Halldor Laxness: Das wiedergefundene Paradies

  • Mittlerweile bin ich bei Kapitel 18 angekommen.


    Die Dummheit/ Einfältigkeit/ Naviität von Mutter und Tochter sind sehr schwer zu ertragen. Ich hatte Anfangs noch auf etwas Ironie gehofft, aber der Humor in diesem Buch ist enden wollend.


    Dass die Menschen am Land vielleicht nicht so aufgeklärt wurden wie bereits in anderen Teilen der Welt, das es im 19. JH in Teilen sehr prüde und konservativ zugegangen ist verstehe ich. Das Jahrhundert begann ja mit der Neuordnung nach dem Wiener Kongress und der Biedermaierzeit, wo Zensur und Reglementierungen an der Tagesordnung standen.


    Dass das Mädchen nicht mitbekommt, wenn es defloriert wird ist schon schwer zu glauben, aber dass eine Frau, die schon zwei Kinder geboren hat, die Anzeichen nicht kennt und erkennt, auch wenn sie am Land lebt ist schon schwer zu glauben.


    Generell ist das Verhalten der Mutter für mich sehr schwer erträglich. Heutzutage gibt es übrigens im Norden ein Phallusmuseum, leider hatte es damals zu als wir dort waren, sahen es also nur von außen, die Prüderie dürfte als mittlerweile abgelegt worden sein.


    Auch als ihr der Pfarrer und er Verwalter wohlgesinnt sind, und ihr einen Ausweg bieten wollen mit der Verehelichung mit ihrem Kinderfreund geht sie nicht drauf ein. Sie wird vorgeladen, muss aussagen, ohne jegliche Ahnung was ihr geschehen ist, ohne Beistand, ohne dass ihr jemand offen erklärt was ihre Optionen wären. Sie bleibt ihrer naiven Wahrheit treu.


    Der Besuch von Steinar in Kopenhagen beim König ist auch sehr skurril. Er besucht das Pferd, schenkt ihm die Schatulle mit den Geheimfächern, bespaßt damit den gesamten anwesenden europäischen Hochadel, kann mit den Zauberkünsten und artistischen Vorstellungen im Tivoli nichts anfangen. Bis jetzt ist noch nicht so richtig rausgekommen wieso er diese Reise überhaupt angetreten hat, nur weil er eine formlose Einladung erhalten hat?


    Will er ausbrechen aus seiner engen Gesellschaft? Er kann sich nicht mal vorstellen, dass es bei ihm zu Hause anders zugeht als bei seiner Abreise. Für ihn ist die Zeit dort stehen geblieben, hat nicht den Weitblick, wie sich alles weiterentwickelt in seiner Abwesenheit.


    Mal sehen wie es weitergeht, ..


    p.s.


    gar nicht zum Thema passend aber irgendwie doch


    das Thorbergur Zentrum im Süden Islands, in Höfn, also dort wo die Männer immer zum Fischen hinfahren.

    Das Museum schaut von außen aus wie ein Bücherregal, ziemlich cool.



    https://www.south.is/en/service/thorbergssetur

  • Die Gudmundsson-Biografie habe ich als Taschenbuch, würde sie mir heute aber lieber als Hardcover kaufen. Es ist ein dicker Wälzer, den man im Taschenbuch kaum lesen kann, ohne den Rücken kaputtzumachen. Ich habe erst die ersten zweihundert Seiten gelesen, sehr detailreich. Danach hatte ich erstmal eine Pause eingelegt. Aber man findet wirklich zu jedem Werk interessante Hintergrundinformationen.


    Ja, diese naiven Frauen sind schon nervig, und ich glaube auch nicht, dass sich in Island die Landmenschen früher so eine Lebensfernheit leisten konnten. Aber der Roman ist ja im Wesentlichen symbolisch gemeint, das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

    Danke für den Link zum Thorbergur-Museum, tatsächlich ein sehr besonderes Gebäude.

  • Ich habe jetzt noch ein bisschen weitergelesen und mir auch ein paar Notizen in mein Lesetagebuch gemacht und etwas reflektiert.

    Ein paar lose Gedanken und Assoziationen:


    Der Bauer schenkt dem König ein Pferd, ein etwas abgewandeltes Shakespeare Zitat - IN ein Königreich für ein Pferd.


    Die Schatulle mit den Geheimfächern - eines für Gold, eines für Edelsteine und das dritte für das größte Geheimnis, da dachte ich an den zerbrochenen Krug. Er hat ja der Tochter erklärt dass das dritte Fach, das allergrößte und wichtigste Geheimnis enthält. Vielleicht geht es da um ihre Jungfräulichkeit, aber da er die Schatulle ja auch wegschenkt, wird quasi auch ihre Jungfräulichkeit verschenkt.


    Bischof Theoderich ein wandernder Mormonen-Missionar - wie Theoderich der Ostgotenkönig, der ja auch aus dem Norden kam während der Völkerwanderung und die Menschen am Weg nicht missionierte, sondern unterdrückte - ähnliche Auswirkungen


    Steinar reist nach Amerika, und kehrt desillusioniert (davon gehe ich jetzt mal aus) wieder nach Island zurück - Analogie zum ersten Isländer, der nach Amerika gegangen ist und wieder zurückgekommen ist, weil er mit den Menschen und Umständen dort nicht zurecht gekommen ist - Leif Eriksson

  • Ich bin bis Kapitel 19 gekommen.

    Die Verhandlung der Vaterschaft von Steinars Enkel war schon eine fiese Sache, wie da die Herren das junge Mädchen unter Druck gesetzt haben. Die Frage stelle ich mir, was hatte der Pfarrer davon, hier die Vaterschaft von Björn anzuzweifeln und es soweit kommen zu lassen? Erschreckend aber scheinbar wirklich möglich, dass diese junge Frau / das halbe Kind nicht weiß wie Kinder gezeugt werden - wobei man schon ganz schön neben sich stehen muss wenn man das im Bett nicht bemerkt - ich glaub ja ein bisschen, sie himmelt Björn an, lässt ja auch kein böses Wort an ihm und sah in seiner Nähe irgendwie den Vaterersatz. Insgesamt leben ja alle dort in einer gewissen Scheinwelt (was ja auch auf Steinar zutrifft), nicht fähig auch nur irgendeine Entscheidung zu treffen oder Ursache und Wirkung erkennen zu wollen...

    Björn und die vielen Frauen erinnert mich an ein Island-Buch meines Lesekreises im letzten Jahr "Im Schatten des Vogel" von Kristin Steinsdottir - hier ging es um eine manisch-depressive Frau und wie man mit solche Psychosen früher umgegangen ist. Der Vater der Hauptfigur war auch so ein "druchdieGegendvögelnderMann" und auch hier haben die Frau und die Tochter die Augen davor verschlossen.


    Steinar ist nun nach Amerika gereist, einfach mal so, ohne Bescheid zu geben, bei seiner Familie. Seinen Hof hält er wohl für einen Selbstläufer. Sein Interesse aber auch seine Skepsis bzw. sein naives Hinterfragen sind


    Die Asosziationen finde ich gut, wobei ich Theodrich den Goten erstmal googlen musste. ;-)

  • Die Geschichte mit dem Mädchen finde ich nach wie vor seltsam, auch wenn es während der Verhandlung heißt, sie sei nie zugegen gewesen, "wenn die Böcke zu den Schafen gelassen wurden". Jedenfalls kann man nur feststellen, dass auch ihre Mutter eine Mitschuld trägt - Björn auf Leitur verlangt, dass Steina immer für ihn da ist, wenn er kommt: sie "durfte weder wachend noch schlafend von seiner Seite weichen". Und ihre Mutter "war nach und nach gleichgültig geworden".

    Es hat keinen Sinn, sich über diese ganze Verwicklung aufzuregen. Das Mädchen macht den Eindruck, als sei es minderbemittelt. Sie sagt ja von sich selbst, sie sei dumm.


    Habe Kapitel 18 eben fertig gelesen. Immerhin weiß ich jetzt, warum Mormonen eigentlich mehrere Frauen haben dürfen und sollen. Es geschieht zum Schutz der Frauen. Einige krasse Beispiele werden genannt.

  • Ich bin nun bis Kapitel 22 gekommen - Steinar ist in Amerika, heißt nun Stone P. Standfort und hat sich dort mit seinem handwerklichen Geschick ein recht gutes Leben aufgebaut. Er denkt an seine Familie, aber viel mehr auch nicht... die Nadeln und erst Monate später ein Brief an Theoderich, die Familie mit nach Amerika zu bringen sind die einzigen Taten, die er unternimmt. Hmmm... es ist schwer vorstellbar. Aber er ist seiner Frau treu und er hat eingesehen, dass er mit dem Pferd und dem Kästchen für den König nicht das erhalten hat, was er erhofft hat....

    Zitat

    Einmal glaubte ich, dass ich ihnen ein Königreich für ein Pferd kaufen könnte. Daraus wurde nicht viel. Und doch. Wer weiß. Noch ist die Nacht nicht zu Ende, sagte das Gespenst.

    Aber irgendwie ist er hoffnungsvoll und glaubt an ein gutes Ende....

    Es ist schon eine spannende Geschichte.

  • Es ist schon eine spannende Geschichte.

    Ja, das finde ich jetzt auch wieder. Zwischendrin, als Steinar in Dänemark war, hat mich der Roman doch ziemlich genervt, aber die Kapitel, die in Utah spielen, haben mich wieder versöhnt. Auch ich finde es interessant, Zefira, dass man jetzt mal eine positive Erklärung für die Polygamie bekommt. Zu den damaligen Zeiten, als es noch keine Sozialversicherung gab, was das eine Möglichkeit, alleinstehende Frauen abzusichern. Die Frage ist natürlich, ob alle so gehandelt und gedacht haben wie der Bischof Theoderich. Wenn ich da an die 27 Frauen hinter den 27 Türen des Hauses von Brigham Young denke, kommen mir doch Zweifel, aber vielleicht war er ja auch der größte Wohltäter der Frauen.
    Ein Geschmäckle bleibt sowieso, aber das gilt auch für die Einehen jener Zeit: Die Frauen waren nur gegen Aufgabe vieler Freiheitsrechte wirtschaftlich abgesichert.

    Inzwischen bin ich wieder zurück in Island und befinde mich in Kapitel 6. In einem der vorhergehenden Kapitel kommt es zu einer Konfrontation zwischen Steina und Björn von Leifur, wo nun klar wird, jedenfalls verstehe ich es so, dass Steina doch sehr wohl wusste, was Björn mit ihr trieb. Das macht ihr vorheriges Verhalten irgendwie noch rätselhafter.

  • Ich bin mittlerweile wieder in Island, bzw. von Island auf dem Weg nach Amerika.

    Ich bin bei Kapitel 27 und hoffe das Buch heute noch beenden zu können. Tagsüber hatte ich heute keine Zeit zu lesen.


    Stone hat es in Utah zu einem gewissen standing gebracht. Er ist bricklayer geworden, also Maurer, der auch die Ziegel selbst herstellt. Er hat sich auch in der Gesellschaft etwas eingelebt und Freundschaften geschlossen, immerhin denkt er noch an seine Familie und bittet Theoderich sie mitzunehmen, er baut an einem Haus. Die Vielehe ist nichts für ihn, er kann sich das nicht vorstellen. Er kann sich generell nicht allzu viel vorstellen. Seine Phantasie ist sehr eingeschränkt verfügbar.


    Der Bischof ist mittlerweile wieder in Island und bekommt einen Brief mit Geld von Steinar, dass er seine Familie nach Utah mitbringen soll.

    Der Hof Hlida ist verwüstet. Die Familienmitglieder leben verstreut und sind Gemeindearme geworden. Die Tochter hat nach wie vor ein Vertrauensverhältnis zu Björn, ist aber zumindest etwas abgeklärter.


    Theoderich spürt sie auf und erklärt ihnen, dass Steinar noch lebt und dass er will, dass sie ihm folgen.


    Ich möchte gar nicht zu sehr auf den Inhalt eingehen, weil sonst ja spoiler Gefahr besteht. Die Einfältigkeit ist nach wie vor anstrengend zu lesen. Sympathisch ist mir keine der Figuren. Auf die Persönlichkeiten wird gar nicht wirklich eingegangen. Der Sohn Vikingur ist nur eine Randfigur. In einem Theaterstück wäre er ein Statist, der ganz hinten steht und keinen Text hat.


    Theoderich nimmt Steinars aka Stones Familie mit nach Amerika, nachdem sie Björn entkommen sind, der nicht will, dass sein bis jetzt abgelehnter Sohn das Land verlässt.


    Sie sind bereits auf dem Schiff, mal sehen wie es weitergeht.


    übrigens auf S.187 nimmt er direkt das Shakespeare Zitat auf, eine Assoziation hat sich zumindest mal bestätigt )


    Ich habe auch noch etwas über die Mormonen nachgelesen. Mir waren sie bis jetzt nur ein Begriff im Rahmen der Familienforschung, weil sie eine riesige Datenbank haben, in der man gratis nachsehen kann. Vor allem die Amerika Auswanderer sind dort verzeichnet.


    Ich habe meine Urgroßmutter, die nichts mit den Mormonen zu tun hatte und 1904 für zwei Jahre in den USA war auch in der Datenbank gefunden.


    Artikel über Mormonen

    Ahnendatenbank


    Die Einstellung der Mormonen ist konservativ, restriktiv und oft auch widersprüchlich. Kein Sex außerhalb der Ehe, kein Alkohol, keine Drogen, nur Heterosexualität. Und da nicht mal eine Frau mit mehreren Männern.


    Ich war mal in Utah, aber nur in den südlichen Gegenden in den Nationalparks - Bryce Canyon, Zion Canyon usw. Da habe ich vom Mormonentum eigtl. gar nichts mitbekommen. Vielleicht wäre Salt Lake City mal eine Reise wert zum "Kulturaustausch".

  • In einem der vorhergehenden Kapitel kommt es zu einer Konfrontation zwischen Steina und Björn von Leifur, wo nun klar wird, jedenfalls verstehe ich es so, dass Steina doch sehr wohl wusste, was Björn mit ihr trieb. Das macht ihr vorheriges Verhalten irgendwie noch rätselhafter.

    Das hat mich auch sehr gewundert, insgesamt hab ich mich gefragt - warum geht sie zu ihm und woher der Sinneswandel das Kind jetzt doch anzuerkennen?!


    Die Vielehe aber nur in eine Richtung ließ mich nur kopfschüttelnd zurück, also ja es ist schon lobenswert für die damalige Zeit, wenn man so Frauen abgesichert hat, aber theoretisch konnten sie ja schon auch für sich sorgen, wenn man sie lässt.


    Ich möchte gar nicht zu sehr auf den Inhalt eingehen, weil sonst ja spoiler Gefahr besteht. Die Einfältigkeit ist nach wie vor anstrengend zu lesen. Sympathisch ist mir keine der Figuren. Auf die Persönlichkeiten wird gar nicht wirklich eingegangen. Der Sohn Vikingur ist nur eine Randfigur. In einem Theaterstück wäre er ein Statist, der ganz hinten steht und keinen Text hat.

    Ich meine mich zu erinnern, dass es mir oft so geht bei Laxness, dass mir die Figuren nicht wirklich sympathisch sind, aber trotzdem eine gewisse Faszination ausstrahlen. Und auch das Seelenleben wird meist nicht ausgeprägt - eher so nach dem Motto, lasst Taten sprechen.

    Mutter und Sohn spielen hier tatsächlich eher eine Nebenrolle - Vater und Tochter und der Bischof.


    Ich war mal in Utah, aber nur in den südlichen Gegenden in den Nationalparks - Bryce Canyon, Zion Canyon usw. Da habe ich vom Mormonentum eigtl. gar nichts mitbekommen. Vielleicht wäre Salt Lake City mal eine Reise wert zum "Kulturaustausch".

    In der Ecke von Utah war ich auch schon und dann noch Richtung Lake Powell....Mormonen sind uns da nicht begegnet. Aber so ein bisschen eine Ahnung von Wüste ist dann gleich nochmal anders da.


    Inhaltlich befinde ich mich auch auf dem Schiff nach Amerika und denke ich werde morgen fertig werden.


    Gute Nacht erstmal...

  • Ich meine mich zu erinnern, dass es mir oft so geht bei Laxness, dass mir die Figuren nicht wirklich sympathisch sind, aber trotzdem eine gewisse Faszination ausstrahlen. Und auch das Seelenleben wird meist nicht ausgeprägt - eher so nach dem Motto, lasst Taten sprechen.

    Ich kann mich erinnern, dass mich die Hauptfigur in "Sein eigener Herr" damals so richtig aufgeregt hat. Hregvidsson (ich hoffe, das jetzt richtig geschrieben zu haben) in der Islandglocke ist auch kein Typ, den man wirklich mögen muss. Er hat etwas Schelmisches an sich, aber sympathisch ist er nicht.

  • Geschafft :)


    Steinar hat sein Paradies wiedergefunden, er hat erst fortgehen müssen, um zu verstehen, dass er schon immer dort gewesen ist.


    Nomen est omen, sein Paradies sind Steine. Zunächst ist er ausgefahren nach Dänemark um für ein Pferd und ein Kästchen Edelsteine zu bekommen, was ihm blieb waren ein paar Nähnadeln, die er seiner Frau viel später erst schickte.


    Da es mit den Edelsteinen (Ruhm und Reichtum) nichts wurde, zog es ihn nach Utah zu den Mormonen, dort wurde er Ziegelmacher und Maurer, also versuchte er es diesmal mit Ziegelsteinen. Er konnte sich zwar etwas Ansehen und Wohlstand erarbeiten, kam aber mit den Moralvorstellungen und Eingeschränktheiten nicht zurecht. Zum Schluss fand er sein Paradies doch in der Steinmauer von Hlida. Er begann wieder die stark ramponierte Mauer zu richten. Eine ganze Entwicklungsgeschichte, die er sich hätte sparen können. Der Preis war ziemlich hoch, dass er draufkam, dass er ein paradiesisches Leben hatte. Er hat für das Paradies seine Frau und seine Kinder geopfert. Deren Leben hätte sich anders entwickelt, wenn sie nicht auf sich alleine gestellt gewesen wären.


    In Utah davor:


    Er schenkte sein Haus, das er eigtl. für sich und seine Familie erbaut hatte der Näherin mit ihrer Tochter und deren Baby, versiegelte sich mit ihr. Die Nadeln halten wohl die Ehen zusammen. Seine erste Familie brauchte ihn anscheinend nicht mehr. Was mit dem Sohn passierte ist völlig unbekannt.


    Er überlässt ihnen sein Haus, weil sowohl die lutherische Kirche als auch das Haus der Näherin hatte nur von "Kindern" eingeschlagene Scheiben. Scheibenlos ist wohl ein Synonym für seelenlos. Die Näherin und ihre Tochter wurden ausgestoßen und verhöhnt, weil die Tochter ein Kind von einem Lutheraner bekommen hat. Sie wurden isoliert und vegetierten nur noch so vor sich hin. Sie kamen auch gar nicht auf die Idee, woanders hinzugehen, wo es keine engstirnigen Mormonen gab. Im Buch heißt es, dass die Leute nicht mal mehr Unterwäsche von ihr schneidern lassen - ich hab mir im Mormonenbeitrag von Wikipedia angesehen, was die traditionelle mormonische Unterwäsche ist, die heute noch getragen wird, da ist Keuschheit vorprogrammiert :),


    Stone/Steinar wird Missionar. Kurz bevor er aufbricht kommen auch seine Kinder und sein Enkel mit Theoderich an, der die Tochter gesiegelt hat, damit sie nicht mit einem unehelichen Kind leben muss. Die Interaktion zwischen Vater und wieder vereinten Kindern ist so gut wie nicht vorhanden. Vielleicht auch nordische Zurückhaltung, wäre dem Klischee zumindest entsprechend, ich tu mir aber sehr schwer mit Klischees.


    In Edinburgh hat er noch eine Zwischenstation, bevor er die Isländer missionieren soll. Ein NLP Kurs für Mormissionen.

    Inhaltlich war nicht viel zu berichten, wie uns Laxness erzählt. Er trifft in Edinburgh auf den Bezirksvorsteher aus Island, der mittlerweile mit seinen Dampfschiffen für Fischfang zu großem Reichtum gekommen ist.

    Er erzählt ihm, wer der wahre Vater von seinem Enkel ist, allerdings nur so am Rande. Der Hof in Island, der versteigert wurde, weil ihn Frau und Kinder nicht mehr bewirtschaften konnten war im Besitz des Bezirksvorstehers. Dieser schenkte ihm den Hof zurück.


    In Island nahm niemand von ihm Notiz. Sogar der Pfarrer war freundlich zu ihm. Der einzige der seinen Vorlesungen zuhören wollte, war Björn von Leyrur, der zum Mormonentum bekehrt wurde, als er gesehen hatte, dass sein Sohn von Theoderich getauft wurde. Das Vielfrauentum dürfte ihm ja zu Recht kommen. Allerdings ist er schon sehr alt, schwach, fast blind und arm.



    Im Nachwort habe ich gelesen, dass Laxness eine reale Person als Ausgangspunkt nahm, Eirikur Olafsson.


    Es gibt schon einige Passagen, die ich interessant finde in dem Buch. Manchmal lese ich auch, vor allem Klassiker gerne ein zweites Mal. Ich glaube bei diesem Buch trifft dies nicht zu. Einmal ist ok, aber reicht auch.


    In der Ecke von Utah war ich auch schon und dann noch Richtung Lake Powell....Mormonen sind uns da nicht begegnet.

    Ich glaube die sind überall in Utah. 60% der Bevölkerung sind Mormonen. Heutzutage wird das nicht mehr so engstirnig sein. Es gibt ja auch Christen, die das nur dem Papier nach sind. Wird sich dort evt. auch so verhalten.

    In Wien sieht man sie manchmal in U-Bahnstationen, ähnlich wie die Zeugen Jehovas, und sprechen Menschen an, verteilen Schriften.

    Merkmal - immer Anzug und Krawatte.


    Das war meine erste Leserundenerfahrung in einem Forum und das hat riesigen Spaß gemacht. Auch eure Inputs und das was ihr beobachtet hat, war sehr interessant und regt weitere Gedanken an.


    Vielen Dank <3

    LG Beate

  • Ich bin zwar noch nicht fertig - weil ich einen ganzen Tag lang das Buch verlegt hatte und nicht weiterlesen konnte (Alzheimer lässt grüßen!) -, möchte aber schon mal den Dank zurückgeben, b.a.t. . Deine Gedanken, insbesondere zur Symbolik der Einzelheiten, sind sehr inspirierend. Wir können uns sehr gerne mal wieder in einer Leserunde treffen. Was sind denn sonst deine bevorzugten Lektüren?

  • Danke)

    Würde mich freuen, wenn sich wieder mal eine Leserunde ausgeht. Ich lese eigt. querbeet. Mal etwas älteres, dann wieder etwas aktuelles.

    Es ist leichter zu schreiben was ich nicht mag :)


    Keine Fantasy, Science Fiction oder typische Krimis.


    Ich lese auch schon mal ein Buch wieder, das ich vor langer Zeit gelesen habe.

    Ich hab mir z.B vorgenommen in nächster Zeit "A L'ombre des jeunes filles en fleurs" von Proust zu lesen. Das ist der zweiter Teil der "Suche". Ich hab mir auch die dt. Fassung aller sieben Bände vom Reclam Verlag in der Übersetzung von Bernd Fischer gekauft, wenn die Originalfassung zu kompliziert werden sollte :)


    Ansonsten bin ich immer für deutschsprachige, englischsprachige Klassiker, Südamerikaner, Franzosen, Portugiesen, Spanier, Russen oder mal ganz was anderes zu haben. Ich wechsle immer mit aktuellen Büchern ab, je nach Lust und Laune.


    Vielleicht sollten wir einen Thread eröffnen, nicht was ich derzeit lese, sondern was ich vorhabe in der nächsten Zeit zu lesen. Ein paar Bücher eintragen, vielleicht ergibt sich ja dann eine Leserunde.


    Diese hier war klein aber sehr fein - richtig gemütlich )

  • Vielleicht sollten wir einen Thread eröffnen, nicht was ich derzeit lese, sondern was ich vorhabe in der nächsten Zeit zu lesen. Ein paar Bücher eintragen, vielleicht ergibt sich ja dann eine Leserunde.


    Diese hier war klein aber sehr fein - richtig gemütlich )

    Das halte ich für eine Superidee.
    Die hier von anderen Mitgliedern in diesem Jahr geplanten Lektüren kannst du übrigens im Ordner Klassikerforumswettbewerb 2022 - die Listen nachlesen. Vielleicht gibt es da schon das eine oder andere, was dich auch interessiert (wobei ich natürlich nicht versprechen kann, dass alle anderen Lust auf gemeinsames Lesen haben, aber ich zum Beispiel schon).

    Dann kann im Unterforum Buchvorschläge jederzeit nach Mitlesern für eigene Lesepläne gesucht werden.


    Und schließlich spricht auch nichts dagegen, im Diskussionsforum einen Ordner "Was ich demnächst lesen möchte - liest jemand mit?" o.ä. aufzumachen.

  • Ich bin nun auch durch mit dem Buch und ich muss sagen, irgendwie ging es mir doch recht schnell mit dem Ende.

    Der Tod der Mutter auf hoher See, Theoderich der nun auch die Tochter ansiegelt, der "Wikingerbruder" als Randfigur....

    Steinar der als Missionar zurückkehren soll und letztlich wieder in Hlidar landet.


    Was für mich bleibt - Steinar war ins seiner kautzigen Art ja relativ erfolgreich, hat sich ein akzeptables Leben aufgebaut und im Geiste war er seiner Familie treu, doch praktisch hat er sie allein gelassen, verarmt und wenig aufs praktische Leben vorbereitet. Vllt haben die Kinder in Amerika ja eine besser Zukunft, denn dort scheinen ja beide zu bleiben.


    Heute ist nun auch die Laxness Biografie angekommen (finsbury: ich habe die gebundene Ausgabe bei booklooker bestellt ;-)) und ich werde mal noch ein bisschen Stöbern zu dem Buch.


    Es hat mir nach so langer Zeit wieder richtig Spaß gemacht an einer Leserunde teilzunehmen. Das Austausch war super... vielen Dank für Eure Beiträge.

    Mir geht es wie b.a.t., ich hätte Lust auf weitere Leserunden, also fühl dich frei mal ein paar Bücher zu posten und vllt. ergibt sich was. Proust - "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" habe ich zu Weihnachten bekommen (Suhrkamp - Schuber), aber ob ich mich da schon heranwage?! Außer 2 Bücher für meinen Lesekreis habe ich gerade keine weiteren Pläne...


    Liebe Grüße

    schokotimmi

  • Ich bin auch schon seit zwei Tagen fertig, hatte aber keine Zeit zum Posten. Schöne Gedankenverbindungen, @b.a.t, die ich noch ein bisschen ergänzen will in Bezug auf die beiden "Familien":
    Steinar hat sich durch seine an die alten Sagas angelehnte Glückssuche an seiner Familie versündigt, was den Missbrauch an seiner Tochter, die Verarmung seiner Familie und schließlich den Verlust des Hofes zur Folge hatte, des weiteren den abermaligen Missbrauch an seiner Tochter und den Tod seiner Frau.
    In Utah hat er einen gewissen Erfolg und sich eine recht wohlhabende Existenz als Ziegelmacher aufgebaut, auf die Parallele zum Mauernbauer in Island, hast du, b.a.t., hingewiesen.
    Parallelen erkenne ich neben dem Nähmotiv auch darin, dass die Näherin und ihre ebenfalls missbrauchte Tochter mit Kind von ihm im Prinzip zur Sühne angesiegelt werden und er auch dem erfolglosen isländischen Pfarrer ein besseres Leben ermöglicht. Er reist ebenfalls als Missionar nach Island wie Theoderich vor ihm, der nun einen ruhigen Lebensabend genießen kann.
    Aber in Island angekommen wendet er sich von der erfolglosen Missionierung ab und fängt ganz von vorne an.


    Zur Tochter der Näherin: Auch da ist eine starke Parallele zur isländischen Familie: DIe Frau von Steinur verschließt fest die Augen vor Björns Missbrauch an ihrer Tochter; Die Näherin in Utah geht noch darüber hinaus, sperrt ihren besoffenen Liebhaber zu ihrer Tochter ins Zimmer (da muss man sich beim Lesen echt zusammenreißen).

    Ich bin gespannt, wie du die Biografie findest, schokotimmi, mir war sie etwas zu detailliert und ich werde sie weiterlesen, wenn ich weitere Werke aus der mittleren Schaffensperiode lesen will.

    Auch ich finde es sehr wohltuend, dass nach einer relativ langen Zeit wieder mal eine Leserunde zustande gekommen ist, auf so überraschende Weisesogar zu viert, das war sehr schön. Auch ich würde mich freuen, wenn wir uns bald wieder bei einer gemeinsamen Lektüre treffen würden und bin schon gespannt auf mögliche Synergien im neuen Thread.

  • Ich bin auch durch und im großen und ganzen enttäuscht von dem Buch. Am besten gefallen haben mir noch die allerersten Kapitel. Insgesamt sehe ich in diesem Buch nicht einen Hauch von den starken Persönlichkeiten in der Islandglocke.


    Nichtsdestotrotz einen Dank in die Runde, ich habe das gemeinschaftliche Lesen genossen und hoffe, dass wir es bald wieder aufnehmen können.

  • Da gebe ich dir Recht, Zefira. Ich fand es ganz interessant, vor allem auch wegen des Blicks auf die Mormonen, aber mir sind die Charaktere unverständlich geblieben, insbesondere Steinar selbst, seine Tochter, die auf der Überfahrt schon wieder zum Opfer wird, wobei ich mich frage, wie dieser Männertausch zustande kommen konnte, ohne dass sie das gemerkt hat. Und auch das Verhalten der Näherin kann ich keineswegs nachvollziehen. Die letzten Romane, die ich von Laxness gelesen habe, dieser sowie Weltlicht und das Frühwerk Der große Weber von Kaschmir sind nicht zu vergleichen mit der Islandglocke, der Seelsorge, Atomstation usw.

  • Nochmal zu dem Männertausch - hier musste ich auf dem Schiff schon fast böse Lachen, zum scheint das Mädchen ja so gar keine Idee von den Beweggründer dieser Männer zu haben, so naiv-dumm wie sie schon in Island war ist sie auch geblieben, eine Beziehung hat sie auch zu ihrem Sohn nicht wirklich aufgebaut....Fast schon tragisch, wie sie sich selbst als Tier bezeichnet.


    Ich habe heute gleich mal in der Biografie gelesen und zwar den Lebensabschnitt zur Entstehung "Das wiedergefundene Paradies" und fand es sehr spannend es zu lesen, besonders im Zusammenhang mit der Lektüre des Buches. Es macht wenn man so in der Mitte einsteigt natürlich neugierig auf frühere Lebensphasen, da die Biografie aber sehr eng mit den Werken verknüpft ist, glaube ich es macht mehr Spaß Freude es mit weiteren Büchern zu lesen. Ich werde es aus aktueller Sicht nicht in einem Zuge lesen....


    Interessant finde ich, wie wichtig Laxness das von uns gelesene Werk war und dass er sehr enttäuscht war, dass es weit weniger Anklang als frühere Werke fand - er hatte in dem Buch sehr starke persönliche Empfindungen verarbeitet, die die Leserschaft aber nicht so sehr mitreißen konnten. Uns ging es ja ähnlich...


    Trotzdem überlege ich weiterhin, ein Buch von ihm im Lesekreis vorzuschlagen... na mal sehen wann ich wieder mit dem Vorschlag dran bin.


    Danke Euch nochmal für die schöne Leserunde und hoffentlich auf bald.