Beiträge von Harald

    Hallo Atomium,


    Nach dem, was Du schilderst, würde ich Dir recht geben (d.h. ich weiß nicht, ob ich direkt von Schund gesprochen hätte, aber begeistert hätten mich diese Erzählungen auch nicht).


    Moravias bekanntester Roman ist "La Romana", "Die Römerin" - z.Zt. fast der einzige lieferbare Titel von Moravia. Ich habe ein knappes Dutzend seiner Romane gelesen, als sie alle bei rororo erschienen, und die meisten waren sehr fesselnd erzählt. Allerdings waren nicht alle von gleicher Qualität; dafür hat er wohl etwas zu viel geschrieben.


    Gruß, Harald

    Hallo Atomium,


    Zitat von "Atomium"

    Schlechte Bücher habe ich auch schon ins Altpapier geworfen, das letzte, an das ich mich erinnere, war von Alberto Moravia und ein ziemlicher Schund.


    Jetzt hast Du mich aber schockiert... Alberto Moravia ist nie Schund! Da musst Du etwas verwechselt haben...


    Ansonsten hast Du recht. Wenn man sucht, findet man auch eine bessere Verwendung als den Weg zum Altpapier. Ich werde es mir fürs nächste Mal merken (was hoffentlich noch lange hin ist).


    Gruß, Harald

    Hallo allerseits,


    So schlecht ist die Idee nicht. Wenn Ihr wüßtet, wieviele Bücher ich aus Platzgründen zum Altpapier tun mußte, würdet Ihr mich wahrscheinlich gar nicht mehr ins Forum lassen... :redface: Noch vor kurzem habe ich hier im Forum einen guten Simplicissimus angeboten, und niemand wollte ihn haben...


    Ich fürchte nur, dass die Metapher "Aussetzen" realistischer als wünschenswert ist. Unbezahlt Erhaltenes wird weniger wertgeschätzt... und den armen ausgesetzten Büchern wird es ergehen wie ausgesetzten Haustieren, und sie landen in einem schäbigen Bücherheim...


    Übrigens gibt es seit einigen Wochen in Bonn in der Poppelsdorfer Allee eine Art Vitrine, die jeder öffnen kann. Sie ist mit Büchern gefüllt (allerdings nicht besonders interessanten). Jeder kann Bücher herausnehmen und andere hineintun. Das Problem ist nur, dass die Isolierung gegen Kälte und Feuchtigkeit noch zu wünschen übrig läßt. Ob die Idee bei den Leuten ankommt, weiß ich nicht. Ich müßte mal wieder vorbeischauen...


    Gruß, Harald

    Hallo Berch,


    Zitat von "Berch"

    Was mich beim 'daß/dass' eigentlich am meisten stört ist, daß dadurch eigentlich keine Vereinfachung erzielt wurde, bzw. die ganze Regelung sogar noch eine Verkomplizierung zur Folge hatte (Floß, Fluss).


    Ich habe mir bis heute die neue Rechtschreibung nicht wirklich angeschaut, aber das eine oder andere, das ich bewusst wahrgenommen habe, auch übernommen. Gerade die ß/ss-Unterscheidung erscheint mir logisch. Beispiel: Flöße, Füße, Grüße; Flüsse, Küsse. Der Unterschied liegt in der Länge der Vokale, ähnlich wie bei Raten/Ratten der Unterschied auch nicht in der Qualität des t liegt (das klingt in beiden Fällen exakt identisch), sondern in der Länge des a.


    Andere Unterschiede: Maße/Masse, Russen/rußen etc. Man schrieb zwar auch vor der Rechtschreibreform schon Flüsse und Füße, aber im Fall des kurzen Vokals hat man im Singular inkonsequenterweise das ss in ein ß gewandelt: Fluß und Gruß. Dabei hört man die unterschiedliche Vokalqualität auch im Singular: Fuß, Fluss. Für mich ist das eine sinnvolle Unterscheidung.


    Gruß und Kuss ;-)


    Harald

    Guten Morgen,


    Gogols "Die toten Seelen" gehört zu den Romanen, die ich irgendwann einmal gelesen habe und gerne noch einmal lesen würde. (Gleiches gilt für Gontscharow, "Oblomow"). D.h. ich würde mit großer Wahrscheinlichkeit mitlesen, wann immer es Euch passen mag.


    Gruß, Harald

    Guten Morgen,


    Zitat von "Hubert"

    Sind euch weitere Jubilare 2004 bekannt?


    Lessing wurde bereits erwähnt (275. Geburtstag - ist das "rund"?).


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Sicher ist das Problem mit ein bisschen gutem Willen aus der Welt zu schaffen, die Frage ist nur, wer diesen guten Willen zeigen soll? In einer Demokratie immer noch: die Minderheit!


    Es gibt aber in jeder guten Demokratie auch einen Minderheitenschutz. Sonst bekommt man schnell die Diktatur der Masse. Wir als Leser von Klassikern stellen im größeren Kontext ebenfalls eine Minderheit dar!


    Zu dem von Dir beanstandeten Zitat braucht man gar nichts zu sagen, denn von einem "Insistieren auf der Großschreibung im Internet" war in diesem Thread bisher keine Rede. Das kann, soweit es mich betrifft, auch so bleiben.


    Ich halte die von Dir zitierten Tests für glaubwürdig, würde aber trotzdem für Sandhofers liberale Position plädieren: Jeder darf schreiben, wie er mag, aber jeder darf auch lesen (oder nicht lesen), was er mag.


    Gruß, Harald

    Hallo Maria,


    Die spannendsten Klassiker dieses Jahres waren für mich die Romane von Frances Burney ("Evelina", "Cecilia" und "Camilla"). "The Wanderer" steht noch auf meiner Wunschliste.


    Ansonsten habe ich 2003 ungewöhnlich viel gelesen, ohne dass etwas absolut Herausragendes dabei gewesen wäre. Unter den weniger bekannten Titeln haben mich besonders positiv beeindruckt:


    Arnold Zweig: De Vrient kehrt heim


    Eine Geschichte aus dem Palästina der 30er Jahre, die die jüdisch-arabischen Spannungen zum Thema hat.


    Wezel: Hermann und Ulrike


    Ein Roman aus der Goethezeit - weder Klassik noch Romantik, sondern irgendwo zwischen Aufklärung und bürgerlichem Realismus - kann mit den besten vergleichbaren Werken der englischen Literatur ("Tom Jones") mithalten. Breites Panorama der vorrevolutionären (d.h. vor der französischen Revolution) Gesellschaft in Deutschland. Schade, dass wir nicht mehr davon haben.


    Gruß, Harald

    Hallo Steffi,


    Zitat von "Steffi"

    Das ist doch genau das, was Verbrechen und Strafe ausmacht: Liebesgeschichte, Religion und Humanismus, Psychologie, Entwicklungsroman, Gesellschaftskritik etc. Dass jeder einen anderen Aspekt als wichtiger erachtet ist für mich ein Beweis der "Größe" dieses Buches.


    Ein guter Punkt! Das ist ja wirklich ein Merkmal großer Literatur, dass immer neue Aspekte findet (Shakespeare fällt mir da ein).


    Gruß, Harald

    Hallo Hafis,


    Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, um Klarheit in die Diskussion zu bringen. Aber ich will es mal versuchen:


    Zitat

    Das glaube ich nicht. Sie mag nicht zirkulär sein, aber sie ist tautologisch: eine sache, die bislang den namen X (werk) trug, erhält nun den namen Y (klassiker). Kein zusätzlicher erkenntnisgewinn, der erlauben würde, festzustellen, ob ein Z ebenfalls von den meisten als klassiker bezeichnet werden würde.


    Tautologisch können nur Aussagen sein, nicht Definitionen. Beispiel für eine tautologische Aussage: "Wenn alle Menschen sterblich sind, und wenn Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich" (manche Beispiele sterben nie aus...). Diese Aussage ist tautologisch, weil Du ihre Wahrheit einsehen kannst, ohne zu wissen, was "Sokrates", "Mensch" und "sterblich" konkret bedeutet. Die Wahrheit steckt schon in der formalen Konstruktion der Aussage.


    Zweitens, in dem konkreten Fall ist es ja <b>nicht</b> so, dass eine Sache, die den Namen "Werk" trägt, automatisch den Namen "Klassiker" bekommt. Hatte ich mich so ungenau ausgedrückt? Die Titel "Klassiker" wird in meinem System erst nach Erfüllung objektiv nachprüfbarer Bedingungen verliehen, allerdings von Kriterien, die nicht im Werk selber, sondern in seiner Rezeption verankert sind. Es kann also weder von "Tautologie" noch von "Zirkularität" die Rede sein.


    Ich will versuchen, etwas genauer zu beschreiben, wie ich mir das vorstelle. Es müssten zu <b>allen</b> in Frage kommenden Werken (das können zehntausende sein) folgende Fragen beantwortet werden:


    - Welche dieser Werke werden in der Schule gelesen? Wie häufig?
    - Welche dieser Werke werden in den Seminaren diskutiert? Wie häufig?
    - Über welche dieser Werke werden Magisterarbeiten oder Dissertationen verfaßt?
    - Welche dieser Werke werden wie häufig in Kanons (MRR etc.) aufgenommen?
    - Welche dieser Werke tauchen wie häufig in den Leselisten der Universitäten auf?
    - Über welche Werke und über die Autoren welcher Werke wird Sekundärliteratur geschrieben?
    - Zu den Autoren welcher Werke existieren Biographien bzw. werden solche verfasst?
    - Zu welchen Autoren existieren historisch-kritische (Gesamt-)Ausgaben oder werden solche erstellt, und mit welchem Aufwand?
    - Welche Werke wurden wie oft in andere Sprachen übersetzt?
    - Welche Werke werden gekauft, welche werden in den Bibliotheken ausgeliehen? Entsprechend für Sekundärliteratur, Biographien etc.


    Solche und ähnliche Fragen sollte man beantworten und mit unterschiedlicher Gewichtung zu einer Gesamtauswertung zusammenfassen (natürlich kann man über den Sinn einzelner Fragen diskutieren, aber ich denke, die Tendenz ist klar). Daraus sollte sich eine Rangliste ergeben, für wie bedeutend die Werke von der Gesamtheit der Literatur-Rezipienten gehalten werden. Allerdings ergibt sich dann keine scharfe Trennung in Klassiker und Nichtklassiker (was m.E. auch nicht sinnvoll ist), sondern jedes Werk ist eben "mehr" oder "weniger" ein Klassiker.


    Zitat

    Um einen begriff (werk) vom anderen (klassiker) zu unterscheiden, braucht man objektive kriterien. Das heißt kriterien, die die menschen dem "werk", aber nicht dem klassiker" zueignen. Das ist grundprinzip jeder sprache. Ob ein tisch ein stuhl oder ein tisch genannt wird, entscheidet sich nach objektiven kriterien: der eine ist platt, der andere hat beine. Analog müssen angebbare kriterien existieren, die die menschen in übereinstimmung anwenden, sonst würde ja jeder für das gleiche anderen begriffe verwenden.


    Da sehe ich einigen Klarstellungsbedarf. Ich meine, genau das ist <b>nicht</b> das Grundprinzip einer Sprache.


    Zunächst mal ein starkes Argument gegen Deine These: Wenn die Bedeutung von Wörtern auf Grund objektiver Kriterien festgelegt ist, wieso können sich die Bedeutungen dann jemals ändern? Es steht aber fest, dass Bedeutungen sich allmählich ändern, und zwar <b>unmerklich</b>. Mit "unmerklich" meine ich nicht, dass jemand, der die Sprache bewußt über einen längeren Zeitraum verfolgt, diese Änderungen nicht feststellen kann, sondern dass der normale Sprecher im normalen Sprachgebrauch sich dieser Änderungen nicht bewußt ist. Ein kleines Beispiel: Das deutsche Wort "Nacht" und das englisch Wort "night" gehen auf dasselbe Wort einer Sprechergemeinschaft von vor ca. 2000 Jahren zurück. Nun kann "night" zwar "Nacht" wie im Deutschen bedeuten, es heißt aber je nach Kontext auch "Abend" - "tonight" z.B. heißt häufig "heute abend". Also eine Abweichung in der Bedeutung. Es wird aber in der zweitausendjährigen Sprachgeschichte des Englischen und des Deutschen aber keinen Moment gegeben haben, wo man sich gesagt hat: "Laßt uns doch dieses Wort anders als bisher benutzen". Wie paßt das mit der These der objektiven Kriterien zusammen?


    Ich will aber nicht einfach verneinen, sondern eine plausible Gegenthese aufstellen:


    So etwas wie eine "feste Bedeutung" gibt es eigentlich gar nicht; was es gibt, ist die "Verwendung" im Sprachgebrauch. Jeder Sprecher bildet sich aus dem Sprachgebrauch heraus eine Vorstellung von der Bedeutung des Wortes. D.h. es gibt immer die Möglichkeit von Abweichungen in der Vorstellung von Wortbedeutungen. Was die Abweichungen davon abhält, ins Uferlose zu wuchern, ist die Notwendigkeit, verstanden zu werden: Jeder wird versuchen, die Wörter so zu verwenden, wie alle anderen, und bekommt in der Kommunikation Feedback. Dadurch entstehen unzählige Regelkreise, die eine gewisse Konvergenz des Gebrauches bewirken. Wenn sich aber z.B. eine Sprechergemeinschaft in zwei Gruppen zerteilt, die nur schwach oder gar nicht miteinander kommunizieren, dann sind die Regelkreise unterbrochen und es beginnen die Wortbedeutungen auseinanderzudriften. Siehe Deutsch/Englisch, oder in jüngerer Zeit britisches und amerikanisches Englisch. (Wenn ich mich richtig erinnere, bedeutet z.B. "mad" im BE "verrückt" und im AE "wütend".)


    Bei Begriffen habe ich die Vorstellung, dass es einen Kernbereich gibt, in dem die Verwendung unbestreitbar ist, d.h. einen Bereich von Objekten, auf die der Begriff nach übereinstimmendem Urteil aller zutrifft, und einen noch größeren Bereich, auf den der Begriff nicht zutrifft. Dazwischen liegt eine Grauzone, in der die Anwendung zweifelhaft ist und von unterschiedlichen Sprechern unterschiedlich beurteilt wird.


    Nimm so einen einfachen Begriff wie "Haus". Du sagst, es gibt objektive Kriterien für die Anwendung. Bist Du sicher? Du denkst an das Ideal-Haus und meinst, der Begriff sei völlig klar. Das Problem ist aber die Grauzone. Ist z.B. eine Villa ein Haus? Ein Palast? Ein Schloß? Eine Hütte? Eine Kirche ("Gotteshaus")? Eine Burg? Ein Bürogebäude? Ein Fabrikgebäude? Eine Werkstatt? Ein gemaltes Haus? Ein Puppenhaus? Ein Monopoly-Haus? Ein Haus, das in einem Roman vorkommt, aber nicht wirklich existiert? Wo ist da die Grenze? Oder stell Dir folgendes Gedankenexperiment vor: Da ist das Ideal-Haus. Ich räume die Einrichtung aus, ein Stück nach dem anderen. Dann beginne ich das Dach abzudecken, Dachziegel für Dachziegel. Dann nehme ich die Fenster und Türen heraus, baue ziegelsteinweise die Wände ab... Du verstehst schon: Wann hört das Haus auf, ein Haus zu sein? Auf dem Weg vom "Haus" zum "Nicht-Haus" geht man durch die Grauzone.


    Warum ist das in der Praxis kein Problem, bzw. woher kommt die Illusion von "klaren, objektiven" Begriffen? Ich glaube, das liegt daran, dass wir in der Sprachpraxis die Anwendung von Begriffen in der Grauzone vermeiden. Wir sagen eben "Rohbau" oder "Neubau" oder "Ruine" oder "Gebäude" oder ... was auch immer gut paßt.


    Zitat

    Um die antwort, was ein klassiker ist, braucht man also solche objektiven unterscheidungskriterien.
    Der brockhaus hatte doch 4 praktikable genannt: stil, zeit, mustergültig und herausragend. Der brockhaus sagt also, daß verschiedene kriterien die klassikerzugehörigkeit festlegen. Da dies im sprachgebrauch so ist, muß man es eben akzeptieren.


    Wer sagt, dass die Brockhaus-Definition den Sprachgebrauch wiedergibt? Ich glaube wiederum, dass der gewöhnliche Sprachgebrauch (wissenschaftliche Diskussionen also ausgenommen) <b>nie</b> von Definitionen abhängig ist. Hast Du bei der Verwendung des Wortes "Klassiker" jemals eine Definition referenziert? Ich jedenfalls nicht (wie gesagt, wissenschaftliche oder Diskussionen wie diese ausgenommen). Ist es nicht eher so, dass man solche Wörter wie alle Wörter eher gefühlsmäßig verwendet?


    Weiter, inwieweit ist die Brockhaus-Definition praktikabel? Was heißt z.B. "mustergültig"? Gültig nach welchem Muster? Hier ergibt sich dasselbe Grauzonenproblem wie für den Begriff "Klassiker" selbst.


    Zitat

    Jede definition, oder auch der gebrauch der worte, aber bedarf objektiver kriterien, sonst wäre kommunikation nicht möglich.


    Ich hoffe, ich habe Dich/Euch davon überzeugt, dass dem nicht so ist!


    Zitat

    Offen ist dann, ob diese kriterien für uns überhaupt erkennbar sein müssen oder nicht, und weiter, ob die anwendung der kriterien sie selbst beeinflußt,


    Das verstehe ich nicht... wie kann es Kriterien geben, die nicht erkennbar sind? Ein Kriterium ist doch etwas, was ich zur Unterscheidung benutze. Etwas anderes sind Merkmale - die kann ich erkennen oder auch nicht.


    Zitat

    Das hieße, es ist gar nicht nötig, daß alle über künstl. wert, qualität und kanon- oder klassikerstatus übereinstimmten, jene aber dennoch existieren.


    Vielleicht fragst Du hier nach gemeinsamen Merkmalen (nicht nach bewußt angewandten Kriterien). Das ist natürlich eine interessante Frage. Aber diese Frage kann m.E. erst gestellt werden, nachdem die "Rangliste" nach einem Verfahren ähnlich dem oben angedeuteten erstellt wurde. Diese Frage wäre dann auch nicht durch eine theoretische Diskussion, sondern <b>empirisch</b> zu überprüfen: Haben die Werke, die weit oben auf der Rangliste landen, empirisch nachweisbar gemeinsame Eigenschaften gemein, die sie von den weiter unten liegenden unterscheiden? Auch hier wieder wird man kein absoluten Trennungen haben.


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,
    hallo alle,


    Zitat von "Hubert"

    Ob die Liebesgeschichte ein Teil von Rodjas Entwicklung ist, oder umgekehrt, kann ja jeder sehen wie er will, die Tatsache, dass es eine Liebesgeschichte gibt, hast Du damit aber zugegeben, und mehr wollte ich auch nicht beweisen.


    Rodjas Liebesgeschichte ist eine Liebesgeschichte - soviel habe ich zugegeben. Der Roman als Ganzes für mich eher nicht. Aber das ist eher eine Interpretationsfrage als eine bestreitbare Feststellung.


    Zitat

    Da hast Du mich wohl mit Daniela verwechselt. Nicht ich habe geschrieben, dass „Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt“ Thema des Romans ist, sondern Daniela. Ich hatte eigentlich die gleiche Meinung vertreten, die Du jetzt gegen mich stellst.


    Nein, ich habe Dich nicht verwechselt :-) Und in der Tat bin ich in diesem Punkt Deiner Meinung. So war es auch in meinem Beitrag gemeint, wenn ich es auch nicht explizit gesagt habe.


    Zitat

    Der Mörder, der wochenlang plant und nach dem Mord vergisst die Tür abzusperren


    Die Aufgeregtheit des Täters (der eben kein Kaltblüter ist) führt zu diesen Fehlleistungen. Ich will hier auch keine Dostojewski-Diskussion starten, aber für mich zeigt sich gerade in solchen Details das Einfühlungsvermögen des Autors.


    Zitat

    die Zwei, die nach den Morden an der Tür klopfen, merken dass jemand in der Wohnung ist, aber kurz mal davon laufen, damit der Mörder fliehen kann


    Zu der Zeit weiß noch niemand etwas von einem Mord, also können sie nicht davonlaufen, "damit" der Mörder fliehen kann. Eine solche Absicht kann nicht existieren, da von einem Mord noch keine Rede ist.


    Zitat

    der Inspektor, der den Mörder überführt hat, ihn aber laufen lässt, damit der sich selbst stellt


    Hatte er ihn <b>beweiskräftig</b> überführt - oder <b>wußte</b> er es zwar, konnte es aber nicht beweisen? Ich meine mich an letzteres zu erinnern, kann mich aber wohl irren - so genau habe ich die Details nicht mehr im Kopf.


    Was Prof. Doerne meint, ist für mich eine mögliche Interpretation unter anderen. Aber Du hast sicher recht, dass der religiöse Aspekt bei Dostojewski eine große Rolle spielt und es ist auch wohl so, dass dies für mich weniger bedeutend ist, was mehr über meinen Blickwinkel als über Dostojewski aussagt. Andererseits habe ich "Schuld und Sühne" weder "umsonst" noch "vergeblich" gelesen, auch wenn die religiöse Botschaft (falls es denn eine gibt) für mich nicht im Vordergrund steht :-)


    Zitat

    Dass ein Schriftsteller viel oder sogar meistgelesen ist, ist für mich kein Argument ihn zu lesen


    Sehe ich auch so.


    Zitat

    eher eins ihn nicht zu lesen.


    Das sehe ich nicht so.


    Zitat

    Sonst müsste ich ja auch noch Konsalik lesen.


    Nein, das muss man wirklich nicht :-) Man muss überhaupt nicht lesen, was einem nicht gefällt, egal ob auflagenstark oder nicht. Und was man mag, darf man lesen, egal ob auflagenstark oder nicht... Einverstanden?


    Zitat

    Wer war jetzt eigentlich Hercule Poirot?


    Ach ja: Agatha Christies "Meisterdetektiv". Ein kleiner belgischer ehemaliger Polizeioffizier mit großem Schnurrbart, tadellosem Äußeren und pathologischem Ordnungsbedürfnis. Spielt in einer Liga mit Sherlock Holmes und Pater Brown, deshalb (und wegen diverser Verfilmungen) kennen auch Viele, die die Romane nicht gelesen haben, seinen Namen.


    Herzliche Grüße, Harald

    Hallo Hubert,
    Hallo alle,


    Zitat von "Hubert"

    aber m.M. nach wird in Verbrechen und Strafe eine Liebesgeschichte erzählt, und zwar die zwischen Sonja und Rodja.


    Ich glaube, wir stimmen darin überein, dass wir "Verbrechen und Strafe" beide für einen bedeutenden Roman halten. Ansonsten habe ich eine andere Sicht des Romans, was aber kein Streitpunkt sein muss. Für mich ist die Liebesgeschichte ein Teil von Rodions geistiger/seelischer Entwicklung, nicht umgekehrt.


    Zitat

    Ein Roman mit dem Thema "Kein Verbrechen ist harmlos" fände ich ziemlich überflüssig; ich glaube auch nicht, dass sich Rodja seine Gründe vor der Tat sehr genau überlegt hat, und dass ein Verbrecher immer wieder von seinem Gewissen eingeholt wird, wäre einfach falsch, - das Gegenteil kann man fast jeden Tag in der Zeitung nachlesen.


    Es handelt sich hier ja auch nicht um irgendeinen Verbrecher und um irgendein Verbrechen, sondern um Rodion Raskolnikoff, einen intelligenten jungen Mann, der durchaus ein Gewissen und Einfühlungsvermögen hat. Deshalb kann man keineswegs sagen, dass der Roman irgendetwas beweist, so etwa wie "Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt" - das kann kein Roman darstellen, und beweisen schon gar nicht - dann wäre ja auch durch Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" bewiesen, dass eine solche Reise möglich ist. Ein Roman kann uns eine Geschichte anbieten, die uns mehr oder weniger überzeugt, aber beweisen kann er nichts.


    Um auf die Geschichte zurückzukommen, so meine ich, dass Rodion sich die Sache sehr wohl überlegt hat, und dass er vom rein rationalen Standpunkt vielleicht sogar irgendwie recht hat. An meiner Formulierung "vielleicht sogar irgendwie" merkt Ihr aber, dass es "irgendwie" nicht stimmt, und genau das merkt auch Rodion nach seiner Tat. Der Roman handelt von dem "wie", d.h. wie er das merkt - seine Benommenheit, sein Wunsch, noch einmal zum Tatort zurückzukehren, am Ende sein Delirium und schließlich der Wunsch, alles zu bekennen, weil er nur so von dem auf ihm lastenden Druck erlöst werden kann - dieses "wie" ist für mich einfach genial und auf beinahe unheimliche Weise überzeugend geschildert. Es geht für mich also darum, wie er merkt, dass seine "irgendwie" vernünftige Konstruktion zusammenbricht - wenn man so will, dass die Menschlichkeit eine Kraft ist, die durch alle Vernünftigkeit als auf sehr schwachen Beinen stehend erkennen läßt - aber dies ist schon wieder eine These...


    Ich würde auch überhaupt nicht sagen, dass der Roman eine "These" hat. Natürlich kann man aus der Geschichte, wenn man sie für real hält, eine Lehre ableiten, etwa so, wie es schon angedeutet war (dass das Gewissen einen Verbrecher immer einholt), aber hierin stimme ich Dir zu, dass das nicht unbedingt stimmt und möchte nur hinzufügen, dass der Roman das auch nicht hergibt, denn es ist ja nur die Geschichte eines bestimmten Verbrechers - Rodion ist ja nicht "irgendwer". Nein, der Roman enthält wie die meisten guten Romane keine These, sondern erzählt eine Geschichte.


    Dass diese Geschichte mystisch-religiös sein soll, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Sie ist für mich psychologisch überzeugend, d.h. vollkokmmen realistisch.


    Zitat

    Ich habe weder den Namen Hercule Poirot je gehört


    Jetzt bin ich wirklich schockiert... ;-) Sagt Dir auch Miss Marple nichts? 16.50 Uhr ab Paddington? Der Orient-Express? Hast Du mal den Namen Agatha Christie gehört? Die meistgelesene Schriftstellerin (und das schließt Schriftsteller ein) in englischer Sprache, und wahrscheinlich in jeder Sprache? Das ist natürlich kein Qualitätsmerkmal, aber wer Agatha Christie als "Trivial"-Schriftstellerin abtut, macht es sich etwas zu einfach. Das ist aber ein anderes Thema...


    Gruß, Harald

    Hallo Antonio,


    Zitat von "Antonio"

    so bequem diese Definition ist , so kann ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass durch Mehrheitsentscheidung ueber ein Begriff entschieden wird, von dem jeder eine unterschiedliche Auffassung hat.


    Prinzipiell ist jeder Begriff eine Mehrheitsentscheidung. Ein extremes Beispiel: Du kannst das Wort "Haus" im Sinne von "Katze" verwenden und umgekehrt, wirst aber nicht sehr weit damit kommen. Die Mehrheit der Sprecher bestimmt den Sprachgebrauch, an den man sich halten muss, wenn man verstanden werden will. Nichts ist so demokratisch wie die Sprache.


    Zitat

    Doch meine ich, dass wir, wenn wir von Klassikern hier sprechen, einen gewissen Qualitaetsstandard im Kopf haben. Es mag schwierig sein, diese qualitativen Merkmale allgemeingueltig zu formulieren. Dies heisst aber nicht, dass es solche nicht gibt.


    Eben das bezweifele ich. Ich behaupte sogar, dass der sogenannte Qualitätsstandard auf subjektiven ästhetischen Vorlieben beruht.


    Vielleicht könntest Du Dein Argument mit einem Vorschlag unterstützen, wie der Qualitätsstandard aussehen könnte und wie man ihn auf einzelne Werke anwenden könnte. Du hast dann eine zweistufige Aufgabe: Erstens, die Qualitätskriterien zu formulieren; und zweitens, diese Kriterien auf die literarischen Werke anzuwenden. Und das eigentliche Problem liegt meiner Meinung nach in der zweiten Stufe. Denn Kriterien zu formulieren ist noch gar nicht mal so schwer, wenn man den literaturwissenschaftlichen Jargon beherrscht. Aber dass irgendein Satz von Kriterien objektiv anwendbar ist, halte ich für ausgeschlossen.


    Gruß, Harald

    Hallo alle,


    Ich möchte noch einmal eine Lanze für die "Konsens"- oder soziologische Definition von "Klassiker" brechen.


    Danach wären Klassiker solche Werke, die von einem informierten Lesepublikum als besonders bedeutend, interessant, wichtig, lesenswert, unterhaltsam, ... eingestuft werden. D.h. "Klassiker" wären die Werke, die von den meisten als "Klassiker" bezeichnet werden (m.E. keine zirkuläre Definition).


    Diese Definition stimmt im Wesentlichen mit Sandhofers Beitrag überein, mit dem dieser Thread eröffnet wurde.


    Der Vorteil einer solchen Definition ist, dass man keine objektiven (werkimmanenten) Kriterien braucht. Ich glaube, dass es noch nie gelungen ist, solche Kriterien überzeugend zu formulieren und einwandfrei anzuwenden.


    Genau genommen ist dieser Begriff sogar objektiver als sogenannte objektive Kriterien. Denn man kann die Entscheidung, welche Werke Klassiker sind, durch Befragung klären, während sogenannte objektive Kriterien meistens sehr subjektiv sind, da es immer Einzelne sind, die sie vorlegen.


    Ein weiterer Vorteil ist, dass prinzipiell <b>jedes</b> Werk den Klassikerstatus erreichen kann. Es gibt keine formalen Kriterien, die zu einem vorzeitigen Ausschluss der Kandidatur führen könnten.


    Was meint Ihr?


    - Harald

    Hallo alle,
    Hallo Daniela,


    Ich will mal versuchen, auf die Hauptpunkte Deiner Antwort einzugehen:


    Zitat von "elahub"

    ich lese Texte lieber "am Stück" und versuche, den Inhalt zu begreifen und auch zu sehen, was dahinter versteckt sein könnte.


    Das verstehe ich schon. Es birgt aber die Gefahr, dass Du etwas in Texte hineininterpretierst, was nicht in ihnen steckt. Ich jedenfalls werde mich immer bemühen, das, was ich meine, auch so explizit und klar wie möglich zu sagen, damit meine Leser es nicht erahnen müssen. Ob mir das auch gelingt, können und dürfen dann die Leser - in diesem Fall Ihr - entscheiden.


    Zitat

    Ich mache es immer so, dass ich Namen des Autors und Titel des Buches nenne. Falls mein Gegenüber dann Bedarf an näheren Informationen hat, bin ich gern bereit, mit ihm/ihr darüber zu reden.
    Ich weiß nicht, seit wann "Text", "Autor", "Sprache" Kategorien sind aber falls dem neuerdings so ist, gilt auch hier das Ebengesagte.


    Vielleicht liegt hier ein Mißverständnis vor: Ich benutze "Kategorie" synonym mit "Begriff". D.h. viele Nomina bezeichnen Kategorien: "Haus", "Katze", "Stern", "Erzählung", ... bezeichnen alle eine Menge von Objekten, die auf Grund gemeinsamer Eigenschaften zu einem Begriff oder eben einer Kategorie zusammengefaßt werden. Ohne Begriffe aber ist m.E. weder Denken noch Kommunikation möglich. Damit ist allerdings noch nichts über darüber gesagt, wie sehr eine <b>bestimmte</b> Kategorie zur Erkenntnis beiträgt, wie ich in meinem letzten Beitrag (Antwort an Knightley) schon gesagt habe. Wenn Du daher Unterscheidungen wie 'Märchen', 'Fantasy', 'SF'-Geschichte nicht für hilfreich hältst, kannst Du sie natürlich weglassen. Allerdings benutzen viele Leute diese "Label", und meiner Meinung nach ist es schwer, ganz ohne sie auszukommen. Ich kann aber gut verstehen, dass man im Einzelfall gute Gründe hat, solche "Schubladen" zu vermeiden.


    Zitat

    Wir reden hier darüber, ob es eine Definition für "Klassiker" gibt und ob eine solche überhaupt nötig ist. Ich denke, dass alle Klassikerforumsteilnehmer deshalb hierherkommen und auch hierbleiben, weil sie sich für Klassiker interessieren. Mein Originalsatz zielte darauf ab, die Betreffenden zu fragen, was sie unter Klassiker verstehen, in der Annahme, dass sie ähnliche Vorstellungen davon haben, denn sonst wären sie wahrscheinlich nicht hier.


    Der Nebensatz, den ich abgeschnitten habe und der die Frage enthalten sollte, fragte aber nach dem Grund der Teilnahme am Klassikerforum. Und jetzt sagst Du, der Satz zielte darauf ab, die Betreffenden zu fragen, was sie unter Klassiker verstehen. Das ist aber doch eine andere Frage!? Du siehst daran, dass es nicht verkehrt ist, explizit zu formulieren. Zu leicht schleichen sich Mißverständnisse ein.


    Eine Definition scheint mir immer dann notwendig, wenn in der Diskussion das Gefühl entsteht, dass man trotz Gebrauch desselben Wortes nicht immer dasselbe meint. Das scheint mir hier der Fall zu sein. Selbst wenn jeder Einzelne der Meinung ist, es sei ganz klar, was "Klassiker" bedeutet, und man brauche deshalb nicht darüber zu diskutieren, kann es immer noch möglich sein, dass alle diese individuell klaren Definitionen unterschiedlich sind. Diese Diskrepanzen wird man erst in der Diskussion feststellen.


    Ob die Motivation für die Beteiligung am Klassikerforum bei allen dieselbe ist, weiß ich nicht. Ja, es kann das Interesse an Klassikern sein. Es kann aber auch das Bedürfnis sein, über Klassiker zu reden (was etwas anderes ist, als sie zu lesen). Es kann das Bedürfnis sein, über <b>bestimmte</b> Klassiker zu reden. Es kann das Bedürfnis sein, theoretisch über Klassiker zu diskutieren. Es kann das Bedürfnis sein, sich zu informieren, was andere Leser interessiert. Es kann das Bedürfnis sein, sich zu einer Lektüre inspirieren zu lassen, auf die man sonst nicht gekommen wäre. Es kann das Bedürfnis sein, anderen seine eigenen Gedanken mitzuteilen. Du siehst, es gibt viele plausible Möglichkeiten. Wie allerdings aus den individuell unterschiedlichen Interessen-Gemischen folgen soll, dass alle denselben Begriff von "Klassiker" haben, ist mir schleierhaft. Die Begriffe müssen zunächst ja nur so ähnlich sein, dass für jeden etwas dabei ist - genug, dass er oder sie dabei bleibt. Und dabei vergißt Du noch all jene, die vielleicht mal hereingeschaut haben und sich vielleicht gesagt haben: "Das sind ja gar nicht die Werke, die ich unter 'Klassiker' verstehe; dieses Forum interessiert mich nicht."


    Selbst wenn es sich herausstellen sollte, dass tatsächlich alle denselben Begriff haben, ist immer noch nicht klar, wie dieser gemeinsame Begriff am klarsten formuliert werden kann. Aber wie gesagt, ich zweifele daran, dass jeder unter Klassiker (exakt) dasselbe versteht. Nun, das wird (hoffentlich) die Diskussion ergeben. Ich habe übrigens einen Vorschlag gemacht. Warum wird der nicht diskutiert?


    Zitat

    Ich denke nicht, dass man ZU genau sein kann mit der Sprache, aber ich wiederum verstehe absolut nicht, was Du meinst mit:



    Jeder kann nicht nur einen, sondern mehrere Gründe haben etwas zu tun.
    Und von welchem Gefühl redest Du?


    Sorry, das war mein Fehler. Ich wollte sagen: Man kann nur einen Grund haben, etwas zu <b>tun</b> (und nicht, etwas zu <b>empfinden</b>). Die Betonung liegt nicht auf 'einen', sondern auf 'tun'. "Der Grund, aus dem ich dieses schreibe" ist sinnvoll; er bezeichnet meine Absicht, den Zweck, den ich verfolge. "Der Grund, aus dem ich die Treppe hinuntergefallen bin" dagegen kann man nicht sagen, denn ich bin ja nicht mit Absicht gefallen. Die Frage "Welchen Grund hatte die Dame, in Ohnmacht zu fallen?" impliziert, dass es sich um eine selbstfabrizierte Ohnmacht handelt...


    Zitat

    Ja, ich meine, jeder habe einen eigenen Begriff. Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder etwas anderes meint! Jeder kann schließlich selbst eine Vorstellung davon haben, was für ihn ein Klassiker ist (was ja auch aus dieser Diskussion in diesem Thread deutlich wird) und trotzdem werden viele feststellen, dass sie ähnliche bis gleiche Vorstellungen haben.


    Ähem, hier komme ich nicht mit. Natürlich hat jeder seine eigene Vorstellung; die Vorstellung eines anderen <b>kann</b> ich nicht haben. Dass viele Leute feststellen, dass diese Vorstellungen ähnlich sind, scheint mir auch plausibel. Es geht aber doch darum, ob diese Vorstellungen <b>gleich</b> sind bzw. wenn nicht, wo die Unterschiede liegen.


    Zitat

    An den besprochenen Büchern kann erkannt werden, dass viele ähnliche Interessen haben, nämlich z. B. das Interesse, diese bestimmten Bücher zu lesen und zu besprechen. An dem, was jede/r Einzelne zu bestimmten Büchern zu sagen hat, kann wiederum erkannt werden, dass die Auffassung eines Buches oder einer Textstelle unterschiedlich sein kann.


    Ich hoffe, ich habe Dich jetzt verstanden... Ich glaube, Du sagst damit: "Ich möchte über <b>bestimmte</b> Bücher reden; ob diese so oder so klassifiziert werden, ist mir eher egal, ich halte das nicht für wichtig..."


    Zitat

    allerdings bitte ich Dich, mir zu überlassen, was ich meine und was ich nicht meine :zwinker: .


    Aber gern. Ich würde mir nur gerne die Erlaubnis reservieren, nachzufragen, wenn ich Dich nicht verstehe, damit Deine Meinung bei mir auch richtig ankommt.


    Zitat

    Die Menschen, die ich kenne, die behaupten, Dostojewski sei zu schwer, haben noch niemals etwas von ihm gelesen. Deshalb können sie meiner Meinung nach nicht urteilen!
    Allerdings hat jede/r das Recht, zu lesen, was sie/er mag :zwinker:
    Es handelt sich also weder um Missverständnis noch um Unverständnis, denn beides würde voraussetzen, dass gelesen wurde, worüber geurteilt wird.


    In der Tat, hier handelt es sich um ein klassisches Vorurteil. Darüber braucht man kein Wort zu verlieren (es sei denn, man wolle sich als Missionar betätigen - meine Sache wäre das nicht...).


    Wenn ich Deine Meinung richtig verstanden habe, dann interessiert Dich dieser Thread eigentlich gar nicht, sondern Du hältst ihn für unwesentlich. Ich werde daher in einem weiteren Beitrag versuchen, auf das Thema zurückzukommen.


    Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,


    Mir ist das auch aufgefallen. Gross- und Kleinschreibung unterstützen das Lesen. Ebenso Absätze, Zeichensetzung, und last but not least konsequente Strukturierung von Gedanken und Argumentationsreihen...


    Ich denke, jeder, der verstanden werden möchte, wird alle Hilfmittel benutzen, gerade weil in diesem Medium Intonation, Mimik und Gestik fehlen, die in der persönlichen Kommunikation viel zum Verständnis beitragen.


    Gruß, Harald

    Hallo Knightley,



    Ich habe mich da wirklich sehr ungenau ausgedrückt. Zunächst einmal habe ich mich in meiner Antwort auf Daniela nur ganz allgemein über den Sinn von Kategorien äußern wollen. Damit ist nichts darüber gesagt, wie wertvoll <b>bestimmte</b> Kategorien sind, was eher Dein Ansatz war.


    Die Frage nach dem "Ich" und dem Verstand scheint mir sehr schwierig zu sein. Ich bin weder in Gehirnforschung noch in kognitiver Psychologie und ähnlichen Gebieten wirklich bewandert. Aus dem, was ich im Laufe der Jahre aufgeschnappt habe, habe ich mir eine vorläufige Meinung gebildet.


    Ich glaube weder, dass ich meinen Verstand beherrsche noch umgekehrt. Was wir Verstand nennen, scheint mir ein Bündel von Funktionen des Gehirns zu sein: Gedächtnis, Sprache, räumliches Vorstellungsvermögen, analytisches Denken, emotionales Einfühlungsvermögen, Zahlen, Mechanik, Phantasie... Wir haben die Vorstellung, dieses Orchester zu dirigieren, und das mag zum Teil stimmen. Es gibt aber auch Anekdoten von Forschern, die längere Zeit über einem schwierigen Problem gebrütet haben und dann im Traum oder in einem Augenblick, wo sie an ganz anderes gedacht haben, plötzlich auf die Lösung gekommen sind. D.h. das Gehirn muss irgendwie selbständig, dem "Ich" unbewußt weitergearbeitet haben.


    Was Kategorien betrifft, so hängt die Neigung unseres Denkens, die Dinge zu klassifizieren, eng mit der Sprache zusammen. Man weiß z.B. aus der Sprachwissenschaft, dass es Fälle gibt, wo Leute auf Grund von Verletzungen des Gehirns bestimmte Wörter nicht mehr finden können und sie durch andere Wörter derselben Kategorie ersetzen, z.B. "Stuhl" statt "Tisch", "Zange" statt "Hammer". Es könnte also sein, dass Klassifizierung in unserem Gehirn schon hart verdrahtet ist (nicht die Kategorien als solche, aber der Prozess, dass Kategorien gebildet und die Nomina den Kategorien zugeordnet werden).


    Es gibt einen bekannten amerikanischen Sprachwissenschaftler (George Lakoff), der ein Buch darüber geschrieben hat: "Women, fire and dangerous things - What categories reveal about the mind". Ich habe es leider noch nicht gelesen.


    Was ich also sagen wollte, ist dieses: Unser Verstand hat diese Neigung zum klassifizieren, aber die konkreten Klassifizierungen sind immer fragwürdig. D.h. von jeder Kategorie könnte man wohl nachweisen, dass wir im Notfall auch ohne sie auskämen - daher meine Aussage, dass wir sie nicht wirklich brauchen - aber wenn wir alle Klassifizierungen auf einem Streich über Bord werfen würden, hätten wir erhebliche Probleme - zu bequem sind die "Schubladen" im Denken und in der Kommunikation des Alltags.


    Zitat

    In Deiner Antwort auf Danielas Post hast Du dann Kategorien genannt, die ich weit eher als die des "Klassikers" akzeptieren kann: Science Fiction, Märchen usw. Diese sind doch auch wesentlich deskriptiver als der Begriff "Klassiker". (Und beispielsweise gibt es dann ja auch SF-Klassiker).
    Science Fiction und dergleichen würde ich dann "konkrete" Kategorien nennen und "Klassiker" wäre dann eine "subjektive" Kategorie.
    Doch - nach wie vor - brauche ich sie? Wie wenig ist damit doch über ein Buch gesagt.


    Das mag wohl sein. Und der Grund, warum wir gerade über den Begriff "Klassiker" viel heftiger diskutieren als über "Märchen" oder "Fantasy" scheint darin zu liegen, dass dieser Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch viel unschärfer, ungenauer ist. Hinzu kommt das logische Problem, das ich oben beschrieben habe: In der Frage "Was ist ein Klassiker?" kann man erst dann sagen, wonach gefragt wird, wenn die Frage beantwortet ist. Was ich hier "Unschärfe" nenne, hat unterschiedlichen Sprachgebrauch zur Folge, und das ist wohl das, was Du "subjektiv" nennst.


    Zitat

    Mir machen nur solche Listen Sorge, die eine Lektüre als VERBINDLICH erklären mit der Zumutung, man MÜSSE dieses und jenes gelesen haben.
    Ähnliches habe ich in diesem Thread gelesen und hoffe in diesem Fall ganz aufrichtig, es mißverstanden zu haben. Wäre mir sonst eine zu elitäre Auffassung.


    Da bin ich ganz Deiner Meinung. Mir kann niemand vorschreiben, was ich lese. Allerdings würde ich schon nach dem Ersteller eines Kanons differenzieren. Wenn jemand wie MRR, der sich ein Leben lang mit Literatur beschäftigt hat, bestimmte Werke hervorhebt, würde ich diese zumindest in Erwägung ziehen. Wenn ich dann nach einigen Versuchen feststelle, dass ich seine Einschätzungen nicht nachvollziehen kann, würde sein ganzer Kanon in meiner Wertschätzung sinken. Wenn ich andererseits durch einige seiner Tipps auf Wertvolles gestoßen bin, was ich sonst nie gefunden hätte, würde mein Vertrauen in seinen Kanon zunehmen.


    Was haltet Ihr z.B. von den Dialogen von Arno Schmidt? (Ein ganz neues Thema :-)).


    Gruß, Harald

    Hallo Daniela,


    Liegt es an der späten Abendstunde, dass ich Deine Botschaft nicht verstehe?


    Zitat von "elahub"

    Als ich Knightleys Aussage gelesen habe, meinte ich, meine eigene zu lesen. Auch ich brauche keine Kategorien, wüsste auch nicht, wozu sie dienen sollten ..


    Na zum Beispiel dazu, dass man miteinander kommuniziert. Wie willst Du z.B. jemandem mitteilen, dass Du einen Roman, ein Kinderbuch, ein Drama, eine SF- oder eine Fantasygeschichte oder was auch immer gelesen hast, wenn es diese Kategorien nicht gibt? Was ist mit den Begriffen "Text", "Autor", "Sprache"... alles Kategorien... you get the idea.


    Wir diskutieren hier über "Klassiker", deshalb ist für mich der Versuch einer genaueren Begriffsbildung als der in der Alltagssprache gegebenen für dieses Wort nicht ganz fehl am Platze.


    Zitat

    Wir könnten ja mal alle fragen, die sich hier im Klassikerforum treffen


    Natürlich kann man Leute fragen... aber <b>was</b> willst Du sie fragen? Hier fehlt mir ein Nebensatz, der die Frage spezifiziert.


    Zitat

    denn all diese Leute müssen ja einen Grund haben, warum sie sich hierherberufen fühlen.


    Vielleicht bin ich etwas zu genau mit der Sprache, aber meiner Meinung nach kann man nur einen Grund haben, etwas zu tun. Ein Gefühl wird normalerweise nicht bewußt gesteuert, deshalb kann man keinen Grund haben, etwas zu fühlen. Vielleicht ist die Ursache des Gefühls gemeint? Aber was hätte diese Ursache mit der Notwendigkeit von Kategorien zu tun?


    Zitat

    Ich beispielsweise habe die Leselustseite per Zufall gefunden und als ich dort die Klassikersparte entdeckte, dachte ich mir "Das ist es!!!" Endlich mal Leute, mit denen Du über Deine Lieblingsbücher diskutieren kannst.


    Das ging mir ganz genauso! Den Zusammenhang mit Kategorien oder Begriffen verstehe ich aber nicht.


    Zitat

    Ich gehe davon aus, dass die meisten hier eine persönliche Ansicht haben, eine eigene Meinung (wo auch immer hergeleitet) dazu, was ein Klassiker ist, genau wie ich. Wenn ich mir die Bücher ansehe, die hier gelesen oder besprochen werden, sehe ich, dass viele das ähnlich sehen wie ich.


    Dieselbe Unschärfe von Definition und Aussage wie schon vorher. Meinst Du, jeder habe einen eigenen Begriff (so dass jeder, der das Wort "Klassiker" benutzt, etwas anderes meint) - oder meinst Du, dass alle dieselbe Definition von "Klassiker" haben (denselben Begriff verwenden), aber unterschiedliche Werke als "Klassiker" bewertet wissen wollen?


    Worauf bezieht sich "das" im Nebensatz "dass viele das ähnlich sehen wie ich"? Es kann sich ja nur auf die vorangegangene Bemerkung beziehen, dass jeder seine eigene Meinung zu haben scheint, was Klassiker sind. Dieses also scheint jeder ähnlich zu sehen, und das wiederum erkennst Du an den besprochenen Büchern? Ist es aber nicht in Wirklichkeit so, dass an den besprochenen Büchern nur erkannt wird, dass jeder seine eigene Meinung hat, was Klassiker sind - aber nicht, dass jeder meint, dass jeder andere seine eigene Meinung hat? (Letzteres klingt verworren, ist aber das, was Du sagst, wenn auch wahrscheinlich nicht meinst!!!)


    Zitat

    Es kann ja ruhig jeder einem "unerfahrenen Leser" helfen und ihm Tipps geben, was er lesen soll/te.
    Nur kann auch solch ein Tipp genauso abschreckend sein wie zu sagen: "Na Ich jedenfalls lese Klassiker" - Genau die Erfahrung habe ich auch schon gemacht.


    In welcher Situation Du diese Erfahrung gemacht hast, würde mich schon interessieren. Die betreffende Person hat entweder kein Vertrauen in Dein Urteil gehabt oder ist davon ausgegangen, dass Dein Geschmack für sie nicht maßgeblich ist... oder?


    Wenn es eine vernünftige Begriffsbildung gibt, dann sollte jedem klar sein, was mit "Klassiker" gemeint ist. Und wenn jemand entscheidet, dass das für ihn oder sie nichts ist, dann ist das doch legitim, oder nicht? Wo ist das Problem?


    Zitat

    Ich brauche nur Dostoj zu sagen, dann wissen schon alle, dass das wieder "so was Schweres" ist. Lieber erzähle ich von dem Humor des Schriftstellers, seiner tiefen Religiosität, der interessanten Darstellung des Lebens Ende des 19.Jahrhunderts ....


    Entweder es ist wirklich "schwer" für die Betreffenden - dann haben sie ein Recht, so zu urteilen - oder es handelt sich um ein Mißverständnis oder um Unverständnis. Das wäre aber für mich ein Grund mehr zur Klärung!


    Zitat

    Ich bin jedenfalls meinem damaligen Lehrer dankbar für den Tipp "Schuld und Sühne".
    Und einen Lesetipp meiner Bekannten (sie hatte mir mal "ES" von Stephen King empfohlen) würde ich NIE wieder beachten!! :zwinker:


    Hier habe ich endgültig den roten Faden verloren... argumentierst Du für oder gegen Tipps...?


    Mein Standpunkt kurz und plakativ: Gute Definitionen versachlichen die Diskussion und verhindern, dass man aneinander vorbei redet. Sie sind für jede Analyse unerläßlich. Wer nur lesen will, braucht sich über die Kategorisierungen von Texten keine Gedanken zu machen. Wer über das Gelesene sprechen will (und das trifft m.E. auf alle Forumsteilnehmer zu), kommt ohne sie nicht aus.


    Gruß, Harald

    Zitat von "Knightley"

    Ganz subjektiv: braucht die Literatur, außer für jene, die Literatur "irgendwie" zu ihrem Beruf gemacht haben, Kategorien?


    Die Literatur nicht, aber wir. D.h. wirklich brauchen tun wir sie auch nicht, aber der menschliche Verstand ist nun einmal so beschaffen, dass er kategorisieren will.


    Zitat

    Ein Literaturkanon wirkt, meiner Erfahrung nach, gelegentlich nicht etwa "hinführend" zu einem Werk, sondern gerade umgekehrt auch "abweisend" von einem Werk.


    Das scheint mir kein Argument gegen einen Kanon zu sein.


    Zitat

    Nicht nur, daß ich immer häufiger in meinem Umkreis (leider!) die Erfahrung machen muß, als Lesender wie ein Vertreter der "unheimlichen dritten Art" angesehen zu werden - nach der Lektüre gefragt, das Buch besehen, heißt es dann, nicht selten, "oh, ein Klassiker, nein, das ist mir zu schwer".


    Tja, was soll man da sagen? ;-)


    Zitat

    Die Unsinnigkeit solcher Gleichsetzung kann ich gemeinhin nur deshalb ausräumen, weil ich über das Buch wie über einen Freund, nicht aber über das Buch als Pflichtlektüre spreche.


    Womit Du für dieses Buch eine Empfehlung aussprichst - der erste Schritt auf dem dornigen Weg zu einem Kanon.


    Zitat

    Ich fürchte manchmal, daß literarische Schubladen eher die Rezeption eines Buches verhindern statt sie zu fördern. Soll doch jeder Leser die Bücher entdecken, die ihn die Entdeckung wert erscheinen.


    Ja, aber Du kannst Dir einige Tausend Jahre Lesearbeit ersparen, wenn Du die Erkenntnisse derer, die vor Dir da waren, mit einbeziehst (natürlich nicht unkritisch). Wo soll jemand, der keine Ahnung hat, anfangen, wenn ihn niemand an die Hand nimmt und Empfehlungen gibt (so wie es auch hier im Forum geschieht)? Die Gefahr des sich Verzettelns ist doch ohne Vorgaben viel größer. Mit zunehmender Leseerfahrung kann man sich von den "Vorgaben" emanzipieren und seinen eigenen begründeten, individuellen Kanon aufstellen


    Gruß, Harald