Claudio Giovanni Antonio Monteverdi, 1567-1643

  • Ich habe mit einer "Romanbiographie" über Monteverdi begonnen, "Divino Claudio" von László Passuth. Das Buch gibt es nur noch antiquarisch, ich habe ein guterhaltenes Exemplar von Rebuy, in das ein Vorbesitzer (innen auf die Schutzumschlagklappe) geschrieben hat: "Für mich langweilig". Wenn man sich nicht wirklich für Monteverdi und seine Epoche interessiert, ist es wohl auch langweilig. Es enthält eine Fülle von Einzelheiten über den Alltag am Gonzaga-Hof in Mantua, das Arbeitsleben der Musiker, die damalige Aufführungspraxis usw.

    Bisher - ich habe ungefähr ein Fünftel gelesen - ist es aber recht unterhaltsam. Monteverdi hat sich eben gerade in die Sängerin Claudia Cattaneo verliebt, die er später heiraten wird. Ich bin sehr gespannt, wann die Rede auf den Orfeo kommt, die erste erhaltene Oper.

  • Das scheint mir ein sehr interessantes Buch zu sein, Zefira. Ich bin zwar absolut kein Opernfan, nehme davon aber die Barockopern und ihre Vorgänger aus. Monteverdi und seine Zeit finde ich schon spannend und gerade das über die Aufführungspraxis und das Arbeitsleben der Musiker ist interessant. Danke, dass du uns hier auf den Titel aufmerksam gemacht hast.

  • Ich habe den Buchtipp in irgendeinem Forum gelesen, weiß aber nicht mehr in welchem. Habe schon das Forum hier, das Büchereulenforum und das Forum für klassische Musik mit den Suchfunktionen abgesucht, aber den Hinweis nicht mehr gefunden. Ich danke mal dem unbekannten Leser, der mir das Buch empfohlen hat. Es ist stilistisch für einen "History" etwas eigenwillig (um es klar zu sagen, nicht so primitiv wie die meisten modernen Historys) und nichtsdestotrotz leicht und flott zu lesen. :thumbup:

  • Ich wusste bisher nicht, dass der Komponist Monteverdi einen Kreuzzug mitgemacht hat, und zwar als Hofmusiker des Herzogs Vincenzo Gonzaga von Mantua. In Esztergom geht er abends durch das Lager und trifft einen deutschen Soldaten, der Dudelsack spielt. Das ist ein Instrument, das er noch nicht kennt. Er bittet den Deutschen, ihm den Dudelsack zu leihen, probiert darauf herum, versucht Harmonien hervorzubringen. Nach einigen Minuten antwortet jenseits der Donau die schrille Flöte eines türkischen Soldaten.

    "Das ist mein Freund", sagt der Besitzer des Dudelsacks, "er antwortet mir jeden Abend, wenn ich spiele."

    Monteverdi spielt weiter, horcht gespannt auf die Flöte, die nach ganz anderen musikalischen Gesetzen gespielt wird, als er sie kennt.

    Wenn die Weltpolitik von Musikern und Komponisten bestimmt würde, hätten wir vielleicht weniger Kriege.

    Immer noch "Divino Claudio" von László Passuth. (Der unbekannte Vorbesitzer hat zwar auf der inneren Schutzumschlagklappe vermerkt, das Buch sei langweilig, aber trotzdem eine Passage über Peter Paul Rubens angestrichen. ^^ )

  • Oh, Monteverdi. Das ist wirklich ein himmlischer Komponist... Er muss den Gesang der Engel schon gehört haben, denn schöner kann es im Himmel auch nicht mehr klingen.


    Ich bin gerade auf den letzten Seiten von Nino Haratischwilis "Die Katze und der General". Trotz der teilweise etwas kritischen Rezensionen gefällt mir dieser Roman sogar noch besser als "Das achte Leben".

  • Endlich geht es um den Orfeo in meinem Monteverdi-Buch. Rückschauend klingt für den heutigen Opernfreund befremdlich, worüber man damals, als die Oper oder vielmehr das Dramma in musica noch keine feste Form hatte, diskutiert hat. Ein ganzer Trupp Künstler verschiedener Disziplinen trifft sich regelmäßig und redet sich die Köpfe heiß. Sollen die Sänger durchgehend singen oder zwischendurch auch sprechen? Wenn sie abwechselnd sprechen und singen, welche Passagen sollen gesungen werden? Soll die Musik dazu nur untermalen, sich quasi der Stimme anschmiegen, oder eine eigene Farbe mitbringen? Wie leidenschaftlich und ausdrucksvoll darf Gesang überhaupt sein? Eine heutige veristische Oper würde auf die Musiker der damaligen Zeit wohl ungefähr so abstoßend wirken wie auf uns der grölende Gesang Besoffener.
    Die Arbeit am Orfeo hat begonnen. Das Buch ist einfach bezaubernd.
    (Für mich zählt der Orfeo halt auch zum Höchsten ...)

  • Danke fürs Verschieben. Dann sage ich noch ein paar Worte dazu:

    Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Orfeo tatsächlich die erste "Oper" in heutigem Sinn. Überhaupt scheint Monteverdi den einstimmigen, am Text orientierten Gesang ("am Text orientiert" in dem Sinn, dass der Text verständlich und die musikalische Untermalung diesem in Rhythmus und Ausdruck angepasst war) mehr oder weniger als erster eingeführt zu haben. Die allererste bekannte Oper, "Eurydike" von Jacopo Peri, einem Zeitgenossen Monteverdis, ist nicht erhalten.
    Passuth geht in seinem Monteverdi-Roman ausführlich darauf ein, wie neuartig die musikalische Gestaltung des Orfeo für das damalige Publikum war. Dass die Musik dem Text rhythmisch folgte, die im Text ausgedrückten Gefühle transportierte, auch dass jedem Sänger ein untermalendes Instrument zugeordnet war, war damals etwas ganz Neues. Passuth bringt aber auch zum Ausdruck, dass Monteverdi, obwohl er als größter Musiker Italiens galt, persönlich nicht viel davon hatte. Musiker waren untergeordnete Angestellte, wurden schleppend bezahlt, obwohl Monteverdis Dienstgeber Gonzaga sehr reich war und das Geld mit vollen Händen ausgab. Passuth zitiert einen Brief von Monteverdis Vater an den Herzog Gonzaga, in dem der Vater schreibt, es ginge nicht an, dass er den erwachsenen Sohn immer noch mit Geldzuschüssen unterstützen müsse, weil Gonzaga bzw. sein Schatzmeister ihm seit Monaten seinen Verdienst schuldig sei. Wenn sich das nicht schleunigst ändere, kündigte Vater Monteverdi an, werde er seinem Sohn raten, sich sein Brot woanders zu suchen, etwa in Venedig. Eine solche Drohung konnte Vater Monteverdi sich nur erlauben, weil er kein Untertan Gonzagas war. Die Cremonenser waren Lombarden und nicht Mantua unterstellt. Claudio Monteverdi hatte von Gonzaga die mantuanische Ehrenbürgerschaft erhalten, war aber darauf nicht angewiesen. Er war quasi Inhaber einer doppelten Staatsbürgerschaft.
    Passuth zitiert großzügig Briefe und Tagebuchaufzeichnungen Monteverdis, erwähnt z.B.auch wiederkehrende Migräneanfälle. Leider, leider geht aus dem Buch selbst nicht hervor, inwieweit er sich dabei auf verlässliche Quellen stützt.
    Passuth ist ein großartiger Autor, auch wenn er vieles erfunden haben mag. Heute abend habe ich ein Kapitel gelesen, in dem es um die Komposition des berühmten "Lamento d'Arianna" geht. Kurz vorher ist Monteverdis Frau Claudia an der Schwindsucht gestorben; er denkt an sie, während er das Lamento schreibt. Die Passage hat mich fast zu Tränen gerührt. (Und ich bin normal beim Lesen nicht rührselig.)

  • Im Internet finde ich (zum Beispiel bei Booklooker und Amazon) Angebote für einen Roman von Passuth mit dem Titel "Monteverdi - Der Roman eines großen Musikers".

    Ich versuche gerade herauszufinden, ob es dasselbe Buch ist, das ich habe. Wäre kurios, wenn Passuth zwei Monteverdi-Romane geschrieben hätte; es sei denn, das Ganze ist ein Zweiteiler, aber ich sehe nichts, was dafür spricht.

  • Ich versuche gerade herauszufinden, ob es dasselbe Buch ist, das ich habe.

    Lt. Wikipedia hat Passuth 1 Montverdi-Roman geschrieben, der in zwei verschiedenen Übersetzungen vorliegt und dann auch zwei verschiedene Titel bekommen hat. Original: "A mantuai herceg muzsikusa", übersetzt als (a) "Monteverdi: Der Roman eines großen Musikers" und (b) "Divino Claudio: Ein Monteverdi-Roman."

  • Ah, dankeschön. Da hätte ich auch gleich selbst nachsehen können, ich Depp.

    Monteverdi ist inzwischen (ich bin im letzten Fünftel) in Venedig tätig. Nach dem Tod des Herzogs Vincenzo Gonzaga hat sein Nachfolger ihn mehr oder weniger aus dem Dienst geschickt. Monteverdi ging nach Venedig, wo er beste Bedingungen vorfand. Er wurde anständig bezahlt und genoss den Ruhm des größten Komponisten von Italien, was ihm einen Haufen Arbeit eintrug, da er mit Kompositionsaufträgen überhäuft wurde.

    Er blieb befreundet mit Striggio, dem Sekretär des Gonzaga-Hofs und Textdichter des Orfeo. Striggio schickte ihm eine Dichtung mit dem Titel "La finta pazza Licori", die er vertonen sollte; es sollte eine neue Oper daraus werden. Passuth zitiert (ich nehme an bzw hoffe, es sind tatsächlich Zitate) aus dem Briefwechsel zwischen Monteverdi und Striggio, aus dem hervorgeht, dass Licori in dem Stück abwechselnd als Mann und als Frau auftritt - das mag für den Komponisten eine reizvolle Aufgabe gewesen sein. Die Oper wurde fertig und Monteverdi zur Uraufführung in Mantua eingeladen; er zögerte aber hinzufahren, weil inzwischen sein Sohn, der als Arzt in Mantua wirkte, von der Inquisition eingekerkert worden war - weil er ein indiziertes Buch gelesen hatte. Kurz darauf brach der mantuanische Erbfolgekrieg aus; als Monteverdis Sohn entlassen wurde, war an einen Besuch in Mantua nicht mehr zu denken. Während des Kriegs wurde das Notenarchiv des Palastes der Gonzaga von Plünderern angezündet - so beschreibt es Passuth. Die Oper "La fina pazza Licori" und alle mantuanischen Kompositionen Monteverdis verbrannten.

    Passuth beschreibt das mit trockenen Worten, aber deutlich durchklingender Entrüstung. Eini phantastischer Autor. Ich wollte, das Buch ginge nie zu Ende.

  • So, jetzt bin ich fertig ...

    Vor zwei oder drei Jahren war ich einmal für einen Tag in Cremona und habe den Dom besichtigt. Ich erinnere mich noch genau an eine Geigenwerkstatt am Domplatz. Drinnen war gerade jemand dabei, ein Instrument probezuspielen. Ich habe mich nicht hineingetraut, aber von draußen eine Weile zugehört.

    Monteverdi wird dort hoch geschätzt. Ich spreche kein Italienisch, aber eine Bäckereiverkäuferin, zu der ich mit Geste zum Dom hin "Divino Claudio!" sagte, strahlte sofort auf, mit begeistertem Nicken. :D

  • Oh, dann erzähle unbedingt, wie es dir gefallen hat.

    Passuth geht insbesondere auf den Orfeo und die Krönung der Poppea sehr eingehend ein. Es ist wohl gut für das Verständnis des Buches, wenn man diese Werke ein paarmal gehört und noch ein wenig im Gedächtnis hat.

    Ich glaube, das allererste Werk von Monteverdi, das ich gehört habe, war das Madrigal "Zefiro, torna". Davon habe ich meinen Nick, den ich ununterbrochen benutze, seit ich online bin - irgendwann in den Neunzigern. :love: