Hallo zusammen!
Bin ebenfalls an Goethes "Wahlverwandtschaften" interessiert. Ginge mir aber frühestens ab Anfang März, da ich eben erst in eine Leserunde zu Rilkes "Malte Laurids Brigge" eingestiegen bin.
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Bin ebenfalls an Goethes "Wahlverwandtschaften" interessiert. Ginge mir aber frühestens ab Anfang März, da ich eben erst in eine Leserunde zu Rilkes "Malte Laurids Brigge" eingestiegen bin.
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Was dagegen, wenn ich auf den fahrenden Zug mitaufspringe?... - Der "Malte Laurids Brigge" liegt schon länger bei mir rum aber irgendwie habe ich mich nie rangetraut. Vielleicht, weil es sich beim Autor um einen Lyriker handelt und mir Lyrik oft so subjektiv, verschlüsselt und schwer verständlich vorkommt (der Kommentar bezeichnet den Roman gar als "Prosagedicht"...). Jedenfalls bin ich jetzt auf Seite 35 (Bibliothèque National: "Ich sitze und lese einen Dichter") und bin schon auf etliche "Highlights" gestossen, die ich mir angekreuzt habe. Sachen wie diese:
Es sind viele Leute im Saal [Bibliothèque National], aber man spürt sie nicht. Sie sind in den Büchern. Manchmal bewegen sie sich in den Blättern, wie Menschen, die schlafen und sich umwenden zwischen zwei Träumen.
Oder die Begegnung mit einer armen Frau auf der Strasse: "Sie war ganz in sich hineingefallen, vornüber in ihre Hände." Und wie sie, gestört von Maltes Schritten, hochschrickt: "zu schnell, zu heftig, so dass das Gesicht in den zwei Händen blieb."
Auch Maltes "ästhetische Wahrnehmung der Realität" (Kommentar) gefällt mir. Wenn alles um ihn rum beseelt zu sein scheint, Scherben lachen, Splitter kichern und Blumen in Beeten aufstehen und mit erschrockener Stimme "Rot" sagen.
Oder Fragen wie: "Ist es möglich zu glauben, man könne einen Gott haben, ohne ihn zu gebrauchen?", d.h. abzunützen und zu verschleissen.
Oder die Gedanken über den Tod, wie banal er für die Leute geworden ist, so dass sie froh sind, "wenn sie einen finden, der ungefähr passt, Zu weit darf er sein: man wächst immer noch ein bischen. Nur wenn er nicht zugeht über der Brust oder würgt, dann hat es seine Not."
Und, und, und...
Dies jedenfalls meine ersten Eindrücke. Freue mich darauf, mehr von euch zu lesen.
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Nightfever"Riff-raff hat zwar etwas eindrücklich auf den Punkt gebracht, aber ich glaube nicht, dass er damit Camus wiedergibt. Ich kann bisher nirgendwo im Mythos eine Stelle finden, die sich auf "das Leben ist scheiße" verdampfen lässt. Ich vermute, dass Camus dem widersprechen würde...
Ich denke mal, da vermutest du richtig. Hatte übrigens schon beim Schreiben ein ungutes Gefühl, da mir klar war, dass ich mit meiner Schlussfolgerung Camus eigentlich unrecht tue. Danke für die Richtigstellung...
Zitat von "alpha"Nightfever: Lernen und Lesen sollte komplementär sein: Man kann nicht den ganzen Tag lernen, man muss hin und wieder auch "etwas vernünftiges" tun, sage ich mir immer! - Denk daran, was Franz Kafka in einem seiner wunderschönen Briefe schrieb: Leute, die nicht bis zum 25ten Jahr wenigstens zeitweise gefaulenzt haben, sind sehr zu bedauern, denn davon bin ich überzeugt, das verdiente Geld nimmt man nicht ins Grab mit, aber die verfaulenzte Zeit ja.
alpha: Schau dir doch mal Nightfevers Homepage an... Unter der Rubrik „Quotes“ findest du ein feines Gedicht, zwar ohne Titel, aber mit den vielsagenden Einleitungsworten:
ich hab ganz konsequent
den ganzen Tag verpennt
jetzt brauch ich sehr viel Ruhe
für Dinge die
ich heut nicht tue
[...]
Wenigsten in dieser Hinsicht kannst du also ganz unbesorgt sein, „unser(e)“ Nightfever, so scheint mir, hat Kafkas Worte längst verinnerlicht... :zwinker:
Nightfever: Von wem ist das Gedicht eigentlich? du nennst leider keinen Verfasser. Von dir selbst? Gefällt mir grossartig.
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Maja"Vielleicht habe ich deshalb auch so Mühe, mich zur Lektüre zu motivieren, weil ich mein Leben zur Zeit völlig sinnvoll finde?
Da bist du ja richtiggehend zu beneiden... Ich selbst leide leider immer wieder unter Motivationsproblemen und die Frage nach dem Sinn des Lebens – falls es überhaupt einen gibt... – beschäftigt mich ständig. Ich bin immer auf der Suche nach irgendetwas, das meinem Leben Halt und Richtung geben könnte und da ist es schon ein starkes Stück, wenn jemand wie Camus daherkommt und dieses ganze Suchen als Zeitverschwendung abschreibt. Das Leben hat keinen Sinn, finde dich damit ab und lebe trotzdem, ruft er mir zu.
Zitat von "Nightfever"Die Existenzialisten, sofern sie Atheisten sind, empfinden entsprechend die Welt als sinnlos , als absurd. Sie wollen aber trotzdem darin leben.
Ich finde das ganz schön stark :zwinker:
Das ist starker Tobak, da stimme ich dir zu. Leben und sich dabei ständig die Sinnlosigkeit jeglichen Tuns und Lassens vor Augen zu halten – wenigstens gibt Camus zu, wie schwierig das ist. Ich selbst frage mich, ob das überhaupt menschenmöglich ist?
„Für nichts“ arbeiten und schaffen, [...] zu wissen, dass sein Werk keine Zukunft hat, sein Werk in einem Tage zerstört sehen und wissen, dass das im Grunde nicht wichtiger ist, als für Jahrhunderte zu bauen – das ist die schwierige Weisheit, zu der das absurde Denken bevollmächtigt.
Schaffen oder nicht schaffen – das ändert nichts.
Und wo, bitte sehr, soll ich da die Motivation hernehmen?... Warum soll ich da überhaupt noch weiterleben? – Aus Trotz, antwortet mir Camus. Camus schreibt viel von Auflehnung und Revolte, aber gegen wen? Gegenüber Gott? Es gibt doch gar keinen... Gegenüber dem Schicksal, der offenkundlichen Absurdität allen Seins? Das ist mir irgendwie zu vage. Auflehnen kann ich mich nur gegenüber Etwasem oder Jemandem, der mir seinen bewussten Willen entgegensetzt. Aber genau so etwas stellt Camus ja in Abrede. Andererseits kann ich mir gut vorstellen, wie jemand z. B. gegen eine Krankheit revoltiert, die ihn befallen hat. So kann man zum Beispiel Krebs haben und sich sagen, ich lasse mich davon nicht unterkriegen, ich weiss zwar, dass ich daran sterben werde – der absurde Mensch hat schliesslich „verlernt zu hoffen“, wie Camus schreibt – aber trotzdem werde ich versuchen aus dem Bisschen Zeit, das mir verbleibt, das Beste zu tun. Ja doch, solch eine Art Auflehnung kann ich mir schon vorstellen, auch wenn Krebszellen ja nicht über einen eigenen Willen oder Verstand verfügen und die Zerstörung meines Körpers „bewusst“ vorantreiben. So gesehen kann ich Camus’ Revolte vielleicht doch nachvollziehen. Auf meine eigene plumpe Art übersetzt würde Camus’ Credo dann einfach lauten: Das Leben ist Scheisse, aber davon lasse ich mir doch den Tag nicht vermiesen... :zwinker: Wie alpha es so schön ausgedrückt hat:
Zitatder erste Schritt um etwas zu Ändern ist nicht das Leugnen der Realität, sondern das Aufrechterhaltens eines Ideals, wie es sein müsste!
Dennoch, ich bleibe dabei, „etwas durch nichts zu ersetzten“ (Originallaut alpha), ist schon verdammt schwer. Ob es einem Menschen z. B. überhaupt gelingen kann etwas so zutiefst natürliches wie die Hoffnung aufzugeben, wie Camus fordert... Ich weiss nicht. Jedenfalls konnte sich Dante nichts Schrecklicheres vorstellen, um den Sündern beim Eintritt in die Hölle das ganze Ausmass ihrer Strafe zu verdeutlichen, als ein Tor mit der Aufschrift: „Ihr, die hier eintretet, lasst jede Hoffnung fahren.“
Na ja, nach Camus ist Leben eh die Hölle...
Er [der absurde Mensch] hat es verlernt zu hoffen. Endlich ist die Hölle des Gegenwärtigen sein Reich.
Schönes Wochenende miteinander...
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Nightfever"Habt ihr auch solche Schwierigkeiten, zusammenzufassen, was Camus schreibt?
Wem sagst du das... Camus kommt mir wie ein schlüpfriger Aal vor, jedes Mal wenn ich ihn zu packen glaube, flutscht er mir wieder aus den Fingern...
Camus’ ganzes Gedankenkonstrukt baut auf einem einzigen Grundpfeiler auf, einer einzigen „Wahrheit“, nämlich der, das dass Leben absurd ist. Zwar behauptet er, dass ausser ihm noch etliche andere Philosophen zu diesem Schluss gelangt seien, wenn er mich aber über die Richtigkeit dieser Hypothese zu überzeugen versucht, fallen ihm erstaunlich wenige stichhaltige Argumente ein. Ich finde in Camus’ Essay nur drei „Beweisgründe“, die die Absurdität des Lebens rechtfertigen sollen:
1) Das Leben ist absurd, weil es auf ständig wiederkehrende Verrichtungen aufbaut. Sprich: Überdruss angesichts des ewigen Einerleis des Lebens.
2) Das Leben ist absurd, weil dem menschlichen Erkenntnisdrang Grenzen gesetzt sind, weil der Mensch die Welt, die ihn umgibt nicht zu deuten und zu verstehen vermag.
3) Das Leben ist absurd, weil es endlich ist.
Zu Punkt 1: Kann man sich tatsächlich ein Leben vorstellen, dass nicht repetitiv ist, frei von Alltagstrott und -routine? Das fängt doch schon beim Atmen ein... Wie viel mal pro Tag atmen wir aus und ein? Hat das schon mal jemand gezählt? Ewig der gleiche Vorgang 24 Stunden am Tag, selbst im Schlaf. Ist Atmen deswegen absurd? Obwohl ich jetzt satt bin, werde ich in wenigen Stunden wieder Hunger verspüren. So viel ich auch essen mag, das Hungergefühl ein und für alle Male zu befriedigen schaffe ich nie. Dieses „mechanische Leben“ von dem Camus spricht, es gehört doch einfach dazu.
Zu Punkt 2: „Was ich nicht begreife, ist unvernünftig.“ Wie viel Überheblichkeit in diesem Satz doch steckt... Wollte ich wirklich alles, was ich – riff-raff – nicht begreife als unvernünftig oder gar absurd abschreiben, na dann, gute Nacht.. Ich habe nicht die geringste Ahnung von der Quantentheorie, keinen blassen Schimmer, was „Quarks“ sind – versteige ich mich deshalb etwa zur Aussage, die Quantenphysik sei irrationaler Schrott?
„Die Welt verstehen heisst für einen Menschen: sie auf das Menschliche zurückführen, ihr ein menschliches Siegel aufdrücken.“ Ach ja? Na gut, dann darf ich doch mit demselben Recht behaupten: Die Welt verstehen heisst für mich, sie auf riff-raffsche Motive zurückzuführen, ihr ein riff-raffsches Siegel aufdrücken. – Das ist doch Bullshit! Was für eine Egozentrik, zu glauben, der Mensch sei das Mass aller Dinge. Wahrscheinlich denken Katzen oder Hunde genauso ichbezogen (falls sie überhaupt denken...). Nur weil mir das Leben ein ewiges Rätsel bleibt, weil ich – um mit Faust zu sprechen – nie erkennen werde, „was die Welt im Innersten“ zusammenhält, masse ich mich an, ein solch niederschmetterndes Urteil zu fällen und die als Welt absurd zu verdammen?... Camus kommt mir hier wie ein allzu verwöhntes Kind vor, dass immer noch glaubt, dass sich alles nur um ihn dreht.
Zu Punkt 3: Diese Vorstellung „ich bin“, meine Art zu handeln, als hätte alles einen Sinn [...] – alles dieses wird durch die Absurdität eines möglichen Todes auf eine schwindelerregende Weise Lügen gestraft. [...] jetzt weiss ich, dass diese höhere Freiheit, diese Freiheit zu sein, die allein eine Wahrheit begründen kann, nicht existiert. Der Tod ist da, als die einzige Realität. Nach ihm ist alles vorbei. [...] Welche Freiheit im vollen Sinne des Wortes kann es geben ohne die Gewähr einer Ewigkeit?
Als ob ein ewiges Leben weniger absurd wäre, bloss weil es endlos ist... Das ein Mensch geboren wird, ein mehr oder weniger erfülltes Leben hat und dann mit achtzig oder neunzig stirbt, darin kann ich nichts Ungeheuerliches entdecken. Es ist nicht der Tot an und für sich, der mich stört, was mich empört ist mehr die Art und Weise wie viele Menschen auf dieser Welt sterben müssen: in Kriegen, an Seuchen, in Naturkatastrophen, an Unterernährung etc. Was in meinen Augen absurd ist, ist das Missverhältnis, wenn man bedenkt, dass ein Mensch neun Monate im Bauch seiner Mutter heranreift, dass er Jahre braucht bis er gehen lernt, weitere Jahre bis er endlich zu sprechen anfängt usw. – und dann genügt ein Nichts, ein zufällig herabstürzender Dachziegel, ein unglückliches Stolpern, dass all das im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht wird. Das ist es, was mich verletzt – das steht doch in überhaupt keinem Verhältnis zueinander. Das ist für mich absurd. Aber der Tot an und für sich...
Merke, dass Camus mich viel stärker beschäftig, als ich gedacht hätte... Ist aber auch gut so.
Schönes Wochenende noch...
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Michael"
Oh, in meiner Rowohlt-TB-Ausgabe sind fast 10 Seiten erläuternder Anhang. Im Einzelnen wie gesagt knapp, aber immerhin... Verweise auf Tagebucheintragungen von Camus und Zeitbezüge, etc. Oftmals gar nicht uninteressant. Taucht vielleicht nur in der Neu-Übersetzung auf.
Was ist das für ein Aufsatz?
Der Aufsatz stammt von einer gewissen Liselotte Richter und trägt den Titel: "Camus und die Philosophen in ihrer Aussage über das Absurde". Hatte mir eine Verständnishilfe für Camus' "Sisyphos" erhofft, aber was soll man von einem Nachwort halten, das um einiges komplizierter daherkommt als der Haupttext selbst... Wenn dieser Aufsatz in der Neuausgabe zugunsten von Anmerkungen und Erläuterungen weggelassen wurde, kann ich das nur begrüssen.
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Michael""Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus - das ist meist ein bequemer Weg. Eines Tages aber erhebt sich das "Warum", (...)" (Camus im Mythos)
Ich weiß gar nicht, wie oft ich mir diese Stelle hätte unterstreichen wollen!
Aus Georg Büchners "Dantons Tod":
„Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüberzuziehen und des Abends ins Bett und morgens wieder herauszukriechen und einen Fuss immer so vor den andern zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und dass Millionen es schon so gemacht haben, und dass Millionen es wieder so machen werden, und dass wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das nämliche tun, so dass alles doppelt geschieht – das ist sehr traurig.“
Auch Goethe scheint diesen Überdruss am ewigen Einerlei des Lebens gekannt zu haben. In seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ spricht er davon, wie die immer wiederkehrenden kleinen Verrichtungen des Alltags wie Aufstehen, Rasieren und so fort am ehesten dazu angetan seien, einen Lebensmüden zum Selbstmord zu treiben.
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Hallo Nightfever!
Zitat von "Nightfever"Ich habe jetzt auch mit dem "Mythos des Sisyphos" angefangen.
Ich habe die neue rororo-Ausgabe in der Übersetzung von Vincent von Wroblewsky
Meine Ausgabe ist eine ältere in der Übersetzung von Brenner und Rasch (dieselbe, die auch Maja :winken: hat...)
ZitatCamus behauptet, jeder normale/gesunde Mensch habe schon einemal über Selbstmord nachgedacht. [...] Jedenfalls finde ich das eine spannende und riskante Aussage. Findet ihr euch darin wieder?
Mir selbst sind solche Gedanken nicht fremd, ob das aber auch für alle anderen gelten und obendrein noch "normal/gesund" sein soll... Hier verallgemeinert Camus sicherlich.
"Über alle wesentlichen Probleme (...) gibt es wahrscheinlich nur zwei Denkweisen: die von La Palisse und die von Don Quijote.. Nur das Gleichgewicht von Evidenz und Begeisterung kann uns gleichzeitig Zugang zur Emotion und zur Klarheit verschaffen."
Mit Sätzen wie diesen habe ich auch eher Mühe; selbst nach mehrmaligem Lesen bleibt mir der Sinn reichlich unklar. Dabei ist mir Montaigne in den Sinn gekommen... In seinen "Essais" schreibt er: "Die Schwerverständlichkeit ist ein Falschgeld, dessen sich die Gelehrten wie die Taschenspieler bedienen... " Und das, obwohl Camus' Text anfangs noch schlicht und gut verständlich geschrieben daher kommt, wie du selber sagst, und mit seiner Frage nach Sinn oder Unsinn des Lebens die Neugierde des Lesers sofort zu packen versteht (geht mir jedenfalls so). Leider folgen später einige Kapitel - vor allem diejenigen, in denen er sich mit den Meinungen von Philosophiekollegen auseinandersetzt -, die auf einer reichlich abstrakten und schwerfasslichen Ebene angesiedelt sind.
Zitatriff-raff: Ist das für den Anfang ein zufriedenstellendes Beispiel?
Sicher... Danke, dass du dir Zeit und Mühe genommen hast.
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Hallo Nightfever!
Zitat von "Nightfever"Wollen wir dann im Laufe der Woche mit dem Sisyphos anfangen?
Ich für meinen Teil habe nicht mehr länger warten können und damit begonnen...
ZitatIch habe neulich in das Exemplar eines Freundes hineingeschaut und war schwer enttäuscht, weil mir gleich auf der ersten Seite unbegründete Annahman und Ungereimtheiten entgegensprangen.
Genau diese für dich unbegründeten Annahmen und Ungereimtheiten sind es, die mich interessieren würden. Willst du uns nicht daran teilhaben lassen? Zitiere sie doch...
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Maja"
Und doch bewirkt sein Besuch offenbar etwas, eine Veränderung. Was geschieht da genau??
Mich hat vor allem Meursaults Wutanfall dem Priester gegenüber beschäftigt. So emotional wie in dieser Szene haben wir Meursault im Verlaufe des Romans noch gar nie kennen gelernt. Er wird sogar tätlich, packt den Priester am Kragen der Soutane und schüttelt ihn, die Wächter müssen einschreiten. Meist ist es doch so, dass wenn man in einem Streitgespräch die Stimme erhebt oder sogar handgreiflich wird, dann sind einem die nötigen Argumente ausgegangen oder man agiert aus der Defensive heraus. Meursault formuliert hier sein Credo, sein Glaubensbekenntnis, aber er tut es unbeherrscht und ausser sich vor Wut. Für mich untergräbt dieser Wutanfall irgendwie die Glaubwürdigkeit seiner Worte. Hat er wirkliche Erkenntnis erlangt wie er behauptet oder fürchtet er bloss, der Priester könne ihn in seinen mühsam erarbeiteten Gewissheiten wieder schwankend machen?
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Maja"Zur Gerichtsverhandlung habe ich vorerst nur eine Frage: Was denkt ihr von der Stelle, wo er den Journalisten anschaut und das Gefühl hat, er werde von sich selber angeschaut?
Genau diese Stelle habe ich mir auch angestrichen... Haben sich da zwei verwandte Seelen wiedererkannt? - Es gibt im Roman noch weitere Personen, über deren Bedeutung ich mir im Unklaren bin: z. B. die "Roboterfrau" oder der alte Salamano mit seinem Hund...
Und noch eine Stelle, die mir rätselhaft ist: Bei der Urteilsverkündung, als ihm der Vorsitzende das Todesurteil bekannt gibt, heisst es:
"Da schien es mir, dass ich das Gefühl erkannte, das ich auf allen Gesichtern las. Ich glaube, es war Achtung."
Achtung?... - Ver-achtung doch wohl eher, meinetwegen auch Mitleid oder peinliches Betroffensein (der junge Journalist wendet z. B. die Augen ab) aber Achtung... Wovor denn? Wenige Seiten vorher will er ja noch gespürt haben, "wie sehr ich von all diesen Leuten verabscheut wurde." Kann mir das jemand erklären? Wie lautet die Stelle eigentlich im Original, Maja?
Schönes Wochenende noch...
riff-raff
Hallo allerseits!
Der Titel des Romans lautet bekanntlich „Der Fremde“ und im ersten Teil des Buches haben wir oft von Meursaults Indifferenz und seiner anscheinenden Gefühllosigkeit geredet, seiner Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Verhaltensweisen usw. Aber wie sieht Meursault sich eigentlich selbst? Empfindet er sich selbst auch als irgendwie anders, als „Fremder“? Einige Stellen im zweiten Teil des Romans haben mich daran zweifeln lassen...
Da gibt es z. B. die Szene als Meursault zum ersten Mal mit seinem Anwalt zusammentrifft und dieser ob Meursaults normwidrigen Antworten zu verzweifeln scheint, weil er darin keinen Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Verteidigung ausfindig machen kann. Als der Anwalt verärgert die Zelle verlässt, schreibt Meursault, dass er ihn gerne noch zurückgehalten hätte um „ihm zu versichern, dass ich so war wie alle, ganz genauso wie alle“.
Oder was ist, als er auf die Frage des Verteidigers, ob er Kummer über den Tod der Mutter verspürt habe, antwortet, dass er seine Mutter zwar gern gehabt, aber dass das nichts Weiteres zu bedeuten hätte: „Alle vernünftigen Menschen hätten mehr oder weniger den Tod derer gewünscht, die sie liebten.“ Tatsächlich alle Menschen? Findet hier nicht eine Art Projektion statt, mit der Meursault sich selbst zu versichern sucht, nicht anders als alle anderen zu sein?
Erst im Verlauf der Verhandlung, wo die Anklage je länger je mehr Meursaults moralische Grundeinstellungen in Zweifel zu ziehen versucht, scheint er sich darüber klar zu werden, wie sehr er sich doch eigentlich von der Norm seiner Mitmenschen entfremdet hat. Wenn er z. B. schreibt, dass er zum erstenmal seit Jahren das „unsinnige Bedürfnis“ gehabt habe zu weinen, „weil ich gespürt habe, wie sehr ich von all diesen Leuten verabscheut wurde,“ heisst das für mich nichts anderes, als dass ihm bewusst wird, wie sehr er sich von all diesen Leuten unterscheidet.
„Da habe ich etwas gespürt, was den ganzen Saal ergriff, und zum erstenmal habe ich verstanden, dass ich schuldig war.“ Schuldig nicht so sehr des Mordes an einem Araber, als an seiner Abweichung von gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen. Die Gerichtsverhandlung wird so zu einer Art Inquisition, wo es nicht so sehr um die Aburteilung eines Justiz-Verbrechens geht, als um die Bestrafung eines Andersdenkenden, eines Häretikers, der vom „wahren“ Glauben abgekommen ist.
Schönes Wochenende noch
riff-raff
Hallo zusammen!
Hallo Michael!
Zitat von "Michael"Hallo!?
Ich habe den Fremden jetzt beendet. Wie sieht es den bei euch aus?
Liebe Grüße,
Michael
Bin ebenfalls seit mehreren Tagen durch mit dem Buch. Habe mir aber vorgenommen, den zweiten Teil noch einmal zu lesen.
Gruss
riff-raff
Hallo zusammen!
Hallo Michael!
Zitat von "Michael"Der Satz vorher ließ mich noch mehr aufhorchen:
"Ich habe den Schweiß und die Sonne abgeschüttelt."
Die Erkenntnis die hier stattfindet ("Mir wurde klar...") erscheint wie eine Befreiung. Vielleicht in dem Sinne, dass er sich vom Leben, dass er bisher geführt hatte befreit, vielleicht sogar, dass er sich vom Leben selbst befreit - denn er tötet ja - und gleichzeitig den Tod verhöhnt, in dem er vier Mal auf "etwas Totes" schießt? Und er befreit sich im weiteren Sinne ja durchaus auch von seinem eigenen Leben, nämlich in Konsequenz seiner Tat.
Dein Gedankengang scheint mir einleuchtend und folgerichtig. Auch zeigen sich mir hier die Vorteile des gemeinsamen Lesens: Ich selbst hätte die Wichtigkeit des von dir zitierten Satzes wohl überlesen. Danke!
Auch für deine Interpretationen zum Licht und der allgegenwärtigen Sonne (in einem vorhergehenden posting), bin ich sehr dankbar, da ich mir bisher keinen rechten Reim darauf machen konnte.
Hallo Maja!
Zitat von "Maja"Wie ist das in Eurer Übersetzung wiedergegeben? "Alors" stellt für mich eine engere Verbindung her als nur ein zeitliches Nacheinander, es hat die Nuance eines "deshalb".
Wie Michael bereits gezeigt hat wird das "alors" in einer Übersetzung mit "dann" und in einer anderen mit "da" übersetzt. Die zweite Übersetzung scheint dem Original näher zu kommen, weil Camus hier - wie du richtig erkannt hast - eine kausale und nicht bloss temporale Verknüpfung der beiden Sätze angedeutet haben möchte. Zeigt sich wiedermal wie wichtig eine gute Übersetzung ist. Oft hat man ja nicht die Wahl zwischen zwei oder mehr Übersetzungen und muss sich mit dem zufrieden geben, was erhältlich ist. Schön, wenn man das Buch im Original lesen kann... ich beneide dich darum, Maja.
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Einige Gedanken zum Schluss des ersten Teils...
Der erste Schuss, den Meursault auf den Araber abgibt, scheint mir ein reiner Reflex zu sein, der Mord folglich eine Verkettung unglücklicher Umstände: Das plötzliche Aufblitzen des Messers in der Sonne, die momentane Blindheit durch den in die Augen fliessenden Schweissfilm, die instinktive Verkrampfung des Körpers und der um den Revolver geschmiegten Finger... – Interessanter scheint mir die Frage zu sein, die später auch das Gericht beschäftigen wird, nämlich warum Meursault noch vier weitere Schüsse auf sein Opfer abfeuert. Der Staatsanwalt irrt sich, wenn er behauptet, dass sei gewesen „um sicherzugehen, dass die Arbeit ordentlich erledigt war.“ Die „Arbeit“ war nämlich bereits „ordentlich erledigt“, wie aus Meursaults eigenen Worten zu entnehmen ist, wenn er schreibt: „Da habe ich noch viermals auf einen leblosen Körper geschossen.“ Der Araber war folglich bereits nach dem ersten Schuss tot und Meursault wusste das. Warum also vier weitere, unnötige Schüsse? Einen Anhaltspunkt könnten wieder Meursaults eigene Worte liefern... Ist es nicht seltsam, dass er schreibt, er habe „noch viermals auf einen leblosen Körper geschossen“? Sollte es nicht vielmehr heissen, „auf den leblosen Körper“? Die Benutzung des unbestimmten Artikels scheint mir in diesem Fall bezeichnend zu sein. Für jemanden, der dermassen im materiellen Diesseits verwurzelt ist wie Meursault muss ein toter Mensch nur noch als eine leblose Masse Fleisch erscheinen, nutzlose Materie mehr nicht. Genauso gut hätte Meursault seine weiteren Schüsse auf ein totes Stück Holz abfeuern können... Es spielt keine Rolle, wie oft man auf einen Menschen schiesst, wenn er erst mal tot ist; erschiessen kann man ihn schliesslich nur einmal... Weiterschiessen oder nicht muss also in Meursaults Augen belanglos erscheinen. Als Toter interessiert ihn ein Mensch einfach nicht mehr. Das sind auch genau die Gedanken, die er später im Gefängnis seiner Geliebten Marie gegenüber hegen wird, von der er lange nichts mehr gehört hat:
"Mir ist auch der Gedanke gekommen, dass sie womöglich krank oder tot war. [...] Von dem Moment an wäre mir die Erinnerung an Marie übrigens gleichgültig gewesen. Als Tote interessiert sie mich nicht mehr."
So ganz befriedigt mich diese These aber auch wieder nicht... Vor allem, wenn ich mir den Satz ansehe, mit dem der erste Teil des Buches endet: „Und es war wie vier kurze Schläge, mit denen ich an das Tor des Unglücks hämmerte". Normalerweise hämmert man ja an eine Tür um sich Einlass zu verschaffen. Hat Meursault mit diesen vier Schüssen das Unglück also bewusst und überlegt heraufbeschworen? Da steckt für mich irgendwas Trotziges oder Selbstzerstörerisches in diesem letzten Satz. Als habe Meursault bewusst jegliche rettende Brücke hinter sich abreissen wollen um sich endgültig von aller gesellschaftlicher Verbundenheit und Norm zu distanzieren. Eine endgültige und absichtsvolle Entfremdung.
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo ihr Lieben!
Hoffe, ihr habt die Weihnachtsfeiertage gut über die Runden gebracht :winken: ...
Um nochmals auf die Umdeutung von „gleichgültig“ zu „gleich gültig“ zurückzukommen... Wie lebt es sich eigentlich damit, wenn einem alles „gleich gültig“ erscheint? Wie kann man sich in einem solchen Falle je zu einer Entscheidung durchringen? Wenn ich mich vor die Wahl gestellt sehe: A oder B? und für beide Alternativen sprechen genauso viele Argumente dafür wie dagegen, beide Wahlmöglichkeiten folglich „gleich gültig“ sind – wird es da nicht wieder „gleichgültig“, ob ich mich für A oder B entscheide? Extreme neigen ja bekanntlich dazu sich zu berühren...
Die Entscheidung kann ob der Gleichwertigkeit von A und B geradezu verunmöglicht werden. Dann ist man wie der kauzige Mr. Bartleboom in Alessandro Bariccos Buch „Oceano Mare“, der sich ausserstande sieht, sich zwischen zwei Frauen, einer Pianistin oder einer Malerin, zu entscheiden:
Am nächsten Morgen nahm er die Kutsche nach Hollenberg: Er hatte sich für die Pianistin entschieden. Sie ist begehrenswerter, dachte er. Beim zweiundzwanzigsten Kilometer angekommen, änderte er seine Meinung: genau gesagt in Bazel, wo er ausstieg und übernachtete. Am frühen Morgen machte er sich mit der Kutsche auf den Weg nach Bad Hollen – in seinem Innersten bereits verlobt mit Anna Ancher, der Malerin –, um dann in Suzer, einem zwei Kilometer von Pozel entfernten kleinen Dorf, anzuhalten, wo er sich definitiv darüber klar wurde, dass er, charakterlich gesprochen, besser zu Elisabeth, der Pianistin, passte. In den darauffolgenden Tagen brachten ihn seine wankelmütigen Ortswechsel erneut nach Alzen, dann nach Tozer, von dort nach Balzen, anschliessend zurück bis nach Fazel und von dort der Reihe nach nach Palzen, Rulzen, Alzen (zum drittenmal) und Colzen. Bei den Leuten der Gegend war die Überzeugung herangereift, er sei ein Inspektor irgendeines Ministeriums. [...]
Oder man entscheidet sich sowohl für A als auch für B... Diese Variante scheint die „seltsame kleine Frau“ zu bevorzugen, die sich in Kapitel V (I. Teil) des „Fremden“ zu Meursault an den Tisch setzt als dieser bei Céleste zu Abend isst:
Sie hat ihre Jacke abgelegt, hat sich hingesetzt und fieberhaft die Speisekarte studiert. Sie hat Céleste gerufen und mit zugleich präziser und hastiger Stimme alle Gänge auf einmal bestellt. [...] Während sie auf den nächsten Gang wartete, hat sie [...] eine Zeitschrift mit dem Rundfunkprogramm der Woche aus ihrer Tasche gezogen. Mit grosser Sorgfalt hat sie nacheinander fast alle Sendungen angekreuzt.
Die Angst vor Fehlentscheidungen oder weil einem alle Wahloptionen gleich verführerisch erscheinen, führt in diesem Falle dazu, dass man kritiklos einfach alles wählt...
Oder – noch eine Möglichkeit – man macht es wie der Hund von dem Heinrich von Kleist erzählt... Leider finde ich die betreffende Stelle nicht mehr, kann sein, dass es sich um einen Auszug aus einem seiner Briefe handelt... Jedenfalls scheint Kleist für mehrere Tage in einer Pension logiert und sich dabei mit dem Schäferhund der Wirtin angefreundet zu haben. Als er eines Morgens zu einem Spaziergang aufbrechen will, sieht er den Hund faul im Hof herumliegen und ruft ihn zu sich, damit dieser ihn begleite. Voller Vorfreude springt der Hund in die Höhe. In demselben Augenblick lehnt sich die Wirtin aus dem Küchenfenster und ruft ebenfalls nach dem Hund. Was nun?... Das arme Tier blickt unentschlossen zwischen Kleist und der Besitzerin hin und her, setzt seine Schritte mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung. Eine Weile lang setzt sich dieses Zaudern fort, dann legt sich das Tier – auf halber Strecke zwischen Kleist und Wirtin... – einfach hin und schläft ein.
Unfähig sich zwischen zwei Alternativen zu entscheiden, weil sowohl die Aussicht auf einen Spaziergang mit Kleist als auch das Pflichtgefühl gegenüber der Besitzerin sich als „gleich gültig“ erweisen, entscheidet sich der Hund für ein neutrales Drittes und legt sich schlafen.
In der Ethologie nennt man ein solches Benehmen „Übersprungverhalten“: „In Konfliktsituationen wird bisweilen ein Verhalten gezeigt, das für keine der beiden miteinander in Konflikt stehenden Tendenzen relevant zu sein scheint.“ (Thomas Städtler: Lexikon der Psychologie) – Was das Alles mit Camus und dem „Fremden“ zu tun hat, weiss ich freilich auch nicht. Scheint, ich bin wiedermal vom Thema abgekommen... :smile:
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Nightfever"In der Diskussion haben wir dann festgestellt, dass Meursault nicht im üblichen SInne des Wortes "gleichgültig" ist - Camus nimmt eine Umdeutung der Gleichgültigkeit (frz l'indifference) vor - sondern ihm ist alles "gleich gültig". [...] Meursault beschreibt alles mögliche, die Sonne, das Meer, die Natur, die Straße... vielleicht ist es ihm wirklich mehr oder minder gleich gültig? D. h. er hat/entwickelt eine Offenheit für die Welt um ihn herum.
Das mit der Umdeutung von "gleichgültig" zu "gleich gültig" finde ich einen echt genialen Gedanken. - Auf verquere Art gefällt mir diese distanzierte Beobacherhaltung, die Meursault seiner Welt entgegenbringt; er zieht keine voreiligen Schlüsse, fällt keine überstürzten Urteile, was sehr erfreulich ist wie ich finde. Wie z.B. im Falle des alten Salamano, der ständig über seinen räudigen Hund stänkert und ihn ausschimpft:
Céleste sagt immer, "Es ist ein Jammer", aber im Grunde kann es niemand wissen.
Im Grunde kann es wirklich niemand wissen - als ihm der Hund abhanden kommt, vermisst der Alte ihn jedenfalls. Auf seine Art scheint er also glücklich mit ihm gewesen zu sein...
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Ich frage mich, ob der Held des Romans wirklich konsequent ist in seiner Gleichgültigkeit? – „Der Fremde“ scheint mir eine Ich-Erzählung mit Tagebuchcharakter zu sein:
Heute ist Mama gestorben[...]
[...] heute ist Sonnabend.
Heute habe ich im Büro viel gearbeitet [...]
Camus hätte die einzelnen Erzählpassagen, wie in einem richtigen Tagebuch, ohne weiteres auch mit Datum und Uhrzeit versehen können. Einen Menschen aber, dem wirklich alles gleichgültig ist, kann ich mir aber nicht anders als verstummt vorstellen. Beweist nicht die Tatsache, dass Meursault sein Leben für wichtig genug nimmt, um davon zu erzählen, es zu protokollieren, noch nicht völlig abgestumpft sein kann? Wenn ihm alles egal wäre, wozu dann die ganze Mühe?
Für Einen, dem gesellschaftliche Normen belanglos erscheinen und dem der Tod der eigenen Mutter kalt lässt ist es nur konsequent, wenn er, anstatt die Fassade des trauernden Sohnes aufrecht zu erhalten, bereits am Tage nach deren Beerdigung baden und sich amüsieren geht. Nicht konsequent ist es aber, dass er dennoch nicht darauf verzichtet einen schwarzen Schlips und eine Trauerbinde zu tragen (die er sich zudem für diesen Zweck extra noch von einem Freund ausborgen muss...).
Ein Minimum an gesellschaftlichen Spielregeln scheinen also trotz Indifferenz Wert eingehalten zu werden.
Konsequent erscheint es mir, wenn er auf die Frage seines Flurnachbarn, ob er dessen „Kumpel“ sein wolle antwortet, das sei ihm egal oder wenn er auf die Frage der Frau, mit der er eben geschlafen hat, ob er sie denn liebe, erwidert, dass ihm das nicht so scheine und überdies sowieso nichts bedeute. Inkonsequent hingegen, wenn er auf den Vorschlag, in ein Bordell zu gehen, mit der Begründung ablehnt, dass er das nicht mag oder sich weigert die Polizei zu holen, weil er diese ebenfalls nicht mag. Von einem, dem alles egal ist sollte man doch erwarten, dass er auch keine speziellen Vorlieben und Abneigungen mehr hat...
Mir scheint, als sei Meursault erst auf dem Wege dazu, sich der Gesellschaft zu entfremden. Noch ist er noch nicht so gleichgültig und fremd wie der Romantitel vermuten lässt.
Bin gespannt, wie es weitergeht.
Liebe Grüsse
riff-raff
Zitat von "nimue"schön, dass die Leserunde nun doch noch zustande kommt! Ich trage sie für den 29.01.2005 in den Leserunden Kalender ein, ja?
Hallo nimue!
Von mir aus gerne. Danke!
Liebe Grüsse
riff-raff
Hallo zusammen!
Zitat von "Nightfever"@all: Tja, wie wär's dann, wenn wir Ende Januar so langsam anfangen? Jeder kann sich ja beim Lesen seine Zeit ein bisschen so einteilen, wie es am besten passt und dann beginnen wir Ende Januar mit der Diskussion.
Stimme mit Georg überein: finde das ebenfalls einen guten Vorschlag, dem ich mich gerne anschliesse.
Herzlichst
riff-raff