• Hallo zusammen!


    Ich habe, um mir das Warten bei Paradise Lost zu verkürzen, mal in die Edda geblickt. Es ist eine völlig fremde Welt. V.a. die sog. 'ältere' Edda ist eigentlich eine Sammlung von Kurz-Epen oder Liedern. Einige davon sind recht schwer verständlich. So wird die Schöpfung nur sehr geheimnisvoll angegangen; erst Snorrlis 'jüngere' Edda schildert systematisch von Anfang bis Ende. Irgendwie scheinen mir auch die verschiedenen metaphysischen Geschichten nicht so recht zusammenzupassen. Es gibt dann wieder die Weltesche Yggdrasil, unter deren drei Wurzeln ein ganzer Kosmos residiert.


    Ich kann mich erinnern, dass ich zum ersten Mal mit ca. 12 Jahren eine Nacherzählung germanischer Sagen à la Schwab gelesen habe. Ich hatte schon damals Mühe, mich in diese dunkle Welt von Göttern, Riesen, Zwergen, Drachen und Menschen zu finden. Daran hat sich nichts geändert. Ich bin wohl eher der mediterrane Typ :smile: .


    Persönliche Highlights bei der Lektüre: [list]- Die Aufzählung der Zwerge. Ich weiss jetzt, woher Tolkien die Namen und die Konzeption seiner Zwerge hatte.
    - "Edda" heisst "Urgrossmutter". Wieso allerdings Snorrli sein Werk so nannte?
    - Witzig fand ich die Idee, dass die Erde aus den Überresten eines von den Asen erschlagenen Riesen geformt wurde.
    - Der Schicksalsgedanke ist auch bei den Germanen offenbar höchst präsent. Keiner entgeht dem Schicksal, das ihm vorhergesagt wird. Und die Helden wissen es und gehen offenen Auges und mutig in den Untergang.
    - Es ist eigentlich eine trostlose Welt, wo Schuld wieder Schuld erzeugt, Rache wieder Rache. Er erschlägt meinen Vater, aus Rache erschlage ich ihn, aus Rache wird mich sein Sohn erschlagen ... Auch Frauen nehmen daran teil ... [/list:u]Im übrigen liefert uns die Edda eine Variante der Nibelungen-Sage. Auch mit der habe ich mich, anders als mit Homer, nie so anfreunden können. Nun, es war trotzdem interessant.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    "Die Edda" möchte ich auch schon länger lesen und Du hast mir jetzt wieder richtig Lust darauf gemacht. Ich hatte vor einigen Jahren schon mal drin geblättert, aber dann war es mir auf Anhieb doch etwas zu anstrengend und mir fehlte der Bezug.


    Sehr empfehlenswert - sozusagen als Kontrast - ist übrigens das keltische Mabinogion.


    Liebe Grüße
    nimue

  • Ups, dieser Thread ist mir bisher doch glatt entgangen.


    Um die Edda schleiche ich auch schon länger herum, traue mich aber nicht so recht heran. Genauso reizt mich das von Nimue erwähnte keltische Mabinogion - angeblich sehr gut nacherzählt in "Die vier Zweige des Mabinogi" von Evangeline Walton.
    Mit der keltischen Kultur und Mythologie habe ich mich schon eine Zeitlang etwas intensiver beschäftigt und da bleibt es nicht aus, dass man zumindest am Rande auch etwas von den Germanen mitbekommt. Mich interessieren sehr die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen Kelten und Germanen (Waren die Völker tatsächlich so schwer auseinanderzuhalten, oder gründen Caesars Verwechslungen in blindem Eroberungseifer?) sowie zwischen österreichischen und "klassischen" (gallischen/irischen) Kelten, die Konflikte und gegenseitige Beeinflussung von Kelten und frühen Christen, und und und ... bei allem Interesse für die griechische und römische Antike bin ich wohl dennoch durch und durch der mitteleuropäische Typ! :zwinker:


    Gruß
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "nimue"

    Sehr empfehlenswert - sozusagen als Kontrast - ist übrigens das keltische Mabinogion.


    Ja? Gut, hoffentlich. Ich habe mir nämlich gerade eines bestellt. Bei der Buchhandlung meines Vertrauens ... :zwinker:


    Bluebell
    Cäsars Verwechslungen halte ich für sehr natürlich. Ich meine: Ist der durchschnittliche Mitteleuropäer von heute in der Lage, sagen wir: Chinesen, Japaner und Vietnamesen physiognomisch oder kulturell auseinanderzuhalten? Ich nicht. Und ähnlich fremdartig müssen vor über 2000 Jahren dem Cäsar diese Barbaren in den nördlichen Wäldern vorgekommen sein.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,


    Die Edda schwebt mir schon seit längerem als Lektüre vor. Aber welche Übersetzung - Ausgabe - Länge usw. soll ich nur wählen?


    Die beiden folgenden scheinen Gesamtausgaben zu sein und sind recht gut besprochen:


    [kaufen='978-3866630277'][/kaufen]


    und


    [kaufen='978-3717517306'][/kaufen]


    Kennt jemand eine der Ausgaben oder kann noch eine andere empfehlen?


    Danke und Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Es gibt ja einige Ausgaben, viele sind nicht vollständig (so dies denn überhaupt möglich ist). Die erste oben von mir verlinkte Ausgabe sollte laut Wapedia mit Vorsicht genossen werden... Die zweite Ausgabe (Menasse) gilt als gut übersetzt aber nicht sehr gut kommentiert... Andere kommen hinzu:


    so die erste "wissenschaftlich fundierte" "Gesamtübertragung" von Karl Simrock:


    [kaufen='978-3937715148'][/kaufen]


    Nach all den Erkundigungen, die ich eingezogen habe, bekommt sie zur Zeit meinen Vorzug.


    Eine andere ist die von Felix Genzmer übertragene Fassung:


    [kaufen='978-3720527590'][/kaufen]


    Ich werde noch etwas warten, in der Hoffnung, dass sich noch ein(e) Experte/Expertin zu Wort meldet...


    Garnicht leicht in diesem Fall, die richtige Wahl zu treffen...


    FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Wegen euch ist jetzt Wilhelm Jordan auf meiner schon zu langen muss-ich-lesen Liste gelandet :grmpf: :breitgrins:


    Ich kenne und liebe zumindest Teile der Edda seit Kindheit, kenne mich aber trotzdem zu wenig aus um hier definitives zu sagen.


    Der Arun Verlag ist ein Verlag von Heiden für Heiden, die an der Edda-Ausgabe beteiligten sind ebenfalls bekennende Heiden. Natürlich dient diese Ausgabe nicht unbedingt "wissenschaftlichen"oder rein literarischen Zwecken. Damit will ich nicht sagen dass sie schlecht ist, überlege mir grad ernsthaft ob ich sie für die Sammlung brauche. Aber wissen sollte man das als Leser. Was mir nicht so klar ist, ist ob Jordan auch dieses Geistes war oder einfach eine wohlklingende gemeinfreie Übersetzung gewählt wurde.


    Ich wiss gerade leider nicht welche Edda-Übersetzung ich daheim stehen habe, Simrock werde ich demnächst auf dem kindle lesen.


    Beim Niebelungenlied, wo ich den direkten Vergleich Genzmer/Simrock/Urtext habe kann ich sagen, gut sind beide, wirklich modern ist keiner. Simrock ist in Sprache und Wortwahl teils näher am Urtext, was mir persönlich dessen Verständnis teils erst möglich gemacht hat. Dafür ist seine Sprache schon teils, nun ja, zwischen veraltet und unglücklich historisierend. Genzmer liest sich da wesentlich angenehmer, obwohl er auch teils historisiert. Beim Niebelungenlied har sich Genzmer angeblich an Simrock orientiert und wollte eine modernisierte Version der Simrock-Übersetzung (oder Nachdichtung) liefern, bei der Edda weiss ich nicht wie sich das verhält.


    Har inzwischen jemand die Übersetzung von Artur Häny gelesen? Eine Übersetzung aus moderner wissenschaftlicher Sicht würde mich auch noch interessieren.

  • Also zur Vollstaendigkeit, ich habe die Genzmer-Uebersetzung. Laut Vorwort war sein Ziel besonders, die dichterische Schoenheit des Originals zu transportieren. Die Gedichte sind auch schoen, und nicht gar zu schwer zu lesen.


    Ich habe die letzten Tage auch die ersten paar Gedichte der Simrock-Uebersetzung gelesen. Ich fand es furchtbar.Holpriger Rhythmus, seltsame Reime, ueberfluessige Anachronismen - das alles lenkt mich so ab dass ich Muehe habe dem Inhalt zu folgen. Nee, das will ich jetzt nicht lesen. Vielleicht goenne ich ir mal die Genzmer'Uebersetzung fuer den Kindle.


    Jetzt kehre ich zu Simrocks 'der Rhein' zurueck, eine Art kulturhistorischer Reisefuehrer durch das Rheintal. Es liest sich angenehm und fluessig, ist zwar eher plaetschernde Unterhaltung aber gar nicht so uninteressant.

  • Gerade schrieb ich im Lesemuffelordner, dass in 2014 literarische Ebbe bei mir war, aber in Genzmers Edda-Übertragung habe ich doch gelesen.


    Toller Stoff, besonders, ich mich für zwei Ölgemälde belesen wollte. Das Buch ist halb gelesen und ich habe viel darin gefunden.


    Liegt mit Jean-Paul-Erzählungen und einem Neo-Rauch- und Michaël-Borremans-Austellungskatalog zur Zeit auf meinem Nachtschränkchen.


    Also ich mach mich mal davon und ins Bett, um dem guten Vornehmen, also Literaturlesen, nicht schon Anfang Januar untreu zu werden.


    Die Edda, wirklich eine tolle Sagensammlung und Dichtung.


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • So lese ich mich also weiter durch die Edda und Paul Herrmanns "Nordische Mythologie" und "Deutsche Mythologie" und bin beeindruckt und werde fasziniert in diese phantastische Welt mitgesogen.


    Heute habe ich eine Aquarellskizze einer Eddafigur fertigaquarelliert und das Ölbild über die gleiche Figur schreitet voran. Leider ist die Zeit knapp...


    Sich künstlerisch (wenn auch leider nur dilettantisch) mit den mythologischen Figuren zu beschäftigen ist schon spannend. :smile:


    Aber der Weg ist noch weit und viele Ideen sind noch nicht konkret genug, aber die Skizzenbücher füllen sich und das Wissen um diese verblassende mythologische Welt nimmt zu.


    Ich habe den Eindruck, dass diese Mythologie ein bischen zu sehr missachtet wird und habe mir zum Ziel gemacht, um ab und an Figuren daraus in eigene Zeichnungen und Ölbilder zu übersetzen, und so etwas gegen das Vergessen zu unternehmen. Ob es Sinn macht? Na der Glaube daran spornt mich an und die Freude, sich an dieser Mythologie gestalterisch abzuarbeiten und -zuringen ist natürlich von ganz besonderer Art.


    Manchmal fühle ich, dass noch etwas von dieser Welt in unserem kollektiven Unbewussten steckt...


    :winken:

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10


  • Hallo Friedrich-Arthur,


    ich finde es sehr schön, dass Du Deine Leseeindrücke in Skizzen und Bildern festhältst. :klatschen:


    Gruß, Gina


    Dem schließe ich mich gerne an. :winken:
    Ich habe mal versucht eine Beschreibung aus "Brideshead" und aus "Vision" (Thomas Mann) zu skizzieren, obwohl ich kein Talent habe, doch es hat mir gut getan. Ich kann verstehen, dass du es spannend findest.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Gina und Maria,


    es ist spannend Leseeindrücke in Bilder umzusetzen. Manchmal mache ich es, doch nicht oft. Aber wenn, dann ist es fesselnd und beginne ich nicht nur Bilder zu sehen, wie beim Lesen (geht mir meist so beim Lesen) sondern sie auch zu verändern, denn das vorgestellte Bild im Kopf ist noch anders als das tatsächlich umgetzte Bild, diesmal auf der Leinwand (aber egal mit welcher Technik)...


    Diemal habe ich mich am Ölbild der Eddafigur zu schaffen gemacht und es fertiggestellt. Leider ist das Foto etwas schach in Auflösung, Schärfe und Farbe (besonders die Gesichtsfarbe).


    Ich lese mich weiter langsam durch die Edda und die Paul-Hermann-Bücher, das wird wohl noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen beim gegenwärtigen Tempo...


    Grüße,


    Jens

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10