Februar 2010: Th. Mann: Die Geschichten Jaakobs (Joseph I)

  • Hallo zusammen!


    Hier der gewünschte Materialienthread zu Thomas Manns Die Geschichten Jaakobs - auch bekannt als der ersten Teil der Tetralogie Joseph und seine Brüder.


    Auf dass Ihr ihn füllen möget!


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Hier also der gewünschte Diskussionsthread zu Thomas Manns Die Geschichten Jaakobs - auch bekannt als der erste Teil der Tetralogie Joseph und seine Brüder.


    Auf dass Ihr ihn füllen möget!


    Viel Spass wünscht Euch


    sandhofer
    der das Werk vor vielen, vielen Jahren gelesen und sehr genossen hat. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()


  • Danke Sandhofer!


    NAch der Mühe der ersten Kapitel, bin ich in Fluss gekommen, TM auch :klatschen:


    Hallo Lost,


    du bist aber schnell! Heißt das, dass du die Einleitung schon hinter dir hast und Jaakobs Abenteuern folgst?


    So weit bin ich noch lange nicht! Ich habe die Unterkapitel der Einleitung bis einschließlich 7 durch und mich begleitend erstmal noch ein bisschen durch Sekundärliteratur gewühlt. Einiges habe ich zur Einleitung zu kommentieren, komme aber leider grade nicht dazu. Abendessen und so ... .
    Daher wohl bis morgen


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • du bist aber schnell! Heißt das, dass du die Einleitung schon hinter dir hast und Jaakobs Abenteuern folgst?


    So weit bin ich noch lange nicht! Ich habe die Unterkapitel der Einleitung bis einschließlich 7 durch und mich begleitend erstmal noch ein bisschen durch Sekundärliteratur gewühlt. Einiges habe ich zur Einleitung zu kommentieren, komme aber leider grade nicht dazu. Abendessen und so ... .
    Daher wohl bis morgen


    Lieber finsbury,


    die Einleitung hatte ich schon im Vorfeld gelesen. Für mich war sie voller Rätsel. Wer zählt die Länder, nennt die Namen, die alle vertreten sind, und von denen ich nichts weiß.
    Nur ind den "Mondwanderungen" blättere ich herum, sonst kümmere ich mich nur um den Roman.
    Abgesehen von den Buddenbrooks muss ich mich bei Mann immer erst einlesen. Seine gewundene Sprache will bei mir erst nach eine Weile zu klingen anfangen, und hier bedient er sich auch noch der Nähe von Bibelübersetzungen.
    Erstaunlich ist, wie er sich in so einen alten Stoff hineinversetzt und seine Geschichte ausschmückt.

  • Gott, der Lenker oder autokratische Machtpolitiker, der er in diesem Stadium der Geschichte schon war, gegen den Mond, der erleuchtet und die Phantasie blühen lässt. Dieses Ringen erscheint mir in den ersten Kapiteln den Fluss der Erzählung zu bestimmen. Die Mythen der Bibel werden zurückgeführt auf Mythen überall in der Welt. Vieles läuft in Atlantis zusammen, aber auch das ist ein Mythos, der aus verschollenen Berichten entsprungen ist. So führt TM die erzählte Geschichte eines ausgewählten Volks, erzählt von Ausgewählten, gereinigt und aufgeschrieben von Ausgewählten und gedeutet von Ausgewählten, in eine Geschichte hinein, die Phantasie mit historisch belegten Hintergründen verbindet und befreit vom Dogma ist.
    Dort, wo in der Genesis die Willkür des Herrn die Handlung bestimmt, sucht TM nach rationalen, bzw. psychologischen Hintergründen. Erstaunlich das Wissen was sich TM angeeignet hat, um Verbindungen in der Geschichte des Vorderen Orients zu deuten. Erstaunlich seine Phantasie, die sich in detailliert geschilderten Episoden zeigt, die Lebendigkeit der Figuren, wenn er erst ins erzählen kommt und nicht mehr analysiert und reflektiert.

    Ich stecke mitten in der Jakobsgeschichte, kümmere mich nicht mehr um die Vielfalt der Götter und geografischen Stätten, sondern vergnüge mich durch die spannende Handlung.


    Der Jakob der Einführungskapitel, ein verhärteter Ideologe, wirkt als junger Mann schon anders. Seine Feigheit entspringt der Vernunft, er hat noch einen wenig ausgeprägten Willen, dafür schon einen Sinn für List und Vorteil. Joseph, ein vorlauter Opportunist, Petzer und Musterknabe, hält sich nahe an seinen Vater, und es ist kein Wunder, wenn er bei seinen Brüdern nicht gut angesehen ist.


    Ich habe Zeit, bis Sancho Pansa Rosinante gesattelt hat. Wenn Thomas Mann weiter so erzählt, werde ich nicht nach der Geschichte Jakobs aufhören. Die gesamte Geschichte dürfte allerdings einen Umfang haben, der größer ist als der Roman Sues. Der Frühling kann beim lesen hemmen. Ich bin also nicht sicher, ob ich alles bis zum Mai lesen kann.


    Jedem, der auf den ersten 100 Seiten Probleme hat, empfehle ich durchzuhalten.

  • Hallo zusammen,


    ich habe am Wochenende die Höllenfahrt durchgelesen. Ich bin noch am Grübeln, weshalb der Autor diesen Titel für das Vorspiel wählte. Die Sprache ist wie fast immer bei Thomas Mann sehr schön und gewöhnungsbedürftig. Die erste Seite hatte ich vor Jahren einmal aus Neugierde gelesen und damit Joseph und seine Brüder als "schwierigen Fall" eingestuft. Das sehe ich jetzt nach knapp 50 Seiten aber nicht mehr so. Wenn man erst einmal im Roman drin ist, dann kommt man eigentlich recht flüssig vorwärts.
    Thomas Mann versucht uns im Vorspiel die Welt in der Joseph lebt, wie er sich selbst und die Geschichte seines Volkes sieht, nahe zu bringen und beeindruckt mit seiner Kenntnis der Völker und Menschen der damaligen Zeit.


    Ich lese eine (unkommentierte) Ausgabe des Fischerverlages aus den 60-er Jahren, alle vier Teile in einem Band. Die Seiten sind ziemlich eng bedruckt, aber bisher macht es meinen Augen noch nichts aus.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo zusammen!


    Erst jetzt habe ich die Einleitung beendet und hoffe heute Abend Jaakobs Geschichten beginnen zu können.
    Die Tetralogie hatte ich vor zehn Jahren gelesen. Ich genieße das Gefühl, mich geändert zu haben und dass ich in Wirklichkeit das Buch nicht wiederlese, sondern ich es mit einer veränderten Weltanschauung neu lese.


    Viele Grüße
    wanderer


  • Ich genieße das Gefühl, mich geändert zu haben und dass ich in Wirklichkeit das Buch nicht wiederlese, sondern ich es mit einer veränderten Weltanschauung neu lese.


    Geht mir auch immer so, und wunderbar ausgedrückt :smile:


    LG
    Anita

    Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Nietzsche in "Also sprach Zarathustra"

  • Für mich war es erstaunlich, als ich die Bücher damals las, dass ich mir nach Teil vier sogar noch einen fünften wünschte. So durchgehend heiter waren alle Bände. Ich hätte ewig weiterlesen können. Natürlich ist Joseph ein "Kratzbuckler". Wie Thomas Mann aber den Charakter symphatisch macht ist meisterhaft.


    freundliche Grüße
    F. Hermann

  • Hallo zusammen!


    Bin jetzt ebenfalls mit dem Prolog durch. Anfangs hat mich - genau wie Zola :winken: - dessen Titel etwas befremdet: "Höllenfahrt"...


    Ich für meinen Teil bin zum Schluss gekommen, dass damit einfach eine Art Richtungsanzeige gemeint ist. Die Vergangenheit wird vom Autor "unten" angesiedelt, so wie allgemein auch die Hölle. So spricht er wörtlich von den "Unterweltschlünden von Vergangenheit" und noch expliziter: "... diesmal ist es eine Höllenfahrt! Es geht hinab und tief hinab unter Tag ..."


    Man kann sich fragen, warum Zeit vertikal aufgefasst wird (und nicht z.B. horizontal) ... Wenn man sich die Zeit als einen Linie vorstellt, die unten im tiefsten Brunnenschacht beginnt, hinaufzieht bis in unsere Gegenwart um dann himmelwärts in die Zukunft zu entschwinden, dann erweckt das leicht den Eindruck, dass das Vergehen von Zeit mit einem Fortschritt zum Besseren (was das auch immer heissen mag ...) einhergeht. "Oben" und "unten" sind nun mal in unserer Kultur deutlich positiv bzw. negativ konnotiert (siehe Himmel und Hölle).


    Aber der Autor spielt auch mit einer Zeit, die eher kreis- oder spiralförmig aufgebaut ist. Wo sich alles, wie die Jahreszeiten, zyklisch wiederholt und man "in jeder Heimsuchung durch Wassersnot einfach die Sintflut erkannte". So dass rückblickend nur schwer zu entscheiden ist, welche Überschwemmung, die wahre Ur-Sintflut darstellt.


    Apropos Sintflut ... Dass dem göttlichen "Schwemmgericht" eine Verderbung der Sitten und Gebräuche der Menschen voranging, weiss man ja (Religionsunterricht), aber das "selbst die Erde Hurerei trieb und Schwindelhafer hervorbrachte ..." Zunächst musste ich lachen. Was für originelle Ideen dieser Thomas Mann doch hat ... "Schwindelhafer" ... - Bis ich stutzig wurde, nachschlug und dabei feststellen musste, dass es das Wort tatsächlich gibt und eine Art Unkraut bezeichnet. [sic]


    Weitaus peinlicher ... - als an einer Stelle Gottes "englische Umgebung" erwähnt wurde, dachte ich tatsächlich, dass damit England gemeint sei. Kam mir zwar seltsam vor in diesem Zusammenhang, aber man kann ja nie wissen, auf was für Assoziationen Autoren so alles kommen ... Erst bei der zweiten Lektüre des Vorspiels ist mir dann aufgegangen, dass damit natürlich die Engel gemeint sind ... :redface:


    Gruss


    riff-raff

  • Zola:
    In "Mondwanderungen" beginnt das Kapitel über die Höllenfahrt mit:


    "Der Erzähler steigt hinab in die Unterwelt wie Jesus im Apostolischen Glaubensbekenntnis…"
    Danach kommen Hinweise auf Adonis, Dante und Vergil, Odysseus und Ischtar. Damit erschließt sich mir der Sinn des Titels aber auch nicht.


    riff-raff:


    Durchaus plausibel was du dazu schreibst. Ich frage mich aber auch, ob es nur die Anstrengung war diese Fülle von Fakten und Zusammenhänge zu recherchieren und zu ordnen, die TM dazu brachte das Kapitel so zu nennen. Eine Höllenarbeit halt.
    ---------

    Zitat

    Es war so, daß er es süß und hoffnungsvoll gefunden hatte, dem Monde, dem er sich horoskopisch und durch allerlei Ahnung und Spekulation verbunden fühlte, seine junge Nacktheit darzustellen in der Überzeugung, dieser werde Gefallen daran haben, und in der berechneten Absicht, ihn - oder das obere Wesen überhaupt - damit zu bestechen und für sich einzunehmen.


    Was macht Thomas Mann hier? Spricht der Erzähler mit seiner Figur? Spricht der Autor mit sich selbst? " Sei vorsichtig! Du lässt dich durch deine Schöpfung um den Finger wickeln."



    Die Frauen kommen in der Genesis nicht gut weg. Sie sind Ware, werden gegeben und genommen und wenn ihnen etwas eigen ist, dann ist es Unvernunft und eine Neigung zur Intrige. Bei Dina folgt TM dieser Einschätzung. Sie wird entführt und defloriert und findet sich nicht nur damit ab, sondern lässt auch noch innere Zustimmung erkennen. So detailliert und feinsinnig sich TM mit den Wesen seiner männlichen Figuren beschäftigt, so oberflächlich bleibt er bei den Weibern. Es wirkt recht unbeholfen und gehemmt. Wer Madame Chauchat kennt weiß, er kann es auch anders.


    Die zentrale Episode im Leben Jakobs, der Vatersegnung, muss Mann natürlich den äußeren Vorgaben der Bibelerzählung folgen. Dass der blinde Isaak, der gewiefte Schafhirte, nicht ein Schafffell von den Körperhaaren Esaus unterscheiden kann ist natürlich Quatsch (es sei denn Isaak wäre dement, was jedoch offensichtlich nicht der Fall ist). TM unterläuft diesen Unsinn mit einer Interpretation, in der die Blindheit Isaaks mehr vorgetäuscht als real, die Segnung des „jüngeren“ Sohns gewollt ist. Jakob darf mit schlechtem Gewissen und viel Angst aber rhetorisch geschickt (keine Lüge geht ihm über die Lippen), der Intrige seiner Mutter folgen. Er weiß um die Vorteile. Es erscheint mir, Isaac ist stillschweigend einverstanden.


  • Die Frauen kommen in der Genesis nicht gut weg. Sie sind Ware, werden gegeben und genommen und wenn ihnen etwas eigen ist, dann ist es Unvernunft und eine Neigung zur Intrige. Bei Dina folgt TM dieser Einschätzung. Sie wird entführt und defloriert und findet sich nicht nur damit ab, sondern lässt auch noch innere Zustimmung erkennen. So detailliert und feinsinnig sich TM mit den Wesen seiner männlichen Figuren beschäftigt, so oberflächlich bleibt er bei den Weibern. Es wirkt recht unbeholfen und gehemmt. Wer Madame Chauchat kennt weiß, er kann es auch anders.


    Nur kurzer Einwurf: Frau Chauchat mag differenzierter dargestellt sein als Dina, andererseits ist aber auch sie Femme fatale (wie fast alle Frauen von Th. Mann, den das andere Geschlecht ein wenig beunruhigt hat), sie wird vom Hofrat gemalt (nichts Genaues weiß man nicht ;)) - auf einem Faschingsfeste mit Castorp zusammen geshen (da weiß man ebenfalls nichts Genaues ;)) - und taucht schließlich an Seite von Mynheer Pepperkorn wieder auf (da weiß man dann schon ;)). Ohne mir jetzt alle Frauen Manns zu vergegenwärtigen: Sie folgen schon einem bestimmten Schema und haben meist etwas sexuell Gefährliches und - gleichzeitig - Anrüchiges (was denn vielleicht auch die Gefahr ausmacht).


    Grüße


    s.

  • Hallo,


    nun erst komme ich dazu, zur "Höllenfahrt" zu schreiben und habe mit der eigentlichen Romanlektüre noch gar nicht angefangen: Man kann halt nicht immer so, wie man will ... .
    Tja, warum Höllenfahrt?
    Die Einleitung folgt ja neben dem bereits von riffraff dargestellten Prinzips des vertikalen zeitlichen Rückgangs ja auch einer immer weiteren Vertiefung des mythischen Aspekts, bis Mann im 10. Abschnitt wieder bei seinen Romanpersonen ankommt. Vom historisch noch greifbaren Umfeld der biblischen Geschichte geht er über die mythischen Erzväter, die aber immerhin noch als historisch annehmbare Figuren daherkommen auf die großen Urmythen der Menschheit ein, die er -ähnlich wie das C.G. Jung das glaube ich tut - als allen Menschen eigene, durch neuere kleinere Katastrophen erinnerte Urerfahrungen bis hin zum Auseinanderbrechen des Urkontinents darstellt. Dieser Rückgang bis zu den tiefsten Urängsten der Menschheit könnte der eine Aspekt des Titels sein, der andere ist wohl, dass Mann auch Gott selbst an seiner Schöpfung und deren Prinzipien unsicher werden lässt und dies im vehementen Aufstand der Engel spiegelt, denen er dann ja auch Lucifers Fall zuordnet.


    Das Ganze ist interessant, z.T., die geologischen und archäologischen Erkenntnisse betreffend, natürlich veraltet, aber eine grandiose Zusammenschau mythischen Denkens.
    Wichtig für die Interpretation des Romans ist sicherlich auch das Unruheprinzip, das aus der Geist-Seele-Spannung erwächst und sich in einigen der dargestellten Personen wohl wiederfinden wird, wie Mann in Abschnitt 10 andeutet.


    Nun freue ich mich auf den Beginn der eigentlichen Handlung und hoffe, dass ich ein wenig mehr vorwärtskommen werde.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Hier noch ein Link zu einem Bericht des Deutschlandfunks über eine Neupublikation des Hamburger Wissenschaftsjournalist Christian Schüle: "Die Bibel irrt". Das Buch beschäftigt sich mit dem Alten Testament, und inwieweit dessen Geschichten einer historischen Überprüfung standhalten.


    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1119100/


    Originalwortlaut des Autors:
    Ich glaube, dass hinter jedem Mythos der im Alten Testament beschrieben wird, tatsächlich reale Geschichte auch steht. Das sind immer Nuclei, Körnchen von Geschichte, die auch passiert sind. Und dann sind die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ausgeschmückt, poetisiert worden.


    Ich denke, dass dies die Art ist, wie auch Thomas Mann die Bibel auffasst. Er kommt immer wieder darauf zu sprechen, so in der Geschichte Dinas, wo ein Kapitel mit den Worten beginnt:
    "Weisst du davon?" - "Ich weiss es genau." Mitnichten wussten es Israels Hirten noch genau, wenn sie es später am Feuer zum Gegenstand "Schöner" Gespräche machten. Guten Gewissens stellten sie manches um und verschwiegen anderes um der Geschichte Reinheit willen.


    Die Aufzeichnungen des Alten Testaments stammen anscheinend zwischen dem achten und sechsten Jahrhundert vor Christus. Sie stellen den Versuch dar einem Volk, eine 'halbfiktive' Vergangenheit zu erschaffen, die zur Basis eines Gemeinschaftsgefühls werden soll. Geschichten, die einem das Gefühl geben sollen, einem Volk von Auserwählten anzugehören. Die Vergangenheit wird rückwirkend mit einem Sinn angereichert, der ihr ursprünglich abging. Prophezeiungen erfüllen sich und Verheissungen werden wahr weil sie später - d.h. als das Resulatat bereits feststand - nachträglich eingefügt werden. Was den "Wahrheitsgehalt" des Textes nur umso mehr stützt.



    Im Zusammenhang mit dem Ur-Mann (Abraham) und der göttlichen Verheissung auf Land und Reichtum schreibt T.M im Vorspiel z.B. folgendes:
    Das ist mit Vorsicht aufzunehmen oder jedenfalls recht zu verstehen. Es handelt sich um späte und zweckvolle Eintragungen, die der Absicht dienen, politische Machtverhältnisse, die sich auf kriegerischem Wege hergestellt, in frühesten Gottesabsichten rechtlich zu befestigen.


    Gruss


    riff-raff

  • Hallo zusammen!


    Ich habe seit Kurzem die Höllenfahrt hinter mich und habe mit Jaakobs Geschichten anfangen können. Fehlt mir die Zeit, um schneller voranzukommen, und auch leider um einen Kommentar zu schreiben. Mir hat sehr gefallen, den kurzen Absatz (kurz nach dem Anfang des ersten Kapitels), in dem Joseph erst durch seine Augen beschrieben wird.


    Viele Grüße
    wanderer

  • Hallo,


    ich lese mit Interesse eure Beiträge, mir wird einiges bewusster. Mittlerweile habe ich den ersten Band gelesen. Da in den nächsten Tagen einiges anliegt, glaube ich jedoch nicht, dass ich einen Vorsprung halten kann. Ich muss auch gestehen, dass es Thomas Mann phasenweise gelingt, mich nicht nur zu fesseln, sondern mich auch zu ermüden. Er neigt in diesem Buch oft zu langen Reflexionen, mit vielen mir unbekannten Fakten, dann wieder überspringt er längere Zeiträume, nahezu unkommentiert.
    Die Beziehung von Jakob zu Rahel macht Mann zu einer Herz-Schmerz-Geschchte, die stellenweise, wenn ich an das sofortige Entflammen bei der ersten Begegnung denke, ans Triviale grenzt. Zugegeben, das wirkliche Leben hat natürlich auch seine trivialen Seiten.
    Mann und die Sexualität, wie ihr auch schreibt, ist ein Kapitel für sich und recht geheimnisvoll.
    Es wäre auch falsch die kulturellen Einflüsse auf die Persönlichkeitsstrukturen zu leugnen. Da, wo er aber bei seinen Männer die charakterlichen Widersprüche in der Rolle beschreibt, bleibt er bei den Frauen leider im Überlieferten. Beispielsweise fiel mir auf: sein Jakob übersteht die siebenjährige Wartezeit auf Rahel keusch und ohne Versuchungen, es gibt keine verführerischen Heimlichkeiten, kein Ausbruch des Begehrens, keine Affären mit Mägden oder Sklavinnen. So richtig ist mir das nicht glaubwürdig und unwichtig.


    Ich lese übrigens die neuere Ausgabe des gesamten Romans in einem Band, mit über 1300 Seiten. Es würde mich interessieren, wie viel Seiten der Zyklus in der Taschenbuchausgabe hat.

  • Zitat

    Beispielsweise fiel mir auf: sein Jakob übersteht die siebenjährige Wartezeit auf Rahel keusch und ohne Versuchungen, es gibt keine verführerischen Heimlichkeiten, kein Ausbruch des Begehrens, keine Affären mit Mägden oder Sklavinnen. So richtig ist mir das nicht glaubwürdig und unwichtig.


    Warum? Immerhin ist Jakob stark in die Geschäfte seines Oheims eingespannt, so dass er sich innerhalb dieser Zeit zumindest ein kleines Vermögen erwirtschaften kann. Etwa als Aussteuer...


    :rollen:


    freundliche Grüße
    F. Hermann

  • Zitat

    Du meinst, Geschäftssinn hält die Libido in Schach?


    Ohne auch nur irgendetwas sagen zu wollen :rollen:, natürlich nicht. Oder besser. Keine Ahnung. Aber zumindest jeden Tag sinnvoll beschäftigt zu sein, lenkt sicherlich ab. Und Jakob war schließlich noch jung und hatte seine große Liebe vor Augen. Irgendwann wird es ihm aber mit Sicherheit gereicht haben, so dass er später nicht sonderlich gut auf Laban zu sprechen war :grmpf:. Aber was tut man nicht alles für sein langersehntes Glück :herz:.


    freundliche Grüße
    F. Hermann