aber Melanie will ihre Freiheit, sie will raus aus dem Puppenheim und sie läßt sich wie Ibsens Nora nicht aufhalten.
Hallo Montaigne,
hallo zusammen,
die Kinder bekamen ja zu Weihnachten ein Puppenhaus. Ich fragte mich gleich nach der Symbolik, es steht wohl, wie Du sagst, für Melanies Unfreiheit.
Es wurde hier ja schon viel diskutiert, ob Ezel uns sympathisch ist oder nicht. Ich glaube aber darauf kommt es nicht so sehr an, sondern darauf, wie seine Frau Melanie ihn sieht und vor allem ob ihr Verhalten von Fontane nachvollziehbar beschrieben ist.
Erstmal, wie alle schon sagten: gebildet ist er auf jeden Fall. Aber seine Bildung mischt sich mit einer Direktheit und "Ungehobeltheit", die ihn in den Augen derer, die Bildung auch mit einem gewissen gesellschaftlichen Schliff verbinden, als ungebildet erscheinen läßt. Diese Art Ezels ist Melanie im intimen Gespräch vertraut und sie hat sich daran gewöhnt. In Gesellschaft ist es ihr aber peinlich, wie man im Kaffeehaus-Kapitel deutlich merkt, und es war ihr dort um so peinlicher, als es um sexuelle Anspielungen in Gegenwart eines gleichaltrigen und (wie man annehmen muß) attraktiven jungen Mannes ging. Ich kann mir gut vorstellen, was da in ihr vorging: sie ging als 17jährige eine um des Geldes wegen arrangierte Ehe mit einem 25 Jahre älteren Mann ein. Das war von ihrer Seite bestimmt keine Liebesehe: was sie an ihm liebte, war höchstens, dass er sie liebte und ihre materiellen Wünsche befriedigte. Er war bis dahin Junggeselle gewesen. Er wird aus dieser Zeit bestimmt noch andere Gewohnheiten mitgenommen und nicht abgelegt haben ("O rühret, rühret nichts an"), die auf eine junge Frau vielleicht verletzend wirkten, nicht nur seine verbalen Entgleisungen. Aber darüber schweigt Fontane natürlich. Dabei würde ich auf keinen Fall soweit gehen und Ezel in dieser Hinsicht auf eine Stufe mit Ezels Romanvorlage Louis Ravené stellen: von diesem schrieb die Enkelin seiner Frau, dass er auch in der Ehe die "Damenbekanntschaften aus der Theaterwelt" weiter pflegte, sogar in der Nacht, als seine junge Frau in den Wehen ihres ersten Kindes lag.
Im Abschiedskapitel äußert ja Ezel selbst ein gewisses Verständnis für seine Frau:
"Glaube mir, ich kenne die Frauen, Ihr könnt das Einerlei nicht ertragen, auch nicht das Einerlei des Glücks. Und am verhaßtesten ist Euch das eigentliche, das höchste Glück, das Ruhe bedeutet. Ihr seid auf die Unruhe gestellt. Ein bißchen schlechtes Gewissen habt Ihr lieber als ein gutes, das nicht prickelt [....]" uswusf.
Hier spricht ein Mann, Anfang 50, zu seiner Frau, Ende 20. Was er als Ruhe und höchstes Glück empfindet, ist für sie Langeweile und Beengtheit, mit der sie sich vielleicht arrangiert, aber nicht abgefunden hat.
Soviel erstmal dazu, später mehr.
Gruß
Klaus :winken: