Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick (1931)
Dieses berühmte Drama von Carl Zuckmayer (1896-1977) trägt den Untertitel „Ein deutsches Märchen in drei Akten“ und behandelt den Husarenstreich eines verzweifelten Ex-Häftlings. Vorbild ist die wahre Geschichte um Wilhelm Voigt, die sich 1906 zutrug.
Inhalt:
Wilhelm Voigt wird nach 15 Monaten wieder mal aus dem Berliner Gefängnis Plötzensee entlassen, in das er einst wegen eigentlich lässlicher Jugendsünden gekommen war, für die er 15 Jahre absitzen musste. Danach hatte er in Böhmen in der Schuhindustrie gearbeitet, wollte aber in die Heimat zurück und hatte, weil er keinen Pass bekam, einen solchen gefälscht, deshalb die 15 Monate. Nun möchte er aufgrund einer Entlassempfehlung der Gefängnisverwaltung eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, ohne die er keine Arbeit findet. Die Polizeibehörde, die für die Ausgabe der Aufenthaltsgenehmigung verantwortlich ist, argumentiert aber andersherum, ohne Arbeit keine Genehmigung. Voigt ist verzweifelt und begeht mit einem Gefängniskumpel einen Einbruch in die Polizeiwache, bei dem er erwischt wird und wieder für Jahre in den Bau wandert. Parallel zu Voigts Geschichte verfolgen wir die Stationen einer Hauptmannsuniform von der Anfertigung über verschiedene Eigentümer bis hin zu einem Trödel“juden“. In diesen Szenen werden uns verschiedene Personen der preußisch-berlinischen Gesellschaft auf volkstümliche Weise vorgeführt, von den Offizieren über die Schneiderei, den Bürgermeister von Köpenick als Offizier der Reserve bis hin zu einem öffentlichen Ball für die mittlere Gesellschaftsschicht. Als Voigt nach sechs Jahren wieder aus dem Gefängnis kommt, findet er zunächst Unterschlupf bei seiner Schwester und deren Mann, wird aber auch aus deren Stadtteil ausgewiesen, weil er wieder keine Aufenthaltserlaubnis bekommt. Im Gefängnis hatte Voigt intensiv das Dienstverhalten von Offizieren und Mannschaft beobachten können, weil der Gefängnisdirektor aus Neigung und zur Disziplinierung preußische Militärgeschichte und Exerzieren lehrte. So kommt es, dass Voigt eines Tages in der Uniform, die zuvor durch die Szenen der ersten beiden Akte gewandert war und die er nun beim Trödler erstanden hatte, und mit einem Gefreiten und zehn Soldaten, eine Militärwache, die er kurz entschlossen abkommandiert hat, im Rathaus von Köpenick erscheint, dieses umstellt, den Bürgermeister und Schatzmeister verhaftet sowie die Stadtkasse beschlagnahmt. Dann requiriert er noch zwei Kutschen: Die eine schickt er mit den Verhafteten und eskortiert von den Soldaten ins Polizeipräsidium von Berlin, die andere Kutsche nutzt er zur Flucht mit der Stadtkasse.
Dieses Husarenstück wird von der Presse und der städtischen Bevölkerung gefeiert und selbst die ermittelnden Beamten bewundern den Coup.
Später stellt er sich selbst, denn eigentlich wollte Voigt nur die Utensilien besorgen, die er für die Anfertigung eines Passes gebraucht hätte, um aus Preußen ausreisen zu können. Leider aber ist das Rathaus von Köpenick keine passführende Behörde. Er wird im Präsidium mit großer Anteilnahme empfangen und bekommt selbst einen Lachanfall, als er sich zum ersten Mal in der Uniform im Spiegel sieht. Damit endet das Stück.
Gestaltung und meine Meinung:
Das Stück ist in drei Akte und insgesamt 21 Szenen aufgeteilt: Erst im Laufe der Szenen wird der Zusammenhang zwischen den Uniformszenen und der Voigt-Handlung klar. Wie Zuckmayer es dabei schafft, einen Querschnitt der urbanen preußischen Gesellschaft rund um Berlin auf entlarvende und dennoch amüsante Weise darzustellen, ist schon ziemlich brillant. Vor allem wenn man dazu die anrührenden, aber niemals kitschig-rührenden Szenen mit Voigt nimmt, der ja ehrlich und arbeitsam sein will, aber aus Gründen verwaltungstechnischer Ignoranz nicht kann, wird deutlich, dass Zuckmayer einer der besten Dramatiker des 20. Jahrhunderts ist. Lesen lohnt sich, denn bei einer Aufführung bekommt man wohl weniger von all den Zwischentönen mit, wobei das Stück natürlich ein Selbstzünder für jede Bühne ist, allerdings wohl heute mit einigen Kürzungen, denn an die vier Stunden würde eine komplette Aufführung wohl dauern.