Beiträge von Evelyne Marti

    Liebe Tenar,


    danke für das Verständnis, hab leider beruflich gerade viel los. Aber trotzdem bleibe ich dran. Was mir noch spontan dazu einfällt bei den beiden Brüdern, ist die unterschiedliche Zuwendung, die sie genossen haben. Der eine wurde überbehütet und der andere vernachlässigt. Gerade diese zwei Aspekte werden im Jugendstrafrecht als typische Auslöser für jugendkriminelle Karrieren genannt, da sie beide schädlich sind für eine gesunde Entwicklung zum jungen Erwachsenen. Die beiden Brüder waren ja beide auf ihre jeweils eigene Art kriminell. Die Überbehütung des Hauptprotagonisten hat dazu geführt, dass er später eine übertrieben starke Naivität und Gutgläubigkeit entwickelte, die ihn in größter Desillusionierung auf impulsive Weise aus der Bahn warf, während der vernachlässigte Bruder von vornherein keinerlei Vertrauen in sein Umfeld entwickeln konnte aufgrund der fehlenden Liebeszuwendung durch den Vater und selbstsichernd kriminell auf pathologische Weise überrational vorging.


    Dieses Grundmotiv der beiden Brüder gibt es schon mehrfach in der Bibel, Kain und Abel, Esau und Jakob, Josef und seine Brüder. Die beiden Brüder stellen zwei Seiten von Kriminalität dar, nämlich diejenige aufgrund von unkontrollierter Impulsivität oder dann die kalte, empathielose Ratio. Der eine wird zur äußerlich antisozialen Persönlichkeit und der andere zum scheinbar angepassten Narzissten und Psychopathen. Beide stellen die Gegenpole einer fehlgesteuerten Emotionsregulation dar (überschießend impulsiv und unkontrolliert bzw. gegenpolig verdrängt-zwanghaft kontrollierend). Schiller entwickelt ihre Verläufe auf Kausalitäten, wo im Prinzip auch eine veränderte innere Haltung aufgrund der Willensfreiheit den Handlungsverlauf hätte spontan verändern können. Aber das geschieht hier nicht. Auch dort, wo scheinbar ein inneres Erkennen stattfindet, werden diese Momente immer von dazutretenden Personen angestoßen.

    Hallo,


    bei mir kam beruflich etwas dazwischen, bin also noch am Lesen. Schillers Räuber hat mich aber bereits dazu angeregt, mich eingehender mit der Rechtsphilosophie und der Frage nach der Willensfreiheit zu befassen. Wie sehr waren die Protagonisten determiniert durch ihre Lebensumstände und wo fängt genau der freie Wille an? Dazu gibt es sehr unterschiedliche philosophische Auffassungen. Schiller legt sehr viel wert auf die deterministische Sichtweise, eigentlich sehr "naturwissenschaftlich" und modern gedacht angesichts der neuesten Ergebnisse der Neurologie. Ich persönlich würde die Willensfreiheit in einem unterschiedlich deterministisch gegebenen Rahmen intuitiv und logisch für naheliegend halten. :smile:


    Monolith, wie läuft es bei Dir?

    Hey,


    das Buch liegt bei mir auf dem Schreibtisch. Hab auch schon Videos von ihm gesehen. :zwinker:


    Und ich bin bekennende Spirituelle wie Kafka, Thomas Mann, Gustav Meyrink, Hermann Hesse und viele mehr. Ich fühle mich ganz wohl in der Gesellschaft. :breitgrins:


    Tut mir Leid.
    Ich bin halb durch den 2. Akt und lese langsam weiter. Mir fällt nur gerade nichts gescheites ein und daher habe ich gehofft, dass jemand anders die Diskussion eröffnet. Wie weit seit ihr?


    Ah, ich hab das mit dem "langsam" so verstanden, dass Du nicht gleich starten kannst. Deshalb wartete ich noch. Ich schlage mal vor, wir geben Anfang März ein erstes Feedback. :smile:

    Willkommen zurück, Monolith!


    Freut mich, dass Du in der Leserunde mitmachen willst! :klatschen:


    Wie geht es bei Dir zeitlich?


    Das Ganze hat sich verzögert, aber ich persönlich bin immer noch interessiert an der Leserunde. Wie es bei Tenar läuft, kann ich nicht sagen, aber Zeit hab ich ihr wahrlich gelassen. :breitgrins:

    Wunderkind würde ich nicht sagen. Ich war nicht in allen Fächern so gut. Aber ich komme aus einer Künstlerfamilie und wurde von meinen Eltern sprachlich und künstlerisch gefördert, wofür ich meinen Eltern sehr dankbar bin. In den naturwissenschaftlichen Fächern war ich deutlich schwächer.

    Hallo ihr!


    Wie es der Zufall will, beschäftige ich mich gerade mit dieser Frage, welche hochrangige Literatur als existenziell und lebensverändernd empfunden wird von Lesern und woran sich das festmacht.


    Ich nenne jetzt nur die Autoren, die bei mir neben ihrem literarischen Aspekt den Rang eines Lebenshilfe-Buches errangen, die ich deswegen auch mehrfach weiterempfahl, auch an Nichtleser. Das wären: Bibel, Gustav Meyrink, Hermann Hesse. Im psychologischen Bereich: Paul Tournier.


    Ansonsten lässt sich sagen, dass gewisse Autoren in meiner Kindheit präsent waren, neben der Bibel z. B. Goethe oder Jeremias Gotthelf. Mit 10 trug ich Goethe vor der Klasse vor und genoss die Zweideutigkeit in den Texten, womit ich die verdutzten Erwachsenen überraschte und irreführte. Da fühlte ich mich irgendwie überlegen, weil ich das wirklich gut drauf hatte. Weiter gab es in der Bibliothek meiner Familie einen Riesenband von Auszügen der Literaturnobelpreisträger. Dort schmökerte ich auch schon sehr früh. In der Schule war ich auch immer sehr interessiert an Hochliteratur, nervte aber öfter durch meine Interpretationen, weil ich das "Geheimnis" der Texte zu früh lüftete und der Lehrer dafür eigentlich eine volle Stunde veranschlagte. Für mich war der Deutsch-Unterricht stets wie ein investigativer Krimi der Literaturenträtselung. Meine konservativen Eltern legten Wert auf hochrangige Literatur, sodass ich gleich damit einstieg. Ein Glück für mich. So kam ich auf den Geschmack. :smile:

    Das ist nicht Dein Ernst, oder? Für mich sind diese Befindlichkeitsbeichten eher ein Zeichen von Dekadenz ... :breitgrins:


    Also ohne Psychologie geht´s nicht beim Textverständnis der Klassiker. Ich sehe das eben eher aus Autorensicht: Gerade die klassischen Autoren sind wahre Zauberer, wenn es darum geht, solche unbewussten Regungen der Seele einzufangen und psychologisch aufzufächern. Es ist also immer eine Frage, wie jemand damit umgeht und was er daraus macht. :zwinker: