Beiträge von finsbury

    Oates ist eine interessante Autorin, die das Frauenbild und -leben in unterschiedlichen Zeiträumen sehr eindringlich darstellt. Ich habe " Bellefleur" und "Die Schwestern von Bloodsmoor" gelesen. Beide haben mir gut gefallen.

    "Blaupause" habe ich tatsächlich nicht gelesen, Lauterbach und sehe nach der Lektüre von "Auf See" auch keinen Anlass dazu. Zu dem, was ich in der Besprechung geschrieben hatte, kommt, dass das Buch weitestgehend humorfrei ist. Gerade solche Dystopien brauchen - wie ich finde - um erträglich zu werden, so eine leichte ironische Distanz. Die kann ich in dem Roman nicht erkennen. Die handelnden Personen sind zumeist furchtbar in sich hinein verzwiebelt.

    Ich habe meine Lektüre von Theresia Enzensbergers "Auf See" beendet und verlinke hier meinen Beitrag dazu im Mutterforum.


    Weiter geht es mit einem isländischen Roman: Kristin Baldursdóttir: Die Eismalerin.

    Willkommen zurück, @ Bluebell, viel Lesefreude und guten Austausch hier.

    Ich bewundere Zola durchaus, kann ihn aber nur in kleinen Dosen lesen. Wenn du Frauenfiguren im Mittelpunkt magst, wäre vielleicht " Nana" etwas für dich. Da geht es um eine Kurtisane.

    Besonders gnadenlos, was den Umgang der Menschen miteinander angeht, aber auch sehr gut fand ich " Die Erde", das die Verhältnisse unter der Landbevölkerung analysiert.

    Und der schon von Leibgeber erwähnte Bergbau-Roman "Germinal" ist ohne Frage ein großartiger Klassiker des Naturalismus.

    Was das Oberthema " Rougon- Marquat" angeht, stimmt völlig, was @ Leibgeber schreibt: Man erhält wohl eine zusätzliche Dimension, wenn man alle Romane des Zyklus und in der richtigen Reihenfolge liest, aber die genannten Romane und viele andere stehen ganz losgelöst für sich in ihrer Aussage da.

    Joseph Conrad: Almayers Wahn (1894)


    Joseph Conrads (d.i.  Józef Teodor Konrad Korzeniowski, 1857-1924) hier vorgestellter Roman ist sein erstes Werk, das einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde. Davor hatte Conrad nach seiner Kindheit und frühen Jugend in Polen bei der britischen Handelsmarine gearbeitet und es bis zum Kapitänspatent gebracht. Er war viel in Afrika und Südostasien gewesen und hatte den Ort Sambir (d.i. Berau) in Ost-Borneo selber bei vielen Fahrten und auch einigen Wochen vor Ort kennen gelernt.
    Sambir ist Handlungsort mehrerer Romane und Erzählungen Conrads geworden.


    Inhalt
    Almayer, ein ca. 50jähriger, holländischstämmiger Handelsvertreter, lebt in dem kleinen, küstennah gelegenen Ort Sambir am Zusammenfluss zweier Flussarme auf einem schäbigen Gehöft. Vor ca. zwanzig Jahren hatte er die malaiische Adoptivtochter seines Chefs, des in der Gegend immer noch hoch angesehenen Kaufmanns Lingard, geheiratet und dieser hatte ihm große Reichtümer versprochen, war dann aber auf einer Expedition im Landesinneren verschollen. Almayers Tochter Nina hatte Lingard zuvor noch nach Singapur zu „weißen“ Geschäftspartnern in Pflege gegeben, damit sie eine europäische Erziehung erhalte. Als sie aber zu einer schönen jungen Frau heranwuchs, schickte die Familie, die in ihr eine Konkurrentin ihrer eigenen Töchter und eine Versuchung ihrer Söhne sah, sie unter beleidigenden Unterstellungen und rassistischen Anwürfen wieder zu den „Wilden“ nach Borneo zurück.

    Nun lebt sie mit dem zunehmend frustrierten Vater und ihrer intrigant-aggressiven Mutter zerrissen zwischen den zwei Kulturen, für die die beiden stehen, die sie aber beide sehr schlecht vertreten. Almayer träumt davon, einen Schatz im Landesinneren zu heben, von dessen angeblicher Entdeckung Lingard ihm erzählt hatte. Als der malaiische Händler Dain, Sohn des Rajas von Bali, ihn besucht, sieht er eine Chance, mit diesem und dem Raja von Sambir als Geldgeber eine Expedition ins Landesinnere auszustatten und baut ein neues Haus für die zu erwartenden Schätze, das die malaiischen und arabischen Dorfbewohner nur abschätzig „Almayers Wahn“ nennen. Mit dem auf diese Weise erreichten Reichtum will Almayer mit seiner Tochter zurück nach Holland und sie dort glanzvoll in die Gesellschaft einführen, weil er denkt, dass das viele Geld ihr „Mischblut“ schon ausgleichen würde.

    Nina und Dain verlieben sich aber ineinander, und nach einem Attentat Dains auf ein holländisches Schiff flieht Dain nach Sambir, um Nina abzuholen und bei seinem Vater auf Bali Schutz zu suchen.

    Die Mutter hatte zur Unterstützung der Werbung Dains um Nina sehr viel Geld erhalten, verlässt Almayer und siedelt zum Raja über. Almayer ist völlig außer sich, dass Nina einen „Wilden“ liebt und mit ihm weggehen will, verstößt und beschimpft sie daher. Nina aber besteht auf ihrer Entscheidung, denn zum ersten Mal fühlt sie sich als Person bestätigt, anerkannt und ist mit sich einig. Der Verlust Ninas führt dazu, dass Almayer jeden aktiven Lebenswillen verliert, zum Opiumraucher wird und ein Jahr später stirbt, gerade als er die Nachricht erhalten hat, dem Raja von Bali sei ein erster Enkel geboren.

    Darstellung und meine Meinung
    Dieser Roman ist Conrads erstes längeres Werk. Man merkt neben sehr gelungenen Passagen mit hoher impressionistischer Intensität und einer ausgeprägten Distanz zum Rassismus seines Protagonisten und dem Konzept des Kolonialismus an sich, dass Conrad hin und wieder noch in Klischees verfällt, insbesondere bei der Schilderung der Liebesbeziehung zwischen Dain und Nina. Auch seine Äußerungen über die Gefährlichkeit der Frau als Verführerin lesen sich in unseren Tagen doch etwas befremdlich.
    Andere Bücher Conrads wie „Herz der Finsternis“ oder auch „Lord Jim“ haben mir mehr gefallen, aber das Grundproblem der Hybris der kolonisierenden Europäer und dem darin liegenden Scheitern ihrer Absichten ist hier schon sehr gut in Gestalt Almayers dargestellt.

    Vielen Dank für dein Angebot, Zefira. Aber ich habe das Buch selbst. Bei mir muss ja alles gut abhängen, bevor ich es lese, und ich habe mich lange nicht mehr mit russischer Literatur beschäftigt, nicht wegen Putin (für den können die russischen Klassiker ja wirklich nichts), sondern weil einfach anderes sich vordrängte. Schade, dass der Johannsen keinen Humor hat und schon komisch, dass er sich dann ausgerechnet mit Gogol beschäftigt. Aber Gegensätze ziehen sich ja an, wobei der arme Gogol sich diese Beziehung ja nicht aussuchen konnte :elch:.

    Toll, dass du dich um einen Bücherschrank kümmerst. Ich kann mir gut vorstellen, dass du da einen guten Eindruck der Nutzerklientel bekommst. Ich schaue auch recht regelmäßig bei unserem hier beim Rewe vorbei, der recht gut gewartet wird . Da liegen oft die eher "gehobenen" Werke auch länger als die Krimis, Thriller usw. Da kommen die gleichen fast wöchentlich und sind trotzdem nach wenigen Stunden oder ein paar Tagen weg.

    Upton Sinclair: Öl! (1927)


    Upton Sinclair (1878-1968) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der besonders für seine sozialkritischen, fast dokumentarischen Romane berühmt wurde. Sein bekanntester Roman ist „The Jungle“ (1905/0 6), der sich mit den sozialen und hygienischen Verhältnissen in der amerikanischen Fleischindustrie beschäftigt. Sinclairs Romane wurden besonders auch in Deutschland während der Zwanziger Jahre sehr viel gelesen. Der hier vorgestellte Roman „Öl!“ zeichnet die Verhältnisse in der kalifornischen Ölindustrie von den Anfängen in den Zehner Jahren bis in die Mitte der Zwanziger Jahre nach, greift aber auch weit darüber hinaus.


    Inhalt
    Der Roman beginnt damit, dass der halbwüchsige Arnold Ross jun., genannt Bunny, mit seinem Vater Arnold Ross sen. an die kalifornische Küste unterwegs sind, weil dort ein neues Ölfeld erschlossen werden soll. Während sich die Eigentümer des stark parzellierten Gebietes wegen der zu erwartenden Gewinne bis aufs Blut zerstreiten, weil jeder Angst hat, übervorteilt zu werden, lernt Bunny einen etwas älteren Jungen, Paul Watkins kennen, der vor seiner bigotten Familie, die dem Pfingstglauben anhängt, geflohen ist und nun auf der Suche nach Nahrung und Arbeit ist. Die Beziehung zu Paul und Bunnys Wachsen an dessen sozialkritischen Ansichten ziehen sich durch den ganzen Roman. Arnold Ross sen. ist ein Geschäftsmann alten Schlags, hat sich vom Maultierkarrenfuhrmann zu einem unabhängigen Ölmillionär hochgearbeitet, der seine Gewinne immer sofort wieder in neue Quellen und Projekte reinvestiert. Bunny bringt seinen Vater dazu, mit ihm in Paradise, einem Tal wohl in der kalifornischen Küstenkordillere auf Wachteljagd zu gehen, weil dort Pauls Familie sitzt und er hofft, etwas über den Verbleib von Paul, der noch in der gleichen Nacht weitergezogen war, zu erfahren. Bei einem Jagdausflug entdecken die beiden nach einem kleinen Erdbeben auf den Ländereien der Watkin’schen Ziegenfarm einen Ölaustritt. Ross sen. kauft den Farmern des Gebietes mithilfe eines korrupten Kommunalpolitikers ihre Ländereien ab, unter dem Vorwand, sich ein großes Gebiet für die Wachteljagd zu sichern. Das Gebiet wird erschlossen, und es stellt sich heraus, dass hier die bisher reichhaltigsten Öl-Vorkommen der Ross’schen Ölfelder liegen.

    Währenddessen schließt Bunny die Schule ab, und die USA treten in den Ersten Weltkrieg ein. Paul hatte sich freiwillig gemeldet und war nach Sibirien verlegt worden, um dort die Weiße Armee in ihrem Kampf gegen die Bolschewisten zu unterstützen und die Transsibirische Eisenbahn für die Interessen des amerikanischen Kapitals zu sichern. Desillusioniert von den Intentionen der US-Kriegspartei und voller Bewunderung für die Bolschewisten kehrt Paul erst 1920, denn so lange hielt ihn wie viele andere US-Soldaten die Regierung dort zurück, in die Staaten zurück und agitiert weiter auf den Ölfeldern in Paradise, obwohl er zu den beiden Ross‘ eine freundschaftliche Beziehung pflegt und seine Schwester Ruth den Ross’schen Haushalt in Paradise führt. Ross sen. versucht kaum, Bunny von seiner Unterstützung der Arbeiter und seiner intellektuellen Beziehung zu Paul abzubringen und verhält sich auch während eines großen Streiks zurückhaltend, zahlte schon vorher die besten Löhne in der Öl-Industrie. Nichtsdestotrotz ist er auf seinen Vorteil und die Weiterentwicklung seiner Firma bedacht und schließt sich mit einem anderen Ölmagnaten zu einem Konzern zusammen, der wiederum der Interessensgemeinschaft der Öl-Industriellen beitritt. Nun hat er keine Handhabe mehr, sich deren massivem Vorgehen gegen Gewerkschaftler und Arbeitsrechte zu entziehen.

    Bunny studiert währenddessen an einer von Theologen geführten südkalifornischen Edel-Universität und erlebt nun den massiven Einfluss von Universitätssport auf den Bildungsbetrieb, muss auch hier erkennen, dass Prestige und Geld die Bildung steuern und nicht das Interesse an geistigem Wachstum. Genauso ist es in der Filmindustrie, die Bunny nun genauer durch seine Geliebte Vee , einen Hollywood-Star, kennen lernt, denn auch hier stehen der Profit und das Vorankommen vor den Inhalten und der Qualität der Filme. Als Vee die Hauptrolle in einem antibolschewistischen Propaganda-Film spielt, erkennt er, als seine sozialistische Kommilitonin Rachel sich in einen handgreiflichen Streit mit Vee wegen deren „Prostitution“ in einem antikommunistischen Hetzfilm einlässt, dass alles politisch ist, auch das verwirrende Flitterleben der Hollywoodstars.

    Wegen der Bestechung führender Politiker und dem betrügerischen Aufkauf von Erdölgründen der US-Marine, in die Ross sen. durch seinen Partner verwickelt wurde, fliehen Bunny und sein Vater nach Europa. Einige Zeit später stirbt dieser und Bunny bleibt kaum etwas von seinem Erbe übrig, das durch eine späte zweite Heirat seines Vaters, insbesondere aber die betrügerischen Machenschaften seines Kompagnons verschwunden ist. Die einzig verbleibende Öl-Million will Bunny nun, nachdem sein Freund Paul von reaktionären Kräften bei einer Arbeiterversammlung tot geschlagen wurde und er Rachel geheiratet hat, in eine Art Arbeiter-College stecken, in dem die jungen Leute an das sozialistische Gedankengut herangeführt und ausgebildet werden, damit sie von innen heraus das Land ändern können. Ob dies gelingen kann, lässt der Autor durch die Diskussionen von Bunny mit seinen linken Freunden offen.


    Stil und meine Meinung
    Der umfangreiche Roman (in meiner Taschenausgabe 640 eng bedruckte Seiten) liest sich leicht und spannend. Der Inhalt ist für Sinclair deutlich wichtiger als eine kunstvolle Gestaltung, die ihm dennoch in einzelnen Passagen eindrucksvoll gelingt. So zum Beispiel direkt am Anfang, wo die Autofahrt der beiden Ross auf einer sich weit dahinziehenden Straße durch die Hügel und Täler des kalifornischen Berglandes episch geschildert wird, damit die Weite der Natur und die Bezwingung durch den Menschen durch Straßentrassen und Automobile symbolisierend. Oder auch am Ende, als Paul in seinem Krankenzimmer an den Folgen der Schläge stirbt und gleichzeitig aus dem Radio einer benachbarten Wohnung das betrunkene Gelalle der Reichen dröhnt, die die Wahl des von ihnen abhängigen neuen Präsidenten feiern.
    Es entfaltet sich für den Leser eine großes Panorama der kalifornischen Gesellschaft in den Zehner- und Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts – von der Armut der kleinen Farmer und Industriearbeiter über den Wunderglauben der Massen an selbst ernannte Propheten, wie es Pauls Bruder Eli wird, die Schickeria der neureichen Industriellen bis zur Glitzerwelt des Films. Aber auch die durch und durch korrupte kommunale bis Staatsverwaltung wird gegeißelt und auch ähnliche Strukturen in good old Europe, wo das internationale Kapital schon den nächsten Krieg vorzubereiten scheint, um sich weiter zu bereichern.
    Für mich war der Roman ein besonderes Leseerlebnis, das einmal die USA aus ganz anderen Augen zeigt, denn den sozialistischen Blick findet man in der Literatur dieses Landes nicht so häufig.

    Ich gönne mal dem berühmten Upton Sinclair mit seinen vielen international bekannten Romanen einen Thread unter den Klassikern, ist er hier doch in dem Thread Amerikanische Klassiker mehrfach als solcher genannt worden.

    O ja das auf jeden Fall! Einsam ist er, und das bestimmt natürlich seine Handlungen. Ich finde nur die Formulierung, dass er "Menschen instrumentalisiert" überzogen, denn wenn er gern mit seinen Enkeln und anderen zusammen ist und das auch gegen seine Einsamkeit hilft, heißt das ja nicht , dass er diese Menschen instrumentalisiert. Er nimmt sie doch als Persönlichkeiten ernst und liebt sie in ihrer Art.

    Du gehst aber mit dem alten Jolyon recht hart ins Gericht, Vogelbeere. So sehe ich ihn nicht! Einerseits ist er ein Forsyte, der in dem Besitz- und Moraldenken seiner Klasse gefangen ist, andererseits erkennt er emotional, andere würden vielleicht sagen "mit dem Herzen", dass er seinem Sohn und dessen Familie unrecht getan hat und verbringt den Rest seines Lebens damit, so viel wie möglich mit ihm und den seinen zusammen zu sein. Dass er sich für Irene interessiert , liegt meiner Ansicht nach daran, dass Galsworthy diese Frauengestalt sowieso als positive Sirene (interessant die Namensähnlichkeit!) angelegt hat, die die Männer anlockt wie süße Backwaren die Wespen. Seine Güte spricht im Übrigen auf das Leid an, das ihre Gestalt umfängt. Die Anbetung der Schönheit tut dann noch ein Übriges.

    Dass er nicht andere Menschen instrumentalisiert, erkennt man doch auch daran, dass er June alle Freiheiten lässt und ihr die Erlaubnis zur Verlobung mit Bosinney erteilt hat, obwohl er von dem zunächst nicht besonders viel hält.

    Aber wenn überhaupt was auf dem SWB liegt, dann die drei Autobiographischen.

    Die Erzählungen fand ich zum Teil auch lesenswert.

    Geht mir auch so. Ich habe einen Teil davon mit 18 in einem verregneten Schottland-Urlaub im Zelt gelesen. War ein interessanter Kontrast, die sonnengesättigte Steppe, die bei einigen Erzählungen den Hintergrund bildet zu dem schottischen Dauernieselregen und wolkenverhangenen Bergen. Das habe ich sehr intensiv in meiner Erinnerung abgespeichert.