Ich wärme das Thema einfach nochmal auf, weil ich erst gerade darüber gestolpert bin.
Ich hatte in meiner Schulzeit auch gute und schlechte Deutschlehrer, wobei die schlechten bis mäßigen zahlenmäßig deutlich in der Überzahl sind: vier eher schlechte, eine, die an guten Tagen wirklich gut sein konnte und einen, der für mich bis heute der Prototyp eines guten Deutschlehrers ist. Was er anders gemacht hat, als die schlechten? Er war einfach vollkommen vernarrt in Literatur und Sprache, voller Begeisterung dabei, zudem enorm unterhaltsam und ein wandelndes Lexikon und außerdem ein gutes Beispiel dafür, dass Motivation bei Lehrern nichts mit dem Alter zu tun haben muss, denn er ging ein Jahr nach meinem Abitur in Rente, weil ihm das mit 65 nahegelegt wurde (er selbst hätte gerne noch ein paar Jahre weiter unterrichtet). Bei der Auswahl der Lektüren hat er garnicht erst versucht, die Texte an den Schülerinteressen anzupassen, sondern einfach die Bücher genommen, an denen er selbst die größte Freude hatte und uns Schüler durch seine eigene Euphorie quasi gezwungen, die Texte auch interessant zu finden :zwinker: Beispielsweise erinnere ich mich an eine Begebenheit, als ein Mitschüler mehr oder weniger lustlos eine Passage vorlesen musste. Unser Lehrer ist förmlich explodiert, weil es seiner Ansicht nach eines gebildeten Menschen vollkommen unwürdig sei, eine so bedeutende Passage - die vielleicht wichtigsten Sätze des XX. Jahrhunderts - derart gelangweilt dahin zu plempern (nicht übertrieben, so pathetisch hat er sich gerne mal ausgedrückt).
Das hatte natürlich auch zur Folge, dass die Texte, die ich in der Schule gelesen habe, vom allgemeinen Schulkanon z.T. deutlich abweichen (z.B. haben wir Das Amulett von C.F. Meyer oder Sansibar oder der letzte Grund von Andersch gelesen). Ich habe meinen ehemaligen Lehrer vor einiger Zeit zufällig nochmal getroffen, ein bißchen mit ihm geredet (so unter angehenden Kollegen :zwinker: ) und ihn gefragt, warum wir nicht auch mal bekanntere Sachen, wie beispielsweise Goethes Faust gelesen haben. Seine Antwort war überraschend, wie schlüssig: Den Faust kennt doch eh jeder vom Titel her und jeder weiß auch, dass der irgendwie wichtig ist, also kann auch jeder auf die Idee kommen, den mal eigenständig zu lesen. Aber es gibt so viele andere gute Bücher, die nicht im Quizshow-Allgemeinwissen vertreten sind, dass es sich doch wohl lohnt, gerade solche im Schulunterricht zu behandeln, um zu zeigen, dass die deutsche Literatur nicht nur aus Goethe, Eichendorff und Grass besteht...
Zumindest bei mir hats gewirkt :smile:
Aber um auf die eigentliche Frage zurück zu kommen:
Ich glaube schon, dass der Deutschunterricht einen nicht gerade geringen Einfluss auf das Leseverhalten der Schüler hat. Vielen verhagelt er das Interesse an Literatur wohl auch auf lange Zeit vollständig. Vermutlich herrscht auch die Angst vor, auch bei der privaten Lektüre immer nach Alliterationen und Hyperbeln suchen zu müssen :zwinker: und allgemein ist die Lektüre klassischer Werke vielen einfach nicht als positive Erfahrung im Hinterkopf geblieben.
Hinzu kommt aber sicher auch, dass es inzwischen eine Vielzahl anderer Unterhaltungsmöglichkeiten gibt, die sich einem z.T. auch leichter erschließen, als die Lektüre eines Buches. Ein Computerspiel ruft eher selten Hintergrundwissen zu geschichtlichen Daten, philosophischen Strömungen, etc. auf, sondern geht einfach fröhlich weiter.
Was aber für mich das wichtigste ist: Lesen muss mit positiven Erfahrungen konnotiert werden, sonst gibt es keinen Anreiz, es als Hobby in der Freizeit weiter zu führen. Ich habe das vor zwei-drei Jahrem bei einem guten Freund bemerkt. Er hat lange Zeit überhaupt nicht gelesen, weil das Lesen ihm einfach nichts gegeben hat (die Schullektüre mag da auch ihren Anteil dran gehabt haben). Ich hab ihn dann mit Houellebecq und Fry quasi 'geknackt' :zwinker:. Aktuell wurschtelt er sich durch Ecce Homo... Wenn das erste 'ernsthaftere' Buch direkt ein Reinfall ist, also nicht den Interessen entspricht, langatmig ist, das Lesen also alles in allem kein Genuss ist, dann überlegt man es sich wohl zweimal, ob man ein weiteres Buch zur Hand nimmt. Wenn man aber schon viele erfreuliche Leseerlebnisse hatte, dann haut einen ein mieses Buch zwischendurch nicht mehr aus der Bahn, weil man weiß, wie schön das Lesen sein kann und überdies fängt man auch an, in den verschiedensten Ecken zu schauen, wo weitere interessante Themen lauern könnten...