• Was man an diesem Briefwechsel hat, merkt man, wenn man z.B. (so wie ich gerade) den von Flaubert und den Brüdern Goncourt liest. Ist ja manchmal recht lustig und witzig, oft aber nur belangloses gegenseitiges Lobhudeln und erschöpft sich gern im literarisch-pariserischen Tratsch ... :smile:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • 1870. Jules de Goncourt ist gestorben und Flaubert hat auch in der Familie einen Todesfall zu beklagen, da beruft er sich in einem Brief an Edmond auf Goethe, der geschrieben hatte: "Über Gräber, weiter!" (Oder so ähnlich; ich zitiere aus dem Kopf ...) Das ist aus einem Brief von Goethe, bezeichnenderweise (für Goethe sowohl wie für Flaubert) aber nicht aus dem Briefwechsel mit Schiller, sondern aus dem mit Zelter.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Giesberts Experiment (ich nenn's mal so) mit einer zeitverschobenen 1:1-Veröffentlichung der Briefe hat einen für mich ganz interessanten Nebeneffekt: Ich merke, wie die Zeit, um Briefe zu schreiben oder zu lesen, völlig anders verteilt ist, bei mir auch aktuell kaum vorhanden wäre.


    Goethes Brief vom 26. Oktober 1794 übrigens ein sophistisches Meisterstück: Man ist zwar übereingekommen, dass alle - alle (auch die eigenen)! - Beiträge zu den Horen quasi gegengelesen werden, Goethe aber wünscht nicht nur, dass seine Elegien nur vorgelesen würden (und das von Schiller, der ein notorisch schlechter Vorleser war), sondern er behält sich auch nachträgliche Änderungen vor ... So ein Schlaumeier ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    nach dem Lesen Die Leiden des jungen Werther (eine lohnenswerte Lektüre auch zum wiederholtem Male) habe ich mir nun die Biographie über Goethe von Richard Friedenthal bestellt. Die Biographie wurde vor kurzem hier empfohlen ( ----> http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,4306.0.html )


    außerdem warten noch die "Wahlverwandtschaften" und "Wilhelm Meisters Wanderjahre" auf Lesezeit.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • ... außerdem warten noch die "Wahlverwandtschaften" und "Wilhelm Meisters Wanderjahre" auf Lesezeit.


    Die "Wahlverwandtschaften" stehen neben dem "Faust" auch bei mir in absehbarer Zeit an.



    Die Leiden des jungen Werther (eine lohnenswerte Lektüre auch zum wiederholtem Male) ...


    Ich lese das Buch in regelmäßigen Abständen (so alle fünf Jahre) wieder. Was hat es an sich, das andere nicht haben? Ich bin immer noch nicht dahinter gekommen.


    LG


    Tom

  • Die "Wahlverwandtschaften" stehen neben dem "Faust" auch bei mir in absehbarer Zeit an.



    "Faust" - genau, auch er steht bei mir noch an. Jedenfalls bevor ich Bulgakows "Meister und Margarita" lese.




    Zitat von "Sir Thomas"

    Ich lese das Buch in regelmäßigen Abständen (so alle fünf Jahre) wieder. Was hat es an sich, das andere nicht haben? Ich bin immer noch nicht dahinter gekommen.



    für mich ist die Geschichte teilweise zwar befremdlich, aber die Tiefen des Schmerzes sind glaubhaft. Und Goethe kommt ganz ohne Kitsch aus. Meisterlich.


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen,


    die FAZ hat eine Feuilleton-Reihe "Unsere Romanhelden" und heute wird "Philine" aus Wilhelm Meisters Lehrjahre vorgestellt. Goethe hat sich die Erfüllung eines Männertraums gestattet, so der Schreiber....


    „Und wenn ich dich liebhabe, was geht’s dich an“


    http://www.faz.net/aktuell/feu…den-philine-11644879.html


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Hallo zusammen,


    die FAZ hat eine Feuilleton-Reihe "Unsere Romanhelden" und heute wird "Philine" aus Wilhelm Meisters Lehrjahre vorgestellt.


    Das ist schön, sehr schön, geschrieben.

    "Man träumt viel vom Paradies, oder vielmehr von verschiedenen, wechselnden Paradiesen, die doch alle verloren sind, bevor man stirbt, und in denen man sich selbst verloren fühlen würde." ("A la recherche du temps perdu")

  • Achtung! Dieser Beitrag ist eine Kopie aus dem Thomas Mann-Ordner! Ich denke, der Goethe-Thread kann das vertragen ...


    Thomas Mann: Goethe als Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters (1932, Rede an der preußischen Akademie der Künste zum einhundertjährigen Todestag Goethes)


    Goethe-Perspektiven:
    → Goethe als Herr und Meister der klassischen Bildungsepoche, einer Epoche des idealistischen Individualismus, die den deutschen Kulturbegriff begründet hat und deren humaner Zauber in einer psychologischen Verbindung von autobiographischer Selbstausbildung und Selbsterfüllung mit dem Erziehungsgedanken besteht; die Erziehungsidee bildet Brücke und Übergang aus der Welt des Individuums in die Welt des Sozialen
    → Goethe als Idealtyp einer auf ruhiger und gleichmäßiger Bildung beruhenden bürgerlichen Leitkultur, einer Kultur, die im italienischen Renaissance-Humanismus des 15. Jahrhunderts sowie in den deutschen Figuren Erasmus und (mit Einschränkungen) Luther wurzelt
    → Goethe als Repräsentant des Mittelstands, der ein idealer Nährboden für Talent, standhafte Humanität und schöne, ruhige Bildung ist
    → Goethe als Mensch der Mitte, als gesetzter Dichter, dem alles Exzentrische, Exaltierte, Sakrale, Himmelsstürmerische und Gespreizte zutiefst fremd ist
    → Goethe als erfolgreicher Geschäftsmann, der einmal Begonnenes mit Gründlichkeit fertigstellt, der den Prozess der Ausführung indes höher achtet als den des Beendens; ehrgeizloses, stilles und fast pflanzenartiges Wachstum aus unscheinbaren Anfängen ins Allbedeutende
    → Novalis' Kritik an Goethe: der „Wilhelm Meister“ sei gegen die Poesie gerichtet, ein die ökonomische Natur feierndes Buch über gewöhnliche menschliche Dinge, die in einer gebildeten und gefälligen Sprache vorgetragen werden. „Goethe ist ein praktischer Dichter. Er ist in seinen Werken, was der Engländer in seinen Waren ist: höchst einfach, nett, bequem und dauerhaft. Wer diese Anmut des Sprechens besitzt, kann uns das Unbedeutendste erzählen, und wir werden uns angezogen und unterhalten finden.“
    → Goethes Realismus steht dem Dichtertum Schillers entgegen, das vom Idealismus ausgeht; Goethe gab der Wirklichkeit poetische Gestalt, während Schiller das Poetische verwirklichen wollte
    → Goethe als der wahre Menschenfreund, der keinen hohen Begriff von der Menschheit hatte, während der Idealist Schiller so groß von der Menschheit dachte, dass er Gefahr lief, die Menschen zu verachten; der Idealist ist deshalb der glücklichere Geist, der Realist der kältere, boshaftere und mißmutigere
    → Goethe als Nihilist, der „seine Sach' auf nichts gestellt“ hat, der nicht an die Menschheit bzw. deren Befreiung und Reinigung glaubt und noch nicht einmal an die Kunst („Gedichte sind wie ein Kuss, aber aus Küssen werden keine Kinder“); den Aspekt des Nihilismus greift TM in seinem Goethe-Roman „Lotte in Weimar“ von 1939 noch einmal auf, indem er den Goethe-Adlatus Riemer ähnliche Überlegungen anstellen lässt.
    → Goethe als Aristokrat des Lebens, der geringschätzig auf „sehnsuchtsvolle Hungerleider nach dem Unerreichlichen“ blickt
    → der späte Goethe als Überwinder des bürgerlichen Individualismus und der klassisch-humanistischen Kultur, der in den „Wanderjahren“ den Blick auf ein Zeitalter der Einseitigkeit und Nüchternheit wirft, in der der Einzelne zu einem Rädchen im Getriebe der Gemeinschaft wird



    Thomas Mann: Phantasie über Goethe (1948)


    Goethes metapysische Gewißheit, ein Mann des großen Loses, für das Große geboren, ein Glückskind und großer Herr, ein Mann der Welt zu sein (diese Einstellung übernahm TM als Charakterzug für Joseph und Felix Krull); Goethe spricht von „angeborenen Verdiensten“; das ist ein Affront gegen das Wollen, Streben, Kämpfen, das höchst löblich, aber nicht vornehm und im Grunde aussichtslos ist; auf die Substanz des Menschen, aufs Existentielle kommt es ihm an: „Man muss etwas sein, um etwas zu machen.“


    Goethes Glauben und Moral wurzeln im Spinozismus, d.h. der Idee von der Vollkommenheit und Notwendigkeit alles Daseins (Natur-Ästhetizismus) sowie der Vorstellung einer Welt, die von End-Ursachen und End-Zwecken frei ist und in der das Böse wie das Gute sein Recht hat (Anti-Moralismus). Daraus leitet er eine Zweckfremdheit der Kunst- wie der Naturschöpfung ab. Selbst sein dichterisches Talent betrachtet er als Natur. „Wir kämpfen für die Vollkommenheit des Kunstwerks in und an sich selbst. Die Moralisten denken an dessen wirkung nach außen, um welche sich der wahre Künstler gar nicht bekümmert, so wenig wie die Natur, wenn sie einen Löwen oder einen Kolibri hervorbringt.“


    LG


    Tom

  • Eine neue interaktive Seite über Goethes Reisen:


    https://www.goethe-atlas.de
    Ich habe den Goethe Atlas noch nicht ausprobiert.


    Noch mehr Infos...
    http://www.faz.net/aktuell/feu…-herumtrieb-14593614.html


    Im November 2016 erschienen
    Goethe-Atlas: 1749-1832 Wege, Orte, Werke, Begegnungen Landkarte – Folded Map, 1.
    [kaufen='978-3981430868'][/kaufen]

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)