Hallo,
ein sozialkritischer Roman mit vielen Kolportageelementen, das trifft den Charakter dieses Romans sicherlich ganz gut. Die Zeichnung der Figuren ist mir auch zum Teil zu plakativ, und "Herr Rudolf" geht mir mit seiner Selbstgerechtigkeit und Selbstjustiz gewaltig auf den Wecker!
Wenn Sue die Lösung des sozialen Problems sich allein auf diese patriarchalische Weise vorstellte, hat er sicher bei der 48er Revolution mit den Ohren geschlackert. Soweit ich mich an die Literaturgeschichte zu diesem Thema erinnere, hat er sich da auch ganz schnell zurückgezogen.
Ich bin jetzt mit I,18 fertig und denke mit Schrecken an Rudolfs weitere eigenmächtigen Entscheidungen. Er führt sich hier wie ein Gott auf, der aufgrund seines Geldes und seiner Verbindungen über das Leben anderer, sozial schwächer eingestellter Menschen entscheiden darf. Vergleiche dazu sein Handeln gegenüber Mariefleur und dem Schulmeister. Ich bin gespannt, ob Sue ihn als statische Person durchführt oder ob der Mann doch noch eine Entwicklung zu einem im tieferen Sinne sozialkompetenten Geschöpf durchmacht.
Ein wenig schlampig arbeitet Sue auch, wie schon unten erwähnt wurde. In dem 13. Kapitel behauptet die Eule, in Toms Brieftasche Unterlagen zu Mariefleurs Eltern gefunden zu haben. In einem früheren Kapitel erwähnt sie aber schon bei der Begegnung mit der Schallerin, dass sie einiges zu ihrer Mutter wisse. Das kann sie zu dem Zeitpunkt aber nicht aus Toms Brieftasche wissen, weil sie den letzten da noch gar nicht bestohlen hatten.
Lost: Tja, Vergleiche zu Gutzkow kommen bestimmt noch: Bis hierher: Sue schreibt spannender, Gutzkow weniger trivial, dafür geschwätzig.
Grüße
finsbury