Lessings Dramen

  • Hallo Ihr Lieben!


    Mich würde mal interessieren, wie Ihr es mit den großen Dramen unseres großen Aufklärers haltet. Sind das Texte, die Ihr lest, wenn Ihr Zeit habt? Ich frage, weil Lessing mich zwar berufsbedingt täglich begleitet, ich aber doch in der Regel Menschen begegne, die damit nicht so viel anfangen können.


    "Nathan der Weise? Hatten wir doch in der Schule, wie langweilig!" :smile: Oder so ähnlich.


    Ich habe an der Konzeption einer Ausstellung zur Bühnengeschichte der großen Lessing-Dramen mitgewirkt, mich dabei also hauptsächlich mit der praktischen Umsetzung der Texte auf der Bühne befasst (die spannendste Sache, an der ich seit Langem mitarbeiten durfte: Inszenierungsmaterialen aufarbeiten, die einhundert Jahre und mehr alt sind!). Die Texte kannte ich natürlich schon, doch bin ich durch die Arbeit an der Ausstellung wieder ganz neu an einzelnen Abschnitte herangegangen. Würde ich diese lesen, wenn ich nicht 'müsste'? Schwer zu sagen, ich bin da nicht mehr ganz unbelastet :zwinker: Deshalb die Frage an Euch: Geraten Euch manchmal das große deutsche Lustspiel 'Minna von Barnhelm' in die Hände (und unter die Lesebrille), oder die Frauenstücke 'Emilia Galotti' und 'Miss Sara Sampson', oder der 'Nathan'... ?
    Ich bin gespannt auf die Antworten! :smile:


    Seid lieb gegrüßt von der waldfee

  • Hallo zusammen!
    Hallo Waldfee!


    Lessing ist einer meiner Lieblingsautoren! Ich finde übrigens auch seine Jugenddramen äusserst gelungen, lese sie sogar lieber als z.B. eine Emilia. (Ja, Hubert, ich lese Dramen - im Schauspielhaus findet man mich selten ... :breitgrins: ) Mein Liebling ist allerdings der Nathan, den ich ca. 1-2x jährlich lese.


    Auch seine Fabeln mag ich sehr, die viele nicht kennen (auch wenn eine davon offensichtlich gerade zur Jugendlektüre verkommen ist ...).


    Seine theoretischen und seine polemischen Schriften: Erste Sahne!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Nachdem ich in der Schule zur Lektüre von "Emilia Galotti" gezwungen war (was ca. 3 Jahre her ist), war mir Lessing für die nächste Zeit erst einmal ziemlich verleidet.
    Vor einigen Wochen habe ich mich dann an "Minna Barnhelm" und "Nathan der Weise" gewagt, wobei mir vor allem das zweitere ausfallend gut gefallen hat.
    Im Bereich der Fabeln oder theoretischen Schriften habe ich von Lessing bisher noch gar nichts gelesen.
    Was nicht ist, kann ja noch werden...


    Grüße

  • Hallo Sandhofer!


    Ein Lessing-Fan, schön :smile:


    Ich sag nur: glücklich der Mensch, der einen wirklich guten Deutschunterricht genießen konnte, denn da wird ja der Grundstein gelegt. Selber denken, statt sich Interpretationen von anderen vorlegen zu lassen... Und woran könnte man sowas besser lernen, als an einem Lessing-Text?
    Ich selbst bin auch erst während des Studiums durch ein Seminar zum Gotthold gekommen, jetzt hab ich sehr viel mit ihm zu tun und bin begeistert von der Gedankenschärfe, von seinem Sprachgenie.
    Meine Magisterarbeit habe ich zu einer Nathan-Adaption von George Tabori geschrieben: Kann das mit dem Toleranzideal heute noch so funktionieren? Ist es nicht gar an der Realität gescheitert (oder doch zumindest an fast unüberwindliche Grenzen gestoßen)? Im Text ist ja schon angelegt, dass das Ganze eine Gradwanderung ist und es nicht funktionieren MUSS am Ende. Und gleichzeitig steckt so viel Kraft und Hoffnung drin...
    Mein Lieblingsstück ist derzeit aber der Einakter Philotas. Grandiose Monologe! Eignet sich ja gut, wenn man Lessings frühe dramentheoretische Überlegungen kennen lernen will. Und ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man ein Stück durchaus 200 Jahre lang missverstehen kann :smile:
    In der Emilia blättere ich auch gerade häufig, angeregt durch jüngere Inszenierungen. Die von Thalheimer am DT Berlin z. B., seit Jahren auf dem Spielplan, nicht unumstritten, aber aus meiner Sicht verdient preisgekrönt. Lohnt sich wirklich. Komplett reduziert auf seinen phantastischen Text, Gewalt wird freigelegt, dass es einem den Atem verschlägt. Jeder ist da gewalttätig, gegen sich und andere. Also auch Emilias Vater und sie selbst. Und die 'Frage der Fragen' wird beantwortet: Ja, Emilia lässt sich vom Prinzen vernaschen! :breitgrins: Klar, es steht ja auch im Text, wenn man genau liest jedenfalls. Was hab ich da schon für Diskussionen geführt... :smile:
    Vielleicht bekommst Du nun doch Lust auf Lessing im Schauspielhaus? Und wenn nicht, den Thalheimer gibt es z. B. auch als Mitschnitt bei 3sat, wo die Inszenierung im letzten Jahr über den Bildschirm flimmerte :breitgrins:


    Thomas: Schade, dass man Dich mit der Emilia vergrault hat! Ein so spannendes Stück! Nix mit dem bösen bösen Prinz, der über das Bürgermädchen verfügt hat, nix mit dem guten Odoardo, der seiner Tochter den Tod schenkt, um ihre Tugend zu retten... Jede einzelne Figur ist gut UND schlecht. Und alle sind gefangen im Spiel von Macht und Gewalt. Heutiger geht es gar nicht. Schade, dass das Stück Schülern in der Regel simpel als Fürstenkritik verkauft wird. Lessing hat diese Absicht schon vor der Uraufführung dementiert... Vielleicht kommt dir das Stück später mal wieder in die Hände, wer weiß :smile:


    Einstweilen viele Grüße
    die waldfee

  • Hallöchen,
    ich mag Lessing auch sehr gerne, zumindest die Dramen. Die Fabeln kenne ich bisher noch nicht. Und mit der Hamburger Dramaturgie kann ich mich auch nicht so recht anfreunden. Bin kein Freund der Theorien. :rollen:


    Aber liebe Waldfee, was muß ich lesen... meine Emilia und der Prinz niemals :entsetzt:
    Nein, nein zumindest noch nicht vernascht. Ich hab zwar noch nicht nachgelesen, aber ich glaub noch ist nichts passiert. Emilia hat Angst davor, daß was passiert. Sie ist geschmeichelt und sicher auch interessiert, das wird in ihren Schlußworten deutlich. Aber sie kann es mit ihrer Erziehung nicht vereinen und wählt deshalb den Tod. Odoardo läßt ihr keine Möglichkeit.


    Liebe Grüße Jacky