Beiträge von Harald

    Hallo Elahub,


    Es gibt wohl eine Übersetzung aus den dreißiger Jahren, die nicht sehr gut sein soll, und die neue im Rowohlt Verlag erschienene. Gelesen habe ich keine von beiden, aber Celine steht auf meiner (imaginären) Lesewunschliste. Allerdings werde ich die Übersetzung lesen - mein Französisch ist zu schwach für einen so anspruchsvollen Autor.


    Auf Celine bin ich übrigens durch die Comic-Version von Jacques Tardi aufmerksam geworden.


    Für Niederländisch-Anfänger würde ich De Aanslag (Das Attentat) von Harry Mulisch empfehlern, oder Oeroeg (Urug) von Hella S. Haasse. Oder auch das Tagebuch von Anne Frank.


    Gruß, Harald

    Hallo Alpha,


    Ja, eine interessante Frage. Allerdings:


    Die Frage "wozu braucht man noch Männer" läßt sich leicht ausdehnen: Wozu braucht man Menschen? Wozu wird das Leben überhaupt gebraucht? Das Leben als Ganzes betrachtet ist sinnlos. Untereinander aber brauchen Männer Frauen und Frauen Männer; das wird sich so schnell nicht ändern...


    Dein Zitat zielt mehr auf die Frage ab, welchen Kurswert als typisch männlich oder typisch weiblich angesehene Eigenschaften in unserer Gesellschaft haben. Und da kann ich dem Grundgedanken des Zitats zustimmen: In den letzten Jahrhunderten (oder Jahrtausenden? Vielleicht schon seit der neolithischen Revolution) sind sogenannten "weibliche" Eigenschaften, die ja in dem Zitat auch zum Teil genannt sind, wichtiger geworden, und im Laufe der Zeit gibt es eine Tendenz, dass die Männer eher weiblicher werden.


    Ich finde aber so verallgemeinerte Aussagen wie "Frauen sind besser als Männer" nicht sehr glücklich. Es ist ja klar, dass man sofort beliebig viele Gegenbeispiele bringen könnte. Wenn man diese Aussage aber als eine wissenschaftliche Aussage über eine bestimmte Gesellschaft, oder über die ganze Menschheit ansieht, dann muss man gewissenhaft Statistik betreiben und sehr gute Begriffsabgrenzungen haben. Da kann schnell eine Doktorarbeit draus werden... Es ist ja auch nicht leicht, zu unterscheiden, was Männer und Frauen genetisch (d.h. zu jeder Zeit und in jeder Kultur) unterscheidet und was kulturell determiniert ist. Michel Houellebecq hat ja keine vergleichende Anthropologie oder Ethnologie oder Sozialforschung betrieben, sondern seinen persönlichen Erfahrungen (oder sogar nur den Erfahrungen oder Meinungen einer seiner Romanfiguren, die ja nicht seine eigenen sein müssen) Ausdruck verliehen.


    Um aber zumindest einen Bereich zu nennen, in dem Männer offenbar den Frauen überlegen sind: Analytisches und technischen Denken... der ganze technische Bereich ist zum großen Teil Männersache. Ich arbeite selber als Softwareentwickler und habe (leider) keine einzige Kollegin. Das ist nur zum Teil durch kulturelle Prägung zu erklären. Ich bin überzeugt, dass die besondere Art zu denken, die man dazu braucht, bei Männern stärker ausgeprägt ist, etwa so wie Sprachgefühl bei Frauen besser ist. Was nicht ausschließt, dass es Frauen gibt, die auf diesem Gebiet besser sind als die meisten Männer, und umgekehrt. Ob die seit 200 Jahren immer stärker werdende Technisierung unseres Lebens letztlich zum Segen oder zum Verderben der Menschheit ausfallen wird, darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein. Man sieht aber schon an diesem Beispiel, dass die provokative Aussage, dass Männer "zu nichts nutze" seien, sich schnell von selbst erledigt.


    Nebenbei bemerkt: Gewaltverbrechen gehen, soweit ich weiß, zu 90% auf das Konto von (meist jungen) Männern. Dies ist ein echtes gesellschaftliches Problem. Aber dabei handelt es sich nicht um *die* Männer, sondern um bestimmte Gruppen.


    Fazit: In der Tendenz stimme ich zu, die Verallgemeinerung würde ich eher vermeiden.


    Gruß, Harald

    Hallo Antonio,


    Zitat von "Antonio"

    Deine Definition von Moral birgt die Gefahr des Zweckdenkens und erscheint mir daher eher als unmoralisch. Moral scheint mir nicht das zu sein, was der Staerkere (und sei es eine demokratische Mehrheit) bestimmt.


    Ich habe Moral so definiert:


    Zitat von "Harald"

    Darunter verstehe ich Verhaltensnormen, die in einer Gemeinschaft Gültigkeit haben, dort aber im Wesentlichen nicht über die Ratio begründet werden, sondern über soziale gegenseitige Kontrolle (man sagt einfach "Das tut man so" oder "Das gehört sich nicht"), die aber trotzdem rational nachvollziehbare Begründungen haben oder zumindest irgendwann einmal hatten.


    Das ist erst einmal eine reine Begriffsfestlegung, d.h. ich sage damit, dass ich mit dem Wort "Moral" genau das meine.


    Dass diese Moral mit der in Philosophie und Religion gemeinten übereinstimmt, habe ich damit nicht gesagt. Ich bin zwar der Meinung, dass es mehr oder weniger so ist, halte dies aber für diskussionswürdig.


    Für weniger diskussionswürdig halte ich die These, die ich über die Entstehung der von mir definierten Moral gesagt habe. Diese These hat eine zu große Erklärungskraft, als dass man sie verwerfen könnte. Und mit "Zweckdenken" hat diese Erklärungskraft überhaupt nichts zu tun. Die Entstehung und Entwicklung des Lebens lassen sich rein mit Ursache und Wirkung ganz ohne den Zweckbegriff erklären.


    Und natürlich ist Moral (die Moral aus meiner Definition) immer das, was sich in der Mehrheit durchsetzt. Das ist fast eine Tautologie, d.h. eine Feststellung ohne Erkenntniswert: Die Mehrheit vertritt das, was sich als Mehrheitsmeinung im Laufe der Zeit durchgesetzt hat.


    Das ließe sich noch weiter ausführen, aber wir kommen zu weit vom Thema ab. Meine Postings werden immer länger, und ich will die Diskussion hier nicht monopolisieren. Klar ist, dass Dante von solchen Gedankengängen Jahrhunderte entfernt ist.


    Die Bezeichnung "Komödie" bezieht sich meines Wissens darauf, dass die Geschichte ein gutes Ende hat (also ist es keine "Tragödie").


    Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,


    Zitat von "sandhofer"

    Ein Mystiker in seiner Ekstase sieht Himmel und Hölle, wie sie 'wirklich' sind, er sieht keine Traumgebilde! Dahinter steht auch der Gedanke, dass Gott uns ja nicht betrügt.


    Das ist eine interessante Variante, auf die ich gar nicht gekommen bin. Wenn ich Dich recht verstehe, ist es so gemeint: Der Inhalt der Vision ist nicht real (d.h. im konkreten Fall: Dante ist nicht tatsächlich in den Jenseitsreichen gewesen), aber trotzdem wahr (d.h. alles ist so, wie Dante es erlebt hat).


    Wenn man genauer darüber nachdenkt, stellt man allerdings fest, dass das nur dann funktionieren kann, wenn der Visionär passiv ist. Stell Dir folgendes Gedankenexperiment vor: Du schickst einige Tage nach Dantes Reise einen Reporter los, der genau Dantes Weg folgt, und der einige der Personen, mit denen Dante gesprochen hat, befragt: "Entschuldigen Sie, dass ich Sie bei Ihrer Buße störe, hätten sie zwei Minuten Zeit, um mir eine Frage zu beantworten... ja? Nun, kam hier vor wenigen Tagen ein Lebender vorbei, der so und so ausgesehen hat und das und das gesprochen hat...?" (wobei er exakt Dante beschreibt).


    Was wird die Antwort der Befragten sein? Wenn sie sagen "Nein, so einen haben wir nicht gesehen", dann war Dantes Vision nicht wirklich (denn in seiner Vision haben sie ihn gesehen und mit ihm gesprochen). Wenn sie dagegen "Ja, der war hier" sagen, dann muss Dante wirklich in der Hölle usw. gewesen sein.


    Mit anderen Worten: An der Frage, ob Dante physische und andere Spuren am Ort seiner Vision hinterlassen hat, entscheidet sich, ob es sich um eine Vision ohne Realität (also um reine Einbildung) oder um ein reales Geschehen handelt. Und der Grund für diese Alternative ist, dass Dante laut seiner eigenen Vision solche Spuren hinterlassen hat!


    Der einzige Ausweg, den Du aus diesem Dilemma hast, ist zu erklären, dass die Seelen ebenfalls Visionen hatten, deren Inhalt zufällig exakt mit Dantes Vision übereinstimmt. Dann wären wir bei Leibniz' Monaden mit ihrer prästabilierten Harmonie... eine gewagte Konstruktion.


    Zitat


    Wenn wir das Ganze allerdings fertig denken, müssen wir zugeben, dass wir als kleine Menschlein nicht unbedingt in allem, was der Allwissende tut, einen Sinn zu erkennen fähig sein müssen / können. Um ein doofes Beispiel zu nehmen: Begreift Dein Hund alles, was Du tust?


    Natürlich halte ich mich nicht für allwissend. Nur, das gilt auch für Dante. Und der Unterschied, der vielleicht noch zwischen Dante und mir besteht, ist doch sicher verschwindend klein im Vergleich zu dem Unterschied zwischen irgendeinem von uns und Gott (wenn man Gott voraussetzt). Wenn Du also uns Menschen die Erkenntnisfähigkeit absprichst, brauchen wir uns mit der Göttlichen Komödie nicht zu beschäftigen, da auch sie nur Menschenwerk ist.


    Nun noch eine letzte Bemerkung zum Sinn der Strafe, insbesondere der Vergeltung.


    Mein Weltbild ist in der Tat vergleichsweise modern und im Wesentlichen von den Erkenntnismethoden der Naturwissenschaften geprägt. Ich glaube daher, dass nicht nur die physischen, sondern auch die geistigen Fähigkeiten der Menschen das Ergebnis eines Selektionsprozesses sind, und dass alle geistigen Eigenschaften sich aufgrund eines Überlebensvorteils durchgesetzt haben.


    Nimm als Beispiel die Sprache und stelle Dir vor, dass zwei räumlich getrennte Völker von Jägern und Sammlern unter ähnlichen Umweltbedingungen leben, auch mit ähnlichen Eigenschaften ausgestattet sind, nur dass das eine Volk die Fähigkeit der Sprache hat. Was kann es damit anfangen? Es kann die Jagd koordinieren, Informationen über gefährliche Tiere weitergeben, beschreiben, wie man zu Wasserstellen findet, Erkenntnisse darüber, welche Pflanzen bei welchen Krankheiten hilfreich sind, weitergeben, ... mit einem Wort, es hat einen immensen Überlebensvorteil.


    So ähnlich muss man sich die Entstehung von sozialen Strukturen vorstellen. Eine Gruppe, die zusammenhält, überlebt leichter, hat mehr Nahrung und damit mehr Nachkommen, als eine Population von Einzelgängern.


    Und zu diesen sozialen Strukturen gehört auch Moral. Darunter verstehe ich Verhaltensnormen, die in einer Gemeinschaft Gültigkeit haben, dort aber im Wesentlichen nicht über die Ratio begründet werden, sondern über soziale gegenseitige Kontrolle (man sagt einfach "Das tut man so" oder "Das gehört sich nicht"), die aber trotzdem rational nachvollziehbare Begründungen haben oder zumindest irgendwann einmal hatten. Als Beispiel nenne ich diverse religiös verankerte Gebote zur Ernährung, die meistens konkrete medizinische bzw. hygienische Gründe haben oder hatten. Noch überzeugender ist vielleicht der bis heute in allen Gemeinschaften vertretene Abscheu gegenüber Verbrechen an Kindern. Eine Gemeinschaft, die ihre Kinder nicht schützt, hat weniger überlebende Nachkommen und stirbt irgendwann aus. Damit stirbt aber auch ihre (mangelhafte) Moral aus.


    Und nach dieser langen Vorrede komme ich zu dem Punkt, um den es mir geht: Auch wenn Strafe im Bewußtsein der Menschen der Vergeltung dient, schließt das nicht aus, dass die Moral der Vergeltung sich entwickelt hat, weil sie die Strafe als Regulativ in einer Gemeinschaft verankert und damit genau die Funktionen erfüllt, die für mich der Sinn der Strafe sind: Erziehung und Abschreckung, letztlich im Dienst des Überlebens der Gemeinschaft.


    Es ist mir klar, dass Dante solche Gedanken nicht haben konnte. Ich kann sie aber haben und seinen Text daran messen, solange es mir nicht um die historische Würdigung, sondern um die Brauchbarkeit des Textes für mich und heute geht.


    Übrigens oute ich mich vollends als Ketzer, wenn ich gestehe, dass meine (nur ganz knapp skizzierten) Vorstellungen von Moral als soziales Regulativ genauso auch für Religion gelten.


    Soviel für heute!


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Du hast recht, ich habe mich kategorischer ausgedrückt, als eigentlich meine Absicht war.


    Und ich sehe auch den Unterschied: Die Hölle dient Gottes Gerechtigkeit, ein Konzentrationslager ist ein Ort der Unmenschlichkeit.


    Dieser Unterschied ist aber nur im angeblichen Sinn zu erkennen, nicht in den tatsächlichen Vorgängen. Und ich sehe keinen Sinn in der Hölle, im Gegensatz zum Läuterungsberg. Auf dem Läuterungsberg weiß ich: Auch wenn ich mich 100.000 Jahre läutern muss: wenn ich an mir arbeite, werde ich jeden Tag etwas besser und komme dem Ziel jeden Tag etwas näher. Aber wozu werden die Menschen in der Hölle gequält? Diese Qual scheint mir im Gegensatz zu den Qualen auf dem Läuterungsberg völlig sinnlos. Der Sinn von Strafe ist 1. den Bestraften zur Erkenntnis und zur Besserung zu bewegen und 2. andere abzuschrecken. Beides trifft aber auf die ewige Verdammnis nicht zu. Es gibt keine persönliche Entwicklung mehr in der Hölle, keine Besserung, keine Erlösung. Und Abschreckung gibt es auch keine, da (außer Dante) nie ein Lebender in die Hölle gelangt ist.


    Um es etwas provokativ auf den Punkt zu bringen:


    Wenn <b>das</b> die Gerechtigkeit Gottes ist, dann will ich mit Gott nichts zu tun haben.


    Nun muss man sich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass für Dante und für seine Zeit eine universale sittliche Ordnung existierten. In diesem Rahmen muss man die Höllenstrafen wohl einordnen. Meine ursprüngliche Bemerkung aber zielte auf die (nicht explizit von mir formulierte) Frage ab: Was kann die Göttliche Komödie uns heute bedeuten - d.h. abgesehen vom rein historischen, geistesgeschichtlichen Interesse?


    Und da geht meine (vorläufige) Antwort eher in die Richtung: Poetisch eindrucksvoll, aber weltanschaulich nicht mehr relevant.


    Nun, darüber kann man anderer Meinung sein...


    Was meint Ihr?


    Gruß, Harald

    Hallo Steffi,


    Zitat von "Steffi"

    Erstmal glaube ich auch, dass Dante dadurch, dass er das Ganze als Wahrheit darstellt, eine viel höhere Spannung erzeugen kann.


    Mir gefällt die Formulierung "dass er das Ganze als Wahrheit darstellt". Das impliziert nämlich, dass seine Erzählung innerhalb ihrer Fiktion als Wahrheit verstanden werden will, ohne dass Dante selber an die buchstäbliche Wahrheit geglaubt hat. Das ist in etwa das, was ich die "faktische" Lesart genannt habe. Man könnte sie auch die "naive" Lesart nennen (das ist nicht abwertend gemeint). D.h. man liest Dantes Geschichte so, wie man die meisten Romane liest, sagen wir z.B. "Robinson Crusoe": Man weiß zwar, dass die Geschichte erfunden ist, liest sie aber trotzdem wie einen Tatsachenbericht.


    Ich würde allerdings nicht von "Spannung" reden, sondern feststellen, dass die realistische Illusion durch die Detailgenauigkeit besonders überzeugend wird. Dante gibt sich z.B. Mühe, den Zeitablauf korrekt darzustellen. Es sind die vielen Details, die das Gesamtbild so überzeugend machen.


    Zitat

    Da Dante das aber auch eher emotionslos schildert


    Das ist mir nicht ganz klar... Dante schildert jedenfalls seine eigenen Emotionen sehr lebhaft. Zu Beginn ist er so erschüttert, dass er in Ohnmacht fällt. Später vergießt er Tränen über einzelne Schicksale, schämt sich seiner Neugier, verliert auf dem Grund der Hölle beinahe die Selbstkontrolle vor Wut usw.


    Zitat

    Aber während der 2. Stufe fällt mir doch vermehrt auf, dass immer mal wieder ganz vorsichtige Kritik geübt wird


    Das habe ich nicht verstanden. Wer übt welche Kritik an wem? Leider habe ich den Text im Moment nicht vorliegen.


    Gruß, Harald

    Hallo alle und insbesondere Sandhofer,


    Ich würde gerne etwas Begriffsklärung betreiben.


    Zitat von "Sandhofer"

    'Real' ist etwas, das ich wirklich erlebt habe, 'realistisch' etwas, das so wirkt, wie wenn es 'real' wäre / sein könnte.


    Ja, genau diese Unterscheidung habe ich gemeint. Es gibt aber noch eine weitere Unterscheidung. Stellt Euch vor, jemand träumt, in Bonn (wo ich wohne) vor dem Rhein zu stehen. Er will hinüber. Also nimmt er Anlauf und springt auf die andere Seite.


    In diesem Fall ist der Traum real (er hat wirklich geträumt), aber der <b>Inhalt</b> des Traums ist <b>nicht</b> real, denn tatsächlich ist er nicht über den Rhein gesprungen. Der Inhalt des Traums ist nicht einmal realistisch, denn man kann nicht bei Bonn über den Rhein springen - selbst dann nicht, wenn man viel Anlauf nimmt... :-) Trotzdem kann der Traum als Traum eine große Bedeutung haben - z.B. ein Ausdruck dafür sein, dass der Träumende ein großes (psychisches) Hindernis überwindet.


    Zitat von "Sandhofer"

    Was für mich z.B. auch in 'real' enthalten ist, sind 'Erlebnisse' wie 'Visionen'


    Deshalb hier die Frage: Meinst Du, dass die Visionen als Visionen real sind oder das, was Du in der Vision zu sehen/zu erleben glaubst?


    Und jetzt zurück zu Dante: Wenn es Dantes Absicht war, die Göttliche Komödie als eine Art "reale" Vision oder Traum darzustellen, d.h. selbst innerhalb der Fiktion des Textes davon auszugehen, dass alles sich nur in seiner Psyche abspielt, was bleibt dann von der großartigen Schilderung der drei Jenseitsreiche? Wir hätten es dann nur mit den Einbildungen eines Mannes zu tun, und die Gestalten in der Hölle z.B. wären dann nur eine Projektion seines Hasses oder seiner Verachtung (was sie in Wirklichkeit wahrscheinlich sind, aber nicht innerhalb der Fiktion!!!).


    Und jetzt noch einige weitere Überlegungen (ihr seht, das Thema lässt mir keine Ruhe ;-)): Es liegt in der Natur eines Kunstwerkes, dass es auf verschiedene (nicht kompatible) Weisen interpretiert werden kann. Unterschiedliche Interpretationen haben ihre Berechtigung und schließen sich nicht gegenseitig aus, selbst wenn sie einander widersprechen. Das unterscheidet Kunst von Wissenschaft.


    Und noch einen Schritt weiter: Auch die Frage, was der Künstler mit dem Kunstwerk gemeint hat, ist von der eigentlichen Interpretation losgelöst zu betrachten. Anders gesagt, wir haben das Recht, uns bei der Interpretation nach unserem Koordinatensystem zu richten und nicht nach dem des Künstlers. So hat z.B. die Deutung der Hölle als Konzentrationslager ihre prinzipielle Berechtigung (hallo Hubert), auch wenn ganz klar ist, dass Dante das so nicht gemeint haben kann.


    Die Frage, was der Dichter selbst gemeint hat, ist für sich natürlich ebenso berechtigt, aber da sie sich auf den psychischen Zustand des Dichters zur Zeit der Abfassung der Dichtung bezieht, ist sie eine eher biographische Frage. Die Bedeutung des Kunstwerkes hängt davon nicht ab, denn vielleicht steckt viel mehr darin, als dem Künstler je bewußt war!


    Man findet überhaupt häufig bei Dichtern die Behauptung, dass die Dichtung eine Art Eigenleben führt, ja dass sie sich nur des Dichters bedient, um ins Leben zu gelangen, gewissermassen den Dichter für ihren eigenen Lebenswillen ausnutzt. Z.B. hat Goethe gesagt (ich zitiere aus dem Gedächtnis etwas salopper, als Goethe es wohl formuliert hat):


    "Die Deutschen sind lustige Leute. Da fragen sie mich, was der Faust bedeuten soll. Ja woher soll den <b>ich</b> das wissen?"


    Zurück zur Göttlichen Komödie: Einige Interpretatoren vertreten wohl die Vorstellung von übereinander geschichteten Lesarten:


    1. Die "faktische" Lesart: Es handelt sich um reale Ereignisse: Ein 35jähriger Mann verläuft sich im Wald, findet den Eingang zur Hölle, steigt mit Hilfe einer Seele (Vergil) hinab usw.


    2. Die "psychologische/symbolische" Lesart: Es handelt sich um die allegorische Darstellung eines Lebensschicksals: Ein Mann verstrickt sich in Sünden, gelangt durch Hilfe des Verstandes (Vergil) allmählich zur Erkenntnis der Sünden und der Strafen, die diese (schon im wirklichen Leben) nach sich ziehen, läutert sich durch diese Erkenntnis und durch seinen Willen zum Guten und zu Gott allmählich und wird schließlich durch die Liebe (Beatrice) erlöst.


    3. Die "mythische/religiöse" Lesart: Es handelt sich um die Darstellung des menschlichen Schicksals schlechthin, also um nichts weniger als die Bestimmung der Menschheit.


    In keiner dieser drei Lesarten handelt es sich um Visionen oder Träume!


    Gruß, Harald

    Hallo Hafis,


    Zitat

    zu purgatorium 1, zeile 24 schreibt mein kommentar, daß seit adam kein menschliches auge den südhimmel gesehen habe. Die nachfahren von adam und eva hätten also sich über die nordhalbkugel verteilt, während auf der südseite durch den höllensturz luzifers der läuterungsberg enstanden sei.


    Das mag die Sicht aus der Fiktion der christlichen Mythologie sein, meine Frage zielte aber auf die tatsächlichen Verhältnisse ab. Tatsächlich gab es Adam und Eva nicht, es gibt auch keinen Läuterungsberg und keinen Luzifer. Daher noch einmal die Frage: Gab es zu Dantes Zeit Kenntnis von Europäern, die die Südhalbkugel erreicht hatten?


    Ich komme eben nicht über die Präzision von Dantes physikalischem Weltbild hinweg. Die Kugelgestalt der Erde, die Tatsache der Zeitzonen, die Zeitverschiebung zwischen Europa und dem Läuterungsberg (unsere Antipoden) um 12 Stunden, die Tatsachen, dass wenn man absteigend den Erdmittelpunkt erreicht hat und sich geradlinig weiterbewegen will, man sich <b>umdrehen</b> muss, um den Kopf wieder oben und die Füße wieder unten zu haben (weil nämlich die Schwerkraft jenseits des Erdmittelpunktes in entgegengesetzter Richtung wirkt), die exakte Beschreibung der astronomischen Daten, insbesondere die vier großen Sterne, die man auf der Südhalbkugel sieht (das Kreuz des Südens, woher kannte Dante es?), die "linksläufige Sonne", alles das ist für uns ganz klar, aber wir haben es sozusagen mit der Muttermilch eingesogen, weil es seit Generationen erwiesene und tradierte Tatsachen sind. Für Dante aber ist das eine wissenschaftliche Leistung, die ihn in eine Reihe mit den Großen der Naturwissenschaft von Galilei bis Einstein stellen würde, wenn er der erste wäre, der dies korrekt dargestellt hat. Es ist so, als hätte Goethe Effekte aus der Relativitätstheorie richtig beschrieben...


    Das alles ist mir rätselhaft. Nun, ich bin leider kein Experte in der Wissenschaftsgeschichte des Spätmittelalters. Aber mal anders gefragt: woher wissen wir eigentlich, dass die göttliche Komödie wirklich zu Dantes Zeit verfaßt wurde und nicht etwa 150 Jahre später? Von wann datiert die älteste Handschrift? Worauf beruht die Datierung?


    Fragen über Fragen :-)


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    ein falscher Vergleich wird durch Wiederholung nicht besser.


    Ich habe geschrieben "für mich ist dies eine Schreckensvision...". Ohne jetzt weiter ausholen und das näher begründen zu wollen: Wenn Du geschrieben hättest: "Auf mich wirkt es anders, nämlich so und so", hätte ich gesagt, OK, wir haben unterschiedliche Auffassungen, das ist in Ordnung.


    Wenn Du aber sagst, der Vergleich sei <b>falsch</b>, musst Du schon eine Begründung liefern. Du sagst damit nämlich, dass ich den Vergleich nicht hätte machen dürfen bzw. dass meine Empfindung "falsch" ist (aber wie kann eine Empfindung falsch sein?).


    Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,


    Zitat

    Dann wäre es aber von Anfang an klar gewesen, dass es Fiktion ist. Dante wollte aber doch eindeutig, dass man die 'Divina Commedia' als real auffasste. Nicht zuletzt deshalb ist ja auch der Protagonist 'Dante'.


    Glaubst Du das wirklich? Wann Du "realistisch" gesagt hättest, könnte ich Deine Aussage nachvollziehen. Aber "real" ist nicht "realistisch". Ist Dante ein Hochstapler, der den Zeitgenossen glaubhaft machen wollte, er sei <b>wirklich</b> in der Hölle, auf dem Läuterungsberg und sogar im Himmel gewesen und habe genau das alles erlebt, was er beschreibt? Ich glaube nicht.


    (Exkurs: Karl May hat so etwas behauptet: "Ich habe wirklich alles erlebt, was ich beschrieben habe." Und Viele haben es ihm geglaubt und waren enttäuscht, als die Wahrheit ans Licht kam. Und noch heute gibt es Apologeten, die die eine oder andere Lücke in seiner Biographie zu Spekulationen ausnutzen, er sei vielleicht <b>doch</b> in Amerika gewesen... Dabei ist es (jedenfalls für mich) viel beeindruckender, wenn ein Schriftsteller, ohne die entsprechende Lebenserfahrung zu haben, so überzeugend schreibt, dass die Illusion lebensecht erscheint. Aber Karl May war kein Dante. Er hatte in der Tat etwas von einem Hochstapler. Ende des Exkurses.)


    Zitat

    Aber unabhängig davon, ob ich die jeweiligen Insassen kenne, halte ich Definition und Beschreibung der drei jenseitigen Reiche für nach wie vor unerreicht.


    Bei "unerreicht" stimme ich Dir zu. Aber auch "überzeugend"? Und vor allem: Können wir mit seiner Vision etwas anfangen?


    Für mich ist vor allem die Beschreibung der Hölle eine Schreckensvision. Die Hölle ist bei Dante ein einziges, gnadenlos verwaltetes Konzentrationslager. Das Zitat: "Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren" kann man sich nur über dem Eingangstor eines Konzentrationslagers vorstellen. Und zwar eines solchen, in dem nicht einmal die Hoffnung auf die Erlösung durch den Tod besteht. (Ich glaube nicht, dass ich der Erste bin, der diesen Vergleich macht.)


    Ich gebe zu, dass ich keine Kenntnisse in Theologie habe. Deshalb frage ich ganz naiv: Ist die Vorstellung von einer ewigen Verdammnis überhaupt christlich? Hat Jesus Christus nicht alle Sünden der Menschheit auf sich genommen? Heißt er nicht deshalb "der Erlöser", weil er uns von unserer Schuld erlöst hat?


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"


    Bei diesem Angebot von Bücher.de oder Jokers handelt es sich um 50 gebundene Bücher (vermutlich eine Restpostenauflage mit aufgehobener Buchpreisbindung, die ursprünglich um ein mehrfaches teuerer war).


    Diese Bemerkung beweist doch, dass es richtig war, darauf hinzuweisen, dass es sich eben <b>nicht</b> um einen Restposten handelt, sondern um eine <b>Sonderausgabe in einfacher Austattung</b> (was auch immer "einfache Ausstattung" heißen mag). Das hat sich also noch nicht einmal nach meinem Posting bei allen herumgesprochen. Genau dieser Hinweis war aber die Motivation für meinen ersten Beitrag zu diesem Thema.


    Übrigens sieht es so aus, als ob niemand unter den hier diskutierenden ein Kaufinteresse hat (aus unterschiedlichen Gründen). Es wäre mal interessant, zu erfahren, ob jemand von denen, die hier mitlesen, das Paket bestellt hat und ob er/sie mit der Lieferung zufrieden ist. Wo ist z.B. Ronja? Hallo, Ronja, liest Du noch mit?


    Es gibt übrigens ein ähnliches Sonderangebot beim Aufbau Verlag: 10 europäische Klassiker in 12 Bänden für 99,- Euro:


    Miguel Cervantes, Don Quixote. Aus dem Spanischen von Ludwig Tieck
    Alessandro Manzoni, Die Verlobten. Aus dem Italienischen von Caesar Rymarowicz. 2 Bde
    Jane Austen, Emma. Aus dem Englischen von Horst Höckendorf
    Guy de Maupassant, Bel-Ami. Aud dem Französischen von Anna Wagenknecht
    Denis Diderot, Die Nonne. Aus dem Französischen von Christel Gersch
    Gustave Flaubert, Madame Bovary. Aus dem Französischen von Wolfgang Techtmeier
    Fjodor Dostojewski, Schuld und Sühne. Aus dem Russischen von Hermann Röhl
    Iwan Turgenjew, Väter und Söhne, Aus dem Russischen von Harry Burck
    Nikolai Gogol, Die toten Seelen. Aus dem Russischen von Michael Pfeiffer
    Walter Scott, Ivanhoe. Aus dem Englischen von Christine Hoeppener


    Das würde ich mir ernsthaft überlegen, wenn ich die meisten Titel nicht schon hätte.


    Gruß, Harald

    Hallo alle!


    Ich bin wohl von allen am weitesten mit der Lektüre (20. Gesang des Purgatorio). Deshalb werde ich erst mal eine Pause einlegen.


    Mein Eindruck bis jetzt:


    Die vielen Verweise auf die Zeitgeschichte, insbesondere der von Florenz, tun dem Werk nicht gut. So aufregend es für die Zeitgenossen gewesen sein mag, ihnen bekannte Persönlichkeiten in der Hölle wiederzufinden, für den heutigen Leser ist es sehr mühsam, sich durch die Anmerkungen zu quälen, um mit den vielen Vorgeschichten bekannt zu werden, die einen sonst nicht interessieren würden.


    Ich glaube, Dante hätte besser daran getan, die Geschichten der Bewohner der drei Reiche frei zu erfinden (meinetwegen in Anlehnung an ihm bekannte Personen) und diese so in die Göttliche Komödie einzubetten, dass sie ganz aus dem Text heraus verständlich wären. Dann wäre der Text wesentlich autarker, als er es jetzt ist.


    Ich frage mich, warum die Göttliche Komödie immer noch so berühmt ist - berühmter z.B. als Der rasende Roland oder Das befreite Jerusalem - und vielleicht liegt es an einer Eigenschaft, die gerade wir am wenigsten wahrnehmen können: An Dantes poetischer Sprache, und historisch an der Tatsache, dass die Göttliche Komödie in Italienisch geschrieben ist und nicht in Latein.


    Wie auch immer, es gibt trotzdem einige beeindruckende Szenen. Z.B. der göttliche Bote, der Vergil und Dante die Stadt in der Hölle öffnet. Auch Der Vers: "Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren" (aus dem Gedächtnis zitiert) ist ja sehr berühmt, und vernichtender kann man die ewige Verdammnis für mein Gefühl nicht zum Ausdruck bringen.


    hafis50: Ja, die Unterhaltung mit Odysseus ist wirklich interessant, nicht nur wegen der Schilderung seiner Reise. Letztere geht ja offenbar bis zum Läuterungsberg, denn welcher Berg soll der von ihm geschilderte sonst sein? Und man hat den Eindruck von Dantes Versen, dass er beschreibt, was vor ihm schon jemand erlebt und geschildert hat. Ich habe noch nicht herausbekommen, ob zu Dantes Zeiten schon ein Europäer den Äquator überquert und davon berichtet hat. Wenn nicht, dann bedeutet das, dass Dante den Gedanken der Entdeckungsreise vorweggenommen hat.


    Soviel fürs Erste. Ich wünsche allen ein schönes Wochenende!


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Ich muss Berch schon recht geben: Warum sollte ich Euro 99,- dafür ausgeben, anderer Leute Altpapier entsorgen zu dürfen?


    Ich habe schon zu viele Bücher den Weg alles Irdischen gehen sehen, um mir welche zu kaufen, *nur* weil sie billig sind. D.h. auch wenn ein Buch nur 2,- Euro kostet, mal 50 sind eben 100,- Euro, und die Ausgabe muss nicht sein, wenn man nichts davon hat. Insofern kann ich die Aussage: "Wenn ein Buch Euro 2,-- kostet, kann diese Frage doch nicht im Ernst interessieren" nicht nachvollziehen.


    Gegen günstige Klassikerausgaben ist im übrigen nichts zu sagen. Nur dass "günstig" nicht unbedingt heisst, dass man mehr für's Geld bekommt (im Sinne eines Preis-Leistungsverhältnisses). Das ist natürlich eine Sache der persönlichen Bewertung - aber das habe ich, glaube ich, schon einmal gesagt.


    Gruß und schönes Wochenende!


    Harald

    Hallo Steffi und Antonio,


    Danke für die Infos. Es ist schon beeindruckend, wie weit die Griechen auch in den Naturwissenschaften waren. Sie wussten nicht nur, dass die Erde rund ist, sie haben auch schon den Erdumfang berechnet.


    Ob geozentrisches oder heliozentrisches Weltbild, ist eigentlich nicht entscheidend - auch Dantes Weltbild ist ja noch geozentrisch - denn dieser Unterschied ist nur eine Sache des Standpunktes. Die beobachtbaren Phänomene sind dieselben.


    Dagegen hat die Kugelgestalt der Erde eben Phänomene wie Zeitverschiebung, "linksläufige Sonne" auf der Südhalbkugel etc. zur Konsequenz.


    Und da war meine Meinung, dass dies um 1300 noch nicht bekannt war. Das Wissen der Antike (Ptolemäus etc.) war ja verlorengegangen und ist erst in der Renaissance wieder entdeckt worden. Dante hat kein Griechisch gelesen! Welcher Europäer war denn vor 1300 auf der Südhalbkugel gewesen und hat davon berichtet?


    Oder soll man annehmen, dass Dante seine Weltbild auf rein theoretische, mathematisch-geometrische Überlegungen gegründet hat?


    Das hat jetzt nur peripher mit der Göttlichen Komödie zu tun... Ich werde da aber bei Gelegenheit weiderforschen.


    Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,


    >> Nun weiss ich ja nicht, was Du unter "schlechter Papier- und Druckqualität" verstehst.


    Das ist natürlich subjektiv und läßt sich nicht leicht schriftlich erklären.


    Abgesehen davon, dass ich in dieser Beziehung etwas eigen bin, gibt es auch zwei konkrete Gründe, warum ich auf Qualität achte. Ich lese jetzt seit mehr als dreißig Jahren intensiv und entwickle nebenbei vierzig Stunden pro Woche Software, davon die meiste Zeit am Bildschirm. Da kommt mir alles recht, was meine Augen bei ihrer schweren Arbeit unterstützt, Preis spielt keine Rolle. Außerdem habe ich inzwischen mehrere Generationen von Büchern kommen und gehen sehen... Z.B. sind Insel Taschenbücher, die ich mir vor zwanzig Jahren angeschafft habe, immer noch so gut wie neu. Fischer Taschenbücher aus der gleichen Zeit als "vergilbt" zu bezeichnen wäre eine beschönigende Untertreibung...


    Im übrigen verstehe ich die Logik Deiner Argumentation nicht. Dass Du bisher gute Erfahrung mit Jokers gemacht hast, ist ja ganz erfreulich, aber was beweist das für die in Frage stehende Ausgabe? Ich glaube nicht, dass Jokers einen Qualitätsstandard in puncto "buchbinderische Qualität" ihrer Ware hat. Das brauchen sie auch gar nicht. Es ist doch klar, dass sich auf einer Plattform wie Jokers sowohl gute Bücher finden, die als Restposten ohne Ladenpreisbindung günstig weggehen, wie auch Sachen, die von vornherein für das Billigsegment konzipiert wurden.


    Und wenn der Weltbild Verlag schon *selber* sagt: "Sonderausgabe in einfacher Ausstattung", dann hat das etwas zu besagen. Dann kann man die Qualität in diesem Fall eben *nicht* mit dem gewohnten Standard des Verlages vergleichen (was immer der sein mag). Klar ist auch, dass die angebotene Ausgabe nicht diejenige ist, die mal 450,- Euro gekostet hat, sondern bestenfalls eine textidentische.


    Vielleicht verstehst Du, was ich meine, wenn Du Dich an die 10bändige Kassette von Dostojewski erinnerst, die Piper vor wenigen Jahren in ähnlicher Form herausgebracht hat, oder an den Reprint des Kindler Literaturlexikons... graues Papier... grusel...


    Wie schon gesagt, das ist natürlich Geschmackssache. Wenn jemand sagt: Hauptsache günstig, dann ist das in Ordnung. Ich wollte nur darauf hingewiesen haben.


    Ein weiterer Punkt ist das Format: 26 x 19 cm. In mein Regal würde das nicht passen. Mein Meyers Konversationlexikon z.B. mißt ca. "nur" 25 x 17 cm.


    Wie gesagt, zwei Punkte, die der eine oder andere beim ersten Lesen vielleicht übersehen hat. Ansonsten kann jeder für sich selbst entscheiden.


    Gruß, Harald

    Hallo Dante-Leser,


    Mich hat Dantes Vorstellung von der Gestalt der Erde überrascht.


    Aus dem Übergang von der Hölle zum Läuterungsberg und aus der astronomischen Diskussion zwischen Vergil und Dante auf dem Läuterungsberg (einer der ersten Gesänge von Teil 2) geht hervor, dass der Läuterungsberg auf der Jerusalem gegenüberliegenden Seite der Erde liegt. Es ist Dante bekannt, dass die (Sonnen-)Zeit auf verschiedenen Teilen der Erde zur gleichen Zeit unterschiedlich ist, d.h. während es in Jerusalem sechs Uhr abend ist, ist es am Ganges Mitternacht, in Spanien Mittag und am Läuterungsberg sechs Uhr morgens. Außerdem läuft die Sonne linksherum über den Läuterungsberg, von Osten über Norden nach Westen, nicht wie bei uns auf der Nordhalbkugel rechtsherum.


    Mit anderen Worten, Dante weiß, dass die Erde eine Kugel ist, dass die Schwerkraft überall zum Erdmittelpunkt gerichtet ist, dass die Bahn der Sonne, der sichtbare Ausschnitt des Sternenhimmels und die Zeitverschiebung von der Position auf der Erde abhängig sind, an der man sich befindet...


    Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke... die Sache ist die, ich hatte immer die (wohl irrige) Vorstellung, dass diese Tatsachen erst durch die Entdeckungsfahrten von Columbus usw. knapp zweihundert Jahre später bekannt und akzeptiert wurden.


    Weiß von Euch jemand, wann und durch wen das mittelalterliche Weltbild zerstört wurde?


    - Harald

    Hallo Sandhofer,


    Zitat von "sandhofer"


    Ich steige eh erst im 2. oder 3. Teil ein; ich hoffe, dass Ihr nicht vor Januar dort ankommt .


    Ähem, etwas schneller wollte ich schon lesen... am vergangenen Wochenende bin ich glücklich dem Inferno entronnen... bis zum Ende des kommenden Wochenendes wollte ich das irdische Paradies auf der Spitze des Läuterungsberges erreicht haben... und bis zum Ende des folgenden Wochenendes an Beatrices Hand alle Sphären des Himmels durchwandert haben...


    Das muss mich aber nicht daran hindern, mich im Januar (oder wann auch immer) an der Diskussion zu beteiligen.


    Ciao, Harald

    Hallo Sandhofer,


    Die Sonderausgabe wird nicht von Jokers hergestellt, sondern vom Weltbild Verlag. Jokers macht, soweit ich weiß, überhaupt keine Bücher, sondern ist lediglich eine Verkaufsplattform. Die Charakterisierung "Sonderausgabe in einfacher Ausstattung" findest Du auch auf der Website des Weltbild Verlages, der das Paket herausgebracht hat, in Lizenz des Aufbau Verlages. Wie gesagt, ich wüßte gern, was das heißt. Ich fürchte nach wie vor, dass es "schlechte Papier- und Druckqualität" heißt.


    Gegen Lexika habe ich gar nichts, im Gegenteil, ich seit kurzem stolzer Besitzer einer Encyclopaedia Britannica, und zwar der guten von 1910... ich finde nur das Lexikonformat für Leseausgaben zu unhandlich. Das ist natürlich Geschmackssache, ich wollte nur darauf hinweisen.


    Gruß, Harald

    Hallo,


    Ich habe mir das Angebot mal angesehen.


    Interessant finde ich besonders die frühen Werke:


    · Das Rolandslied
    · Das Nibelungenlied
    · Wolfram von Eschenbach: Parzival
    · Walter von der Vogelweide: Gedichte
    · Sebastian Brant: Das Narrenschiff
    · Reinke, der Fuchs
    · Martin Luther: Werke
    · Hans Sachs: Dramatische Dichtungen
    · J. Fischart: Gurgelritter Gargantua
    · Andreas Gryphius: Werke


    Das findet man sonst nicht so leicht.


    Was aber heißt: "Sonderausgabe in einfacher Ausstattung"? Ich fürchte, es bedeutet: schlechte Papierqualität, schlechter Druck.


    Außerdem ist 26 cm x 19 cm beinahe Lexikonformat. Mir wäre das zu unhandlich.


    Gruß, Harald

    Hallo Josef,


    Ja, die Joseph-Geschichte von Thomas Mann hat mich auch begeistert. Ich habe sie zweimal gelesen, das erste Mal nach meinem Diplom, ich war 24 oder 25. Kannst Du Dir vorstellen, dass ich an einigen Stellen deja vu - Erlebnisse hatte, so als hätte ich die erzählten Ereignisse vor langer Zeit (in einem früheren Leben?) schon einmal erlebt, oder als hätte ich das Ganze schon einmal geträumt?


    Beim zweiten Lesen, etliche Jahre später, hatte ich diese Eindrücke nicht mehr.


    Für mich einer der genialsten Romane der deutschen Literatur, erst recht, wenn man bedenkt, in welcher Zeit er entstanden ist.


    Gruß, Harald