Juni 2004: John Milton - Paradise lost

  • Ich habe jetzt das Buch:"Das verlorene Paradies" von Hans Heinrich Meier :klatschen: . Habe jetzt erst das Nachwort und Biographische Notitz gelesen. Samuel Gottlieb Bürde war der Erste, der dies Werk übersetzt haben soll.(1793) Später erst wieder im 19. Jahrhundert(Priess, Rosenzweig und Kottenkamp,später dann Schuhmann und Molinari. Als die verbreiteste Übersetzung soll die von Böttger(gest.1870)sein. Er hat alle Hauptschriften Miltons übersetzt. Danach noch Karl Eitner. Urteile wer nun besser übersetzt hat, kann ich mir nicht erlauben.


    Beginne jetzt:"Erstes Buch" und werde immer nach euch Ausschau halten. :breitgrins: Also rennt mir nicht zu schnell. Na, ja dieser Mensch hat viel Phantasie und eine große Bildersprache. Er betrachtet die Schlange als Teufel :sauer: . Aber egal-, ich kämpf mich durch.


    Gruß,Fuu


    Jetzt gehe ich erst in den Garten und heute Abend lese ich noch etwas.

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo Fuu,


    Danke für die Info. Obwohl, dass die erste Übersetzung erst 1793 vorgelegen haben soll...?? Google-Suche ergab:


    http://susi.e-technik.uni-ulm.…D=1068016549290&BandNr=11


    Übersetzt wurde das Gedicht zuerst von Th. Haake (gest. 1690), doch ist diese Übersetzung jetzt verloren; dann von Bodmer (Zürich 1732), Zachariä (Altona 1762), Bürde (Berl. 1793), Prieß (Rostock 1813), Rosenzweig (Dresden 1832), Kottenkamp (Stuttgart 1841), A. Böttger, Schuhmann (2. Aufl., Stuttg. 1877), Eitner (Hildburgh. 1867).


    Kurios, eine verlorengegangene Übersetzung... also etliche Übertragungen, die aber nicht mehr leicht zugänglich sein dürften.


    Zitat

    Also rennt mir nicht zu schnell.


    Bei mir besteht da keine Gefahr :smile:


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald,


    Bodmer erste Prosaübersetzung von 1732 "Verlust des Paradieses",wurde von Bodmer selbst die "schweizerische" genannt. Er ließ noch 1742 eine"deutsche" und 1754 eine"poetische" folgen.Bodmers erste Fassung machte ihn sofort berühmt.
    Samuell Gottlieb Bürde war der erste, dem eine zeitgenössische deutsche Kunstsprache,nämlich die klassische ermöglichte, das Verlorene Paradies mit Glück und Schönheit in Miltons eigenes Versmaß zu bringen.
    Hatte darauf nicht geachtet.(Prosa und Klassik)


    Gruß,Fuu(die gleich Marmelade kocht) :breitgrins:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Hubert"

    von den sogenannten Götzen Baal usw., wußte ich das, aber Osiris und Jupiter?


    M.W.: ja.


    Zitat von "marin"

    Auch hier hört es sich so an, als wären Argo und Odysseus schon Geschichte. Leider kann ich dir also auch nicht weiterhelfen.


    Den Erzählerstandpunkt in Paradise Lost finde ich auch äusserst interessant. Milton beschreibt paradiesische Zustände, indem er immer wieder Beispiele aus der antiken, griechischen Mythologie zu Hilfe nimmt. Diese Mythologie, abgesehen davon, dass er ja die griechischen Götter ebenfalls als gefallene Engel sieht, sie also gar nicht im Positiven erwähnen dürfte, wird von ihm aber ebenfalls als schon Vergangenes geschildert. Selbst die Apokalypse ist für ihn schon Vergangenheit, wenn ich die Andeutung in Buch IV richtig verstanden habe. Der Erzähler nimmt also quasi den allwissenden Standpunkt Gottes ein. Im Grunde genommen, die einzig richtige und einzig mögliche Einstellung. Wer, wenn nicht Gott selber, kann denn schon wissen, was Gott-Vater und Gott-Sohn miteinander diskutiert haben?


    Ich bin unterdessen mit Buch IV fertig. Milton beschreibt imho sehr plastisch. Bewaffnete Engel, die in Soldatenart ihre Wache schieben und Runden ums zu bewachende Paradies drehen ... Auch die Keifereien (sagen wir vornehmer: Wortgefechte ... ) zwischen Gabriel und Satan ...


    Milton ist ein Meister der Andeutungen. Ich weiss nicht, wie das in den Übersetzungen rüber kommt. Aber er verwendet, v.a. bei der Schilderung Evas, immer wieder Worte, die auf einer ersten Ebene durchaus positiv klingen und wohl auch gemeint sind, auf einer zweiten aber schon auf Evas Sündenfall hinweisen. Miltons Frauenbild wirkt heute allerdings schon leicht komisch.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ach du meine Güte :entsetzt: ! Da schwirren ja so viel Engel rum, das mir ganz schwindelig wird. Da helfen mir die:"Verschiedenen Klassen von Engeln" sehr. :blume: Erste Buch fast beendet und ich bin ersteinmal erschlagen.(k.o. :breitgrins: ) Bei Engel hört meine "Kraft" auf.(Phantasie) Aber die Bildersprache ist schon gewaltig und schön. Versuche jetzt einzelne Gedanken zu sortieren.(1.Buch)


    Schlange(Symbol)=Satan=Böse


    Die schwarze Wolke von Heuschrecken,die,
    Vom Ost getragen,über Pharaos
    Gottloses Reich wie Nacht herniederhing
    Und all das Land des Nils verdunkelte.
    So zahllos kamen jene bösen Engel


    Kann man ja Angst beim lesen bekommen. Jetzt beschäftige ich mich erst einmal mit Engeln. Dachte immer, das es nur gute(liebe) Engel gab. Hab mich aber noch nie damit beschäftigt. Gehören ja ins Reich der Mythen und Märchen :zwinker: .


    Gruß,Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo an alle!


    Nach dem Bruch nach Buch 2 - als Satan den Garten Eden erreicht - ist mir beim Vergleich des dritten und vierten Buches folgendes aufgefallen: Der Beginn des dritten Buches ist stark von einer Metaphorik der Dunkelheit geprägtr (Milton arbeitet hier stark mit dem Wortfeld "Dunkelheit"), während Satan am Anfang des vierten Buches die Sonne (also das Licht) anruft und diese verflucht.


    Auch bei der Beschreibung des Garten Edens bezieht sich Milton wieder auf die alten Griechen:


    "...; Eden stretched her line
    From Auran eastward to the royal towers
    Of great Seleucia, built by Grecian kings,
    Of where the sons of Eden long before
    Dwelt in Telassar: ..."


    :rollen: Also für mich hört sich das doch wieder so an, als hätten die alten Griechen bereits zur Zeit des Garten Eden ihre Türme an dessen Rand erbaut. Auch wenn man vom Erzählzeitpunkt Miltons ausgeht, scheint es so, als ob Milton das Paradies konkret auf der Landkarte verorten wollte. Kann mir da jemand weiterhelfen?


    sandhofer: Ich habe die Anspielung auf die Apokalypse zu Beginn von Buch 4 so verstanden, dass Gott als Allwissender die Apokalypse bereits(vorher)gesehen hat.


    Interessant fand ich, dass Milton in seinen "Arguments" von "down to Paradise" spricht. Von uns aus gesehen ist es ja oben ...


    Viele Grüße an alle,
    marin

  • Hallo zusammen!
    Bin wieder ans Weltnetz angeschlossen und hoffe, dass ich wieder regelmässiger ins Forum gehen kann. Und damit gebe dann auch schon gleich meinen Senf dazu :winken:


    Zitat von "sandhofer"

    Den Erzählerstandpunkt in Paradise Lost finde ich auch äusserst interessant. Milton beschreibt paradiesische Zustände, indem er immer wieder Beispiele aus der antiken, griechischen Mythologie zu Hilfe nimmt. Diese Mythologie, abgesehen davon, dass er ja die griechischen Götter ebenfalls als gefallene Engel sieht, sie also gar nicht im Positiven erwähnen dürfte, wird von ihm aber ebenfalls als schon Vergangenes geschildert. Selbst die Apokalypse ist für ihn schon Vergangenheit, wenn ich die Andeutung in Buch IV richtig verstanden habe


    Mit der Erzählperspektive hatte ich bereits im ersten Buch meine Problem. Z. B. wo die Höllenfürsten vorgestellt werden. Da wird ja auch schon eingebracht, welchen Weg die 'nach der Hölle' gehen. Oder an der Stelle, wo das satanische Heer beschrieben wird: Denn seit Menschen sind,/Ward noch kein Heer gesehen, das gegen dieses/ Mehr als das schwache Fußvolk gelten dürfte. Wobei es bei der letztgenannten Stelle klarer ist. Am Anfang hat mich das schon leicht verwirrt.


    Zitat von "sandhofer"

    Der Erzähler nimmt also quasi den allwissenden Standpunkt Gottes ein. Im Grunde genommen, die einzig richtige und einzig mögliche Einstellung. Wer, wenn nicht Gott selber, kann denn schon wissen, was Gott-Vater und Gott-Sohn miteinander diskutiert haben?


    Ein wichtiger Gedanke finde ich. Schade, dass mich immer erst andere auf so etwas bringen müssen :breitgrins:


    Zitat von "sandhofer"

    er verwendet, v.a. bei der Schilderung Evas, immer wieder Worte, die auf einer ersten Ebene durchaus positiv klingen und wohl auch gemeint sind, auf einer zweiten aber schon auf Evas Sündenfall hinweisen. Miltons Frauenbild wirkt heute allerdings schon leicht komisch


    Nicht ganz so komisch wie das einiger seiner Zeitgenossen.
    Bin auch ein klein wenig erstaunt, wie oft ich da schon Schuldzuweisungen zu Ungunsten der Eva rausgelesen habe. Denn Milton scheint den Sündenfall wegen des freien Willens doch auch für unabdingbar gehalten zu haben. Der Mensch ist von da an lernfähig und trägt die Verantwortung für sich selbst. Und mit diesem Potential kann er alles daran setzen, den Zustand vor dem Sündenfall wieder zu erlangen. Hab ich das richtig verstanden?
    Wie auch immer, positiv im Text finde ich zumindest, dass Eva 'beweglicher' geschildert wird als Adam, sie entscheidet aus dem Bauch heraus :breitgrins:


    Ich fand übrigens sehr hilfreich, dass ich beim Lesebeginn schon über die Gliederung informiert war. Die vielen Schichten sind unglaublich! Schlüssig finde ich die Gliederung nach den 'Haupthelden' in zwei Teile. Buch 1-6 und Buch 7-12. Wär mir wahrscheinlich wieder ganz am Schluss aufgefallen, so habe ich das beim Lesen immer mit im Hinterkopf. Im ersten Teil steht Satan im Mittelpunkt, sein 'Aufstieg und Fall', im zweiten Teil Adam. Beide werden vertrieben, aus dem Himmel bzw. dem Paradies. Und beide in eine veränderliche Geschichte. Und machen das Ihre daraus. Gefällt mir.


    Das wars für heute.
    Grüße
    waldfee

  • Zitat von "Harald"

    Hallo Hubert,


    Ja, das zweimalige "einst" in der Übersetzung, dem im Original nichts entspricht, war mir auch aufgefallen. Es verleitet natürlich dazu, das Imperfekt als Vorvergangenheit zu interpretieren.


    ...
    Eigentlich schade, dass nur diese eine Übersetzung erhältlich ist. Es muss doch etliche Übertragungen ins Deutsche gegeben haben. Weiß jemand etwas darüber? Und wer hat die Reclam-Version übersetzt?


    Hallo Harald


    Die Reclam-Version hat Hans Heinrich Meier übersetzt:


    "Und mehr gefährdet, als da Argo einst
    Den Bosporus durchsegelte, wo sich
    Die Felsen dort die Schultern reiben, oder
    Als einst Odysseus die Charybdis mied. "



    Ich hab' noch eine Übersetzung von Bernhard Schuhmann:


    "Bricht er sich Bahn: mit größerer Gefahr,
    als Argo zwischen Fels und Klippen hin
    den Bosporus durchfuhr, und als Ulyß,
    auf einer Seite die Charybdis meidend,"



    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Ich bin jetzt am Ende von Buch V; also wohl am weitesten von allen. Werde es also, so ich denn kann (das Ding ist echt spannend!), ein bisschen zurücklegen.


    Interessant, wenn auch wohl theologisch bedenklich, die psychologische Motivation für Satans Revolte.


    Zitat von "marin"

    [...] stark von einer Metaphorik der Dunkelheit geprägtr (Milton arbeitet hier stark mit dem Wortfeld "Dunkelheit"), während Satan am Anfang des vierten Buches die Sonne (also das Licht) anruft und diese verflucht.


    Danke für den Hinweis. Milton scheint überhaupt bestimmte Wortfelder bestimmten Personen zuzuweisen. Wörter mit sexuellen Untertönen bei Eva; Wörter, die in den östlichen Reichen die Hierarchien definierten (Sultan u.ä.) für die Hierarchien der gefallenen Engel; aber auch Perversionen kirchlicher Handlungen und Sakramente werden bei den Gefallenen angetönt ...


    Zitat von "marin"

    Auch wenn man vom Erzählzeitpunkt Miltons ausgeht, scheint es so, als ob Milton das Paradies konkret auf der Landkarte verorten wollte. Kann mir da jemand weiterhelfen?


    Nicht nur Milton. Das Paradies, von dem hier die Rede ist, der ursprüngliche Aufenthaltsort von Adam und Eva, wurde eigentlich schon immer auf der Erde lokalisiert. Es gibt noch ein zweites, himmlisches: den Aufenthaltsort der Engel und Gottes. Milton erzählt davon in Buch V. Es ist auch dieses zweite Paradies, das Dante besucht. Dieses Paradies ist - bei Milton wie bei Dante - "oben" lokalisiert.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Ich habe gestern das zweite Buch zuende gelesen.


    Zitat von "Sandhofer"

    Nicht nur Milton. Das Paradies, von dem hier die Rede ist, der ursprüngliche Aufenthaltsort von Adam und Eva, wurde eigentlich schon immer auf der Erde lokalisiert. Es gibt noch ein zweites, himmlisches: den Aufenthaltsort der Engel und Gottes. Milton erzählt davon in Buch V. Es ist auch dieses zweite Paradies, das Dante besucht.


    Ich meine mich zu erinnern, dass Dante auch das irdische Paradies gesehen hat. Es liegt auf dem Gipfel des Läuterungsberges..?!


    Was Milton vor Dante voraus hat, ist eine profunde Kenntnis auch der griechischen Überlieferung. Mein Kommentar nennt aber auch immer wieder Anklänge an Shakespeare, Tasso, Spenser... Wie reich die literarische Tradition schon zu Miltons Zeiten war, ist ja beinahe beängstigend.


    Die Erzählperspektive (Allwissenheit des Erzählers) ist doch ganz normal für fiktionale Texte?


    Ansonsten finde ich, dass die Darstellung der gefallenen Engel, der Hölle und was man indirekt vom Himmel vernimmt, sehr "irdisch" ist, d.h. die Darstellung ist sehr plastisch und anschaulich. Der Konflikt zwischen Satan und Gott wird wie der Kampf um ein Königreich geschildert. Nach dem gescheiterten Aufstand wird man ins Exil (= Hölle) getrieben und berät, wie man am geschicktesten weiter vorgeht.


    Sehr schön finde ich auch die Formulierung


    a race of upstart creatures


    (Buch 2, Zeile 834?)


    frei übersetzt, "ein Geschlecht von Emporkömmlingen". Damit meint Satan die Menschen! Man hört die Verachtung des Alt-Aristokraten für den "homme nouveau", der plötzlich auch etwas sein will... also alles in allem sind es von der Psychologie her Menschen in Engels-/Teufelsgestalt, nicht umgekehrt.


    Die verschiedenen Wortfelder waren mir so nicht aufgefallen... werde da jetzt mehr drauf achten.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Harald"

    Ich meine mich zu erinnern, dass Dante auch das irdische Paradies gesehen hat. Es liegt auf dem Gipfel des Läuterungsberges..?!


    Jetzt, wo Du's sagst, erinnere ich mich ebenfalls daran. Aber der dritte Teil seiner Commedia Divina war natürlich dem himmlischen Paradies gewidmet.


    Zitat von "Harald"

    Was Milton vor Dante voraus hat, ist eine profunde Kenntnis auch der griechischen Überlieferung. Mein Kommentar nennt aber auch immer wieder Anklänge an Shakespeare, Tasso, Spenser... Wie reich die literarische Tradition schon zu Miltons Zeiten war, ist ja beinahe beängstigend.


    Die literarische Tradition zu Miltons Zeit war in gewissen Sinne sogar reicher als die heutige. Wer, auch als Muttersprachler, kennt schon noch Spenser oder Tasso, hat sie gelesen? Auch bei der griechischen Mythologie waren Miltons Zeiten der unseren weit voraus, was die profunden Kenntisse angeht. Homers und Vergils Epen, Ovids Metamorphosen und andere lieferten die nötigen Kenntnisse zu den mythologischen Anspielungen, die wir heute nur noch dank der Fussnoten der Herausgeber problemlos identifizieren können.

    Zitat von "Harald"

    Die Erzählperspektive (Allwissenheit des Erzählers) ist doch ganz normal für fiktionale Texte?


    Sicher. Aber, was mich fasziniert, ist, dass jedes Ereignis unterschiedslos in der Vergangenheit geschildert wird, auch wenn es nach unserem Verständnis später als z.B. der Sündenfall stattgefunden haben muss. (S. marins Eindruck, dass die Griechen gleich ausserhalb des Paradieses wohnen müssen.)


    Schöne Beobachtung, danke! In Buch V wird diese Teufels-Psychologie dann weitergeführt; Milton wusste, wie eine Geschichte zu konstruieren ist ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer!


    Danke für den Hinweis, dass es nicht nur ein Paradies gibt, das wusste ich tatsächlich nicht, da ich mit Dantes Göttlicher Komödie leider nicht vertraut bin. :redface:


    @all: Da hier im Forum auch schon von Miltons Frauenbild gesprochen wurde, möchte ich noch eine meiner Beobachtungen dazu hinzufügen. In Buch V spricht Adam zu Eva, daß die Vernunft den anderen "lesser faculties" überlegen ist. Das passt eindeutig ins Schema Mann = vernünftig, Frau = emotional. Diese Oppositionen (dazu gehören auch Licht = gut, Dunkelheit = böse usw.) sind häufig in der Literatur und auch anderswo zu finden, da sie z.T. bis heute Denkstrukturen bestimmen.


    Harald: Ich muss dir recht geben: der Teufel hat durchaus menschliche Züge (und wenn er die nicht gehabt hätte (Neid, Stolz, ...), dann hätte er bestimmt auch keine Revolte im Himmel angezettelt ...)


    Viele Grüße
    marin

  • Zitat von "sandhofer"

    Das Paradies, von dem hier die Rede ist, der ursprüngliche Aufenthaltsort von Adam und Eva, wurde eigentlich schon immer auf der Erde lokalisiert.


    Hallo zusammen,


    persönlich habe ich dieses Paradies immer als Bewusstseinszustand verstanden, nie als lokalen Ort. Wie ich jetzt (im Bibelprojekt) erfahren habe, gibt es bei Eco eine Stelle (Baudolino?), wo das Paradies als lokaler Ort auf der Erde gesucht werden soll. Leider hat Daniela bisher noch nichts Näheres dazu gepostet. Welche Literatur gibt es noch, bei der dieses Adam/Eva-Paradies auf der Erde lokalisiert wird?



    :urlaub: Ich hatte mir heute hitzefrei genommen, und am Baggersee „Das verlorene Paradies“ bis Ende des sechsten Buches gelesen, werde jetzt also erst mal abwarten bis ihr aufgeholt habt? Wie weit seid ihr?


    Liebe Grüße von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Ich konnte mich gestern abend dann doch nicht zurückhalten und bin jetzt auch am Ende von Buch VI. Raphaels Erzählung finde ich auch in der Hinsicht interessant, als dass der - ja nicht allwissende! - Engel durchaus ohne Verweise auf spätere Ereignisse oder Inhalte der griechischen Mythologie auskommt. Würde meine Idee bekräftigen, oder?


    Zitat von "Hubert"

    persönlich habe ich dieses Paradies immer als Bewusstseinszustand verstanden, nie als lokalen Ort. Wie ich jetzt (im Bibelprojekt) erfahren habe, gibt es bei Eco eine Stelle (Baudolino?), wo das Paradies als lokaler Ort auf der Erde gesucht werden soll. Leider hat Daniela bisher noch nichts Näheres dazu gepostet. Welche Literatur gibt es noch, bei der dieses Adam/Eva-Paradies auf der Erde lokalisiert wird?


    M.W. bei diversen Kirchenvätern und Scholastikern. Die aber greifen m.W. alle auf die Bibel zurück: Schon Genesis 2,8 und dann 10ff wird der Garten Eden geografisch lokalisiert: zwei der vier Flüsse, die dort entspringen, sind der Euphrat und der Tigris.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    M.W. bei diversen Kirchenvätern und Scholastikern. Die aber greifen m.W. alle auf die Bibel zurück: Schon Genesis 2,8 und dann 10ff wird der Garten Eden geografisch lokalisiert: zwei der vier Flüsse, die dort entspringen, sind der Euphrat und der Tigris.


    Hallo Sandhofer,


    weißt du von den diversen Kirchenvätern und Scholastikern einen mit Fundstelle?


    In der Bibel wird das Paradies m.M.n. nicht geografisch lokalisiert. Der Kommentar der Jerusalemer Bibel schreibt z.B. zu Genesis 2,8:
    "Garten" wird von der Septuaginta und danach von der ganzen Tradition mit "Paradies" übersetzt. "Eden" ist ein geographischer Name, der sich jeder Lokalisierung entzieht und ursprünglich vielleicht "Steppe" bedeutete. Aber die Israeliten haben ihn nach dem hebräischen Wort für "Wonne" gedeutet.....


    und zu Genesis 2,10-14:
    Diese Einfügung wurde wahrscheinlich vom Jahwisten selbst vorgenommen, der alte Vorstellungen über die Gliederung der Welt verwendete. Seine Absicht ist nicht, die Lage des Gartens Eden anzugeben, sondern zu zeigen, dass die großen Flüsse, die "Lebensadern" der vier Weltgegenden ihren Ursprung im Paradies haben. ...
    Tigris und Eufrat sind bekannt; ihre Quellen liegen im armenischen Bergland nahe beieinander. Pischon und Gihon dagegen sind unbekannt. Hawila ist nach Gen 10,29 eine Gegend Arabiens. Kusch bezeichnet sonst Äthiopien, ....


    Grüsse


    Hubert

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Hubert"

    weißt du von den diversen Kirchenvätern und Scholastikern einen mit Fundstelle?


    Ich bin kein Theologe; mein Interesse an den Kirchenvätern und den Scholastikern war immer nur punktuell und die Lokalisierung des Paradieses war nie darin inbegriffen. Aber wirf z.B. einen Blick auf die sog. Ebsdorfer Radkarte von 1235, wo das Paradies oben Mitte, beim Vorderen Orient und Indien auf der Erde platziert ist. Noch Luther orientierte sich bei seiner Übersetzung an ihr.


    Zitat von "Hubert"

    und zu Genesis 2,10-14:
    Diese Einfügung wurde wahrscheinlich vom Jahwisten selbst vorgenommen, der alte Vorstellungen über die Gliederung der Welt verwendete. Seine Absicht ist nicht, [...]


    Woher will der Kommentator denn wissen, was des Jahwisten Absicht war?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Woher will der Kommentator denn wissen, was des Jahwisten Absicht war?


    Hallo Sandhofer,


    na ja, wenn z.B. ich das Paradies als einen umzäunten Garten geschreiben würde, in dem die Flüsse Nil, Amazonas, Rhein und Ganges entspringen, dann wäre es wohl für einen Kommentator keine große Geistestat, zu erkennen, dass es nicht meine Absicht ist, den Garten geog. zu lokalisieren.


    Danke für die Ebsdorfer Radkarte.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!
    Hallo Hubert!


    Nun ja, wenn Du, als Mensch des 21. Jahrhunderts, so etwas schreiben würdest, würde ich auf Anhieb mal folgende Gründe als mögliche Ursachen Deiner unverständlichen Aussage in Betracht ziehen: [list] Du hattest in der Schule in Geografie einen Fensterplatz
    Du standest beim Schreiben unter Einfluss irgendwelcher Drogen
    Du meinst diese Aussage allegorisch[/list:u]
    Da ich von Hubert schon andere Texte gelesen habe, würde ich wohl auf letzteres schliessen. Wer von Hubert nichts als diese Aussage kennte, dürfte das aber nicht.


    Man sollte als Leser doch nicht Textinterpretationen dem Autor als Absicht unterschieben. Und das tut der Jerusalemer Kommentator in vorliegendem Fall. Wir wissen nicht, was sich der Jahwist bei dieser Aussage dachte. Der Jerusalemer Kommentator nimmt an, er schreibe allegorisch. Eine über 1000-jährige Tradition in der christlichen Interpretion nahm ihn wörtllich. (Während sie z.B. das Hohelied durchaus allegorisch aufgefasst hat.) Wer hat(te) Recht? Beide Auffassungen entsprechen letztlich dem Geist ihrer Zeit. (Wer könnte heute noch eine Interpretation ernst nehmen, die tatsächlich versucht, das Paradies ganz konkret irgendwo im Zwei-Strom-Land zu lokalisieren? Wer hätte vor 1000 Jahren eine Interpretation ernst genommen, die ganz konkrete geografische Angaben als pure Allegorie auffasste?) Wie die Zeit des Jahwisten darüber dachte, weiss ich nicht. Soweit ich alte Mythen kenne, wäre das Thema der "Lebensader" doch vertieft worden, wenn die Nennung der vier Flüsse allegorisch aufzufassen wäre.


    Wie dem auch sei: Milton (revenons à nos moutons ...) steht hier ganz sicher in der 'klassischen' christlichen Tradition, die das Paradies ganz konkret auf Erden lokalisierte.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Hubert! Hallo sandhofer!


    Danke an euch für die interessante Informationen zur geographischen Lokalisierung des Paradieses.


    @all: Heute war auch ich mal am Baggersee und bin jetzt auch am Ende des Buches VI (ich war dieses Jahr das erste Mal am Baggersee und natürlich kam ein Gewitter). Auch hier wieder wird die untergeordnete Rolle der Frau betont ("warn thy weaker"). Aus der Geschichte des Sündenfalls resultiert ja die lange Geschichte der Frauenfeindlichkeit.


    Zum Paradies ist mir noch folgendes eingefallen: Toni Morrisons "Paradise" beschäftigt sich damit, ob es ein Paradies auf Erden gibt oder ob es sich dabei um eine unrealisierbare Utopie handelt (was Huberts Meinung vom Paradies als Bewusstseinszustand entspräche).Deswegen bin ich auch auf die Stelle "down to Paradise" aufmerksam geworden. "Now they will rest before shouldering the endless work they were created to do down here in Paradise." Morrison fragt hier natürlich nicht nach "dem" Paradies, sondern nach irgendeinem Ort, an dem paradiesische Zustände herrschen.


    Jetzt bin ich wohl etwas vom Thema abgekommen...



    Grüße von marin

  • Hallo zusammen!


    Zum Thema 'Satan' noch folgendes: Er wirkt sehr menschlich auf uns in seinen Reaktionen von Neid und Zorn. Das funktioniert aber vielleicht auch anders rum: Diese unsere 'menschlichen Schwächen' sind teuflische Reaktionen und werden von Milton als solche gebrandmarkt. -?- Immerhin ist Satan der erste, der solche Reaktionen zeigt.


    Gott-Sohn als nachgeborener Gott, nach den Engeln sogar. Theologisch wohl nicht unbedenklich, gibt aber Milton die Möglichkeit, Satans Abfall psychologisch zu motivieren. Der Stolz des alten Adels auf den 'up-start' ist also nicht nur dem Menschen gewidmet, sondern auch Gott-Sohn. (Der dann die Menschen wieder aus den Klauen des Teufels befreien wird, so wie er schon den Himmel befreit hat - ein guter Gedanke Miltons. Es bringt den Menschen Gott-Sohn sehr nahe ... )


    Habe nun Buch VII gelesen. Das bisher mit Abstand uninteressanteste Buch. Aber als Vorlage für eine Komposition durchaus geeignet, besser als der Schöpfungsbericht der Bibel. Die Schöpfung wird hauptsächlich von Gott-Sohn durchgeführt, zusammen mit Gottes Geist, der über den Wassern schwebt. Erst bei der Schöpfung des Menschen greift Gott-Vater wieder ein: "Lass uns Menschen schaffen, nach unserem Bild!", sagt er zu seinem Sohn. Milton sieht in diesem bekannten Satz also ebenfalls keinen Pluralist majestatis, sondern ein Gespräch zwischen den verschiedenen Personen Gottes.


    Zur Konstruktion ist mir aufgefallen, dass Milton zu Beginn von Buch VII noch einmal die himmlische Muse anruft. Er markiert also tatsächlich eine Zäsur. Auf der andern Seite sind die Bücher V bis VIII alles Erzählungen Raphaëls, bilden also in anderer Hinsicht unter sich wiederum eine Einheit. So verkettet Milton die einzelnen Bücher äusserst geschickt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus