Februar 2011: A. Stifter: Der Nachsommer

  • Der Grat zwischen Erhabenem und Lächerlichem, aber auch zwischen Erhabenem und Kitsch ist schmal, sehr schmal - das ist wahr. Und Dialoge sind Stifters Stärke nicht gerade. So wenig wie Liebesgeschichten. Überhaupt krankt der Schluss ein wenig daran, dass der Plot jetzt plötzlich "vorwärts" getrieben werden muss, während er in den ersten drei Vierteln ruhen konnte. Ich stecke zur Zeit an dem Punkt, wo Mathilde in der Rückschau Risachs diesem ihre Liebe gesteht und mag gerade nicht so sehr weiter lesen. :rollen:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe den Nachsommer am Wochenende nun auch ausgelesen. Die Liebesgeschichte zwischen Mathilde und Gustav ist absolut nötig, ja. Insofern sicher keine Fehlkonstruktion, auch wenn Stifter nun mal das Aufgeregte einer jungen Liebe nicht schildern kann. Aber als Entwicklungsstufe, die dem jungen Heinrich (der nun gegen Schluss sogar einen Namen bekommen hat) erspart werden kann, müssen diese Fehler geschildert werden.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Ich habe den Nachsommer am Wochenende nun auch ausgelesen. Die Liebesgeschichte zwischen Mathilde und Gustav ist absolut nötig, ja. Insofern sicher keine Fehlkonstruktion, auch wenn Stifter nun mal das Aufgeregte einer jungen Liebe nicht schildern kann. Aber als Entwicklungsstufe, die dem jungen Heinrich (der nun gegen Schluss sogar einen Namen bekommen hat) erspart werden kann, müssen diese Fehler geschildert werden.


    Das habe ich offen gestanden nicht ganz verstanden. Dass in den Roman eine Liebesgeschichte gehört, dem stimme ich zu, eigentlich kommt sie viel zu spät in Gang, obwohl der geschulte Leser, wie du auch schreibst, es schon früh ahnt, was sich anbahnt. Aber welche Entwicklungsstufe kann Heinrich erspart bleiben?


  • Falls irgendwer noch Nachschlag möchte:


    Stifter, der sanfte Unmensch. Einhundert Jahre Nachsommer in: Arno Schmidt, Nachrichten von Büchern und Menschen II


    Wenn ich mich da richtig erinnere, lobt Schmidt dort noch den "Witiko". Das hat er in "… und dann die Herren Leutnants" wieder zurückgenommen und den Witiko als "Handbuch für Faschisten" (oder so ähnlich, ich bin jetzt zu faul, das nachzuschlagen ;-)) bezeichnet.

  • Wenn ich mich da richtig erinnere, lobt Schmidt dort noch den "Witiko". Das hat er in "… und dann die Herren Leutnants" wieder zurückgenommen und den Witiko als "Handbuch für Faschisten" (oder so ähnlich, ich bin jetzt zu faul, das nachzuschlagen ;-)) bezeichnet.


    Ah, habs grad gefunden: "Der 'Nachsommer' ist ein Tiefpunkt im Schaffen Stifters, zwischen den 'Studien' und dem 'Witiko'."
    - Ein sehr relativiertes Lob, wenn man bedenkt, wie schlecht der Nachsommer bei Schmidt wegkommt.

  • Ah, habs grad gefunden: "Der 'Nachsommer' ist ein Tiefpunkt im Schaffen Stifters, zwischen den 'Studien' und dem 'Witiko'."
    - Ein sehr relativiertes Lob, wenn man bedenkt, wie schlecht der Nachsommer bei Schmidt wegkommt.


    Ja,ja, dieser Schmidt hat nicht nur dummes Zeugs geschrieben.


  • Wenn ich mich da richtig erinnere, lobt Schmidt dort noch den "Witiko". Das hat er in "… und dann die Herren Leutnants" wieder zurückgenommen und den Witiko als "Handbuch für Faschisten" (oder so ähnlich, ich bin jetzt zu faul, das nachzuschlagen ;-)) bezeichnet.


    Ich habe mich nciht recht erinnert. Nicht so ganz jedenfalls:


    Zitat

    A.: Ja, meinen Sie denn immer noch, die fürchterliche Leichtigkeit, mit der ein Kühn ihn für’s Dritte Reich vereinnahmen konnte, sei nur von ungefähr, und eigentlich an den Haaren herbeigezogen? Oh nicht doch: der Witiko ist schon folgenreicher, weil ‹giftiger›, als der ‹Nachsommer›; ist ein ausgezeichnetes ‹Handbuch für Offiziersanwärter› .....


    Ansonsten:


    Zitat

    A.: Was ich=für=mich noch so einengen möchte: STIFTER?: das ist mir der ‹Narrenburg›=Komplex; an den ja vielleicht auch das zweite, durchaus dämonische Stück, der ‹Hagestolz› anzuschließen ist. – Im Lauf der Jahrzehnte wird es sich, ähnlich wie im Falle GOETHE, schon noch herumsprechen, daß der Akzent auf dem jungen & mittleren STIFTER liegt: Der war gar keine unebene Figur, und ein guter Meister zweiten Ranges! Wogegen eine Vorliebe für ‹Nachsommer› und ‹Witiko›, diese sprachlichen Endmoränen mit höchstens ab & zu 1 kümmerlichen ‹Gartenflüchtling›, gar nichts Apartes oder Auszeichnendes ist; vielmehr ein Symptom der Schrumpfung im Humanen. Gern rühme ich die schüchtern=rosenrote Genitalität der Stud=Studien: das kann Einem noch im Traume einkommen!


    B. (resümierend): Aber ‹Nachsommer & Witiko› nicht?


    A.: Nein. – Dergleichen gehört zu den unangenehmen ‹Alterswerken›. Denn wenn es überhaupt eine Wahrheit gibt, dann ist es diese, daß nur sentimentale Narren oder aber selbst=interessierte Alternde sich einbilden können, sie würden, wie Whisky, je älter desto besser. – Noch einmal: nein!: die Zahl der unerläßlich zu lesenden Bücher ist inzwischen zu groß geworden, als daß man guten Gewissens den ‹Witiko› noch Jemandem, den man gern hat, empfehlen könnte. –