In 181e meint Pausanias, man müsse es gesetzlich verbieten, Kinder zu lieben, um nicht so viel Liebe auf ein Wesen zu verschwenden, von dem man gar nicht weiß, ob es sich tüchtig oder schlecht entwickeln werde.
Im ersten Moment dachte ich: naja, es geht darum, dass man ein Kind nicht lieben sollte (wohlgemerkt: erotisch), weil es noch ohne Vernunft ist und damit eine vernunftgemäße Form der Liebe nicht möglich ist. Ein Verdikt gegen Pädophilie also. Eine moderne Variante dieses so verstandenen Arguments kenne ich von David Finkelhor über den Informed Consent, der in der Kindesmissbrauchsdebatte eine zentrale Rolle spielt.
Doch merke ich, wie leicht man moderne Argumente in einen alten Text hineinliest; wohl steht das so gar nicht drin! Du hast recht: Pausanias argumentiert damit, dass man seine Liebe nicht an jemand verschwenden sollte, von dem man nicht weiß, in welche Richtung er sich entwickelt! Das ist etwas grundlegend anderes als eine Warnung vor der Liebe zu unvernünftigen Kindern, denen man etwa eine erotische Liebe noch nicht zumuten möchte, also das zeitgenössische Denken über diesen Punkt.
Darin wird mir wieder einmal deutlich, welche Kluft zwischen dem antiken und dem modernen Denken herrscht!
Ich zitiere die Stelle, die es tatsächlich in sich hat:
ZitatEs sollte aber auch ein Gesetz sein, nicht Kinder zu lieben, damit nicht aufs Ungewisse hin so viele Bemühungen verwendet würden. Denn bei den Kindern ist der Ausgang ungewiß, wo es hinaus will, ob zur Schlechtigkeit oder Tugend der Seele und des Leibes.
(181e-182a)
Würde man nicht gerade sagen, dass man ein Kind dazu anleiten sollte, zum Guten und zur Tugend zu gelangen? Wäre das nicht ein Sokratischer Standpunkt - ganz im Gegensatz zu Pausanias? Und das setzt m.W. Sokrates auch an. Ich denke also auch, dass diese "Argument" von Pausanias faul ist. Es steht dem "Sokratischen Eros" diametral gegenüber. Ein weiterer Hinweis darauf, dass in der Rede von P. Widersprüche lauern.
Zitat182a habe ich nicht verstanden. Wer sagt, dass es hässlich sei, Liebenden zu Willen zu sein, und wieso?
Nunja, um es in klarem Deutsch zu sagen (daher kommt die Redeweise auch), weil es - auch im antiken Griechenland - schändlich war, "den Arsch hinzuhalten". z.B.: Ein in flagranti ertappter Liebhaber durfte vom Ehemann mit einem Rettich, in den Hintern gesteckt, bestraft werden - neben dem Schmerz war die Schande die eigentliche Entehrung.
Vornehmer ausgedrückt: Es gibt eine Diskussion von Foucault und Dover auf der einen und Davidson auf der anderen Seite, bei der es um die Frage der analen Penetration geht in der Einschätzung der gr. Päderastie. Diese Textstelle ist einer der Streitpunkte. Anal penetriert zu werden, war eine Schande, aber der Eromenos musste es wohl mehr oder weniger, und die Einstellung zu diesem "wunden Punkt" sollte nach Foucault den gesamten Sittenkodex der antiken Päderastie ausgebildet haben. (vgl. M. Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 2, Eine problematische Beziehung) Wieso? Weil es nicht männlich ist, so Foucault.