• Zitat von "sandhofer"


    Goethe, was müsste man allenfalls von ihm gelesen haben? Persönlich bin ich der Meinung, dass dies davon abhängt, was Habermas einst das 'Erkenntnisinteresse' genannt hat, sprich: In welchem Zusammenhang interessiert mich Goethe?


    Hallo Sandhofer, hallo zusammen,


    genau! Goethes Werk ist zu groß, als daß man alles lieben könnte, dafür aber groß genug, um jedem etwas zum Lieben zu bieten.
    Im Habermasschen Sinne gilt also für mich: An Dramen "Torquato Tasso". Wie ich schon sagte, interessiert mich daran das Thema, der Dualismus von Kunst u. Kommerz, von Schöngeist u. praktischem Leben. Finde ich wieder zeitgemäß, wobei heute fast nicht mehr von Dualismus gesprochen werden kann, sondern fast von Kunst = Kommerz. :-X
    Das "Iphigenie" - Thema ist auch immer wieder zeitgemäß. Auf "Werther" und "Götz" kann ich gut verzichten, wobei der "Götz" noch am ehesten aufs Theater paßt. Ja, Goethe war kein Dramenschreiber wie Schiller, seine diesbez. Werke sind Lesedramen, deren Sprache man sich aber auf der Zunge zergehen lassen kann.
    "Die Wahlverwandtschaften" ist eines meiner Lieblingswerke überhaupt u. bereitet den psychologischen Roman des 19. Jhdts. vor. Außerdem für damalige Zeiten ein gewagtes Thema, das "Bäumchen wechsele dich".
    "Wilhelm Meister" I u. II ein großes Werk, zeigt tiefe Einblicke in Goethes Kunstauffassung u. auch in die Zeitgeschichte.

    Zitat

    Wer Goethe wirklich kennen lernen will, kommt auch um seine naturwissenschaftlichen Schriften nicht herum,


    Mag sein! Mir bedeuten sie nicht viel. Einmal haben die meisten nichts mit Naturwissenschaft im heutigen Sinn zu tun, sondern sind mehr metaphysich, mit Ausnahme der wirklich bedeutenden Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens. Die falsche Farbenlehre wurde schon damals wissenschaftlich abgelehnt. Trotzdem: Bei der Lektüre gewinnt man Einsichten in Goethes ganzheitliches Denken.

    Zitat

    Also nicht nur "ein zwei Gedichte und gut ist" :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins: , sondern bei Goethe gilt: Gedichte, Gedichte, Gedichte ...


    D'accord. Viele Gedichte sind wunderschön. Ich könnte gar nicht sagen, welches ich am meisten liebe. Vielleicht "Willkommen u. Abschied" mit einem Sprachrhythmus, der sich einmalig an den Inhalt anpaßt. Ein Drama in komprimierter Form. Oder "Über allen Wipfeln ist Ruh'" - abgeklärte Altersweisheit. Auch so was Unscheinbares wie "Gefunden" (Ich ging im Walde)...., einige Balladen, ach, ich höre lieber auf....
    Last, but not least, der "Faust", nahezu unaufführbar, Teil II m. M. nach überhaupt nicht, u. doch das Werk der Werke!


    Viele Grüße,
    Gitta

    the show must go on. Queen

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  • Hallo zusammen!


    Ja, über Goethe lässt sich herrlich streiten!


    Zitat von "Gitta"

    "Die Wahlverwandtschaften" [...] Außerdem für damalige Zeiten ein gewagtes Thema, das "Bäumchen wechsele dich".


    Wobei sich die Bäumchen ja dann schlussendlich eben nicht gewechselt haben ...


    Zitat von "Gitta"

    "Wilhelm Meister" I u. II ein großes Werk, zeigt tiefe Einblicke in Goethes Kunstauffassung u. auch in die Zeitgeschichte.


    Die Wanderjahre sind dann aber m.E. doch eher für den Goethe-Liebhaber.


    Zitat von "Gitta"

    Einmal haben die meisten nichts mit Naturwissenschaft im heutigen Sinn zu tun, sondern sind mehr metaphysich, mit Ausnahme der wirklich bedeutenden Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens. Die falsche Farbenlehre wurde schon damals wissenschaftlich abgelehnt. Trotzdem: Bei der Lektüre gewinnt man Einsichten in Goethes ganzheitliches Denken.


    Was ist an der Farbenlehre falsch? :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Zitat von "Gitta"

    Oder "Über allen Wipfeln ist Ruh'" - abgeklärte Altersweisheit.


    :?::?::?: - Goethe schrieb das ein paar Tage nach seinem 31. Geburtstag ...


    Aber im Grossen und Ganzen könnten wir uns einig werden :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    Zitat von "sandhofer"

    Ja, über Goethe lässt sich herrlich streiten!


    Warum? Dazu habe ich eigentlich keine Lust. Ich lerne lieber von Leuten, die - wie in Deinem Fall - offensichtlich was von der Sache verstehen.

    Zitat von "Gitta"

    "Die Wahlverwandtschaften" [...] Außerdem für damalige Zeiten ein gewagtes Thema, das "Bäumchen wechsele dich".


    Zitat

    Sandhofer:Wobei sich die Bäumchen ja dann schlussendlich eben nicht gewechselt haben ...


    Klar, offiziell nicht. Nur Gefühlsverwirrung.

    Zitat


    Die Wanderjahre sind dann aber m.E. doch eher für den Goethe-Liebhaber.


    Gefallen mir.

    Zitat

    Was ist an der Farbenlehre falsch?


    Das habe ich zu krass ausgedrückt. Ich zitiere am besten mal ein paar Sätze aus einem Nachwort meiner Ausgabe der "Farbenlehre" (dtv), der ich meine Weisheit entnommen habe:
    Durch Newtons Werk über die Optik und die sich daran anschließende Entwicklung der Physik war die autonome Farbenlehre fast vergessen und das Interesse auf die Außenwelt hingelenkt worden, welche mit den Farbenerscheinungen zusammenzuhängen schienen,........Die Arbeiten in der Optik befaßten sich nur nebenbei mit den Farbenerscheinungen, die ursprünglich die Hauptsache bildeten. Um das Jahr 1800 war Goethe wohl der einzige, der sich ernsthaft mit ihnen beschäftigte, und in seinem großen Werk mündeten alle vergessenen Entdeckungen, die im Altertum und im Mittelalter auf diesem wichtigen Gebiet erarbeitet wurden.....Aber es gehört einer von der unsrigen verschiedenen Denkweise an......Den heutigen naturwissenschaftlich gebildeten Menschen fehlen alle Voraussetzungen dafür.(Andreas Speiser)
    Daraus schloß ich, daß die Farbenlehre nicht wissenschaftlich nach heutigen Begriffen ist. Habe aber auch nichts dagegen, wenn sie es ist. In Physik, Optik, habe ich sowieso in der Schule meist gefehlt!

    Zitat von "Gitta"

    Oder "Über allen Wipfeln ist Ruh'" - abgeklärte Altersweisheit.


    Zitat

    Sandhofer: Goethe schrieb das ein paar Tage nach seinem 31. Geburtstag ...


    Peinlich! :redface: Ich hatte seine spätere Tour zu der Stätte im Sinn, wo er vor seinem 82. Geburtstag sein Gedicht wieder sieht (aufs Holz einer Schutzhütte geschrieben). Meine Ausrede: Es gibt eben Leute, die schon mit 31, wenn nicht alt, so doch weise sind! :zwinker:

    Zitat

    Aber im Grossen und Ganzen könnten wir uns einig werden :breitgrins:


    Da bin ich aber froh! :breitgrins: Sonst hätte ich mich nämlich wieder in die Musiksparte verkrümelt, mein eigentliches Metier, aber da ist leider nichts los! :rollen:


    Grüße,
    Gitta

    the show must go on. Queen

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo zusammen,
    hallo sandhofer,


    Zitat

    Ja, über Goethe lässt sich herrlich streiten!


    Ja, das stimmt allerdings. Ich will Euch Goethe überhaupt nicht madig machen, oder Euer Lesevorhaben stören, vielleicht steige ich bei dem ein oder anderen Werk auch selbst mit ein, aber mir persönlich gibt Goethe eigentlich recht wenig.


    Ich habe bisher den Werther, Faust I und II, Iphigenie, Götz von Berlichingen, Dichtung und Wahrheit und etliche Gedichte und Balladen von ihm gelesen und keines dieser Werke hat mich irgendwie überzeugt.
    Sicherlich ist sein Umgang mit Sprache hervorragend und auch die Inhalte der Texte, die ich gelesen habe, sind an sich durchaus interessant. Dennoch fehlt mir bei der Lektüre meist das entscheidene Etwas. Es springt kein Funke über, um es einmal so zu formulieren. Ähnlich ergeht es mir übrigens bei meiner bisherigen Lektüre von Thomas Mann auch.


    Vielleicht habe ich aber auch einfach 'meinen Goethe' noch nicht gefunden. Dies ist, neben der Tatsache, daß eine Kenntnis von Goethes Texten für die Analyse zahlreicher literarischer Texte unabdingbar ist, ein Grund dafür, daß ich trotz meiner bisherigen Abneigung immer mal wieder einen seiner Texte zur Hand nehme (auch hier ähnelt er Mann).


    Bitte versteht das jetzt nicht als Provokation. Ich wollte nur kurz darlegen, daß es auch durchaus andere Meinungen zu Goethe gibt.


    Gruß
    Berch

  • Zitat von "Berch"

    Sicherlich ist sein Umgang mit Sprache hervorragend und auch die Inhalte der Texte, die ich gelesen habe, sind an sich durchaus interessant. Dennoch fehlt mir bei der Lektüre meist das entscheidene Etwas. Es springt kein Funke über, um es einmal so zu formulieren. Ähnlich ergeht es mir übrigens bei meiner bisherigen Lektüre von Thomas Mann auch.


    Hallo Berch,


    also ich kann das gut nachvollziehen. Es ist einfach nicht mehr die Sprache unserer Zeit. Dieses klassisch Maßvolle, nie gewisse Grenzen Überschreitende ist uns fremd geworden. Heute kann u. darf ein Schriftsteller eigentlich alles u. in jeder beliebigen Form schreiben, ohne Aufschreie zu ernten. Dagegen habe ich persönlich auch nichts. Chacun à son goût!
    Übrigens: Thomas Mann hält sich sehr bewußt, wie ich meine, an dieses klassische Muster; Manche machen ihm dies sogar zum Vorwurf.
    Da mir Musik viel bedeutet, erkenne ich diese oft bei der Sprache klassischer Autoren wieder, aber beileibe nicht nur bei diesen!

    Zitat

    Bitte versteht das jetzt nicht als Provokation. Ich wollte nur kurz darlegen, daß es auch durchaus andere Meinungen zu Goethe gibt.


    Ohne verschiedene Meinungen äußern zu dürfen, fände ich ein Forum verfehlt. :smile:


    Grüße,
    Gitta

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Gitta"

    Aber es gehört einer von der unsrigen verschiedenen Denkweise an......Den heutigen naturwissenschaftlich gebildeten Menschen fehlen alle Voraussetzungen dafür.(Andreas Speiser)
    Daraus schloß ich, daß die Farbenlehre nicht wissenschaftlich nach heutigen Begriffen ist. Habe aber auch nichts dagegen, wenn sie es ist. In Physik, Optik, habe ich sowieso in der Schule meist gefehlt!


    Nun war mir Speisers Sichtweise schon immer ein bisschen zu eng. Seine Auffassung von "Naturwissenschaft" ist für meinen Geschmack noch sehr stark von der Epoche vor Einstein, Heisenberg & Co. geprägt. So übersieht er die (ich formuliere es mal grossspurig!) rezeptionspsychologischen Erkenntnisse, die Goethe einbringt. Übrigens hat Speiser seine Einführung m.W. irgendwann in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben - sein "heutiger" Mensch ist also schon nicht mehr unser "heutiger" Mensch.


    Zitat von "Gitta"

    Meine Ausrede: Es gibt eben Leute, die schon mit 31, wenn nicht alt, so doch weise sind!


    Wobei die ausgerechnet bei Goethe nicht zieht :zwinker: ! Es war ja Anna Amalias grosse Sorge, dass der Mann, der auf ihren Sohn und regierenden Herzog einen dämpfenden Einfluss ausüben sollte, mit ihm die wildesten nächtlichen Ausritte u.ä. unternahm ...


    Zitat von "Gitta"

    Dieses klassisch Maßvolle, nie gewisse Grenzen Überschreitende ist uns fremd geworden.


    Als "klassisch massvoll" empfinde ich Goethe eigentlich erst nach seiner Rückkehr aus Italien. Aber dann bin ich kein Musiker ...


    Zitat von "berch"

    Ich will Euch Goethe überhaupt nicht madig machen, oder Euer Lesevorhaben stören, vielleicht steige ich bei dem ein oder anderen Werk auch selbst mit ein, aber mir persönlich gibt Goethe eigentlich recht wenig.


    Nun, mir wirst Du Goethe sicher nicht madig machen. Dass er Dir nicht viel sagt, tut mir leid - für Dich :breitgrins: . Ein Lesevorhaben? Ich würde gern mal einen Gedichtzyklus von Goethe gemeinsam-lesen ... Der Vorschlag dümpelt aber irgendwo weit unten im Vorschlagsforum vor sich hin ...


    Grüsse


    Sandhofer


    EDIT 19.25 Uhr: Tut mir leid, ich habe den Tasso vergessen. Das wurde ja mal angesprochen für ein Gemeinsames-Lesen.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    Zitat von "sandhofer"


    Nun war mir Speisers Sichtweise schon immer ein bisschen zu eng. Seine Auffassung von "Naturwissenschaft" ist für meinen Geschmack noch sehr stark von der Epoche vor Einstein, Heisenberg & Co. geprägt. So übersieht er die (ich formuliere es mal grossspurig!) rezeptionspsychologischen Erkenntnisse, die Goethe einbringt. Übrigens hat Speiser seine Einführung m.W. irgendwann in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben - sein "heutiger" Mensch ist also schon nicht mehr unser "heutiger" Mensch.


    Ja, richtig, das Nachwort Speisers stammt aus den 60ern (die dtv - Taschenbuchausgabe bekam ich sozus. vererbt), der Name Speiser sagt mir nichts.

    Zitat von "Gitta"

    Dieses klassisch Maßvolle, nie gewisse Grenzen Überschreitende ist uns fremd geworden. Als "klassisch massvoll" empfinde ich Goethe eigentlich erst nach seiner Rückkehr aus Italien. Aber dann bin ich kein Musiker ...


    Meine Bemerkung meint das klassische Ideal im allgemeinen, das sich letztlich auf die antike "Urklassik" stützt (mal wieder eine Gittasche Wortschöpfung!) :zwinker: , wo man dieses Maßvolle ja z. T. heute noch in der Architektur oder Plastik bewundern kann. Ein kurzer Abstecher in die Musik dieser Epoche: Mozart z. B., der ja ein typischer Klassiker ist, was immer man darunter verstehen mag, schrieb in einem Brief sinngemäß, seine (Opern) Musik dürfe wohl starke Gefühle ausdrücken, doch nie bis "zum Überdruß" oder "zum Ekel", womit er sagen wollte, ein gewisses Maß müsse erhalten bleiben. Hoffentlich kommt an, was ich sagen will!

    Zitat

    Ein Lesevorhaben? Ich würde gern mal einen Gedichtzyklus von Goethe gemeinsam-lesen ... Der Vorschlag dümpelt aber irgendwo weit unten im Vorschlagsforum vor sich hin ...


    Dann hol' ihn bitte ganz schnell hervor, ich finde es nämlich eine Superidee, Gedichte gemeinsam zu lesen. :bang: Hat auch für mich den Vorteil, nicht immer so viel auf einmal lesen zu müssen (bin zeitlich momentan etwas eingeengt). Was meinst Du mit Zyklus? Hoffentlich nicht den '"Divan" - gerade der würde mich nicht primär reizen!


    Zitat

    EDIT 19.25 Uhr: Tut mir leid, ich habe den Tasso vergessen. Das wurde ja mal angesprochen für ein Gemeinsames-Lesen.


    Danke für die Erinnerung! Schön, wenn Du da mitmachen würdest - aber, wie gesagt - hat noch Zeit!


    LG,
    Gitta


    P.s. Mußte nochmal editieren, weil ich einen eigenen Satz in Dein Zitat reingeschrieben habe!

  • Hallo Goethe Freunde,



    Ich suche für ein privates Projekt:
    Den Text zu "Im Rheingau Herbsttage"


    sowie (zweite Priorität)
    alle Texte die Goethes Aufenthalte und Tagesabläufe in Karlsbad beschreiben (Briefe, Reiseberichte, Gespräche etc.)


    Leider bin ich nicht derartig vermögend, die sämtlichen Werke zu erwerben, aber wo kann mann k :rollen: ostenlos, oder für eine geringe Jahresgebühr in seinen gesammten Werken online recherchieren.


    Ich bitte um dringende Hilfe.


    Vielen Dank


    Franz Eiber

  • Dies ist ein gleichlautender Text, den ich gerade im Literaturcafé schrieb:


    Dann nehme ich eben diesen Ordner... Mir liegen seit einigen Tagen, seit unserem letzten Besuch beim Notar noch einige Worte des Notars bleischwer in den Ohren. Er drückte sich ungefähr so aus: "...die Menschen reden nicht mehr miteinander. Wir haben zur Zeit viel Arbeit, aber vieles, das wir bearbeiten, sind reine Luxusprobleme. Die Menschen sind super-egoistisch geworden. Es zählt für viele nur noch das materielle. Ich rate Ihnen, nehmen Sie Ihre Familie als das Wichtigste, reden sie miteinander, die Kinder sind das wichtigste, der Rest ist alles nebensächlich...". Und diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, seit Tagen. Und gestern las ich dann wieder in Andreas Maiers "Kirillow" und stellte fest, wie merkwürdig doch unsere gegenärtige Gesellschaft beschaffen ist und das dass mit dem Egoismus ein vielschichtiges aber uns eigentlich krankmachendes Phänomen ist und sich zu verselbstständigen scheint und ich sehe das mit Unbehagen. Und dann las ich in Hermann Hesses nachdenklich machenden tiefen Buch wieder einmal ergreifende Sätze über Goethes Wilhelm Meister, seine uneigennützige und dem Egoismus fremde Art und dachte mir den Wilhelm Meister als ein Gegengewicht zu unserem Materialismus und Egoismus, als eine Art Läuterungs- und gesellschaftliche Genesungsfigur. Also werde ich, Hesse hat mich endgültig überzeugt, meinen Volksgoethe aus den Bananendosen suchen und mir den Wilhelm Meister schon bald vornehmen. Da bin ich aber gespannt. Hat jemand Wilhelm-Meister-Leseerfahrungen und kann jemand aussagen, wie es sich mit dem Wilhelm Meister in der Gegenwart verhält? Mir scheinen da auch Parallelen zu Jean Paul "Flegeljahre" zu bestehen. Aber das sollte nur erst einmal angedacht sein. Auch musste ich die Worte des Notars für mich festhalten, um darüber noch eingehender nachzudenken. Später also mehr... Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    als eine Art Läuterungs- und gesellschaftliche Genesungsfigur.


    Er läutert sich, ja. Er genest, ja. Gesellschaftlich? Hm ...


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Hat jemand Wilhelm-Meister-Leseerfahrungen


    Ja, hier!


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    und kann jemand aussagen, wie es sich mit dem Wilhelm Meister in der Gegenwart verhält?


    Wilhelm Meister spielt nicht in der Gegenwart. Oder was meinst Du?


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Mir scheinen da auch Parallelen zu Jean Paul "Flegeljahre" zu bestehen.


    Beides sog. Entwicklungsromane, ja.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    die Frage klingt für manchen Goethe Leser vielleicht banal, aber da ich von Goethe bisher nur "Götz von Berlichingen" und Goethes Briefwechsel mit Schiller kenne, stelle ich sie einfach.


    im Lesevorschlagforum geben Sandhofer und CK "Wilhelm Meister" den "Wahlverwandtschaften" den Vorzug. Darf ich fragen warum das so ist?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo!


    Zitat von "JMaria"

    im Lesevorschlagforum geben Sandhofer und CK "Wilhelm Meister" den "Wahlverwandtschaften" den Vorzug. Darf ich fragen warum das so ist?


    Das sind meiner Meinung nach seine besten Romane, wobei "Wilhelm Meisters Lehrjahre" literaturgeschichtlich auch sehr einflussreich war (Stichwort: Entwicklungsroman).


    "Die Wahlverwandtschaften" zählt zu meinen Lieblingsromanen, unabhängig ob Goethe oder nicht.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Mal ganz flapsig ausgedrückt:


    In meinem Fall weil [list]a) die Wahlverwandtschaften vielleicht Goethes strukturell gelungenstes Werk ist, dadurch auf mich aber wirkt wie ein perfekt gleichmässiger, glatt polierter Marmorwürfel
    b) Wilhelm Meisters Lehrjahre andererseits wohl Goethes persönlichster Roman ist, auch das Vorbild bzw. die Messlatte für Generationen von deutschsprachigen Romanciers, und last but not least mit Personen, die wirklich "lebendig" 'rüberkommen.[/list:u] Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hi!


    Zitat von "xenophanes"


    Nicht nur struktuell, sondern auch sprachlich :zwinker:


    Sofern man seine Gedichte aussen vor lässt ... :zwinker:


    Für mich ist Goethe ja immer noch primär Lyriker. Bei den strukturell anspruchsvolleren Formen wie Roman oder Drama, verliert er sich ganz einfach im Ganzen. (Wobei es andere grosse Romanciers gibt, denen es ebenso geht: Jean Paul oder Jeremias Gotthelf, um nur die wichtigsten zu nennen.)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich halte den zweiten Teil vom Willie Meister auch für äußerst interessant, wenngleich nicht ganz so gelungen wie die Lehrjahre. Und weil ich gerade diesen Hesse Ordner gesehen habe, dort kommt auch schon eine "pädagogische Provinz" vor, wohin der Willie seinen Adoptivsohn zur Erziehung gibt. Jedenfalls für den Normalleser wesentlich verständlicher als der zweite Teil vom Faust, insgesamt aber m.M.n. mit dem gleichen Themengehalt. "Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen!?". Oder ist das gar net vom ollen Goethe??


    Na egal Wahlverwandschaften auch gerne gelesen. Märchen und Novelle, naja. Löwenbändigerei ist derzeit nicht so in Mode. :entsetzt:


    Ein Gruß jedenfalls vom
    :regen:
    troll

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "troll"

    Ich halte den zweiten Teil vom Willie Meister auch für äußerst interessant, wenngleich nicht ganz so gelungen wie die Lehrjahre.


    Interessant: ja. Für jeden, der Goethe wirklich kennenlernen will: unumgänglich (wie die Farbenlehre!). Aber kompositorisch: ein Gräuel.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus