Ich gehe mal weiter im Text vor bis zur 1.Rede. Wie Knabe schon schrieb, ist es etwas untertrieben zu behaupten, auf Eros sei kein Loblied verfasst worden. Dann ein Seitenhieb auf sophistische Vielwisserei (Nutzen des Salzes), wobei man die wesentlichen Dinge vergisst.
Vielleicht ist das folgende etwas überinterpretiert, könnte aber schon ein subtiler Hinweis auf spätere Argumente enthalten (177d):
ZitatIch denke nämlich, es muß nach der rechten Hand in der Reihe herum ein jeder von uns eine Lobrede auf den Eros halten, so schön er nur kann.
Eros hat ja mit der Schönheit zu tun, eine Eloge auch. Nüchtern sollen die Leute sein, das haben wir erfahren, und nach der rechten Ordnung (rechtsherum) den Eros preisen. Es wird also eine rechte Ordnung der schönen Rede verlangt, so der verkürzte Sinn des Satzes. Sokrates, das wissen wir ja alle, vertritt die Position der Vernunft. Doch nun folgt eine überraschende Enthüllung des Sokrates auf den Fuß dieser Anweisung zur Geschäftsordnung:
Zitat...der ich zugebe, auf nichts anderes als auf die Liebesangelegenheiten mich zu verstehen
Kennt man nicht Sokrates als "Vernünftler", als Dialektiker? Und plötzlich stellt er sich als alten Erotiker vor. Sokrates als Lustgreis? (Erinnert mich an die berüchtigte Fehlinterpretation der Schrift Socrates sanctus paederasta von J.M. Gesner durch Voltaire, die in Akademikerkreisen des 18.Jh. zu Heiterkeit geführt hat. :smile:)
Sokrates stellt sich auch im Dialog Theages als Erotiker vor (128b):
ZitatIch möchte es freilich wohl, aber ich sage ja das auch selbst immer, daß ich, mit einem Wort zu sagen, nichts verstehe außer nur eine kleine Kunst, die Liebeskunst. In dieser Kunst glaube ich stärker zu sein als irgend einer sowohl von den ehemaligen als den jetzigen.
Ähnlich im Menon 76c. Oder im Lysis 204c: "Übrigens wohl mag ich schlecht sein und wenig nutz; dieses aber ist mir so von Gott verliehen, daß ich gleich erkennen kann Liebende sowohl als Geliebte." Offenbar kommen in Sokrates zwei Charakterzüge zusammen: der Vernunft und der Erotik. Mehr nicht darüber an dieser Stelle.
Auch wieder "phänomenologisch" die Sitzordnung des Gastmahls, von links nach rechts:
[pre]Phaidros/? =>
x unbekannte Pers. =>
Pausanias/? =>
Aristophanes/? =>
Eryximachos/Aristodemos =>
Agathon/Sokrates[/pre]
Das "/" soll anzeigen, wer mit wem auf einem triclinium liegt. Später quetscht sich noch Alkibiades zwischen Agathon und Sokrates.
Und noch eine Zusatzinfo, die nicht auf meinem Mist gewachsen ist: die päderastischen Liebschaften innerhalb dieser Gruppe! Nein, es geht nicht um Tratsch und Klatsch, sondern vielleicht um einen Zugang zur Interpretation.
- Pausanias (Erastes) und Agathon (Eromenos):
"Auf den nächsten Polstern um ihn her saßen Pausanias der Kerameer, und neben ihm ein noch kaum halb erwachsener Jüngling schöner und edler Natur, wie ich glaube, von Gestalt aber gewiß sehr schön, mich dünkt gehört zu haben, daß man ihn Agathon nannte, und es sollte mich nicht wundern, wenn er der Liebling des Pausanias wäre." (Prot 315c) Vlg. auch Athen. 5.216, Xen.Symp. 4, ganz deutlich: Symp 193b.
- Eryximachos (Erastes) und Phaidros (Eromenos):
"...Wenn jemand zu deinem Freund Eryximachos käme..." (Phaidr. 268a). Sie tauchen oft gemeinsam auf: Prot. 315c ("Um ihn herum saßen auf Bänken: Eryximachos der Sohn des Akumenos, und Phaidros der Myrrhinusier,"), Symp.177a
- Alkibiades und Sokrates:
"Woher erscheinst du uns, Sokrates? Oder versteht es sich von der Jagd auf des Alkibiades Schönheit?" (Prot. 309a)
- Aristophanes: kein Liebesverhältnis, war "hetero"