November 2003: Dante Alighieri: Die göttliche Komödie

  • Aus der Amazon.de-Redaktion
    Drei Dinge prägten Werk und Leben Dante Alighieris (1265-1321): Seine mittelalterliche Universalbildung beim Enzyklopädisten Bruno Latini, die nach der Verbannung geschürte Haßliebe zu seiner Geburtsstadt Florenz und die entrückende Verehrung der schönen Beatrice Portinari, die sich durch ihren frühen Tod mit 24 Jahren zur Stilisierung nachgerade anempfahl. In den 100 Gesängen seiner im Exil verfassten Göttlichen Komödie (1307-1321) hat der Dichter über sie alle zu Gericht gesessen: Im 26. Höllengesang etwa findet sich eine erbitterte Schmährede auf die Heimatmetropole, und Latini muß bei den Sodomiten schmoren. Die himmlische Geliebte jedoch darf den verschämten Dichter im Paradies empfangen und mit ihm zu den Sternen, Planeten und Trabanten schweben. "Und Beatrice sah mich an voll Glut", heißt es im wundervollen Mondcanto, "die aus den hehren Augen blitzte wider, / Daß meine Kraft, besiegt, verließ der Mut, / Und fast verlor ich mich, die Augen nieder".


    Am Ende dieser schwindelerregenden Jenseitsreise säumten nahezu 600 Seelen des politischen, literarischen und mythologischen Lebens Dantes Weg, darunter Judas, Odysseus, Petrus und Bernard von Clairvaux. Zuvor aber hatte der Dichter als Figur des eigenen Epos gemeinsam mit seinem Führer, dem römischen Lieblingsdichter Vergil, Hölle (Inferno) und Fegefeuer (Purgatorio) zu durchwandern: "Dort wirst Du hören der Verzweiflung Pein / Und sehn, wie sich der Vorzeit Geister quälen, / so daß sie nach dem zweiten Tode schrein". Dante hat sich die Architektur des Jenseits mit seinen 27 Stufen trichter- und terrassenförmig vorgestellt, um seinen unausweichlichen Sog zu illustrieren. Aber eigentlich ist der Strudel der Sprache der wahre Held des Buchs, der uns hineinzieht in die 14 233 bedeutendsten Verse der italienischen Literatur, ja in eines der größten Epen der Weltliteratur überhaupt.


    Goethe fühlte sich nicht wohl im "Moderduft aus Dantes Hölle", und Arno Schmidt gar sah im Inferno des Buchs Konzentrationslagerphantasien literarisch lodern. Die meisten Dichter aber dachten anders, und die Anfangserzählung von Samuel Becketts erster Prosaveröffentlichung Mehr Prügel als Flügel (1934) mit ihrem ironischen Titel Dante und der Hummer beginnt mit einem fesselnden Lektüreerlebnis der direkt dem Purgatorium entstiegenen Hauptfigur: "Es war Vormittag, und Belaqua hatte sich im ersten Mondcanto festgelesen. Bis zum Hals steckte er drin, er konnte weder vor noch zurück". Vor sieben Jahren etwa ging es mir beim Lesen ähnlich. --Thomas Köster -- Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe: .


    Kurzbeschreibung
    Die berühmteste Jenseitsreise der Weltliteratur. Begleitet von Vergil, gelangt der Dichter durchs Höllentor zum eisigen Mittelpunkt der Erde und von dort zum paradiesischen Höhenflug mit der geliebten Beatrice. Auf dem Wege aber harren nahezu 600 Berühmtheiten aus Politik, Literatur und Mythologie auf Erlösung, erzählen den Reisenden aus ihrem Leben - und wurden so für die Nachwelt unsterblich. Dantes "Commedia", entstanden zwischen 1307 und 1321, ist die erste große Dichtung der italienischen Sprache und gilt bis heute als ihr Hauptwerk.Dante Alighieri wurde 1265 in Florenz geboren. Mit neun Jahren sah er erstmals Beatrice, die er später in seinem Werk verklärt. Sein Engagement im Kampf um die Unabhängigkeit von Florenz führte 1302 zu einem Gerichtsprozess und schließlich zu lebensläglicher Verbannung. Dante, der seitdem als vogelfrei galt, hielt sich danach vor allem in Verona auf und reiste von dort aus in viele oberitalienische Städte und Landschaften. Ab etwa 1316 ließ er sich in Ravenna nieder, znächst am Hofe des Cangrande della Scala, später als fürstlicher Sekretär und Lehrer für Poetik und Rhetorik. Er dort 1321.


    Klappentext
    Dantes »Göttliche Komdie« ist die überwältigende Vision einer realistisch geschilderten jenseitigen Welt, in der Strafen, Bußen und Belohnungen den Menschen erwartete. Sie ist die wohl berühmteste Geschichte der Lebenswende eines Menschen, dem sich nach den Irrungen der Vergangenheit, von irdischem Begehren befreit, das Reich der Tugend, der Wissenschaften und philosophischen Erkenntnis erschließt. Diese fesselnde Dichtung von großartiger Sprachgewalt wird nun mit zwölf kostbaren, farbenprächtigen Illuminierungen eines Codex des 15. Jahrhunderts neu präsentiert. -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.


    Autorenportrait
    Dante Alighieri wurde 1265 in Florenz geboren und starb 1321 in Ravenna. Mit neun Jahren sah er erstmals Beatrice, die er später in seinem Werk verklärt. Sein Engagement im Kampf um die Unabhängigkeit von Florenz führte 1302 zu einem Gerichtsprozess und schließlich zu lebenslänglicher Verbannung. Dante, der seitdem als vogelfrei galt, hielt sich danach vor allem in Verona auf und reiste von dort aus in viele oberitalienische Städte und Landschaften. Ab etwa 1316 ließ Dante sich in Ravenna nieder, znächst am Hofe des Cangrande della Scala, später als fürstlicher Sekretär und Lehrer für Poetik und Rhetorik.


    -------------


    Übersetzungen, Vergleich:


    http://www.operone.de/dante/index.htm
    --------------


    http://www.k-ho.de/1_galleries/5_galleries/dante_bio.php


    ----------
    http://www.ib.hu-berlin.de/~pz/florenz/danteend.htm
    ---------


    ein bißchen Geschichte zu Florenz, den Guelfen und den Ghibellinen


    http://www.toskana.net/guida/toskana/firenze1.htm
    -------------

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    das Vorwort über das Leben Dantes und die politischen Hintergründe sind sehr hilfreich in meiner Ausgabe, auch zur besseren Verständnis über die Guelfen und Ghibellinen. Ich habe in der "Chronik gemeinsames Lesen" ein paar Links gesetzt.


    Harald - willkommen in unserer Leserunde, wir freuen uns :winken:


    1. Gesang


    die Kommentare zu den jeweiligen Gesängen gibt einen guten Einstieg. Was mir auffällt ist, daß Dante durch den dunklen Wald (=das Leben mit seinen Irrungen) geht und den Berg der Wonne (=tugendhafte Leben) erblickt. Doch es ist nicht möglich den Berg zu ersteigen. 3 Tiere hindern ihn, ein Luchs (Laster: Sinneslust), ein Löwe (Laster: Hochmut) und eine Wölfin (Laster: Habsucht). Wobei für Dante die Habsucht am schlimmsten ist, deswegen wird die Wölfin auch als häßlichstes Tier beschrieben.


    Ist das auch nicht oft auch im wirklichen Leben so, daß man gerne den "richtigen" Weg gehen möchte, aber man unbeabsichtigt auf "Abwegen" gerät?


    Dante hatte einen Führer, über den er sehr froh war, er war erleichtert. Das wünschen wir uns sicher auch öfters: einen Führer um uns den Weg zu zeigen, auch wenn es mal über Umwegen geht.


    Das erinnerte mich auch an einen Psalmisten (König David) und da wir in der göttlichen Komödie nun öfters mit der Bibel konfrontiert werden (nehme ich mal an), hier der Text:


    Psalm 23: 1-4

    Der HERR ist mein Hirte,
    mir wird nichts mangeln.

    Er weidet mich auf einer grünen Aue
    und führet mich zum frischen Wasser.


    Er erquicket meine Seele
    und führet mich auf rechter Strasse um seines Namens Willen.


    Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
    fürchte ich kein Unglück;
    denn du bist bei mir
    dein Stecken und Stab trösten mich.

    Du bereitest mir einen Tisch
    im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl
    und schenkest mir voll ein.

    Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
    und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

    Nach der Übersetzung von Martin Luther, revidierte Fassung von 1984



    Vielleicht hat Dante auch an diese Verse gedacht als er seinen finsteren Wald und einen Führer wählte.


    Soweit meine ersten Gedanken.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Harald: auch von mir herzlich Willkommen !


    JMaria schrieb:

    Zitat

    3 Tiere hindern ihn, ein Luchs (Laster: Sinneslust),


    In meiner Übersetzung ists ein Pardel (=Leopard) mit buntgeflecktem Fell !


    Ich habe dann auch gleich an das "hilfreich bei der Hand nehmen" gedacht. Es steht doch sehr im Gegensatz zu unserer heutigen Auffassung, man müsse und könne alles selber schaffen. Wichtig finde ich auch den Aspekt, dass man erstmal die Einsicht gewinnen muss, sich bzw. sein Leben zu ändern.


    Aber für was steht der Führer ? Er vermittelt bzw. wird im 2.Gesang von himmlischen Frauen beauftragt. Hierzu steht in meinen Erläuterungen: Die Gnade (=Jungfrau Maria-gratia praeveniens, Lucia-gratia operans und Beatrix-gratia perficiens) wendet sich an den menschlichen Intellekt (=Virgil). Am Ende des 2. Gesangs gibt Virgil ihm ja auch genügend Selbstvertrauen, um diesen dunklen Pfad zu beschreiten; tief in sein Innerstes und in das Innere des menschlichen Wesens zu blicken und das, was man vorfindet auch zu akzeptieren, scheint mir geradezu masochistisch.


    Es erscheint mit einleuchtend und verblüffend, dass Dante schon zu dieser Zeit andeutet, Gott sei innerhalb eines Menschen und den Psalm "Der Herr ist mein Hirte" entsprechend interpretiert.


    Also, etwas Schwierigkeiten habe ich (noch) beim lesen. Dadurch, dass jeder Zeilenanfang groß geschrieben wird, weiß ich irgendwann nicht mehr, wer da eingentlich spricht. Normalerweise lese ich ja Satzzeichen nicht bewußt, aber das werde ich hier wohl ändern müssen :breitgrins:
    Manche Abschnitte lesen sich sehr flüssig, dann brauche ich wieder 4 Wiederholungen für 2 Zeilen ... Trotzdem finde ich es insgesamt (bis jetzt) sehr intensiv und fesselnd.


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    Danke für Eure Grüße!


    Mir ist folgendes aufgefallen:


    Im Gegensatz zu seinem großen Vorbild, der Aeneis, ist Dante nicht nur der Autor seiner Dichtung, sondern zugleich deren Hauptperson.


    Nicht nur, dass die Dichtung in der Ich-Form erzählt wird: Sondern der Ich-Erzähler ist keine fiktive, sondern eine historische Person, und zwar der Autor selber.


    Dante beeindruckt nicht gerade durch übertriebene Bescheidenheit... Gibt es andere Dichter aus Dantes Zeit, die ihr eigenes (historisches, nicht fiktives) Ich so unverblümt zum Mittelpunkt ihrer Dichtung gemacht haben (Petrarca?)? Wie war es in der Antike? Gibt es sonst noch Vergleiche?


    Kann man sagen, dass sich bei Dante der Renaissancemensch ankündigt?


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen


    ich komme zum 5. Gesang und habe erstmal gestoppt, weil ich erstmal abwarten möchte, wie weit ihr seid.


    Zitat von "Harald"

    Dante beeindruckt nicht gerade durch übertriebene Bescheidenheit... Gibt es andere Dichter aus Dantes Zeit, die ihr eigenes (historisches, nicht fiktives) Ich so unverblümt zum Mittelpunkt ihrer Dichtung gemacht haben (Petrarca?)? Wie war es in der Antike? Gibt es sonst noch Vergleiche?


    Kann man sagen, dass sich bei Dante der Renaissancemensch ankündigt?


    das mit der mangelnden Bescheidenheit ist mir auch aufgefallen. Im erklärenden Text heißt es auch, daß Dante voraussetzt nicht in die Hölle zu kommen. Die Antworten auf deine Fragen würden mich auch interessieren, leider kenne ich mich mit der Antike nicht gut aus und habe auch keine Ahnung, wie der Renaissancemensch sich auszeichnet, besonders in Hinblick auf Schriftsteller.
    Aber ich hoffe auf Antworten.


    Zitat von "Steffi"

    Aber für was steht der Führer ? Er vermittelt bzw. wird im 2.Gesang von himmlischen Frauen beauftragt. Hierzu steht in meinen Erläuterungen: Die Gnade (=Jungfrau Maria-gratia praeveniens, Lucia-gratia operans und Beatrix-gratia perficiens) wendet sich an den menschlichen Intellekt (=Virgil). Am Ende des 2. Gesangs gibt Virgil ihm ja auch genügend Selbstvertrauen, um diesen dunklen Pfad zu beschreiten; tief in sein Innerstes und in das Innere des menschlichen Wesens zu blicken und das, was man vorfindet auch zu akzeptieren, scheint mir geradezu masochistisch.


    Virgil gehört ja selbst auch zu dem 1.Kreis (4. Gesang), in welchem Homer, Ovid usw. sind, später übernimmt ja Beatrice die Führung im Paradiso. Aber gut, daß du das nochmals herausgestellt hast, daß 3 Frauen ihn geschickt haben. Dante hat es ja auch mit Zahlensymbolik, besonders für die Zahl 3.


    Im 3. Gesang geht es ja um die Menschen, die keine Verantwortung auf sich nahmen, weder für noch gegen Gott war und somit keine Erlösung hoffen dürfen. Das erinnert mich an einen Vers in der Offenbarung, wo von Menschen gesprochen wird, die Lau sind und Jesus(?) sie wieder ausspuckt. Wenn sich jemand für den Vers interessiert, schau ich nach ob ich ihn finde.


    Auch werden im 3. Gesang keine Namen genannt, aber erkennbar ist lt. Anmerkung, dass Dante den Papst Zölestin V. im Vers 60 meint. Durch dessen Abdankung konnte erst dieser Bonifaz VIII das Amt des Papstes einnehmen, der skrupelos war, was Dante auch am eigenen Leib erfuhr:


    Nachdem ich schon erkannt den einen oder andern,
    sah hin ich und gewahrt den Schatten jenes,
    der aus Erbärmlichkeit einst Großes ausschluß (60)


    Nochmals zum 4. Gesang:
    in diesem 1. Kreis sind die ungetauften Kinder und die guten Heiden, die Denker. Auf die Frage Dante's ob aus diesem Kreis Menschen gerettet werden, zählt Virgil hebräische Vorväter auf wie Abraham, Jakob, Rachel usw. Aber die guten Heiden haben keine Chance von Christus ins Paradiso aufgenommen zu werden.


    Ohne die Erklärungen und Anmerkkungen wäre es wirklich zu schwer zu erkennen, auf was bzw. wen Dante anspielt.

    Wie weit seit ihr?
    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zum Verhältnis Dante - Virgil:


    Mir kommt Virgil wie eine Elternfigur vor, die das Kind Dante an die Hand nimmt, auf ihn aufpaßt, vor Gefahren beschützt und sich darum bemüht, seinen Zögling zu einem selbständigen Menschen zu erziehen, mit Erklärungen, Lob und Ermahnungen etc. Einmal wird Dante von Virgil auf den Arm genommen und getragen(!), manchmal an die Hand genommen. (Ich habe die Stellen nicht im Kopf und den Text leider im Moment nicht vor mir, deshalb kann ich nicht exakt zitieren.) Typisch für kindliches Verhalten sind auch die ständigen Fragen von Dante. Er will alles erklärt bekommen!


    Dantes leibliche Eltern sind übrigens früh gestorben.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • hallo allen Mitlesern,


    habe mir jetzt am Wochenende die 100. Gesänge besorgt und dazu einen Erläuterungsband der umfangreicher ist als das eigentliche Werk. Wie ich aber gleich feststellen konnte ist er aber unerlässlich, wäre ohne diese Erläuterungen hoffnungslos verloren... Gerade diese ganzen historischen und autobiographischen Anklänge würde man sonst ja gar nicht verstehen, da ich mich mit Dante und der Geschichte um 1300 noch kaum beschäftigt habe...


    Bin jetzt schon bis zum 5. Höllenkreis vorangeschritten (9. Gesang). Mein Problem ist, dass ich grundsätzlich die Vorstellung einer Hölle in dieser Form schon schlimm genug finde und ich schon eine innerliche Hürde überwinden muss, wenn ich lesen muss, dass Ungetaufte in den Limbus kommen und auch Sokrates hätte ich persönlich ein lauschiges Plätzchen im Paradies vergönnt.


    Zwar setzt Dante einige Akzente anders als in der herkömmlichen christlich tradierten Vorstellung der Hölle wie sie uns v.a. durch die Kirchenväter überliefert ist, so wenn er die Menschen, die sich den Leidenschaften und der Sinnenlust hingaben "nur" in den 2. Kreis der Hölle verbannt... Doch grundsätzlich bleibt das christliche Weltbild unangetastet (da steckt er meines Erachtens also noch ganz im Mittelalter).


    Zitat

    Kann man sagen, dass sich bei Dante der Renaissancemensch ankündigt?


    Interessante Frage: generell wird der Übergang vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Menschen ja meist an Petrarca festgemacht. Und bei ihm vornehmlich darin, dass er sich selbst in das Zentrum gerückt hat, und von sich aus die Welt entwirft (Stichworte Perspektivismus, Besteigung des Mont Ventoux).
    Ob das bei Dante schon angelegt ist, kann gut sein... Kenne ihn zuwenig und bin auf andere Meinungen gespannt...


    Was haltet ihr von der Sprache? Bin überrascht wie klar, einfach, unprätentiös er schreibt...


    soviel fürs erste,
    Grüsse, Lucien

  • Hallo zusammen!


    Na, wenn Ihr weiter in dem Tempo lest, werde ich kaum einsteigen können...


    Zu Haralds Frage

    Zitat

    Kann man sagen, dass sich bei Dante der Renaissancemensch ankündigt?


    Gerade, was die Entdeckung des Individuums (z.B. das Streben nach persönlichem Ruhm!) betrifft, ist Dante durchaus bereits ein Renaissance-Mensch. Zu diesem Thema empfehle ich den Essay (meiner Meinung nach...): Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien.


    Übrigens finden wir schon im 7. Jh. Beschreibungen von Visionen, in denen Mystiker in der Ich-Form von Fahrten durch Himmel und Hölle berichten; in Begleitung von so noblen Figuren wie Petrus...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    Wann möchtest Du denn anfangen zu lesen, bzw. was wäre Dein Tempo?


    Dass nicht jeder in der gleichen Geschwindigkeit liest, müsste bei jedem Leseprojekt bemerkbar werden, oder?


    Danke für den Tip: Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Der steht, glaube ich, auch auf irgendeiner meiner Listen.


    Gruß, Harald

  • Hallo zusammen!
    Hallo Harald!


    Ich steige eh erst im 2. oder 3. Teil ein; ich hoffe, dass Ihr nicht vor Januar dort ankommt :smile: .


    Dass die Lesetempi verschieden sind, ist schon richtig. Ich mache normalerweise bei den gemeinsamen Leserunden deswegen nicht mit. Sie sind für mich auch nicht das Wesentliche an diesem Forum, ich bin also nicht frustriert, wenn Ihr mir 'davonläuft'. :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    Zitat von "sandhofer"


    Ich steige eh erst im 2. oder 3. Teil ein; ich hoffe, dass Ihr nicht vor Januar dort ankommt .


    Ähem, etwas schneller wollte ich schon lesen... am vergangenen Wochenende bin ich glücklich dem Inferno entronnen... bis zum Ende des kommenden Wochenendes wollte ich das irdische Paradies auf der Spitze des Läuterungsberges erreicht haben... und bis zum Ende des folgenden Wochenendes an Beatrices Hand alle Sphären des Himmels durchwandert haben...


    Das muss mich aber nicht daran hindern, mich im Januar (oder wann auch immer) an der Diskussion zu beteiligen.


    Ciao, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Dante-Leser,


    Mich hat Dantes Vorstellung von der Gestalt der Erde überrascht.


    Aus dem Übergang von der Hölle zum Läuterungsberg und aus der astronomischen Diskussion zwischen Vergil und Dante auf dem Läuterungsberg (einer der ersten Gesänge von Teil 2) geht hervor, dass der Läuterungsberg auf der Jerusalem gegenüberliegenden Seite der Erde liegt. Es ist Dante bekannt, dass die (Sonnen-)Zeit auf verschiedenen Teilen der Erde zur gleichen Zeit unterschiedlich ist, d.h. während es in Jerusalem sechs Uhr abend ist, ist es am Ganges Mitternacht, in Spanien Mittag und am Läuterungsberg sechs Uhr morgens. Außerdem läuft die Sonne linksherum über den Läuterungsberg, von Osten über Norden nach Westen, nicht wie bei uns auf der Nordhalbkugel rechtsherum.


    Mit anderen Worten, Dante weiß, dass die Erde eine Kugel ist, dass die Schwerkraft überall zum Erdmittelpunkt gerichtet ist, dass die Bahn der Sonne, der sichtbare Ausschnitt des Sternenhimmels und die Zeitverschiebung von der Position auf der Erde abhängig sind, an der man sich befindet...


    Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke... die Sache ist die, ich hatte immer die (wohl irrige) Vorstellung, dass diese Tatsachen erst durch die Entdeckungsfahrten von Columbus usw. knapp zweihundert Jahre später bekannt und akzeptiert wurden.


    Weiß von Euch jemand, wann und durch wen das mittelalterliche Weltbild zerstört wurde?


    - Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald !


    Zu Ptolemäus findest du hierhttp://de.wikipedia.org/wiki/Ptolemäus<br> ein paar Informationen. Er wusste also bereits, dass die Erde rund war, diese Tatsache wurde ja wohl eher von Seiten der Kirche geleugnet. Es gab keinerlei mathematischen Beweise (oder sie waren nicht mehr vorhanden).


    Da ja ein paar Jahrzehnte vor Dante die Kreuzzüge begannen und das orientalische Wissen somit auch nach Europa getragen wurde (neben Gewürzen, Stoffen usw.), konnte Dante sicherlich auch naturwissenschaftliche Dinge zurückgreifen.


    Ich bin noch lange nicht soweit wie du, komme erst zum 6. Gesang im Inferno, denn ich wollte auch erst mal sehen, wie schnell die anderen so sind.


    Die Anregungen zu Renaissance haben mich auch veranlasst, mal wieder in meinem alten Geschichtsatlas zu blättern. Aber ich muß erst noch ein bißchen weiter lesen, um mir ein Urteil bilden zu können.


    Gruß von Steffi


    PS: link funktioniert nur durch einfügen in die Browserzeile :sauer:

  • Hallo Steffi, hallo Harald,


    ich meine, die Kirche hat nicht geleugnet, dass die Erde rund sei, sondern, dass sie sich um die Sonne drehe. Sie meinte, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums und unbeweglich. Etwa hundert Jahre spaeter gab es daher den Konflikt mit Galileo Gallilei, der zur Einsicht kam, die Erde sei nicht fix, sondern bewege sich, und zwar um die Sonne.


    Zum Weltbild im Mittelalter habe ich folgendes Interview gefunden:
    http://www.geo.de/GEO/kultur_g…ref=geode_suche&q=scheibe


    Gruss
    Antonio

  • Hallo Steffi und Antonio,


    Danke für die Infos. Es ist schon beeindruckend, wie weit die Griechen auch in den Naturwissenschaften waren. Sie wussten nicht nur, dass die Erde rund ist, sie haben auch schon den Erdumfang berechnet.


    Ob geozentrisches oder heliozentrisches Weltbild, ist eigentlich nicht entscheidend - auch Dantes Weltbild ist ja noch geozentrisch - denn dieser Unterschied ist nur eine Sache des Standpunktes. Die beobachtbaren Phänomene sind dieselben.


    Dagegen hat die Kugelgestalt der Erde eben Phänomene wie Zeitverschiebung, "linksläufige Sonne" auf der Südhalbkugel etc. zur Konsequenz.


    Und da war meine Meinung, dass dies um 1300 noch nicht bekannt war. Das Wissen der Antike (Ptolemäus etc.) war ja verlorengegangen und ist erst in der Renaissance wieder entdeckt worden. Dante hat kein Griechisch gelesen! Welcher Europäer war denn vor 1300 auf der Südhalbkugel gewesen und hat davon berichtet?


    Oder soll man annehmen, dass Dante seine Weltbild auf rein theoretische, mathematisch-geometrische Überlegungen gegründet hat?


    Das hat jetzt nur peripher mit der Göttlichen Komödie zu tun... Ich werde da aber bei Gelegenheit weiderforschen.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • zur frage der erdgestalt:
    Im 26. gesang spinnt dante, der dem manesse-kommentar nach die schriften des homer, und damit auch das ende der odyssee nicht kannte, die odyssee fort und beschreibt, wie odysseus in südöstlicher richtung das mittelmeer verläßt: 127-130:
    "Die sterne alle von dem andern pole
    sah schon die nacht und unsren so tief,
    daß er nicht aufstieg aus des meeres spiegel."
    Ist das kein hinweis auf eine kugelgestalt oder interpretriere ich dies falsch?


    hinweise auf den "renaissancemenschen" findet der kommentar bis hierhin an 3 stellen:
    4. gesang, verse 112-120: erinnern "an die schönsten bilder, in denen die hochrenaissance das klassische altertum verklärte und feierte..."
    10. gesang, farinata als beispiel der "inneren größe einer auf sich selbst gestellten persönlichkeit"
    26. gesang: der entschluß des odysseus zur fahrt gen westen, insbs. 112-120: entdeckungsgeist, quasi ein heidnischer columbus oder de gama.
    gruß hafis

  • Hallo !


    Ich muß sagen, mich nerven meine Erläuterungen beim lesen ganz gewaltig ! Ich habe das Gefühl, ich lese nur die Erläuterungen und für meine eigenen Gedanken bleibt gar kein Platz mehr. :sauer:


    Z.B. im 9. Gesang, wo Dante in der Stadt Dis die Gräber sieht, sich an den Krieg erinnert. Für mich waren daher die Geister mehr die Menschen, die versuchen, anderen zu ihrem eigenen Vorteil etwas vorzumachen und so auch Kriege führen usw. Meine Erläuterungen geben "Ketzer" als Antwort - für mich bedeutet das aber eine Beschränkung auf die Religion, ich hatte das mehr allgemein gesehen. Sind einfach meine Erläuterungen schlecht ?


    Ich glaube, ich lese die weiteren Erläuterungen erst nach dem Inferno !


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    hoffentlich seid Ihr mir nicht böse, wenn ich mich als „Nichtmitleser“ zu Wort melde. Aber vielleicht kann ich etwas zu der zum 1. Gesang aufgetauchten Frage nach der Begegnung mit den drei wilden Tieren beitragen (Gerade der 1. Gesang ist ja quasi als Einleitung des gesamten Werkes zu sehen und sollte schon richtig verstanden sein.)


    Maria hatte gepostet:
    3 Tiere hindern ihn, ein Luchs (Laster: Sinneslust), ein Löwe (Laster: Hochmut) und eine Wölfin (Laster: Habsucht). Wobei für Dante die Habsucht am schlimmsten ist, deswegen wird die Wölfin auch als häßlichstes Tier beschrieben.


    Steffi hatte gepostet
    In meiner Übersetzung ists ein Pardel (=Leopard) mit buntgeflecktem Fell !


    Bei Dante selbst steht: „Ed ecco, quasi al cominciar dell'erta, una lonza leggiera e presta molto, che di pel maculato era coverta;


    und im Wörterbuch heißt es: lon·za [-¯-] f GASTR Lendenstück n


    (Luchs = lince; Panther = pantera; Leopard = leopardo kommen aber bei Dante nicht vor)


    Dante sieht also einen Teil eines Tieres (Lendenstück) mit buntgeflecktem Fell und das könnte zunächst mal, sowohl ein Luchs als auch ein Leopard sein, aber natürlich auch ein Rehkitz oder ein Wildschweinfrischling.


    Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Dante hier auf Jeremias Kap. 5 anspielt (die Ziffern bezeichnen den Vers):


    1Geht durch die Gassen Jerusalems und schaut und merkt auf und sucht auf den Straßen der Stadt, ob ihr jemand findet, der Recht übt und auf Wahrheit hält, so will ich ihr gnädig sein. 2Und wenn sie auch sprechen: Bei dem lebendigen Gott!, so schwören sie doch falsch. 3HERR, deine Augen sehen auf Wahrhaftigkeit. Du schlägst sie, aber sie fühlen's nicht; du machst fast ein Ende mit ihnen, aber sie bessern sich nicht. Sie haben ein Angesicht, härter als ein Fels, und wollen sich nicht bekehren. 4Ich aber dachte: Wohlan, es sind arme, unverständige Leute und wissen nicht um des HERRN Weg und um ihres Gottes Recht. 5Ich will zu den Großen gehen und mit ihnen reden; die werden um des HERRN Weg und ihres Gottes Recht wissen. Aber sie alle haben das Joch zerbrochen und die Seile zerrissen. 6Darum wird sie auch der Löwe aus dem Walde zerreißen, und der Wolf aus der Steppe wird sie verderben, und der Panther wird um ihre Städte lauern; alle, die von da herausgehen, werden zerfleischt. Denn ihrer Sünden sind zu viele, und sie bleiben in ihrem Ungehorsam.


    Und dann kann eigentlich nur der Panther gemeint sein und der „Panther Panthera pardus“ kommt ja nicht nur als „schwarzer Panther“ oder mit weißem Fell (Schneeleopard) vor, sondern vor allem mit geflecktem Fell (Leopard). Übersetzungen, die hier den Luchs sehen, verkennen m. M. nach, dass Dante bereits im ersten Gesang seine Dichtung sowohl in der Antike (es folgt das Erscheinen Vergils) als auch in der Heiligen Schrift verankert hat (und durch Verknüpfung von Bibel und Antike die Renaissance begründet).



    Auch die allegorische Bedeutung der drei Tiere wird verschieden kommentiert. z.B.:


    Panther = Sinneslust; Löwe = Hochmut; Wölfin = Habsucht oder
    Panther = Falschheit; Löwe = Gewalt; Wölfin = Begierde oder
    Panther = das guelfische Florenz; Löwe = das Florenz bedrohende Frankreich; Wölfin = Kurie


    Welche Deutung ist richtig? Ich denke alle diese Deutungen durchdringen einander, im Panther steckt ebenso die Sinneslust, wie die Falschheit und die Wendigkeit der florentinischen Partei, im Löwen der Hochmut und die Gewalttätigkeit sowie die politische Gefahr der franz. Fremdherrschaft und in der Wölfin sieht Dante nicht nur Habgier oder Gier im allgemeinen, sondern auch das Laster der entarteten Kirche.


    Gruß von Hubert

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Steffi,


    du hast geschrieben:
    Meine Erläuterungen geben "Ketzer" als Antwort - für mich bedeutet das aber eine Beschränkung auf die Religion, ich hatte das mehr allgemein gesehen. Sind einfach meine Erläuterungen schlecht ?


    Meine Erläuterungen erklären zu den Ketzern folgendes:
    "Um Dantes Behandlung der Ketzer zu verstehen, muß man sich von den Vorstellungen moderner Toleranz freimachen und bedenken, daß für das Mittelalter die Ketzer als Leugner Gottes und der Unsterblichkeit der Seele zugleich Empörer gegen die sittliche Weltordnung und gegen die menschliche Gesellschaft waren, die sich mit der Christenheit deckte."


    Der Begriff "Ketzer" ist also nicht auf die Religion beschränkt, d.h. Deine Gedanken waren durchaus richtig und die Erläuterungen nicht falsch, aber vielleicht nicht deutlich genug.



    Gruß von Hubert