Kleist, der vergessene Dramatiker?

  • Hallo Forengemeinschaft,


    ich würde von euch gerne wissen, wie Ihr Heinrich v. Kleist epochal und künstlerisch wertet.


    Klassik oder Frühromantik?


    Meiner Meinung nach stand er irgendwie dazwischen und fällt im heutigen curriculum oftmals unter den Tisch, leider.


    Dennoch muss erwähnt werden, welche großartigen Werke der Mann geschrieben hat, vor allem seine Erzählungen, obwohl er sich vor allem als Dramatiker verstand. Dennoch schien kein Platz neben Goethe und Schiller zu sein, denn er kam von seiner Spezialisierung her dicht an beide heran und musste sich daher ständig Vergleiche gefallen lassen. Schiller kritisierte seine Werke, Goethe weigerte sich sie aufzuführen (siehe das Käthchen von Heilbronn) und auch Kleist selbst wusste sich selbst rein künstlerisch nicht einzuordnen, was sicherlich sein selbstzerstörerisches Wesen unterstützte.


    Freue mich auf eine Diskussion.


    Johannes-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Hallo,


    dieses Posting habe ich verschoben, da im Forum „Gemeinsames Lesen“, wie der Name schon sagt, gemeinsam gelesen wird. Für Diskussionen gibt es dieses Forum.



    Zitat

    Dennoch muss erwähnt werden, welche großartigen Werke der Mann geschrieben hat, vor allem seine Erzählungen, obwohl er sich vor allem als Dramatiker verstand. Dennoch schien kein Platz neben Goethe und Schiller zu sein, denn er kam von seiner Spezialisierung her dicht an beide heran und musste sich daher ständig Vergleiche gefallen lassen. Schiller kritisierte seine Werke, Goethe weigerte sich sie aufzuführen (siehe das Käthchen von Heilbronn) und auch Kleist selbst wusste sich selbst rein künstlerisch nicht einzuordnen, was sicherlich sein selbstzerstörerisches Wesen unterstützte


    Das Kleist vergessen wird, kann ich nicht bestätigen, sowohl die Theaterspielplane als auch die Listen der Schulpflichtlektüre zeigen das Gegenteil. Auch mir gefallen Kleists Erzählungen und einige seiner Dramen, aber das sich Goethe geweigert hat, das Käthchen aufzuführen, kann ich durchaus verstehen. Eigentlich ist das Stück nur auf einer Kabarettbühne ertragbar.


    Gruß von Hubert

  • In der Schule begegne ich Kleist niemals, weil er eben epochal so schwer einzuordnen ist und wenn, dann wird er oftmals auf seine Erzählungen beschränkt. Dabei ist der Prinz von Homburg doch eines jeden Schiller wert.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Hallo zusammen!
    Hallo Pabst!


    Zitat von "Papst"

    ich würde von euch gerne wissen, wie Ihr Heinrich v. Kleist epochal und künstlerisch wertet.


    Künstlerisch: einer der ganz Grossen. Epoche: Goethezeit.


    Wohin er in den heutigen Curricula fällt, entzieht sich meiner Kenntnis.


    Dass Goethe und Schiller nicht nur bei Kleist, sondern auch z.B. bei Hölderlin, Jean Paul usw. nicht in der Lage waren, anders geartete Grösse zu sehen oder zu akzeptieren, ist eine Tatsache der deutschen Literaturgeschichte.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ja, sehr interessant. Mit Hölderlin hast Du auf jeden Fall Recht, ihm fiel es genauso schwer, sich neben Goethe und Schiller als klassischer Lyriker zu etablieren. Das hing bestimmt auch mit Goethes Übervater-Figur in der damaligen deutschen Literatur zusammen, denn sein Wort hatte viel Gewicht.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Hallo Ihr,
    "epochal" würde ich gar nicht werten. Sicher haben einige Erzählungen (zB. Verlobung) auch romantische Züge, aber...
    An Kleist ist ja gerade interessant, daß man ihn micht einordnen kann.
    Daß Goethe sich geweigert hat das Kätchen aufzuführen, ist mir auch nicht bewußt. Jedoch hat Goethe den "zerbrochnen Krug" megaschlecht inszeniert. Kleist warf ihm später vor, dem Stück absichtlich gescchadet zu haben.


    An Hubert: was hast du denn gegen das Kätchen? Wird immernoch aufgeführt und häufig interpretiert. Ist halt eher ein Märchen, denn ein typischer Kleist.


    Eigentlich mag ich fast alles von Kleist...
    lg
    jacky

  • Zitat von "Jacky"


    An Hubert: was hast du denn gegen das Kätchen? Wird immernoch aufgeführt und häufig interpretiert. Ist halt eher ein Märchen, denn ein typischer Kleist.
    Eigentlich mag ich fast alles von Kleist...
    lg
    jacky


    Hallo Jacky,


    ich mag, wie Du, auch fast alles von Kleist und das “Käthchen von Heilbronn” liebe ich, aber ich liebe auch Kabarett und Goethe war, im Gegensatz zu mir, eher ein ernster Typ. :breitgrins:


    Wenn Dich das interessiert, kann ich gerne mal etwas aus dem „Käthchen“ zitieren, damit Du verstehst, was ich meine.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hat jemand Lust ein Kleist Stück gemeinsam zu lesen? Wenn ja, welches? Ich bin da offen.
    Liebe Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo Hubert, tu dir keinen zwang an :zwinker:
    Kabarett und das Kätchen? laß mich nachdenken...


    Hallo Jana, bin dabei- egal was (außer Marionettentheater uä)


    jacky

  • Kommt darauf an, welches Genre wir gemeinsam lesen wollen - Drama oder Erzählung?


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • In der Schule hatten wir auch nur Kleists Erzählungen behandelt (Marquise und den Kohlhaas).
    Also wie gesagt, mir ist es eigentlich egal. Ich freue mich wenn ich mich mal wieder mit Kleist befasse. Habe an Erzählungen und Dramen eigentlich alles gelesen. Bin bereit mich damit neu auseinanderzusetzten. Es gibt bei Dramen und Erzählungen Lieblinge und einige, die so dazwischen liegen (mit denen ich micht nicht so befaßt habe) und einige mit denen ich kaum was anfangen kann. Was sich ja ändern kann.
    Beispielsweise: mein Anti-Kleist- Werk- Penthesilea: sehr viele Griechen-sehr kompliziert, hat aber sicher auch einen gewissen Reiz.
    Ja dann mach halt mal einer nen Vorschlag? :breitgrins:
    JG Jacky

  • Mein Vorschlag: Der Prinz von Homburg


    Ist mein Lieblingswerk von ihm, aufgrund des historischen Hintergrundes.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Prinz vom Homburg? Gehört auch zu den Werken mal gelesen, aber nicht weiter beachtet. Kann mich kaum erinnern. Von mir aus gerne. Muß mich leider outen- historischer Hintergrund? :redface: brauche dann dringend Nachhilfe, glaube deshalb hatte ich Probleme mit dem Stück.
    lg

  • Ja, es ging um die Schlacht bei Fehrbellin im Jahre 1675, bei der die brandenburgischen Truppen die Schweden besiegten und aus ihren nördlichen Territorien vertrieben. Der Sieg der Brandenburger bildete den Grundstein für den Aufstieg Brandenburg-Preußens und die Beseitigung der letzten Besatzung als Folge des 30-jährigen Krieges in diesem Gebiet.


    Die Schweden zogen sich in der spätereb Jahren fast vollständig aus Norddeutschland zurück, sodass Preußen den Zugang zur Ostsee erhielt und neue Gebiete im Norden und Osten erwerben konnte, sowohl militärisch als auch kommerziell.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Hallo zusammen!


    Zitat
    ich würde von euch gerne wissen, wie Ihr Heinrich v. Kleist epochal und künstlerisch wertet.
    Klassik oder Frühromantik?
    Meiner Meinung nach stand er irgendwie dazwischen und fällt im heutigen curriculum oftmals unter den Tisch, leider.


    Wie auch Goethe oder Schiller ist Kleist nicht einer einzigen Literaturepoche zu zuordnen, z.B. gehört sein Trauerspiel „Penthesilea“ zur Klassik, sein „Käthchen ... „ zur Romantik.


    Vielleicht ist das im curriculum des sächsischen Kultusministeriums so, in anderen Bundesländern sicher nicht. Unter dem folgenden Link ist in einem von der ZEIT zusammengestellten Kanon der Schulliteratur, Lessing (Nathan) und Schiller (Kabale) je einmal, Goethe (Faust und Werther) zweimal, Kleist (Kohlhaas, Marquise, Erdbeben und Penthesilea) aber viermal, also so oft wie Goethe, Schiller und Lessing zusammen, vertreten.
    Bei aller Liebe zu Kleist, halte ich ihn damit im curriculum deutlich überbewertet.
    http://www.zeit.de/2002/42/Kultur/200242_sbib_liste.html



    Zitat:
    In der Schule begegne ich Kleist niemals, weil er eben epochal so schwer einzuordnen ist und wenn, dann wird er oftmals auf seine Erzählungen beschränkt.


    Wo hast Du den Kleist kennen gelernt, wenn nicht in der Schule?
    Goethe und Schiller sind epochal noch schwerer einzuordnen, z.B. würde ich Schillers „Räuber“ dem Sturm- und Drang, seinen „Dom Karlos“ der Klassik und seine „Jungfrau ....“ der Romantik zuordnen



    Jacky hat gepostet
    Hallo Jana, bin dabei- egal was (außer Marionettentheater uä)


    Hallo Jacky,


    was hast Du den gegen das „Marionettentheater“. Kann man Kleist überhaupt verstehen, ohne sich mit seinem geschichtsphilosophischen Essay „Über das Marionettentheater“ auseinander gesetzt zu haben?


    Gruß von Hubert

  • Die häufige Vertretung Kleists in einigen Bundesländern mag ja Fakt sein, dennoch steht im zentralen curriculum hier Brandenburg nichts von Kleist.


    Schiller ist zwar der Klassik zuzuordnen, aber weniger wegen seiner Dramen, als viel mehr seiner Lyrik. Die Idee der Klassik war eine harmonievolle Welt, in der Mensch und Natur im Einklang stehen und sie war vor allem im Gegensatz zum Sturm und Drang unpolitisch. Daher passen Schillers Freiheitsvisionen, die ja fast alle seine Dramen begleiten, nicht richtig zur Klassik, zumal antike Ideen Weltanschauung und Mythologie in Tell, Don Carlos, Stuart und Co. keinerlei Rolle spielen.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)

  • Zitat von "Papst"


    Schiller ist zwar der Klassik zuzuordnen, aber weniger wegen seiner Dramen, als viel mehr seiner Lyrik. Die Idee der Klassik war eine harmonievolle Welt, in der Mensch und Natur im Einklang stehen und sie war vor allem im Gegensatz zum Sturm und Drang unpolitisch. Daher passen Schillers Freiheitsvisionen, die ja fast alle seine Dramen begleiten, nicht richtig zur Klassik, zumal antike Ideen Weltanschauung und Mythologie in Tell, Don Carlos, Stuart und Co. keinerlei Rolle spielen.


    J.-Paul


    Schiller war nicht nur in seinen Dramen, sondern vor allem auch in seiner Lyrik politisch, m.M.n. gibt es kaum etwas politischeres als seine Ballade "Die Bürgschaft". Schiller wird auch nicht wegen dem Inhalt seiner Werke zur Klassik gerechnet, sondern wegen seiner klassischen Form. So hat er im Dom Karlos ebenso wie in seinem Wallenstein, seine klassische Dramenästhetik verwirklicht, deshalb werden diese beiden Werke (zumindest in jeder Lieteraturgeschichte die ich kenne), der Klassik zugeordnet, seine "Räuber" und "Kabale und Liebe" dem Sturm und Drang. Politisch sind alle vier, sowie auch alle anderen Schillerschen Dramen.

  • Also meiner Meinung nach zeichnet sich Schiller in Bezug auf die Klassik vor allem durch seine Lyrik aus.


    Man beachte Hymnen wie An die Freude, Der Ring des Polykrates, Die Götter Griechenlands oder Die Größe Welt. Besonders letzteres ist extrem komplex, dagegen liest sich Hölderlin richtig flüssig. Weniger die Sprache, als die Klassik-Chiffre erschwert dabei das Verständnis.


    J.-Paul

    Die Zeit ist Euer! Sie wird sein, was ihr aus ihr macht! (Generalmajor von Clausewitz)