Bin wieder eingestiegen und momentan in Oblomovs Traum. Die Mutter ist ja eher ein Albtraum. Und dieser ganze verschlafene "Winkel" mit den Hütten über dem Abgrund der Schlucht, in die man eigentlich gar nicht eintreten kann. Das Ganze ist irreal, aber wieder so detailliert beschrieben und mit Autorenkommentaren versehen, dass es gar nicht wie Oblomovs Traum wirkt. Aber ich stehe noch ganz am Anfang dieses langen Kapitels.
Beiträge von finsbury
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Nachdem ich zu Jahresanfang "Vortreffliche Frauen" von Barbara Pym gelesen habe und sehr angenehm überrascht war über diese unaufgeregte und ironische Seelenzerlegung des britischen Mittelstandes in der Mitte des letzten Jahrhunderts, lese ich jetzt den antiquarisch erworbenen Roman "Tee und blauer Samt" (im Original "Crampton Hodnet") der gleichen Autorin und fühle mich ebenso gut unterhalten und bin mit einem Schlag Menschen kofrontiert, bei dem ein hohes Maß von Borniertheit mit dem Menschlichen Allzumenschlichen zusammenkommt.
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Momentan mache ich Lesepause, weil hier zwischendrin nichts los war. Hoffe, meine derzeitige Lektüre bis MItte nächster Woche durchzuhaben und dann wieder einsteigen zu können.
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Ich hab mich inzwischen auch wieder eingekriegt. Tarantjew ist unterwegs, und momentan geht es in Rückblenden um Oblomovs und Sachars Vergangenheit und ihre soziopsychologische Motivation für Ihr Verhalten. Gontscharow ist schon ein feiner Beobachter und bringt die widersprüchlichen Züge seiner Personen in einen gut begründeten Zusammenhang.
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Hier geht es nicht recht voran und bei mir auch nicht. Erstens habe ich momentan wenig Zeit zum Lesen, und zweitens will mir der "Oblomov" bei der Zweitlektüre nicht so recht eingehen.
Gontscharow schildert wunderbar die verschiedenen Menschentypen, und es ist auch sehr unterhaltsam, aber ich bin hier wieder vom Kafka-Effekt betroffen: In meiner Jugend und jungen Erwachsenenzeit habe ich Kafka verschlungen und auch den "Oblomov" sehr gemocht. Nun könnt ihr euch fragen, was die beiden gemeinsam haben - diese unfassbare Widerstandslosigkeit! Die Protagonisten werden ausgebeutet, betrogen, belogen und vernatzt, obwohl sie sich so leicht wehren bzw. der Situation entziehen könnten. Man könnte meinen, ein dunkler Strudel verschlinge sie.
Als junger Mensch war ich wohl noch nicht selbstsicher genug und konnte diese Ängste bzw. diese Hilflosigkeit gut nachvollziehen. Aber mit viel mehr Lebensjahrzehnten auf dem Buckel ändert sich das wohl bei jedem. Nun ist es bei dem Oblomov sicherlich anders als bei Kafka, es ist nicht so existenzialistisch, aber ich finde einfach nicht genug Abstand von der Hauptfigur, um mich über deren lebensgefährdende Lethargie nicht zu ärgern. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich auch heftige Anfälle von Faulfieber habe, allerdings nie, um nur rumzuliegen und vor mich hinzudämmern, eher mit Lesenachmittagen und -nächten oder auch solchen mit Filmen, wenn es Auszeiten vom Alltag gibt.
Aber wenn ich lese, wie Oblomov sich von diesem Tarantjew (übrigens im Deutschen ein schöner sprechender Name, die Tarantel, weiß nicht, ob es diesen Spinnennamen im Russischen auch gibt) ausnutzen und beschimpfen lässt, dann kann ich das kaum weiterlesen. Ob er sich nun tatsächlich im Vorort zur Miete und damit zur Ausnutzung durch T. niederlässt und ihm dafür noch Champagner auf den Tisch stellt oder nicht, dieser Mensch und Oblomovs Reaktion regen mich auf. Ich weiß, dass das nicht der gelassenen Art entspricht, mit der man Klassiker vielleicht zu sich nehmen sollte, aber Bücher müssen berühren, und dieses ärgert mich momentan.
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@Dostojevskij, ja, das wäre nett, wenn der Aufenthalt und meine beruflichen Verpflichtungen das ermöglichen, aber was ist das oder der RL?
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Das, was du am Ende geschrieben hast, Zefira, schoss mir auch direkt durch den Kopf. Heutzutage würde Oblomov ein Serienjunkie entweder vor dem Fernseher oder durch Streamen sein, aber wohl eher vorm Fernseher, weil das Draufschaffen der neuen Technologien ihm bestimmt zu anstrengend gewesen wäre.
Bücher liest er ja auch nicht, weil ihm das zu mühsam ist, aber das Seriengucken könnte ich mir sehr gut vorstellen: die Neugier befriedigen, ohne sich anstrengen zu müssen.Dabei ist er ja nicht dumm und beobachtet durchaus fein: Den Literaten Penkin geißelt er für seinen borniert-realistischen Stil, der das Elend der Bevölkerung von oben herab beobachtet und gefühllos oder eben sogar darüber spottet.
Zitat
"Sie stellen Diebe und gefallene Frauen dar" sagte er, "aber den Menschen vergessen sie oder können ihn nicht darstellen." (I,2)Kurz danach vergaloppiert er sich aber in seiner Kritik und fällt, von seinem argumentativen Eifer geschwächt, auf den Diwan zurück.
Bladwijzer, deine Beobachtung, dass es sich zu Beginn um Bühnenauftritte handelt, gefällt mir auch gut. Die Welt kommt zunächst zu Oblomov, um ihn aus seiner Lethargie zu reißen, was aber bisher alles an ihm abprallt. Fuzuli, der faule Diener, der nur auf dem Ofen liegt, ist wirklich ein schönes Spiegelbild seines Herrn, auch in seiner Art und die Dialoge zwischen ihnen, wo sie sich gegenseitig ihre Lethargie vorwerfen, sind köstlich.
Ich lese übrigens die dtv-Dünndruck-Ausgabe aus den Achtziger Jahren und in der Übersetzung von Josef Hahn, der ja viele russische Klassiker ins Deutsche übertragen hat. -
Ach, ich freue mich schon, dass ich dieses Jahr im Herbst wieder für ein paar Stunden dahin komme. Und vielleicht auch im Sommer .. Wir schwanken noch zwischen Eifel und Erzgebirge. Vom letzteren bietet sich ja ein Ausflug nach Leipzig oder eine Zwischenübernachtung ja vom tiefen Westen aus gesehen wirklich an.
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Das Bild ist wirklich schön. Aber irgendwie passen die Geschichte und auch das Bild nicht zu dem oft so distanziert wirkenden Kafka.
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Aber es gibt auch wirklich schöne stadtnahe Vororte. Ich war letztes Jahr für ein paar Stunden dort und begeistert, was sich in den letzten 18 Janren seit meinem letzten Aufenthalt dort verändert hat. Leipzig hat für mich neben ganz wenigen anderen deutschen Städten etwas Weltstädtisches. Man merkt, dass sie eine uralte Tradition als selbstbewusstes Handels-, Wirtschafts- und Bildungszentrum hat, was sich nun wohl auch wieder äußert. Laut der Stadtführerin unterscheidet sich auch das Wahlverhalten der Leipziger signifikant von anderen ostdeutschen Gemeinden und Städten.
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Moin, Moin!
Zufällig in den Keller eines Betreuten Wohnen gelandet und dort einen Leseraum vorgefunden, der unheimlich anheimelnd wirkt, und ich dort sofort in einen der Sessel versinken wollte.
Muss man dafür in hohen Jahren nach Leipzig ziehen? Sieht sehr schön aus, und Leipzig ist ja auch eine tolle Stadt.
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"Alles, was wir geben mussten" von Kazuo Ishiguro. Zu Beginn fand ich es etwas fad, aber nach 100 Seiten hat es mich gepackt.
Gruß, Lauterbach
Der Film dazu ist auch sehr schön. Gar nicht reißerisch, mit stillen, bedrückenden Bildern, dennoch spannend.
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Keller setzt er in diesem Aufsatz vor allem auch in Beziehung zu Karl Gutzkow (von dem ich nichts kenne, was sich aber ändern sollte).
Das ist ja interessant! Ich wusste nicht, dass Keller und Gutzkow sich kannten. G. wirkt auf mich wie eine typisch Berliner Pflanze, was man auch sehr schön an einigen Kapiteln der Ritter vom Geiste nachvollziehen kann. Keller hätte ich da nicht gesehen.
Zu den "Rittern vom Geiste" hatten wir hier übrigens mal eine Leserunde. -
Ansonsten habe ich von Meyrink nur einige Erzählungen gelesen. In der Sammlung "Des deutschen Spießers Wunderhorn" gibt es faszinierende Geschichten von gruselig bis urkomisch.
Diesen Band habe ich mir vor anderthalb Jahren in einem faszinierenden Antiquariat in Bamberg gekauft, aber auch noch nicht gelesen.
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Ich freue mich auf das Mitlesen im März. Danke für die Eröffnung des Vorschlagsthreads, Firiath.
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Ich kenne nichts von Arno Schmidt. Aber nach dem, was so im Forum steht, hat er z.T. auch merkwürdige Ansichten vertreten. Natürlich kann man auch einiges gegen den "Nachsommer" sagen und man muss vor allem Spaß daran haben, wenig Handlung und viel Atmosphäre zu erlesen, wenn man dieses Werk liest. Ich werde ihn auf jeden Fall noch einmal lesen.
Ich habe mittlerweile die sehr unterhaltsame britische Wiederentdeckung
Barbara Pym: Vortrefflliche Frauen in kürzester Zeit gelesen. Ein großer Spaß für Freunde der englischen Literatur und der Ironie, wie sie nur diese beherrschen. Im Nachbarforum habe ich dazu ein paar Zeilen geschrieben. -
Stifters Nachsommer. Ein Buch, zum dem ich wieder zurückkehre. Zum dritten male lese ich es jetzt.
Da hast du hier einige Sympathisanten.
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Frohes Neues an alle!
Ich beginne das neue Jahr mit der Lektüre einer wieder entdeckten britischen Schriftstellerin aus der Mitte des letzten Jahrhunderts:
Barbara Pym: Vortreffliche Frauen
Es geht um die englische Gesellschaft Ende der vierziger Jahre . Der Roman lässt sich auch stilistisch gut an und ist unterhaltsam. -
Eines meiner ewigen Lieblingsbücher - neben "Vor dem Sturm". Der alte Dublav ist richtig ein Herzensmensch für mich.
Genau die beiden - "Stechlin" und "Vor dem Sturm" sind auch meine liebsten Fontanes.
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März würde mir passen. Firiath, von dir stammte letztes Jahr der Lektüretipp. Bist du so nett und richtest den Leserundenvorschlag ein?