Verantwortlichkeit der Dichter?

  • Hallo zusammen,


    gewisse Fragen lassen mich nicht los, seit ich den Grimmelshausen Simplicissimus lese und über das Treffen in Telgte gelesen habe und mich näher mit Grass befasse.


    dazu kam noch der Epilog von Klabund:

    Noch herrscht der Krieg als Prinzip.
    Besiegt ihn, ihr Dichter, Kraft eures Wortes,
    das wirklicher ist als manche schnell getane Tat.
    Besiegt ihn durch eure Waffenlosigkeit,
    durch die Inbrust eurer Herzen


    wie seht ihr es? gibt es eine Art Verantwortlichkeit/ein Erbe an Dichter für Frieden?

    ich habe das Gefühl ich müßte die Frage anders stellen, aber vielleicht liegt es auch an der späten Uhrzeit. Ich hoffe ihr könnt trotzdem was mit dem Gedanken anfangen.


    wie empfindet ihr den Epilog von Klabund?


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!
    Hallo JMaria


    Zitat von "JMaria"

    wie seht ihr es? gibt es eine Art Verantwortlichkeit/ein Erbe an Dichter für Frieden?


    Im Prinzip nein.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Meiner Ansicht nach sollte ein Dichter/ Autor genauso wie übrigens auch andere freischaffende Künstler oder auch Komponisten nur sich selbst und seinem Schaffen verpflichtet sein. Es wäre meiner Ansicht nach falsch, Autoren auf einen moralisch höheren Sockel zu stellen, als 'normale' Bürger und ihnen somit auch höhere moralische Pflichten aufzuerlegen.

  • Zitat von "Berch"

    Meiner Ansicht nach sollte ein Dichter/ Autor genauso wie übrigens auch andere freischaffende Künstler oder auch Komponisten nur sich selbst und seinem Schaffen verpflichtet sein. Es wäre meiner Ansicht nach falsch, Autoren auf einen moralisch höheren Sockel zu stellen, als 'normale' Bürger und ihnen somit auch höhere moralische Pflichten aufzuerlegen.


    Hallo Berch
    danke für deine Meinung.
    die Neigung Autoren auf einen Sockel zu stellen habe ich auch nicht. Aber ich denke, Schriftsteller bzw. gewisse Schriftsteller sehen sich durchaus in einer solchen Verantwortung.
    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "JMaria"

    die Neigung Autoren auf einen Sockel zu stellen habe ich auch nicht. Aber ich denke, Schriftsteller bzw. gewisse Schriftsteller sehen sich durchaus in einer solchen Verantwortung.


    Ja, aber es sind nicht unbedingt die besseren ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen...
    JMaria: Wenn sie sich selbst in dieser Verantwortung sehen, dann ist ja auch garnichts dagegen einzuwenden. Aber Dein Klabund-Zitat sah für mich dann doch eher so aus, als ob allen Autoren diese Rolle zugewiesen werden sollte und eben das sehe ich nicht so...


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen,


    Maria hat gepostet:
    wie seht ihr es? gibt es eine Art Verantwortlichkeit/ein Erbe an Dichter für Frieden?


    Im Prinzip: Ja


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo ihr Lieben,
    Hallo JMaria,


    ich persönlich denke, dass besonders bekannte und in der Öffentlichkeit stehende Dichter/Autoren Verantwortung tragen und in der Öffentlichkeit dafür eintreten müssen. :sonne:
    Wenn Elfriede Jelinek einen Beitrag vor Jahren einen Beitrag gegen die Vernichtung unschuldiger Menschen schreibt, hat das mehr wirkungskraft, als wenn ein ähnlicher Beitrag von einem Nobody geschrieben wird. (Ich weiß nur, dass Jelinek so einen Beitrag verfasst hat, ich weiß nicht welcher und wo der zu finden ist. Vielleicht finde ich das noch.)


    Warum? Autoren sind Personen der Öffentlichkeit mit Einfluss und Beziehung. Sie können auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und aufgrund ihrer Bekanntheit wird das dann publik gemacht. Es gerät als Thema in die Öffentlichkeit. Wenn sie etwas erreichen, wird das gleich in den Medien verarbeitet und bekannt gemacht. Erst dadurch, dass etwas in der Öffentlichkeit ein Thema ist, kann es verändert werden.


    So mal auf die schnelle.
    Vielleicht fallen mir noch gute und passende Beispiele ein.


    Liebe Grüße
    Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo Jana,
    hallo zusammen,


    Dein Argument für eine Verantwortlichkeit der Autoren gilt aber doch prinzipiell für alle Menschen, die einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Man könnte also nur vom Bekanntheitsgrad ausgehend mit gleichem Recht (oder vielleicht noch viel eher) ein solches Verhalten z.B. auch von Fußballspielern, Moderatoren, Schauspielern, etc. erwarten. Das alleine kann ja noch kein Grund sein, eine Verpflichtung daraus zu drehen, zumal es wohl auch derbe in die Hose gehen kann, wenn ein eher unpolitischer oder politisch wenig gebildeter Mensch nur aufgrund der aufgepropften Verantwortung beginnt, verschiedene Dinge zu postulieren...


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!
    Hallo Jana!


    Zitat von "Jana"

    Autoren sind Personen der Öffentlichkeit mit Einfluss und Beziehung. Sie können auf gesellschaftliche Missstände hinweisen und aufgrund ihrer Bekanntheit wird das dann publik gemacht. Es gerät als Thema in die Öffentlichkeit. Wenn sie etwas erreichen, wird das gleich in den Medien verarbeitet und bekannt gemacht. Erst dadurch, dass etwas in der Öffentlichkeit ein Thema ist, kann es verändert werden.


    Wie Berch schon gesagt hat: Fussballstars, Pop(p)-Stars, Politiker, der Papst - sie alle sind (meist noch viel mehr!) ebenso bekannt. Und meiner Meinung nach wäre es - wenn schon - bei weitem wichtiger, diese Leute in die Pflicht zu nehmen. Oder soll ich Besenkammern nutzen wie B.B.? Koksen wie Maradona? Und dass Du dich an Jelineks Beitrag nur noch so ungefähr erinnerst, ist doch ein Anhaltspunkt dafür, wie wenig Beiträge von Schriftstllern haften bleiben.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo ihr Lieben,


    na, da werde ich aber von euch ganz schön in die Mangel genommen. :breitgrins: Und, was soll das im Endeffekt bringen? Na ja, dann versuche ich meinen Standpunkt genauer zu erklären.


    1. Elfride Jelinek: Das ich den Titel vergessen habe, hing eher mit meiner Faulheit zusammen, noch mal im Internet zu stöbern. Schaut doch einfach mal auf die Seite: http://mitglied.lycos.de/Lotha…/philosoph/05_jelinek.htm
    oder gebt unter google: Elfriede Jelinek Nachbemerkungen einer Unmündigen an die Vollmundigen.


    2. Meiner Ansicht nach sollte jeder Bürger politisch Stellung nehmen und für seine politische Überzeugung eintreten und sie umsetzen wollen.
    3. Bekanntheit unterstützt diese Tätigkeit.


    Ob jeder Schriftsteller politisch Stellung bezieht und daraus auch gleichzeitig eine Verpflichtung erwächst für jeden Menschen, der sich Schriftsteller nennt, dieses zu tun, muss ich so erst einmal verneinen.
    (hä? das passt doch mit meiner ersten These überhaupt nicht zusammen.)
    Nicht jeder Mensch hat ein politisches Bewusstsein, warum soll also jeder Schriftsteller ein politisches Bewusstsein haben und verpflichtet werden, politisch tätig zu sein?


    Nun ja, es gibt aber einige Intellektuelle (u.a. Schriftsteller) mit politischen Bewusstsein, die sich zu Wort melden.


    Ein Schriftsteller, als Person der Öffentlichkeit, der auch wirklich was zu sagen hat, nimmt auch Stellung zu gesellschaftspolitischen Ereignissen, weil ihn die Gesellschaft, in der er lebt, etwas angeht.
    Und er nutzt die Möglichkeit, einfach quer zu denken.


    Zitat

    Noch herrscht der Krieg als Prinzip.
    Besiegt ihn, ihr Dichter, Kraft eures Wortes,
    das wirklicher ist als manche schnell getane Tat.
    Besiegt ihn durch eure Waffenlosigkeit,
    durch die Inbrust eurer Herzen


    Das Zitat hat JMaria gepostet in ihrem ersten Beitrag.


    Was macht der Autor hier? Zur gegebenen gesellschaftlichen Situation des Krieges denkt er quer. Er denkt sich eine neue Welt, die Welt des Friedens, die durch den Dichter eingeleitet wird. Der Autor ruft zur Waffenlosigkeit auf. Ob das in der Realität umgesetzt wird, wissen wir nicht. Aber der Autor hat mit diesem Text eine neue Situation, den Frieden, erschaffen.
    Anderes Beispiel: Lessing untergräbt in seinen Dramen die bürgerliche Standesgesellschaft. Diener fangen an lange Textpassagen zu sprechen, Position zu beziehen. Bürger treten in Tragödien auf, obgleich Tragödien dem Adel vorbehalten waren. Also: in Tragödien treten nur Charaktere aus dem Adelsstand auf.
    Wie ist nun das Verhältnis des Dichters zur Gesellschaft zu deuten? Hat Lessing nun die gesellschaftlichen Stände verändert? Lessing hat in seinen Dramen ein anderes Blickfeld für die gesellschaftlichen Verhältnisse geschaffen. Das lag natürlich auch ein wenig in der Luft. Aber: irgendwer muss es ja aussprechen, damit es gehört und gesehen wird.


    Der Papst hat auch sein Wort erhoben und den Gebrauch von Enzyklika (Verhütungsmitteln) verboten. Das heißt, dass in Afrika keine kirchlichen Hilfsgruppen Verhütungsmittel austeilen. Leider ist in Afrika die Erkrankung an Aids sehr hoch.


    [/quote]
    O.K. ich weiß nicht, ob ich die "Quote"-Funktion richtig gewählt habe.


    Liebe Grüße Jana

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hallo Sandhofer,


    Du hast gepostet:


    JMaria hat folgendes geschrieben::
    die Neigung Autoren auf einen Sockel zu stellen habe ich auch nicht. Aber ich denke, Schriftsteller bzw. gewisse Schriftsteller sehen sich durchaus in einer solchen Verantwortung.


    Ja, aber es sind nicht unbedingt die besseren



    m.M. nach sind es sogar unsere Besten. Von Goethe bis Grass, um nur mal zwei mit „G“ zu nennen.


    Gruß von Hubert