Was ist klassische Musik?

  • E-Musik und U-Musik sind Unterscheidungen, die von der GEMA beherzigt werden. Die Honorare der E- und U-Musiker unterscheiden sich.
    Die beiden Begriffe sind verbunden mit Musik als Ware.


    Der alte Begriff der "Klassischen Musik" bezeichnete erst einmal Werke von Haydn, Mozart und Beethoven ab etwa 1782.
    1782 waren sich Haydn und Mozart im Klaren, vorbildliche Werke geschaffen zu haben.
    Später hat man die Werke der drei Komponisten allgemein als klassisch bezeichnet, gleichzeitig aber schon romantisch betrachtet (E.T.A. Hoffmann).
    Die Musikwissenschaft von heute kennt eine klassisch-romantische Epoche, ohne zu einer einheitlichen Definition zu gelangen.


    In der heutigen pluralistischen Konsumgesellschaft hat der Begriff "Klassik" nur den Wert, den ihm der Rezipient gibt.
    Mozartsche "Klassik" kann man mit genauso dummen Ohren hören wie Rap oder Schlager.
    Es kommt also darauf an, welche Funktion man der Musik gibt.
    Vielleicht gab oder gibt es die quasi wertfreie, gebrauchsunabhängige Rezeption von Musik, so wie sie Roquairol meint, tatsächlich erst und nur noch in mancher Musik aus der klassisch-romantischen Epoche.


    Wispel

  • Hallo, Roquairol,


    Zitat

    Auch wenn er noch nicht so benannt worden ist, gab es den Unterschied durchaus - die Unterhaltungsmusik dieser Zeit war die Tanzmusik, die auf Dorffesten und Hochzeiten gespielt wurde.


    Glaube ich auch. Damals gingen ja nahezu alle Volksschichten auch in Opern („Volksopern“) und in den Konzertsaal. Die Trennung, die man heute macht, war noch nicht in dem Maße da und auch nicht die heute bei Vielen vorhandene Schwellenangst.


    Sicher wussten die Komponisten um diesen Unterschied, ein Mozart bspw. machte sich für seine Tänze und Märsche kaum die gleichen Gedanken wie für seine späten Klavierkonzerten . Im lustigen „Dorfmusikanten-Sextett“ („Ein musikalischer Spaß“) ironisierte er schlechte U-Musik und entspr. Ausführende. Was heute so nicht mehr ginge, weil es in der sog. U – Musik auch höchste Professionalität gibt.

    Zitat

    Und natürlich kann auch ein "E"-Komponist zwischendurch gelegentlich "U"-Musik komponieren, warum nicht? Es kommt auf das einzelne Werk an, nicht auf den Komponisten.


    Ja, das haben alle großen Komponisten getan, mir gefällt neben der Matthäuspassion auch das schlichte Lied „Willst du dein Herz mir schenken“, letzteres Unterhaltungs – und Hausmusik bei den Bachs.

    Zitat

    Damit sind wir bei der ganz am Anfang gestellten Frage angelangt, was denn eigentlich Kunst sei. Für mich ist Kunst Gestaltung, die keinen äußeren Zweck verfolgt (wie Schaufenstergestaltung oder Design), sondern die in sich selbst ruht. Der Künstler bringt sich darin zum Ausdruck, ohne fremde Erwartungen (etwa von einem Auftraggeber oder dem Publikum) zu berücksichtigen.


    Dem stimme ich voll bei! Ein kleines Aber trotzdem :zwinker: , und um bei Mozart zu bleiben, aber auch auf andere Komponisten wie z. B. Schostakowitsch übertragbar: Dessen – Mozarts - Kompositionen waren größtenteils Auftragswerke, und er musste, um (über)leben zu können, schon fremde Erwartungen erfüllen, die er dann meist mit seinen künstlerischen Vorstellungen zu verbinden wußte – zum Glück für uns! Wiederum Beweis für Deine These sind Mozarts letzte Klavierkonzerte, die er für sich selbst und seine Kunst schrieb.

    Zitat

    Die interessantere Frage ist eigentlich, warum E-Musik überhaupt entstehen konnte, denn jahrhundertelang gab es sie nicht.

    Da kann man aber genau so gut fragen, warum U-Musik entstehen konnte, wenn man denn unbedingt trennen will. Für die Trennung kämen als Erklärung die im Laufe der Zeit einfließenden außereuropäischen musikalischen Einflüsse verschiedener ethnischer Gruppen in Frage, die dann auch mit verschiedenen Formmitteln arbeiten. Obwohl ja auch eine Menge sog. U – Musik Stilmittel der überlieferten sog. E – Musik verwendet.
    Auf jeden Fall meine ich, dass die Unterscheidung E/ U – Musik ziemlich willkürlich ist.

    Zitat

    Die E-Musik endet für mich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Mahler, Strauss, Sibelius).


    …Was ich schade finde! Stockhausen ist auch nicht so mein Fall. Es gibt sehr gute neuere Musik, Schnittke, R. Riehm, D. Schnebel, Henze, Penderecki, Nono…Die schreiben nicht nur atonal und fabrizieren nicht nur Lärm.
    Aber schon Bach Vater fand die Musik seiner Söhne so schrecklich modern! :zwinker:


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Zitat

    Glaube ich auch. Damals gingen ja nahezu alle Volksschichten auch in Opern („Volksopern“) und in den Konzertsaal. Die Trennung, die man heute macht, war noch nicht in dem Maße da und auch nicht die heute bei Vielen vorhandene Schwellenangst.


    Bis weit ins 19. Jhd, hinein war das Wiener Publikum nur ein geringer Bruchteil der Wiener Bevölkerung. Heutzutage gehen prozentual mehr Menschen in Opern und Konzerte als zu Mozarts Zeiten (von denen ja hier die Rede ist). Die Trennung der Bevölkerungsschichten war damals strikt. Heute hat die "Schwellenangst" andere Gründe.

    Zitat

    Im lustigen „Dorfmusikanten-Sextett“ („Ein musikalischer Spaß“) ironisierte er schlechte U-Musik


    Nein, der Titel suggeriert das, er stammt aber nicht von Mozart und "Ein musikalischer SDpaß" trifft eher die schematisch verfahrenden Kollegen Mozarts (wie seinen kurz vor der Komposition gestorbenen Vater).

    Zitat

    Hausmusik bei den Bachs


    Hat mit U-Musik nichts zu tun.


    Zitat

    Für die Trennung kämen als Erklärung die im Laufe der Zeit einfließenden außereuropäischen musikalischen Einflüsse verschiedener ethnischer Gruppen in Frage, die dann auch mit verschiedenen Formmitteln arbeiten.


    Welche sind denn hier gemeint?

    Zitat

    Aber schon Bach Vater fand die Musik seiner Söhne so schrecklich modern!


    Wann hat J.S. Bach sich dazu geäußert?


    Beste Grüße
    Wispel


    Haydn über Mozart:
    «Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der grösste Komponist, den ich von Person oder dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und über das die grösste Kompositionswissenschaft.»


    Also:
    Geschmack und größte Kompositionswissenschaft machen den Klassiker aus. Siehe Haydns und Mozarts Streichquartette.

  • Hallo Wispel und alle, die's interessiert,
    nicht über die Länge meines Beitrags erschrecken :breitgrins: , das Thema interessiert mich halt!


    Zitat

    Bis weit ins 19. Jhd, hinein war das Wiener Publikum nur ein geringer Bruchteil der Wiener Bevölkerung. Heutzutage gehen prozentual mehr Menschen in Opern und Konzerte als zu Mozarts Zeiten (von denen ja hier die Rede ist). Die Trennung der Bevölkerungsschichten war damals strikt. Heute hat die "Schwellenangst" andere Gründe.


    Interessante Darlegungen sind das! Über Zahlen, bzw. Verhältnis von Publikum zur Bevölkerung damals war/ ist mir nichts bekannt, und ich kenne auch keine Prozentzahlen. Auf Wien allein wollte ich meine Aussagen nicht beschränken. Belegt ist, dass die da-Ponte-Opern in Wien weniger erfolgreich waren als in Prag, wo glaubhaft überliefert ist, dass Mozart dort „volkstümlich“ wurde und „Figaro pfiffen,….die Leute auf der Straße“ (Hildesheimer „Mozart“). Unter „Straße“ stelle ich mir auch einfachere Leute vor. Hildesheimer hat diese Berichte wiederum von zahlreichen Biografien und auch dem Mozartbrief übernommen, wo es heißt: „…denn hier wird von nichts, als – figaro; nichts gespielt, geblasen gesungen und gepfiffen als – figaro“.
    Bei Niemetschek, einem der ersten Mozart-Biografen, kann man lesen: „ ….Figaros Gesänge widerhallten auf den Gassen, in den Gärten, ja selbst der Harfenist bei der Bierbank musste sein „Non più andrai“ ertönen lassen…“ Daraus schloß ich auf den Opernbesuch auch einfacherer Stände.


    Schließlich die „Zauberflöte“: Uraufführung im kurz zuvor gegründeten Theater in der Vorstadt Wieden, wo Schikaneder Possen und Singspiele aufführte, die zur deutschen Oper führten. Hildesheimer bezeichnet diese Opern als „ursprünglich um eine Unterhaltung im Vorstadttheater“ und als„Musical, mit grellem krassem Bühnenzauber“. Und bei Paumgartner wird bei der Uraufführung von „übervollem Haus“ berichtet (Platz für über 1000 Zuschauer). Aristokratie und Volk bunt gemischt. In "Die Vertrauten Briefe zur Charakteristik Wiens" ab 1789 erfährt man vom "Pöbel" und vom "großen Beifall beim edlen und unedlen Theil des Publikums."

    Zitat

    Nein, der Titel suggeriert das, er stammt aber nicht von Mozart und "Ein musikalischer SDpaß" trifft eher die schematisch verfahrenden Kollegen Mozarts


    Sicher sind viele „volkstümliche“ Titel von Musikwerken erst später hinzugefügt worden, oft auch bei Haydn. Du hast recht, Mozart wollte dilettantisch schreibende Kollegen verspotten, Dorfmusikanten konnte man eher offen benennen. Dieses Werk nannte ich nur im Zusammenhantg mit schlechter U-Musik, denn gut daran ist nur Mozarts Kunst, die Regelbrüche überdeutlich darzustellen, meine ich.

    Zitat


    Hat mit U-Musik nichts zu tun.


    Wieso? Es ist wieder Frage der Definition von U-Musik. Familie Bach hat sich sicher bei einem „Concert vocaliter und instrumentaliter mit meiner Familie“ (aus einem Brief Bachs) gut unterhalten.

    Zitat


    Welche sind denn hier gemeint?


    Eventuell Einflüsse von Jazz (afrikanisch), arabischer, fernöstlicher Musik. Musikwissenschaftler könnten was dazu sagen. Jedenfalls benutzen die genannten Richtungen verschiedene musikalische Mittel (Instrumente, Melodik, Harmonie u. a.).

    Zitat


    Wann hat J.S. Bach sich dazu geäußert?


    Erwischt! :redface: Ich schrieb dies leichtsinnigerweise, obwohl es in der Bachbiografie von Cherbuliez lediglich heißt: „So kam es…zu einem wohl bewussten Zurückziehen von Zusammenhängen und neuen Entwicklungen, die Bach nicht mehr mitmachen wollte oder konnte.“ Und weiter: „Man weiß, dass dieser Gegensatz ja auch in Bachs eigener Familie sich künstlerisch auftat. …..,das Wort von der ´alten Perücke´, das J.S. jüngster Sohn….in bezug auf seinen Vater ausgesprochen haben soll…“ Ich schloß also, ohne es beweisen zu können, daß J.S. die "neue" Musik ablehnte. Vergebung!

    Zitat

    Haydn über Mozart:
    «Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der grösste Komponist, den ich von Person oder dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und über das die grösste Kompositionswissenschaft.»


    Bist Du auch Mozartianer? :smile:

    Zitat

    Also:
    Geschmack und größte Kompositionswissenschaft machen den Klassiker
    aus. Siehe Haydns und Mozarts Streichquartette.


    Mein Wort. Diese beiden Kriterien erfüllen aber auch andere Komponisten, und nicht nur die der klassischen Epoche. Auch moderne!


    Viele Grüße,
    Gitta


    P.s. Auf Deine Meinung zur heutigen Schwellenangst freue ich mich schon! :smile:

  • Hallo Gitta und Wispel,


    nur kurz ein Wort zum Besuch der Theater und Opern durch das breite Publikum.


    Ohne dass ich jetzt in meinen Büchern rumsuchen möchte, kann ich deinen Standpunkt, Gitta, nur unterstützen:


    Zumindest in Paris besuchte ein breites Publikum aller Stände die Opernhäuser und Theater, wie man jederzeit bei Balzac nachlesen kann, der ja alle Stände in sein Werk miteinbezog.


    Es ist doch auch medienhistorisch selbstverständlich, dass die Leute sich damals für Opern und öffentlich dargebotene Instrumentalmusik jeder Art interessierten, sofern sie es sich finanziell
    leisten konnte: Schließlich gab es noch kein Kino bzw. Fernsehen, das mit diesem Genuss konkurrierte.



    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Es ist ein wenig schwierig, auf den langen Beitrag zu antworten, da in ihm die verschiedensten Klassik- und U-Musik-Begriffe vorkommen.
    Vielleicht könnte man klären, um welchen es gehen soll.
    Ich für meinen Teil möchte Klassik eigentlich bevorzugt für die Zeit von 1782 bis 1827 anwenden, als Wiener Klassik.
    In der Zeit entsprechen eben nur die drei oben Genannten der Haydn'schen Definition (obwohl es schon schwer ist, Beethoven mit einzubeziehen).
    Diese klassische Höhe haben eben die anderen Zeitgenossen nicht erreicht.


    Alle anderen Klassikbegriffe kommen mir ziemlich beliebig vor.


    Und bei U-Musik neige ich der GEMA-Definition und andererseits der Adorno'schen Auffassung zu.


    ---------------------


    Bis weit ins 19., ja ins 20. Jhd. hinein hat die zahlenmäßig dominierende bäuerliche Bevölkerung an der Hochkultur nicht teilgenommen.


    Soweit erst einmal mein Replik


    Wispel

  • Hallo Wispel,


    Zitat von "Wispel"

    Es ist ein wenig schwierig, auf den langen Beitrag zu antworten,


    Dachte ich mir's doch, daß ich mal wieder nach dem Motto "wes das Herz voll ist usw...." gehandelt habe, also auch hier Vergebung! Hoffentlich ist der hier nicht auch zu lang! :smile:

    Zitat

    ....die verschiedensten Klassik- und U-Musik-Begriffe vorkommen.
    Vielleicht könnte man klären, um welchen es gehen soll.


    Ich habe nur von Mozartopern gesprochen, die m. M. nach damals durchaus sowohl zur E - als auch zur U-Musik gehörten und volkstümlich waren. Könntest Du das vielleicht etwas näher ausführen? Mir ist noch nicht klar, was Du unter "verschiedensten Klassik - und U - Musik - Begriffe" meinst, die ich verwendet haben soll.
    Ganz Deiner Meinung bin ich, was die Zeitdauer der eigentlich heute so genannten klassischen Musikepoche betrifft, und auch Beethovens schon übergreifende Stellung. Den Begriff "klassische Höhe" allerdings gebrauche ich mit Vorsicht, es gibt eine ganze Anzahl sehr guter Komponisten in dem Zeitraum. Ohne die Basis gibt es keine Spitze der Pyramide. Aber klar hast Du recht mit Haydns und Mozarts Ausnahmestellung!


    Folgenden Satz von Dir kann ich für mich nicht so stehen lassen: "U-Musik ist deshalb keine Kunst, weil sie einen Zweck verfolgt (die Leute zum Tanzen zu animieren), und weil sie in der Regel auch auf die Erwartungen des Publikums zugeschnitten ist. " Mozarts Requiem war für den Zweck einer Totenfeier bestimmt und die Leute hatten eine diesbez. Erwartungshaltung. Niemand zu allen Zeiten wird das Requiem deshalb als U-Musik bezeichnen. Die "Zauberflöte" wohl. Und sie ist Kunst.

    Zitat

    Bis weit ins 19., ja ins 20. Jhd. hinein hat die zahlenmäßig dominierende bäuerliche Bevölkerung an der Hochkultur nicht teilgenommen.


    Stimmt! Wie, wann und wovon sollten Bauern damals in die Opernhäuser und Konzertsäle gelangen? In der ländlichen Umgebung, in der ich z. Zt. lebe, nimmt dieser Teil der Bevölkerung noch heute selten an Hochkultur teil.


    Zitat

    Soweit erst einmal mein Replik

    Danke!


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Zitat von "finsbury"

    Zumindest in Paris besuchte ein breites Publikum aller Stände die Opernhäuser und Theater, wie man jederzeit bei Balzac nachlesen kann, der ja alle Stände in sein Werk miteinbezog.


    Hallo finsbury,


    so war's auch in London oder Mailand. Balzac vermittelt mir ein besseres sozio-historisches Gemälde von Paris, als es die dicksten Geschichtsbücher tun könnten!
    Trotzdem hat Wispel schon recht, daß es sehr schwer ist, die Begriffe E - und U - Musik zu definieren, geschweige denn, viele Werke der einen oder anderen Richtung zuzuordnen.


    LG,
    Gitta

  • Zitat

    Ich habe nur von Mozartopern gesprochen, die m. M. nach damals durchaus sowohl zur E - als auch zur U-Musik gehörten und volkstümlich waren. Könntest Du das vielleicht etwas näher ausführen? Mir ist noch nicht klar, was Du unter "verschiedensten Klassik - und U - Musik - Begriffe" meinst, die ich verwendet haben soll.


    Nicht ausdrücklich hast du unterschiedliche Begriffe verwendet, aber unter verschiedenen Gesichtspunkten diese Begriffe unserer Zeit auf die alte Zeit angewendet.
    Und damit habe ich so meine Schwierigkeiten. Die polarisierenden Begriffe E- und U-Musik erfassen unsere heutige Musik nur ungenügend, wie sollen sie z. B. Musik der Klassiker erfassen können?


    Beste Grüße
    Wispel

  • Hallo zusammen,
    Gitta, ich glaube, du verwechselst mich teilweise mit dem guten Wispel, aber egal ...

    Zitat von "Gitta"


    Dessen – Mozarts - Kompositionen waren größtenteils Auftragswerke, und er musste, um (über)leben zu können, schon fremde Erwartungen erfüllen, die er dann meist mit seinen künstlerischen Vorstellungen zu verbinden wußte – zum Glück für uns!


    Ich sehe einen wesentlichen Unterschied darin, ob der Auftrag lautet "Komponiere mir ein schönes Klavierkonzert" oder "Schreib einen Song, der unserem Musikkonzern mindestens soundsoviel Millionen Dollar einbringt."


    Zitat

    Mozarts Requiem war für den Zweck einer Totenfeier bestimmt


    Ja, aber das ist ein "ernster" Zweck ... :breitgrins: Nein, Spaß beiseite: Die Totenfeier ist ein Anlaß, aber kein Zweck. Die Musik wurde zum Anlaß einer Totenfeier komponiert, aber sie bezweckt keine Totenfeier - diese Formulierung wäre absurd.


    Zitat

    Es gibt sehr gute neuere Musik, Schnittke, R. Riehm, D. Schnebel, Henze, Penderecki, Nono…Die schreiben nicht nur atonal und fabrizieren nicht nur Lärm.


    Ich muß zugeben, nur drei dieser Komponisten halbwegs zu kennen. Ich habe auch mal versucht, mich in die Werke von Varese einzuhören, aber leider konnte ich mich nicht sehr mit ihm anfreunden.

    Zitat

    Trotzdem hat Wispel schon recht, daß es sehr schwer ist, die Begriffe E - und U - Musik zu definieren


    Wie schon gesagt, ist meine Definition ganz einfach: Nach U-Musik kann man tanzen, nach E-Musik nicht.
    :bang:
    Beste Grüße,
    R.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Roquairol"


    Wie schon gesagt, ist meine Definition ganz einfach: Nach U-Musik kann man tanzen, nach E-Musik nicht.


    Dann gibt's für mich nur E-Musik :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Aus den Statuten der GEMA:

    Zitat

    Die Trennung in ernste Musik (E) und Unterhaltungsmusik (U) hängt nicht zuletzt u. a. mit den sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der Aufführung zusammen. Diesem Umstand wird sowohl in der Tarifgestaltung als auch in der Verteilung Rechnung getragen. Es gibt daher zwei getrennte Abrechnungsarten für die Verrechnung der öffentlichen Aufführungsrechte, denen wiederum Untersparten angegliedert sind.


    Es lohnt sich, einmal zur GEMA zu surfen:
    http://www.gema.de

  • Hallo Roquairol,


    Zitat von "Roquairol"


    Gitta, ich glaube, du verwechselst mich teilweise mit dem guten Wispel, aber egal ...


    Pardon, ist mir gar nicht aufgefallen! Na, egal wohl nicht, aber wenn Du's so siehst, ist's mir recht! :smile:

    Zitat


    Ja, aber das ist ein "ernster" Zweck ... :breitgrins: Nein, Spaß beiseite: Die Totenfeier ist ein Anlaß, aber kein Zweck. Die Musik wurde zum Anlaß einer Totenfeier komponiert, aber sie bezweckt keine Totenfeier - diese Formulierung wäre absurd.


    Ups, dies ist ja ein Literaturforum! :zwinker: Klar handelt es sich um einen Anlaß. Ich denke auch, daß "Requiem" einen ernsten Anlaß impliziert.

    Zitat

    Wie schon gesagt, ist meine Definition ganz einfach: Nach U-Musik kann man tanzen, nach E-Musik nicht.


    Um Deine Definition beneide ich Dich. Bei den Menuetten in Mozarts oder Haydns Symphonien möchte ich sogar im Konzert tanzen, was leider nicht geht. Sind diese Symphonien für Dich U-Musik?


    Grüße,
    Gitta

  • Zitat von "Wispel"

    Aus den Statuten der GEMA:


    Es lohnt sich, einmal zur GEMA zu surfen:
    http://www.gema.de


    Hallo Wispel,


    danke für diesen Gesichtspunkt der Unterscheidung! Den Linkinhalt werde ich mir noch in Ruhe zu Gemüte führen.


    Grüße,
    Gitta

  • Hallo Gitta,

    Zitat von "Gitta"


    Bei den Menuetten in Mozarts oder Haydns Symphonien möchte ich sogar im Konzert tanzen, was leider nicht geht. Sind diese Symphonien für Dich U-Musik?


    Hatte ich schon geahnt, daß du das schreiben wirst ... :zwinker: Ich erweitere meine Definition um den Zusatz: Nicht alles, wozu man tanzen kann, muß notwendigerweise U-Musik sein. Nur wenn man nicht dazu tanzen kann, ist es eindeutig E-Musik ...
    Im übrigen sind die Menuette ja nur Teile der Symphonien - natürlich haben Komponisten häufig U-Musik aufgegriffen, variiert und in verschiedensten Formen in ihren Werken verwendet: E-Musik bleibt es dann aber trotzdem.


    Darf ich bitten, Madame?
    R.

  • Zitat von "Roquairol"


    Wie schon gesagt, ist meine Definition ganz einfach: Nach U-Musik kann man tanzen, nach E-Musik nicht.
    :bang:
    Beste Grüße,
    R.


    Hallo Roquairol,


    man kann prächtig nach E-Musik tanzen: Denk z.B daran, wie viele dritte Sätze in klassischen Sinfonien "Menuett(o)" heißen und hör mal rein.
    Da juckt es einen schon in den Beinen. Es liegt nicht an Mozart, Beethoven und Konsorten, dass wir nicht dazu tanzen!
    Nicht umsonst haben einige Rap-Titel auch Klassisches unterlegt, frag mich
    allerdings jetzt nicht nach Namen.


    HG finsbury :banane:

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo Finsbury und Xenophanes,
    wie ich oben schon geschrieben hatte:

    Zitat von "Roquairol"

    Ich erweitere meine Definition um den Zusatz: Nicht alles, wozu man tanzen kann, muß notwendigerweise U-Musik sein. Nur wenn man nicht dazu tanzen kann, ist es eindeutig E-Musik ...


    Gruß,
    R.

  • Hallo Roquairol,


    zumindest hast du eine recht praktische Art dich dem Problem zu nähern.


    Ich möchte einen anderen Aspekt in den Vordergrund stellen.


    Meist erfüllt Musik eine Funktion.
    Gehen wir davon aus, dass sie unterhalten kann, dann ist jede Musik, die jemand als Unterhaltungsmusik empfindet und die bei ihm diese Funktion erfüllt, Unterhaltungsmusik.
    Und das kann dann auch eine hochorganisierte Kunstmusik sein, die du wohl als E-Musik ansprechen würdest.


    Andersherum wird's schon schwieriger:
    Wie ist es einzuschätzen, wenn jemand z. b. Schlager ernst aufnimmt und die Klischees für erlebte und erlebbare Wirklichkeit hält?
    Ist der Schlager für ihn dann nicht E-Musik?


    Muss denn E-Musik unbedingt ein künstlerisches Qualitätsmerkmal aufweisen oder erlangt sie ihren Rang etwa auch wegen ihrer Funktion?


    Was meinst du?


    Wispel

  • Hallo Wispel,
    dein neuer Ansatz betrachtet also die Sache aus der Sicht des Rezipienten: Musik, die jemanden unterhält, ist für diesen U-Musik, und Musik, die jemand ernst nimmt, ist für diesen E-Musik. Nur kann ich mir beim besten Willen niemanden vorstellen, der Schlager "ernst" nimmt - dies würde ja dem Wesen des Schlagers direkt widersprechen. Es würde wohl beim Hörer eine psychische Struktur voraussetzen, die dem Don Quichote entspräche. - Auch fallen bei dieser Betrachtungsweise Unterschiede unter den Tisch, die mir doch bedenkenswert erscheinen.


    Ich bleibe also dabei, daß die Frage aus der Perspektive des Komponisten betrachtet werden sollte. Meine These lautet, daß sich die innere Haltung eines Komponisten ernster Musik von der inneren Haltung eines Schlagerkomponisten wesentlich unterscheidet. Für die ernste Musik ist wohl ein gewisser "Idealismus" unabdingbar. Man kann Popmusiker werden allein aus dem Antrieb heraus, reich und berühmt zu werden - aber wer würde aus diesem Grund Konzertpianist? Dafür wäre der Aufwand viel zu groß, die Jahre des Studiums, das ständige Üben: Reichtum und Ruhm sind wohl auch einfacher zu erringen. Es muß also für den "ernsten" Musiker einen anderen Antrieb geben, der nur in der Musik selbst liegen kann.


    Dabei will ich keineswegs den U-Musikern einen solchen Antrieb prinzipiell absprechen. Ich behaupte auch keineswegs, daß U-Musik überhaupt keine künstlerischen Qualitätsmerkmale aufweisen könne (diese kommen z.B. in der Rockmusik häufig in den Instrumental-Soli zum Ausdruck). Aber diese "reine Kunst" steht zurück hinter den tanzbaren Rhythmen, sonst würde sich das Musikstück nicht verkaufen. Hier haben wir den entscheidenden Punkt: Im Unterscheid zur U-Musik fehlt der E-Musik etwas, nämlich diese kommerzielle Rücksichtnahme. Dieser "Mangel" (Aristoteles würde es "Steresis" nennen ...) ist es, der die E-Musik ausmacht.


    Ein hervorragendes Beispiel, das mir leider erst jetzt einfällt, ist Frank Zappa, der sowohl U- wie auch E-Musik komponiert hat. Die E-Musik war das, was er eigentlich wollte, und die U-Musik schrieb er zu seinem Lebensunterhalt. Die Millionen, die er mit der U-Musik verdiente, mußte er dafür ausgeben, um seine E-Musik aufführen zu lassen. - Damit kommen wir zu einem neuen Unterscheidungsmerkmal:


    Mit U-Musik kann man reich werden, für E-Musik muß man draufzahlen. :breitgrins:


    Beste Grüße,
    R.