnen: Friederike Mayröcker, Elfriede Gerstl, Marie-Thérèse Kerschbaumer, Liesl Ujvary, Heidi Pataki, Elfriede Jelinek (ja, sie ist Wienerin, siehe ihre <a href="http://a-e-m-gmbh.com/wessely/fkbioa.htm">"Kurze biographische Anmerkung"</a>), Katharina Riese, Neda Bei, Magdalena Sadlon. Gemeinsam ist den Texten der verschiedenen Autorinnen, daß die Sprache im Zentrum steht: es wird mit der Sprache gespielt, sie wird mit Mißtrauen betrachtet, Wörter und Sätze werden zerlegt und neu zusammengesetzt.


    Von den gerade genannten Autorinnen habe ich bislang nur von Friederike Mayröcker, Elfriede Jelinek und Heidi Pataki jeweils mehrere Bücher gelesen. Geärgert habe ich mich dabei über keins. :-)


    Zitat von "Madeleine"


    Hohle Worte, leere Phrasen und abgelutschte Ideen, als Weisheiten verpackt, die aufrütteln, erschüttern, erneuern sollen?


    »<i>Originalität ist Unsinn.</i>
    Jeder Satz, den wir noch sagen können, ist schon tausendmal ausgesprochen worden. Darüber ist die Bedeutung verlorengegangen: der Gebrauch zerstört die Bedeutung.«
    (Heidi Pataki)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Das <i>Symposion</i> gibt es auch in einer Hörbuchfassung, die mir sehr gut gefallen hat:


    [kaufen='3934887376'][/kaufen]



    Da kommen genau die Punkte, die Du, Telemachos, herausgehoben hast, zur Geltung: der Humor, die verschiedenen Sprechstile und auch das Feuchtfröhliche, besonders wenn ich da an den betrunkenen Alkibiades denke. :breitgrins:


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Ich kenne nur, und kann empfehlen, auch wenn's sicher in der Klassik tonnenweise Besseres gibt:


    Die Ballade von der Typhoid Mary [kaufen='978-3518384831'][/kaufen] und


    Das habe ich als Comic gelesen. :-) Er stammt von der Schweizer Zeichnerin Ursula Fürst:
    http://www.amazon.de/Die-Balla…phoid-Mary/dp/3907010493/


    Passend dazu diese Webseite, die ich gerade gefunden habe:
    Comic-Land Schweiz: http://www3.pro-helvetia.ch/ex…ic/comic_d/litaratur.html
    Auf der Webseite geht es um Schweizer Literatur (u. a. von Glauser, Dürrenmatt), die von Schweizer Comic-Zeichnern zu Comics umgestaltet wurde. Über "Die Ballade von der Typhoid Mary" heißt es dort:


    Zitat


    Ursula Fürst adaptierte 1990 den Roman «Die Ballade von der Typhoid Mary» (1982) des Schweizer Schriftstellers Jürg Federspiel (die Geschichte der Schweizer Auswanderin Maria Caduff im New York des späten 19. Jahrhunderts). Sie verdichtet die literarische Vorlage mit typischem Pinselstrich und Grautönen zum stimmungsvollen Comic.


    Außerdem wird dort noch ein Klassiker von Homer (der war allerdings kein Schweizer ;-)) erwähnt:


    Zitat


    Als Auftrag des renommierten Literaturverlags Artemis & Winkler entstand in einjähriger Arbeit «Die Abenteuer des Odysseus» (1992) von Frida Bünzli (Debra Bühlmann-Drenten). Sie verdichtet das antike Epos von Homer auf 96 Comic-Seiten, wobei der Zugang zum Stoff auf komische Art geschieht. Die Erzählperspektive ist weiblich, weil Frida Bünzli das Geschehen von Nausikaa, Odysseus’ Wohltäterin, berichten lässt. Weltliteratur einmal ungewöhnlich anders.


    Diesen Comic habe ich ebenfalls im Regal stehen, wirklich sehr witzig und erfrischend anders. :breitgrins:


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo, Sir Thomas,


    Zitat von "Sir Thomas"


    Hat jemand ihn gelesen? Lohnt es sich?


    ich habe mir gestern das erste Kapitel heruntergeladen und ein gutes Viertel davon auf meinem PDA gelesen. Es ließ sich für mich sehr flüssig herunterlesen, erinnert mich vom Duktus her an ihrem Roman "Gier", es ist die typische unaufhaltsam dahinströmende Jelinek-Prosa, die dem Leser keine Ruhepunkte gönnt, wodurch eine eigentümliche Sogwirkung entsteht, die freilich nicht jeder Leser goutieren mag. ;-) Auch Beispiele für die Jelinek-typische "Kalauerisierung der Sprache" findet man in diesem ersten Kapitel, z. B. »[...] jedem das Seine, manchem die Seine, o Gott, o Celan, verzeiht mir noch einmal!«


    Den Beitrag von Madeleine fand ich auch sehr typisch. An Jelineks Werken scheiden sich die Geister, und wer mit ihren Romanen (Theaterstücke gibts freilich auch von ihr, sogar einen Gedichtband) nichts anfangen kann, der findet sie aber dann auch gleich ganz extrem schrecklich und völlig unerträglich. ;-)


    Ich finde Elfriede Jelineks grimmigen Humor sehr erfrischend, sie hat natürlich eine ziemlich negative Weltsicht, sie konzentriert sich auf die zerstörerischen Aspekte des menschlichen Zusammenlebens. Sie hat sich selbst mal ironisch als die "Liebesmüllabfuhr" bezeichnet, die den Gefühlsdreck wegräumt -- ihre Prosa hat durchaus eine reinigende und hirndurchlüftende Wirkung, wie ich finde. :-) Der eigentliche Hauptheld in ihrer Dichtung ist die Sprache, hier kommt es dann eben darauf an, ob man sich als Leser für solche "Spracharbeit" interessiert oder nicht.


    Zitat von "Sir Thomas"


    Zusatzfrage: Was haltet Ihr grundsätzlich von dem "Geschäftsmodell", einen Roman ausschließlich im Netz zu publizieren?


    Bei Jelinek ist es ja kein Geschäftsmodell, sondern sie hat offenbar wirklich kein Interesse mehr daran, ein Buch zu veröffentlichen. Aber schreiben muß sie wohl, das drängt alles aus ihr heraus, das erinnert mich an ein Gedicht von Jakob van Hoddis wo es heißt: »Ich habe zuviel Bosheit heruntergeschluckt / Die liegt jetzt im Magen und fault«. Das ist ungesund, deshalb lieber in Literatur umgewandelt und heraus damit, dann schadets niemandem mehr. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Madeleine,


    Zitat von "Madeleine"


    Ich frage das deshalb, weil ich mir immer einbilde, die Bühnenwerke der bekanntesten Autoren sollte man doch gelesen haben.


    stimmt, denn wie es in Goethes <i>Torquato Tasso</i> so schön heißt:


    »Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt,
    Ist ein Barbar, er sei auch wer er sei.«


    :breitgrins:


    Statt die Dramen zu lesen könnte man freilich auch eine DVD mit einer Aufführung anschauen oder eine Hörfassung anhören. Allerdings scheinen ja Hörbücher nicht so Dein Fall zu sein, wie Du hier schon geschrieben hast.


    Zitat von "Madeleine"


    Mir macht das aber absolut keine Freude, weil ich die Sprache so unnatürlich finde (wer würde sich denn jemals so ausdrücken).


    Na, die Sprache ist ja gerade der Hauptspaß daran. Kannst Du denn mit Lyrik etwas anfangen? Kunst ist nun einmal künstlich und nicht natürlich. ;-) Nachdem man sich in die Sprache der Dramen eingelesen und eingehört hat, erscheint sie einem sehr stimmig und vertraut. Es gibt auch Stücke, die den hohen Bühnenton ein wenig auf die Schippe nehmen, beispielsweise Ludwig Tiecks "Däumchen", wo der hochgestimmte Semmelziege immer in wohlgeformten Versen spricht, die von seinen prosaischen Gesprächspartnern nicht immer gleich verstanden werden.


    Die ersten Dramen in Deutschland hat übrigens eine Frau geschrieben: Hrotsvitha (Roswitha) von Gandersheim, die im 10. Jh. lebte und auf Latein geschrieben hat. Ich habe eine Übersetzung von Helene Homeyer. Kurioserweise finden sich Auszüge von Hrotsvithas Dramen auch in der Anthologie "Purpurmund und Honiglippen - Erotika von Frauen" (hrsg. Claudia Gehrke), denn stellenweise sind sie etwas sadomasochistisch angehaucht. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf