Hallo Hubert,
das ist aber gar keine leichte Aufgabe, ein Gefühl zu erklären. Ih habe es dennoch einmal versucht, in Worte zu fassen.
Was macht Andreas Maier zu einem modernen Klassiker, oder besser, was wird ihn (wenn er so weiterschreibt) zu einem modernen Klassiker machen? Das ist nicht sehr leicht zu beschreiben, aber ich will es dennoch versuchen. Schließlich sagt ein Gefühl selbst noch nicht viel aus.
Ein moderner Klassiker muss meiner Ansicht nach den Zeitgeist sehr genau unter die Lupe nehmen, die wichtigen Strömungen und Gefühlslagen seiner Zeit erkennen und auch meisterhaft wiedergeben können. Besonders in Monologen und Dialogen kann dies erfolgen und gerade die sind eine Domäne, ein Schwerpunkt, in Andreas Maiers Werk. Er trifft, sei es in “Wäldchestag”, “Klausen” oder “Kirillow” die Gefühlslage und dabei sogar noch den Nagel auf den Kopf. Was in diesen Büchern zusammengeredet wird, kommt mir, wenn auch verdichtet und überspitzt, vertraut vor. Diese Maierschen Konversationen sind mehr, als nur Phantasiegebilde. So und so wird täglich geredet, alles ist glaubhaft und so oder ähnlich von mir gehört worden. Maier verfällt aber nicht der Darstellung von Phrasen oder oberflächlichem Geplauder. Alles hat Tiefgang und Bedeutung und ist in den Geschichten notwendig verwoben. Auch der Stil ist dem angepasst. Was Maiers Helden da reden, birgt immer auch Maiers Hoffnung, die Leser(innen) mögen, jede(r) für sich oder gemeinsam, handeln
Weiterhin sollte ein Klassiker die kulturelle Tradition, das Überlieferte pflegen, zumindest nich verwerfen und auch hier trat Maier gekonnt aus Thomas Bernhards Schatten, diesen nicht verleugnend, sondern auf diesem mit eigenem Stil und eigenen Geschichten fundierend und den neuen Ton, den eigenen Ausdruck findend. In seinem neuen Buch findet sich der Dostojewskij-Bezug und auch Verweise auf literarische und philosophische Vorbilder Maiers wurde in allen seinen Büchern eingestreut.
Bei allem sollte ein Klassiker eine Konsistenz und gleichbleibenden hohen Schreibstil in seinem Werk aufweisen, was Andreas Maier bisher in seinen drei Romanen beispielhaft gelang. Die Werke gleichen sich und sind doch anders. Unverkannbar tragen sie die Handschrift Maiers und sind untereinander doch, besonders thematisch, sehr verschieden.
Große Bücher, oder Klassiker schlechthin, sollten die Gesellschaft, zumindest den Zeitgeist provozieren können, sich nicht vor Ablehnung oder Angriffen dieses Geistes, in welcher Erscheinung er auch daherkommt, scheuen. Und auch hier halt sich Maier nicht nur wacker und redegewandt, sondern ich sehe in seinem neuesten Roman “Kirillow” einen radikaler werdenden Schriftsteller. Es würde zu weit gehen, was Maier im Einzelnen oder im Zusammenhang angreift, aber so einiges und einige bekommen ihr Fett ab, werden ironisch bis offen angegriffen. Dabei lehnt sich Maier zurück und lässt seine Protagonisten reden, was das Zeug hält. Maier ist der eigentlich Unbeteiligte und lässt doch keinen Zweifel an seiner Weltsicht, und auch vor offenen Ekelbekundungen schreckt Maier nicht zurück. Das Werke, wie die Maiers die Leserschaft und Gesellschaft bei der Lektüre und in der Rezeption polarisieren, spricht für und nicht gegen ihn.
Bücher der Klassiker sollten auch morgen und übermorgen noch interessieren, ich denke, meine Kinder werden sich noch an Maier erfreuen und dass einige der von Maier angesprochenen Gesellschaftprobleme diese noch mehr berühren werden als uns, ich nenne hier beispielhaft nur die Naturschutzproblematik, davon bin ich überzeugt!
Jetzt habe ich doch wieder aus dem Gefühl heraus geschrieben, obwohl ich gerade dies vermeiden wollte…
Grüße,
FA