Beiträge von Kaspar


    In 181e meint Pausanias, man müsse es gesetzlich verbieten, Kinder zu lieben, um nicht so viel Liebe auf ein Wesen zu verschwenden, von dem man gar nicht weiß, ob es sich tüchtig oder schlecht entwickeln werde.


    Im ersten Moment dachte ich: naja, es geht darum, dass man ein Kind nicht lieben sollte (wohlgemerkt: erotisch), weil es noch ohne Vernunft ist und damit eine vernunftgemäße Form der Liebe nicht möglich ist. Ein Verdikt gegen Pädophilie also. Eine moderne Variante dieses so verstandenen Arguments kenne ich von David Finkelhor über den Informed Consent, der in der Kindesmissbrauchsdebatte eine zentrale Rolle spielt.


    Doch merke ich, wie leicht man moderne Argumente in einen alten Text hineinliest; wohl steht das so gar nicht drin! Du hast recht: Pausanias argumentiert damit, dass man seine Liebe nicht an jemand verschwenden sollte, von dem man nicht weiß, in welche Richtung er sich entwickelt! Das ist etwas grundlegend anderes als eine Warnung vor der Liebe zu unvernünftigen Kindern, denen man etwa eine erotische Liebe noch nicht zumuten möchte, also das zeitgenössische Denken über diesen Punkt.


    Darin wird mir wieder einmal deutlich, welche Kluft zwischen dem antiken und dem modernen Denken herrscht!


    Ich zitiere die Stelle, die es tatsächlich in sich hat:


    Zitat

    Es sollte aber auch ein Gesetz sein, nicht Kinder zu lieben, damit nicht aufs Ungewisse hin so viele Bemühungen verwendet würden. Denn bei den Kindern ist der Ausgang ungewiß, wo es hinaus will, ob zur Schlechtigkeit oder Tugend der Seele und des Leibes.

    (181e-182a)


    Würde man nicht gerade sagen, dass man ein Kind dazu anleiten sollte, zum Guten und zur Tugend zu gelangen? Wäre das nicht ein Sokratischer Standpunkt - ganz im Gegensatz zu Pausanias? Und das setzt m.W. Sokrates auch an. Ich denke also auch, dass diese "Argument" von Pausanias faul ist. Es steht dem "Sokratischen Eros" diametral gegenüber. Ein weiterer Hinweis darauf, dass in der Rede von P. Widersprüche lauern.


    Zitat

    182a habe ich nicht verstanden. Wer sagt, dass es hässlich sei, Liebenden zu Willen zu sein, und wieso?


    Nunja, um es in klarem Deutsch zu sagen (daher kommt die Redeweise auch), weil es - auch im antiken Griechenland - schändlich war, "den Arsch hinzuhalten". z.B.: Ein in flagranti ertappter Liebhaber durfte vom Ehemann mit einem Rettich, in den Hintern gesteckt, bestraft werden ;) - neben dem Schmerz war die Schande die eigentliche Entehrung.


    Vornehmer ausgedrückt: Es gibt eine Diskussion von Foucault und Dover auf der einen und Davidson auf der anderen Seite, bei der es um die Frage der analen Penetration geht in der Einschätzung der gr. Päderastie. Diese Textstelle ist einer der Streitpunkte. Anal penetriert zu werden, war eine Schande, aber der Eromenos musste es wohl mehr oder weniger, und die Einstellung zu diesem "wunden Punkt" sollte nach Foucault den gesamten Sittenkodex der antiken Päderastie ausgebildet haben. (vgl. M. Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 2, Eine problematische Beziehung) Wieso? Weil es nicht männlich ist, so Foucault.

    Die Diskussion hier, die bislang ohne Argumente ausgekommen ist (denn keiner hat bislang gesagt, was falsch / schlecht usw. ist an dieser Verfilmung und Gründe angeführt), bringt mich doch auf eine Frage: was erwartet man sich eigentlich von einer Literaturverfilmung?


    Macht man's akribisch wie weiland Peter Wirth, dann isses pedantisch. Macht einer was ganz anderes, dann isses zu weit weg vom Original. Sicher, Der Tod in Venedig von Visconti ist unübertroffen als Verfilmung. Doch: Was erwartet man eigentlich von einer Literaturverfilmung?


    Ich erwarte, dass ich 2 Stunden gut unterhalten werde und das Buch noch erkennen kann. (Ich brauche nicht ein eigenständiges Kino-Kunstwerk.) Das ist dem Film gelungen genauso wie etwa dem Parfüm von Tom Tykwer oder Running with Scissors von Ryan Murphy oder auch dem Zauberberg von Geißendörfer.


    Dennoch enthält das Festhalten am athenischen Maß gegenüber den Unmäßigkeiten der Doofen (Böotier) und Geilen (Ionier) ein Element von Wahrheit.


    Diese pointierte Gegenüberstellung beleuchtet einen eigenartigen Punkt der Knabenliebe, der mir bislang noch nicht bewusst war; er ist aber im Text hier nur am Rande interessant.


    Die Böotier sind ungebildete Leute ("doof"), daher erlauben sie die Knabenliebe im Übermaß.
    Die Ionier sind wegen ihrer Nähe zu den Barbaren selbst unmäßig ("geil"), daher verachten sie Gymnastik und Wissenschaft, also die griechischen Errungenschaften (was nicht stimmt, denn gerade die Wissenschaft kommt aus Ionien).


    Dennoch, die Gegenüberstellung finde ich interessant:
    - Die Ungebildeten frönen im Übermaß der Knabenliebe;
    - die Unmäßigen, Verweichlichten (so nicht im Text, ich ergänze das) verbieten die Knabenliebe.


    Wäre nun Knabenliebe (wie später im Mittelalter / Neuzeit bis 20.Jhr; aber auch schon in einer Rede des Dio von Prusa Or. 7 im 2. Jh n.Chr. und selbst der greise Platon in den Gesetzen) der Ausdruck einer unmäßigen Sexualität, dann müssten die Ionier (die "Geilen") ihr besonders huldigen, dort aber ist sie verboten. Dagegen huldigen ihr besonders die "primitiven" Völker in Griechenland. In ihr scheint also - nach Pausanias - eher etwas Ursprüngliches zu liegen als etwas Dekadentes.


    Wie gesagt, nur eine Nebenbemerkung. Ich wollte sie lediglich der Menschheit nicht vorbehalten ;)

    Knabe:
    Ich möchte erst einmal weitergehen und dann auf deine Fragen eingehen, da ich den folgenden Beitrag ohne Linsen ins Forum geschrieben habe.


    Ein bisschen scheue ich mich, an die komplizierten sozialen Regelungen der athenischen Werbung von Jungen heranzugehen. Denn im ersten Moment erscheint mir das als reine Folklore, mehr oder weniger korrekt, d.h. also ein "bloß" historischer Bericht. Hat diese Beschreibung auch noch systematischen Wert für den Text? Wie immer, wenn ich unsicher bin, versuche ich den Text in eigenen Worten zu rekonstruieren ("phänomenologisch" Knabe :breitgrins:) und schaue dann, was er enthält für die Frage nach dem Eros.


    Also den Text kurz gefasst (182d-185c).


    Zuvor die Bemerkungen zu denjenigen Poleis, in denen die Knabenliebe verpönt ist (182b-c), weil sie unmäßig sind (Ionier), und den Poleis, wo die Knabenliebe im Übermaß herrscht, weil die Leute dort zu blöd sind (ich verweise hier auf den Topos des "böotischen Schweins" bei Pindar, glaube ich). Die Verhältnisse in Athen liegen dazwischen. Und was unterscheidet sie von beiden Extremen? Sie sind nicht unmäßig. (Diese Überlegung folgt ein wenig der von Foucault, Sexualität und Wissen.)


    Doch jenseits von Foucault zum Text selbst!


    Der athenische Eros also ist:
    - öffentlich (182d)
    - auf den Besten, nicht den Schönsten gerichtet (182d)
    - der Erast darf sich lächerlich machen, z.b. vor der Tür lagern (s. später Penia, 203d, womit ja doch ein Wahrheitsbezug hergestellt wird!)
    - die Götter haben den Erasten alle Freiheiten eingeräumt
    - Aber: die Leidenschaften der Erasten werden gedämpft von den Vätern, Pädagogen und Kameraden der Eromenoi (183c; s.a. den letzen Absatz im Lysis)
    - Beständigkeit wird angestrebt (184a)
    - durch diese sozialen Kräfte und Gegenkräfte ("Jagen" und "Fliehen", s. auch Jagd-Motiv bei Sokrates in Xen.Mem.) wird die schöne Weise des Eros durchgesetzt:
    --- auf Seiten der Liebenden als Prüfung
    --- auf Seiten der Geliebten als die richtige Weise der Ergebenseins, nämlich durch Tugend (184c)
    Hierdurch erst ergibt sich ein Gleichgewicht, ein Maß also (184e), dieses ist es, was Eros Urania ausmacht (185b-c)


    Ich würde sagen, das kommt dem Sokratischen Gedankengut schon sehr nahe, hat aber noch Macken, dh. Widersprüche, die ich darin sehe:
    - die Orientierung an der Tugend vergisst die erotische Erregung / Leidenschaft
    - die angestrebte Beständigkeit kann natürlich nach Ideenlehre nur eine scheinbare sein, sie entkommt dem Werden und Vergehen nicht
    - die Schönheit des Geliebten wird suspendiert durch seine Tugendhaftigkeit; aber doch ist es die Schönheit des Jungen, der den Eros auslöst.


    Ergebnis:
    Die Darstellung der athenischen Sitten durch Pausanias kommt der Wahrheit schon recht nahe, trifft sie aber nicht, weil das Wesen von Eros hier noch nicht erfasst ist. IMO wird Eros zu einer Tugendangelegenheit "verniedlicht" bzw "erhöht", der Eros als Begierde, als Leidenschaft wird suspendiert, dessen "dunkle" Seite also. Dennoch enthält das Festhalten am athenischen Maß gegenüber den Unmäßigkeiten der Doofen (Böotier) und Geilen (Ionier) ein Element von Wahrheit.

    Zu dem Argument des Pausanias, die schön Liebenden seien auch den Tyrannen abhold, gibt es viele Anekdoten. Zwei greife ich heraus.


    1. Eine Anekdote des Phanias aus Eresos:
    In der unteritalischen Stadt Herakleia hatte sich Antileon in einen Knaben aus vornehmster Familie, namens Hipparinos, verliebt. Trotz aller Bemühungen gelang es ihm aber nicht, sich die Gunst des Knaben zu erwerben. In den Gymnasien war er beständig an seiner Seite, ihm immer wieder beteuernd, wie sehr er ihn liebe und daß er ihm zuliebe jedweder Mühe sich unterziehen und jeden seiner Wünsche ihm von den Augen ablesen wolle. So sagte ihm denn der Knabe aus Mutwillen, er solle aus einem von Archelaos, dem Beherrscher von Herakleia, streng bewachten Orte die Glocke herbeischaffen, da er überzeugt war, daß der Liebende dieses gefährliche Wagestück nicht werde ausführen können. Antileon aber schlich sich heimlich an die Wachtposten heran, tötete den an der Glocke Diensttuenden und brachte die erbeutete Glocke dem Knaben, der ihn mit offenen Armen aufnahm und seitdem auf das freundschaftlichste behandelte. Nun geschah es aber, daß der eben genannte Regent nach dem Knaben verlangte, was den Antileon natürlich sehr betrübte, da jener Macht genug hatte, seine Wünsche auch zu verwirklichen. Um seinen Knaben aber nicht in Gefahr zu bringen, riet er ihm, er solle scheinbar auf die Wünsche des Tyrannen eingehen. Er selbst aber lauerte dem Tyrannen auf und tötete ihn. Danach ergriff er die Flucht und wäre auch sicherlich entkommen, wenn er nicht durch eine ihm auf der Straße begegnende Schafherde aufgehalten worden wäre. Da nun durch den Tod des Tyrannen die Stadt freigeworden war, errichtete man dem Antileon und seinem Knaben Standbilder und erließ das Gesetz, daß künftig keine Schafherden durch die Straßen getrieben werden dürften.


    2. Oder die berühmte Geschichte von Harmodios und Aristogeiton:
    Der Athener Tyrann Hipparch versuchte, die Freundschaft zwischen den beiden Freunden zu zerschlagen, weil er selbst auf Harmodios, den Jüngeren der beiden, scharf war. Als ihm dies nicht gelang, beleidigte er Harmodios' Schwester öffentlich. Darauf beschlossen die Freunde, Hipparch sowie seinen Bruder Hippias umzubringen, beides Söhne des Peisitratos und damit auch Tyrannen von Athen. Sie erschlugen Hipparch, doch Hippias entkam. Harmodios wurde im Verlauf des Attentats getötet, während Aristogeiton gefoltert und auf der Akropolis hingerichtet wurde.
    Quellen: Herodot VI.123, Thuk. vi.54 ff, Arist. Ath.Pol. XVIII.1-6, Athen. 695a-b

    Nochmal zu einem Punkt in deinem Beitrag, den ich übersehen habe:


    Zitat

    Den gewöhnlichen Menschen aber ist es egal, ob sie auf schöne Weise lieben oder nicht.! (181b)


    Es scheint offenbar so, dass der "irdische Eros" die ethische Schönheit (...auf schöne Weise...) suspendiert. Damit fällt auch die schöne Weise des Liebens nicht mit dem himmlischen Eros zusammen, sondern ist unabhängig davon, denn es ist ja wohl möglich, dass die "Gemeinen" auf schöne Weise lieben, nur ist es ihnen eben wurscht. Währenddessen der himmlische Eros einen Anreiz gibt, auf schöne Weise zu lieben (181a). So steht also die Schönheit des Liebens irgendwie "neben" der Pausanias'schen Unterscheidung der beiden Gottheiten und zeigt IMO umso mehr ihre Brüchigkeit.



    Und nochmal zur Götterverdoppelung: wir werden später in der Sokratischen Rede etwas über die Doppelnatur des Eros hören, aber ganz anders als P. Ich würde also diese Verdoppelung so sehen: sie weist in eine richtige Richtung, bringt aber selbst noch nicht den wahren Sachverhalt hervor.


    Bist du inzwischen auf eine Lösung gekommen? Was meinst du eigentlich? "Schön" im optischen Sinn, oder? Oder in einem moralischen? Bis jetzt dachte ich, dass Eros Pandemos bloß die Schönheit eines Körpers begehre. [...]
    Wie kann eigentlich ein auf vulgäre Weise Liebender schön lieben? Das war wohl deine Frage? Ich würde spontan sagen, gar nicht... aber vielleicht erhellen weitere Teile der Rede Pausanias' diese Schwierigkeit.


    Du schreibst von gewissen Unklarheiten innerhalb dieser Rede. Ich möchte die aufnehmen. In der Tat ergeben sich keine klaren Linien in Pausanias’ Rede.


    1.
    Zunächst würde ich einmal festhalten, dass auch Aphrodite Pandemos (bzw. ihr Sohn Eros; hier wird Eros ja als Sohn gehandelt und nicht als Ur-Kraft wie bei Phaidros) eine Göttin ist, gleichwohl ist sie "gemein", also „irdisch“ (pandemos: im Volk). Als Göttin ist sie himmlisch; so entsteht hier ein offensichtlicher Widersinn: die gemeine, irdische A. ist himmlisch genauso wie die himmlische. Dito Eros. Der Eros bei Phaidros und der Eros bei Pausanias sind also ganz unterschiedliche Charaktere.


    2.
    Was die Schönheit betrifft, so geht doch Pausanias wesentlich über das sichtbar Schöne hinaus:

    Zitat

    Mit jeder Handlung nämlich verhält es sich so: an und für sich selbst ist sie zu verrichten weder schön noch häßlich. Wie was wir jetzt tun, trinken, singen, sprechen, davon ist nichts an und für sich schön; sondern wie es in der Ausübung gerät, so wird es. Denn schön und recht gemacht wird es schön; unrecht aber wird es schlecht.


    Nun werden Handlungen als schön bezeichnet, und sie werden verknüpft mit der "rechten Weise". Es wird dann ein schönes Lieben von einem unschönen Lieben getrennt.

    Also, was Pausanias sagt, trifft wohl etwas Wichtiges: Schönheit liegt nicht nur in Gestalten, sondern auch in Handlungen. Schönheit geht über das Sichtbare hinaus.


    Also, die "Gemeinen" lieben Frauen und Knaben, dann mehr den Körper als die Seele (aber doch beides, nur eben den Körper mehr!), dann mehr die Unverständigen, weil man die besser rumkriegen kann. All das kommt von der irdischen Aphrodite her, die doch in Wahrheit auch eine himmlische Göttin ist. Das passt also nicht ganz, auch darin, dass die himmlische Liebe rein männlich ist. Da wir in der ganzen Männerrunde die höchsten Weihen der Liebe durch den Mund einer Frau (Diotima) hören, wird dieser Ansicht hierdurch von Platon widersprochen.


    Auch die Ausführung über die Knabenliebe ist widersprüchlich. Denn im Grunde redet P. von der Liebe unter Männern (Androphilie) und nicht von der Päderastie (Knabenliebe) (181d-e). Das ganze P.'sche Argument verwirrt sich also darin, dass die dem himmlischen Eros Folgenden, also die Päderasten, gerade eben nicht Päderasten sein dürfen, weil diese Liebe eben nicht himmlisch sein kann (wegen der Unvernunft der Jungen).


    So zeigen sich innerhalb der Rede des P. Widersprüche, die er mit seinem Doppelkonstrukt nicht lösen kann. Man könnte versuchen, dieses Interpretationsmuster von der Widersprüchlichkeit auch auf den Rest der P'schen Rede anzuwenden.


    Aber zweifellos „bleibt“ eine Errungenschaft dieser Rede: dass Schönheit auch eine ethische Dimension hat, wie denn überhaupt die Schönheit erst bei ihm als Topos auftaucht (bei Phaidros wird sie nur am Rande erwähnt). Und eine weitere Errungenschaft wird folgen, wenn wir im weiteren Verlauf die komplizierten Sitten in Athen betrachten.


    Des weiteren werde ich auch auf die Figuren eines Paares achten: von welcher Seite spricht P. vor allem: vom Erasten oder vom Eromenos aus? Phaidros hat seine Rede ganz auf den Erasten ausgelegt.


    Grüße
    Kaspar

    Da ich inzwischen vor gar nichts mehr zurückschrecke: ich bin dabei! Immerhin war Stefan George ein großer J-P-Verehrer, in dessen Werk sah er den Titan an vorderster Stelle, und hat nicht Gustav Mahler seine 1. Sinfonie danach untertitelt? Das sind doch schon mal gute Adressen.


    "Was gottgeliebt, ist gottverhasst"... Quelle versuche ich morgen zu finden.


    Ich habe mal kurz nachgeschaut, konnte aber nichts Entsprechendes finden. Hat aber auch nichts mit der gr. Götterverdoppelung zu tun.


    Doppelungen gr. Götter, die ich kenne:
    Dionysos, der Weingott vs. Dionysos-Zagreus, der Omophag
    Artemis als grausame Göttin, aber auch Behüterin der Frauen; sie ist Jungfrau, andererseits Fruchtbarkeitsgöttin.
    Ihr Bruder Apollon: Gott der schönen Künste (Musagetes) und der Heilung, aber auch einer, der die Pest bringt.
    Poseidon: Gott des Meeres und der Pferde (verstehe ich als unterschiedliche Herkünfte bzw. Quellen dieses Gottes)


    Zitat

    Und du siehst die Ursache im "unheilvollen Einfluss" des Christentums? Das Christentum gewährt die Sexualität, nur ist der Ort für deren Auslebung die Ehe... körperliche Liebe, wenn die geistige mit dabei ist, ist, wie ich die christliche Lehre verstehe, durchaus edel zu nennen.


    Ehe als notwendiges Übel, damit die Männer nicht noch "schlimmere Unzucht" begehen:

    Zitat

    Es ist dem Menschen [wohl: dem Manne] gut, daß er kein Weib berühre. Aber um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen Mann. [...] Solches sage ich aber aus Vergunst und nicht aus Gebot. Ich wollte aber lieber, alle Menschen wären, wie ich bin.


    (Paulus 1. Kor. 1-7)


    Die Ehe ist also so etwas wie ein Zucht- und Zähmungsinstrument, mithin das kleinere Übel.


    Aber bitte: die Bemerkung zum Christentum war absolut nebensächlich und berührt das Platonische Gastmahl überhaupt nicht. Ich ziehe also meine Bemerkung zurück.^^ Im Bedarfsfall können wir via PN darüber weiterdiskutieren.

    Ich möchte gerne weitermachen und den [url=http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,2905.msg34701.html#msg34701]Beitrag von Knabe[/url] aufgreifen. Also nach deinem Vorschlag bis 181c, was vor allem die Doppelung des Eros betrifft. Den Übergang mit den "weiteren Reden" hatten wir schon behandelt.


    Was ich in meinem letzten Beitrag angerissen hatte - den körperlichen und den "seelischen" Aspekt der "Liebe" - wird hier auf den Punkt gebracht: eine himmlische, nämlich schöne Art der Liebe, und eine gemeine, nämlich hässliche Art der Liebe. Wobei meine Unterscheidung körperlich/seelisch diese Unterscheidung ja gar nicht mal trifft - erst durch den unheilvollen Einfluss des Christentums kann es zu einer solchen Gleichsetzung kommen! Die Unterscheidung des Pausanias ist anders: pandemos ist die unedle, urania die edle Erscheinungsweise des Eros. Ich war also :redface: voreilig und widerspreche dieser Interpretation!


    Zunächst einmal möchte ich zurückrudern und auf die Manie der Zweiteilung im griechischen Pantheon kommen: Apollon wurde zweigeteilt, auch Dionysos (als Zerfleischer und als beseligender Weingott) und wohl auch viele andere Götter. (Im Janus wurde die Doppelgesichtigkeit direkt dargestellt, das war allerdings eine römische Erfindung.) Doppelgesichtige Gottheiten waren offenbar nichts Ungewöhnliches, kein Wunder bei der bunten griechischen Götterwelt, wo jede Region ihren eigenen Gott hatte. Also ist Doppelung nichts Ungewöhnliches.


    "Wir" (nämlich: wir heutzutage) sind oft geneigt, Körper/Seele (Seele bzw Geist) zu trennen und damit das Edle auf die Seele, das Gemeine auf den Körper zu projizieren. Doch muss eines befremden: die Aphrodisia, die Sachen der Aphrodite, die entsprechen eher dem, was wir heute unter "Sex" verstehen; Eros war für das gesamte Liebesgeschehen zuständig, das Seele und Körper umfasste. Offenbar ist edel/gemein anderer Art als seel./körp., denn auch Aphrodite wird zweigeteilt. Ich stelle das mal als Kreuztabelle dar, wobei ich verkürzt "geistig" schreibe, aber seelisch mitmeine (Systematiker bin i^^):
    [pre]
    |körperlich | geistig
    -------+------------+----------
    gemein | |
    -------+------------+----------
    edel | |
    [/pre]
    Es gibt also eine gemeine Weise der körperlichen Liebe wie auch eine edle Weise der körperlichen Liebe und so alle 4 möglichen Weisen der Liebe (nicht zu unterschlagen die unendlichen Zwischenstufen!).


    Zur Unterscheidung der beiden Aphrodites auch Xenophon in seinem Symposion:

    Zitat

    Ob es übrigens nur Eine Afrodite giebt, oder ob ihrer Zwey sind, die durch die Namen, Urania und Pandemos unterschieden werden, kann ich nicht sagen: das aber weiß ich daß jede ihre eigenen Tempel und Altäre hat, und daß der Pandemos geringere, Uranien hingegen reinere Opfer gebracht werden. Auch ließe sich vermuthen, Pandemos schicke uns die Liebe zu schönen Körpern, Uriana hingegen die Liebe für schöne Seelen, Freundschaft und edle Handlungen zu.

    (Xen.Symp.8)


    Und es ist m.M.n. wichtig, dass es nur die edle Art schafft, als schön zu gelten:

    Zitat

    Mit jeder Handlung nämlich verhält es sich so: an und für sich selbst ist sie zu verrichten weder schön noch häßlich. (180e)


    Und dann:

    Zitat

    Wie was wir jetzt tun, trinken, singen, sprechen, davon ist nichts an und für sich schön; sondern wie es in der Ausübung gerät, so wird es. Denn schön und recht gemacht wird es schön; unrecht aber wird es schlecht. So auch das Lieben und der Eros; nicht jeder ist schön und wert, verherrlicht zu werden, sondern nur der uns anreizt, schön zu lieben.


    Ist das nicht eine großartige Darstellung und liegt so weit über dem, was wir hier und da, ich führe das nicht weiter aus, lesen können? Wer könnte denn annehmen, Platon stelle nur etwas dar, was irgendwelche Leute dachten und nicht, was er selbst vertrat? Es gibt also Weisen der körperlichen Liebe, die edel sind: Das Edle ist vom Körperlichen nicht abgekoppelt. Und es gibt Weisen der unedlen geistigen Liebe!


    PS: Beim Durchlesen dieses Beitrags bin ich noch einmal stutzig geworden über meine Beziehung von edel (himmlisch) und schön, den ich 1:1 herstelle. Darüber möchte ich nochmal nachdenken! Ist wirklich nur Eros Urania ein Anwärter auf das Schöne? Hat Eros Pandemos daran nicht teil?


    Ich glaube, das Wort eros kommt im Neuen Testament nicht ein einziges Mal vor.


    Das kann ich mir lebhaft vorstellen, und das zeigt erneut die Schwierigkeit, ein Wort wie Eros zu übersetzen. Zweifellos trennt agape den körperlichen vom "seelischen" Aspekt der Liebe, Eros erfasst wohl die Ganzheit von Liebe und lässt niemals die körperliche Seite außen vor. Trotzdem würde ich Eros nicht mit unserem modernen Begriff "Sex" gleichsetzen, denn über die reine Geschlechtlichkeit hinaus umfasst Eros den Aspekt des Werbens, des Wertschätzens, der Freundschaft, der Verliebtheit. Das alles ist im Begriffsumfang von "Sex" nicht enthalten.


    Ich stelle mir vor, dass Hingabe eine mögliche Übersetzung von Eros wäre, darin käme auch die Asymmetrie des Erotischen zum Tragen: offenbar gibt es in Liebesdingen immer einen Liebenden und einen Geliebten (m wie w), und die romantische Vorstellung zweier sich Liebender ist eher Ideal denn Realität.


    Was ich noch aus Phaidros' Rede lerne, ist, dass ich "Eros" nie mit "Liebe" gleich setzen sollte. Den Satz aus 180b, der besagt, dass der Liebende göttlicher sei als der Geliebte, könnte man schön christlich interpretieren.


    Jetzt wird es aber interessant! Wie denn das? Dass etwa (der jüdisch/christliche) Gott uns liebt und daher diese Liebe göttlich ist? Oder in Form der Agape, die in der Tat mit Eros wenig zu tun hat?


    Ich interpretiere 180b ganz einfach: der, der liebt, hat den Eros (also den Gott) in sich, gerade eben deshalb, weil er liebt und weswegen er liebt.


    Was um alles in der Welt könnte er mehr tun als lieben?


    Erstens finde ich im Übergang 180c eine erneute Äußerung über die mündliche Überlieferung des Symposions merkwürdig:


    Merkwürdig, weil solche Informationen sehr nebensächlich scheinen, sodass man sich als Leser vielleicht fragt: Wozu erwähnt er das?


    Das habe ich mich auch schon gefragt. Es waren mehr Personen am Gastmahl beteiligt als die erwähnten Redner. Auch von einer Rede des Aristodemos hört man nichts. A. sagt, er könne sich nicht mehr an die anderen Reden erinnern. Das hebt natürlich die aufgezeichneten Reden aus dem "allgemeinen Brei" heraus. Die 5 Nicht-Sokrates-Reden haben also eine herausragende Bedeutung für die Wahrheit über den Eros, sie sind nicht einfach beliebige Meinungen, sondern ragen in ihrer Bedeutung heraus.


    Daher darf man sie keinesfalls beiseite schieben als Ornament, sondern sie haben ein eigenes Gewicht, das allerdings erst durch Sokrates ins richtige Licht gerückt wird.

    Und noch einmal kurz zur Phaidros-Rede, bitte entschuldigt meine paar Tage geistiger Abwesenheit.


    Knabe erwähnt den Satz: "denn etwas Göttlicheres ist der Liebende als der Geliebte" (180b), und den halte ich in der Tat für die Essenz dieser Rede.


    Ich interpretiere diese einzelnen Reden so, dass wir als Leser etwas daraus erfahren können und erfahren im Hinblick auf die Wahrheit des Eros. Daher sehe ich sie nicht als Geplänkel an oder als Potpourri zeitgenössischer Meinungen zur Erotik bzw. Päderastie, sondern als - noch fehlerhafte - Meinungen zum Thema, die jedoch schon Kerne der (bald beschriebenen) Wahrheit abgeben. Für die Rede des Phaidros würde ich nun 3 Punkte ansetzen:


    So sehe ich also die Resultate dieser Rede:
    - der Eros ist im Liebenden
    - der Eros geht auf die Schönheit
    - göttlicher ist der Erast, weil in ihm der Gott wohnt


    Das deutet - im Gegensatz zu unserer heutigen Auffassung von Liebe - auf eine asymmetrische Eros-Struktur hin: es gibt Liebende (Erasten) und Geliebte (Eromenos). Erst die Figur des Anteros, die m.W. im Symposium nicht erscheint, führt zu einer Auffassung von Gegenliebe. Was Phaidros dagegen hält, ist die Ehre des Liebenden, die Telemachos erwähnt.


    Telemachos:
    Ich schließe mich Knabes Frage an:

    Wieso erscheinen dir die von Phaidros herangezogenen Mythen nicht in sich schlüssig?

    Gewissermaßen leicht "out of discussion" lasst mich rein informationsmäßig 2 Punkte in der Phaidros-Rede noch mal aufhellen.


    1. Der Mythos um Alkestis-Admetos:

    Zitat

    a. Alkestis, die schönste der Töchter des Pelias, wurde von vielen Königen und Prinzen zur Gemahlin begehrt. Pelias, der seine politische Stellung nicht durch Absagen verschlechtern wollte und doch nicht in der Lage war, mehr als einen zufriedenzustellen, verkündete, daß er Alkestis dem Manne zur Frau geben würde, der ein wildes Schwein und einen Löwen einjochen, vor seinen Wagen spannen und mit ihnen um den Rennplatz fahren könnte. Da rief Admetos, der König von Pherai, Apollon zu sich, der ihm auf Befehl des Zeus ein Jahr lang als Hirt diente, und fragte ihn: "Habe ich dir den Respekt, der dir, dem Gott zukommt, erwiesen?" "Dies hast du in der Tat", bestätigte Apollon, "und ich zeigte dir meine Dankbarkeit, indem ich alle deine Mutterschafe Zwillinge werfen ließ." "Als letzten Gefallen dann", bat Admetos, "hilf mir, die Bedingungen des Pelias zu erfüllen und Alkestis zu gewinnen." "Dies werde ich gern tun", erwiderte Apollon. Herakles half ihm, die wilden Tiere zu zähmen. Sofort trieb Admetos seinen Wagen, gezogen von diesem wilden Gespann, um den Rennplatz zu Iolkos.
    b. Man weiß nicht, warum Admetos das Opfer an Artemis vor seiner Heirat mit Alkestis vernachlässigte; doch die Göttin strafte ihn schnell. Als er, vom Weine erhitzt, mit wohlriechenden ölen gesalbt und mit Blumen bekränzt, bei Nacht das Brautgemach betrat, schreckte er entsetzt zurück. Statt der lieblichen, nackten Braut erwartete ihn auf seinem Ehelager ein sich windender Haufen zischender Schlangen. Da entfloh der entsetzte Admetos und rief Apollon um Hilfe an. Dieser setzte sich für ihn bei Artemis ein. Das versäumte Opfer wurde dargebracht, und alles ging seinen Gang. Apollon erhielt von Artemis sogar das Versprechen, daß Admetos, wenn sein Tag käme, vom Tode verschont bleiben würde, sollte ein Mitglied seiner Familie aus Liebe zu ihm freiwillig sterben.
    c. Dieser schreckliche Tag kam früher, als Admetos erwartet hatte. Eines Tages flog Hermes zu seinem Palast und rief ihn zum Tartaros. Großer Kummer erfüllte alle; aber Apollon erwirkte noch eine Gnadenfrist für Admetos, indem er die drei Schicksalsgöttinnen trunken machte. So hielt er die tödlichen Scheren, die Admetos' Lebensfaden durchtrennen sollten, auf. Eilends lief Admetos zu seinen alten Eltern, umschlang ihre Knie und bat sie, ihm den Rest ihrer Tage zu schenken. Doch beide weigerten sich, da sie noch viel Freude vom Leben erwarteten, und rieten ihm, sich wie jeder andere mit der ihm zugewiesenen Lebenszeit zufriedenzugeben.
    d. Da nahm Alkestis aus Liebe zu Admetos Gift, und ihr Geist stieg hinab zum Tartaros. Aber Persephone betrachtete dies als einen üblen Betrug, denn eine Frau sollte nicht anstelle ihres Gatten sterben. "Zurück mit dir in die Oberwelt!" schrie sie erbost.

    (aus: Ranke-Graves, Griechische Mythologie, S.201f)


    2. Achilles’ Weissagung, die er von seinem Ross Xanthos hatte:

    Zitat

    Xanthos, warum mir den Tod weissagest du? Solches bedarf's nicht!
    Selber weiß ich es wohl, daß fern von Vater und Mutter
    Hier des Todes Verhängnis mich hinrafft. Aber auch so nicht
    Rast' ich, bevor ich die Troer genug im Kampfe getummelt!


    (Il.19.420)


    Wie gesagt, dies nur am Rande.

    Das Lesen scheint ins Stocken geraten zu sein - wo das Gastmahl doch gerade erst anfängt :eis:


    Nun also zur 1. Rede, die des Phaidros 178a-180c


    Als erstes wird die Herkunft des Eros erwähnt: er gehört zu den ältesten Göttern.


    Dann wird auf die Größe und Bewunderungswürdigkeit des Eros angespielt. Dies wird anhand der Beziehung von Erastes und Eromenos verdeutlicht: das größte Gut, das Eros umfasst ist:
    (a) die Scham vor dem Schändlichen
    (b) das Bestreben nach dem Schönen


    (a) hat eine politische Bedeutung: vor dem Geliebten schämt sich ein Liebender am meisten, wenn er Schändliches tut (178d-e), dito der Geliebte


    (a) hat auch eine militärische Bedeutung: Ein Heer aus Liebenden. Ursprünglich habe ich über eine solche Vorstellung gelacht, so à la schwule Bundeswehr. Tatsächlich gab es aber in Griechenland solche Bestrebungen, so vor allem die Heilige Schar von Theben:

    Zitat

    Die "heilige Schar" bildete, so heißt es, zuerst Gorgidas aus dreihundert auserlesenen Männern, die auf der Kadmeia lagerten und von der Stadt Ausrüstung und Verpflegung erhielten. Daher hießen sie die Schar von der Burg (Polis); denn für Akropolis sagte man damals gewöhnlich einfach Polis. Einige sagen, daß diese Schar aus Liebhabern und Geliebten bestanden habe, und es wird ein Scherzwort des Pammenes überliefert: er sagte, der Nestor Homers sei kein guter Taktiker mit seiner Weisung, die Griechen sollten sich nach Stämmen und Geschlechtern ordnen, besser solle man den Liebhaber neben den Geliebten stellen. Denn Stammes- und Geschlechtsgenossen fragten nicht viel nacheinander in der äußersten Not, eine in Liebesfreundschaft zusammengeschlossene Schar aber sei unauflöslich und unzerreißbar, wenn die einen aus Liebe zu ihren Geliebten, die anderen aus Scham vor ihren Liebhabern, einer für den andern in der Gefahr ausharrten. Und das ist nicht erstaunlich, da sie ja auch bei Abwesenheit voreinander mehr Scham empfinden als vor anderen, die anwesend sind, wie jener Mann, der, niedergeworfen, den Feind, der im Begriff war, ihn zu töten, anflehte, ihm das Schwert durch die Brust zu stoßen, "damit", so sagte er, "mein Geliebter sich nicht schämen muß, wenn er mich mit der Todeswunde im Rücken liegen sieht". [...]
    Diese heilige Schar hatte Gorgidas auf die ersten Glieder verteilt und innerhalb der ganzen schwerbewaffneten Phalanx in die vorderste Reihe gestellt, womit er die besondere Tapferkeit der Männer nicht zur rechten Geltung kommen ließ und ihre Kraft nicht zu einer gemeinsamen Tat vereinte, da sie aufgelöst und unter die Masse der Minderwertigen aufgeteilt war: Nachdem. aber ihre Tapferkeit bei Tegyrai durch ihren glorreichen, heldenhaften Kampf ins rechte Licht gerückt worden war, verteilte Pelopidas sie nicht mehr, noch riß er sie auseinander, sondern verwendete sie als Einheit und setzte sie, bei den bedeutendsten Kämpfen am entscheidenden Punkte ein. Denn wie die Pferde im Gespann zu zweien schneller laufen, als wenn sie einzeln geritten werden, nicht weil sie durch den stärkeren Druck der größeren Menge die Luft leichter durchschneiden, sondern weil der Wetteifer miteinander und der Siegeswille den Mut befeuert, so glaubte er, daß die Tapferen, wenn einer dem andern den Wetteifer zu rühmlichen Taten einflößte, am brauchbarsten und am bereitwilligsten zu gemeinsamer Leistung sein würden."


    (Plut.Pelop.18-19)


    Eine Anekdote von Plutarch verdeutlicht die Funktion der Scham:

    Zitat

    Ein anderer war in der Schlacht gestürzt, das Gesicht zur Erde, und der Gegner war im Begriff, ihm den Todesstoß zu geben; da bat er ihn, ein wenig zu warten, damit sein Geliebter ihn nicht mit einer Wunde im Rücken sähe.

    (Plut.Erot. §17)


    Die Funktion der Scham hatte also tatsächlich politische bzw militärische Kraft.


    - aber ich fürchte, Jean Paul liegt mir mit seiner barocken Sprache dann eher doch nicht... - außer der "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei" habe ich noch nie mehr als zwei Seiten bei Jean Paul ausgehalten...


    Das spricht mir aus der Seele. Ich hatte einmal diesen Schulmeister wie er auch heißen mag angefangen, er steht immer noch im Regal, aber ich muss zugeben, dass ich wütend geworden bin während der Lekture, eine dumpfe Aggression ist in mir hochgestiegen, so dass mehr als 20 Seiten nicht rumgekommen sind, bevor ich geplatzt wäre und das Buch in Stücke gerissen hätte. Das passiert mir selten! Ich weiß auch nicht genau, warum eigentlich... Ich empfand die Schreiberei als... es ist schwer in Worte zu fassen... arrogant in höchster Weise. Etwa so.


    Aber die Italienische Reise: da wäre ich sofort dabei!