Juni 2008 / Lampedusa - DER LEOPARD


  • Spannend der Hinweis im Vorspann, dass der Hund der eigentliche Hauptdarsteller ist. Im ersten Kapitel tritt er ja häufiger "auf die Bühne" und wieder ab. Ist schon jemand dahinter gekommen, ob Lampedusa dass mit dem Hunde-Hauptdarsteller ernst gemeint hat?


    Moin Thomas,


    der Hund spielt auch im weiteren Verlauf immer wieder mal eine kleine (Neben-)Rolle. Ob Lampedusa die Eingangsbemerkung wirklich ernst gemeint hat, wage ich (derzeit noch) zu bezweifeln. Der Mann hatte Humor ...


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Liebe Mitstreiter,


    immer wieder nehme ich mit Verwunderung all die Details zur Kenntnis, die den feudalen Lebensstil der fürstlichen Familie kennzeichnen: Die Kleidung bei Tisch, die genau festgelegte Speisenfolge, die Verärgerung über das kleinste Misslingen (wenn eine Speise etwas "zu reichhaltig" ausfällt) und die Verstimmung über unerwartete Gäste wie don Calogero, der sich zudem "erdreistet", im Frack (und damit besser gekleidet als der Fürst) zu erscheinen.


    Wahrscheinlich schöpft Lampedusa diesbezüglich aus einem reichen Erinnerungsschatz, denn solch detailreiche Schilderungen kann er unmöglich erfunden oder sich lediglich angelesen haben.


    Wie wirkt das "höfische" Leben auf Euch? Mein Eindruck: Hier wird mit aller Macht eine (äußere) Würde aufrecht erhalten, die (innerlich) langsam verloren geht oder längst zu einem leeren Ritual erstarrt ist (wie das tägliche Beten des Rosenkranzes). Hier wird eine Ordnung im täglichen Leben aufrecht erhalten, die es außerhalb der fürstlichen Mauern nicht mehr gibt. Es handelt sich um eine Art feudalen Starrsinn, wenn man so will. Man kann es natürlich auch anders sehen: Die streng geregelten täglichen "Verrichtungen" (Ankleiden, Essen, Konversation betreiben, ...) geben dem Leben einen Halt bzw. einen Rahmen und machen den Unterschied aus zu einem "sinnlosen" und wenig Gott gefälligen Sich-durch-den-Tag-treiben-lassen.


    Nachdenklich


    Sir Thomas


  • Wahrscheinlich schöpft Lampedusa diesbezüglich aus einem reichen Erinnerungsschatz, denn solch detailreiche Schilderungen kann er unmöglich erfunden oder sich lediglich angelesen haben.


    Ich denke auch, daß er da aus seiner Familiengeschichte schöpft. Don Fabrizio ist ja laut Vorwort seinem Urgroßvater nachempfunden, da wird es wahrscheinlich genug Familiengeschichten geben, die Lampedusa einbauen konnte.



    Wie wirkt das "höfische" Leben auf Euch? Mein Eindruck: Hier wird mit aller Macht eine (äußere) Würde aufrecht erhalten, die (innerlich) langsam verloren geht oder längst zu einem leeren Ritual erstarrt ist (wie das tägliche Beten des Rosenkranzes). Hier wird eine Ordnung im täglichen Leben aufrecht erhalten, die es außerhalb der fürstlichen Mauern nicht mehr gibt. Es handelt sich um eine Art feudalen Starrsinn, wenn man so will. Man kann es natürlich auch anders sehen: Die streng geregelten täglichen "Verrichtungen" (Ankleiden, Essen, Konversation betreiben, ...) geben dem Leben einen Halt bzw. einen Rahmen und machen den Unterschied aus zu einem "sinnlosen" und wenig Gott gefälligen Sich-durch-den-Tag-treiben-lassen.


    Das "höfische" Ritual, an dem die Fürstenfamilie so strikt festhält, verbirgt bestimmt ein sich auflösendes Inneres bzw. versucht es zu kitten. Gestern abend habe ich die Szene gelesen, in der Tancredi und Angelica tagelang durch die verlassenen und unbewohnten Zimmer des Palastes streifen. Allein dieses offensichtlich riesige Gebäude mit diversen Anbauten und Flügeln, versteckten Innenhöfen und Geheimkammern kommt mir vor wie ein Symbol des verknöcherten, hohlen und leblosen Adels. Mir würde dieses Gebäude Angst einflößen oder zumindest Unbehagen bereiten. Da braucht man wahrscheinlich bestimmt Rituale, um sich nicht so verloren vorzukommen...


    Viele Grüße
    thopas

  • Nachdenklich


    Sir Thomas


    Deinen Ausführungen kann ich soweit zustimmen. Ich würde es jedoch hilfreich finden, wenn du die gelesenen Seiten angibst, die du jeweils in deine Aussagen einbeziehst, dann kann ich beurteilen, ob du einen weiteren oder engeren Blick als ich auf das Buch hast.


    All das was du geschrieben hast gilt (auch für mich) nach Lesen des 1. Kapitels.


    Gruß, Thomas


  • Deinen Ausführungen kann ich soweit zustimmen. Ich würde es jedoch hilfreich finden, wenn du die gelesenen Seiten angibst, die du jeweils in deine Aussagen einbeziehst, dann kann ich beurteilen, ob du einen weiteren oder engeren Blick als ich auf das Buch hast.


    Lieber Namensvetter,


    ich habe bislang nur zwei Kapitel beendet, was für mich definitiv langsam ist. Meine letzten Ausführungen beziehen sich größtenteils auf den zweiten Teil.


    Ob ich einen weiteren oder engeren Blick im Vergleich mit Dir habe, vermag ich allerdings seriöserweise nicht einzuschätzen ... :breitgrins:


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Wie soll denn bei dieser Lektüre nicht auch ein bißchen Habsburger-Seligkeit aufkommen, Sir Thomas?
    Das Hotel Sacher gelangte doch zu seiner Berühmtheit, weil die kaiserliche Tafel aufgehoben wurde, sobald der Kaiser den letzten Gang beendet hatte. Und unser vorletzter Kaiser hat nicht nur wenig, sondern auch schnell gespeist, sodaß der Großteil der Gesellschaft noch hungrig vom Tisch aufstehen mußte, die anschließend "Das Sacher" stürmte.
    So streng wird es in Sizilien wohl nicht zugegangen sein. Aber das starre Festhalten an Traditionen hat sicher immer mit der Angst vor dem Verlust des Althergebrachten zu tun.
    Ich habe einmal eine Biographie unseres letzten Kaisers gelesen, und da wird das ganz besonders deutlich. Zita hätte das endlos lange Exil wohl nicht überstanden, wenn sie nicht so streng an ihren Werten festgehalten hätte.


    Jetzt habe ich mich so richtig schön eingelesen, und mir gefällt die Lektüre immer besser. Bendico, der Hund des Fürsten, ist mir auch schon aufgefallen. Dass er die Hauptfigur wäre, kann ich bis jetzt nicht feststellen, aber Lampedusa beschreibt immer ganz liebe kleine Szenen mit dem Tier. Besonders gefallen hat mir, als er die Hosenbeine des Regierungsgesandten gewissenhaft beschnuppert, um sich schlafen zu legen, nachdem er festgestellt hat, dass es sich um einen braven Menschen handelt.


    Jetzt will ich ja nicht vorgreifen, aber mit fortschreitender Lektüre ergibt sich für mich doch ein ganz anderes Bild von der Vereinigung Italiens, zumindest ganz anders, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt habe, und wie Sir Thomas es auch schon angesprochen hat. Das mit der Abstimmung in Donnafugata finde ich ja ganz interessant, und auch die Werbung des Fürsten im Auftrag seines Neffen um Angelicas Hand bei ihrem Vater hat mir den Gegensatz von Don Fabrizio zu Don Calogero drastisch vor Augen geführt.
    Im 4. Kapitel hat mich das Gespräch zwischen dem Fürsten und dem Regierungsgesandten sehr beeindruckt. Die Vergleiche sind wirklich außerordentlich einfallsreich.
    Nur das mit dem Makkaroniessen als Anspielung auf die Einigung habe ich nicht verstanden.


    Jetzt warte ich aber, bis wir uns über diese beiden Kapitel intensiver unterhalten können und beschäftige mich statt mit der Pardelkatze mit meinen beiden Vierbeinern, die aber nur ganz gewöhnliche Hauskatzen sind.


    Danke, thopas, für den interessanten Exkurs.
    Wenn ich das vor 30 Jahren schon gewußt hätte, wäre ich womöglich in die Literaturwissenschaften eingestiegen und nicht in die Radiologie.


    Liebe Grüße,


    Madeleine.

  • Ich glaube ,sir thomas und klassikfreund, Tomasi scherzt nicht (nur), wenn er Bendico als "Schlüsselfigur" (eben nicht Hauptfigur) seines Romans bezeichnet. Das wird besonders deutlich, wenn man das Schlusskapitel liest. Aber ich will nicht vorgreifen! Lasst Euch überraschen!
    Im Laufe des Romans wid die Dogge häufig kurz erwähnt. Der Hund ist ein Indikator für die Stimmung seines Herrn Don Fabrizio . Er vertritt das Kreatürliche, Vitale, unkompliziert Liebende( Mariannina, Fabrizios amouröses Abenteuer ,wird im ersten Kapitel mit ihm verglichen!) Er ist irgendwie ein Spiegelbild seines Herrn in seiner Größe, Schwere und Heftigkeit, wenn er mit "Ungestüm die Tür erzittern"(S.41) lässt. Aber immer auch ein Gegenbild zu Morbidität, Untergangsstimmung und Verfall. Beispiele: Im Garten (1.Kap.) wendet er sich angewidert von der überzüchteten Rose ab, bei der Ankunft in Donnafugata heißt es: ".. Bendico , der aus dem letzten Wagen gestürmt war und wütend die todesdüsteren Einflüsterungen der tief im Licht kreisenden Krähen anbellte " (S.59) Oder explizit:"Bendico rieb den Kopf an seinem Knie." Siehst du, Bendico, bist ein bißchen wie sie, die Sterne unergründlich glücklich, unfähig, Furcht zu erregen.......wie könnte dein Kopf böse Geister heraufbeschwören."(S.92) ... Es gibt noch viele Beispiele .Und wie gesagt, das Ende!


  • Ich habe einmal eine Biographie unseres letzten Kaisers gelesen, und da wird das ganz besonders deutlich. Zita hätte das endlos lange Exil wohl nicht überstanden, wenn sie nicht so streng an ihren Werten festgehalten hätte.


    Hallo, Madeleine,


    gab es in Österreich vor Jahren nicht einmal einen Streit über den Umgang mit Eurem letzten Kaiser? Er soll ja ein veritabler Spinner gewesen sein, der bspw. unter zwanghaften Handlungen litt. (Sorry, ich will keine Majestätsbeleidigung begehen, das steht mir als halbem Engländer ohnhehin nicht zu :breitgrins:).


    Also: God save the Queen (and don´t forget the Habsburgs; they need it!)


    Sir Thomas

  • Nachdem es in diesem Roman ja sehr symbolträchtig zugeht, wirst Du schon recht haben mit dem Bendico, Gontscharow, aber darauf würde ich niemals kommen.
    Für mich ist das einfach ein nettes Tier, das Lampedusa immer wieder sehr liebevoll ins Geschehen einbezieht. Bei Tancredis Ankunft beschreibt er ja auch, wie Bendico seine Freude über die Ankunft des Spielgefährten zeigt, indem er um den Saal herumjagt und sich um ihn gar nicht kümmert.
    Wer sich für Hunde interessiert, kennt dieses Verhalten.


    Im Falle Bendicos erfreue ich mich einfach an seiner Existenz und lasse die Symbolik für mich beiseite.
    Ich mag solche Tierschilderungen, wenn sie so bildhaft dargestellt werden, was ich mir sehr schwierig vorstelle, unheimlich gerne. Hingegen gefällt mir die Beschreibung von Jagdszenen, wie auch in diesem Roman, wo das arme Häschen sein Leben lassen muss, überhaupt nicht. Glücklicherweise hat Lampedusa auf allzu genaue Betrachtungen darüber verzichtet.


  • Nachdem es in diesem Roman ja sehr symbolträchtig zugeht, wirst Du schon recht haben mit dem Bendico, Gontscharow, aber darauf würde ich niemals kommen.


    Sehr treffende Bemerkung von Madeleine! Gontscharow, danke für die genaue Beobachtung. :klatschen:


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Unter uns gesagt, Sir Thomas, und das auch nur ganz leise, darf ein Großteil der Habsburger dieses Prädikat, das auch dem Seligen Karl anhaftet, für sich beanspruchen.
    So lese ich das zumindest immer in allen möglichen Büchern. Es könnten die zu nahen verwandtschaftlichen Verhältnisse Schuld daran getragen haben, heißt es da immer wieder. Frisches Blut hätten sie halt gebraucht, die alten Habsburger. Aber da war ja der Gotha davor!


    Da Du immer wieder mal Englisches einstreust, sehe ich meine Vermutung nun bestätigt. Bist Du zweisprachig aufgewachsen? Dann würde ich Dich nämlich sehr darum beneiden, in beiden Sprachen heimisch zu sein.


    Liebe Grüße,


    Madeleine

  • Ich habe nun das 2. Kapitel gelesen und möchte drei Einzelstellen zitieren.


    Zum einen ein Zitat, welches den bildreichen Stil des Autors verdeutlicht.


    Zitat

    die Klage der Zikaden erfüllte den Himmel; es klang wie das heisere Röcheln des versengten Siziliens, das Ende August vergeblich auf den Regen harrt.

    (S. 60).


    Ich finde, das ist ein schönes Beispiel wie gekonnt Lampedusa mit Sprache umgeht. Stilistisch erinnert es mich zuerst an Thomas Mann.


    Im ersten Kapitel ist mir zudem noch aufgefallen, dass er mit Begriffen um sich wirft, die man heute normalerweise nicht mehr kennt und er Gegenstände möglichst genau bezeichnet (z.B. Majolikafliesen; das mit jais bestickte Ridikül; irgendwo werden auch die Lampen näher benannt, finde bloß die Stelle nicht mehr). Dadurch erzeugt er ein lebendiges Bild der Salons, der Kleidung etc. Bei George Perec findet man diese detaillierte Liebe zu Gegenständen dann später wieder.


    Nun ein Zitat, welches m.E. stilistisch unbeholfen klingt.


    Zitat

    Letzterer war bester Laune ...

    (S. 66). Bei T. Mann würde man das nicht finden, dieses "letzterer" halte ich für unelegant, oder seht ihr das anders?


    Zum Schluss noch eine Frage zu einer Textstelle:


    Zitat

    es war fünfzehn Uhr

    (S. 72)


    Gab es 1860 wirklich schon den 24-Stunden-Tag oder ist dem Autor hier ein Fehler unterlaufen?


    Gruß, Thomas


  • Nun ein Zitat, welches m.E. stilistisch unbeholfen klingt.


    (S. 66). Bei T. Mann würde man das nicht finden, dieses "letzterer" halte ich für unelegant, oder seht ihr das anders?


    Da ist halt die Frage, inwieweit das vom Übersetzer stammt, oder wirklich von Lampedusa. Wobei... die Satzkonstruktion könnte evtl. schon einfach direkt so übersetzt worden sein (aber um das genau zu wissen, ist mein Italienisch einfach zu schlecht). Und wenn´s von Lampedusa ist, könnte es im Italienischen durchaus ein guter Stil sein, nur halt im Deutschen nicht... schwierig...

  • Im italienischen Text heißt es nicht "quest'ultimo" (letzterer), sondern einfach nur "dieser". Du siehst, thopas , die italienische Ausgabe ist noch in meinem Besitz. Es ist , wie ich feststellen musste, aber eine Ausgabe für Gymnasien mit Kürzungen an" pikanten Stellen". Sehr interessant, was man meint, den Schülern vorenthalten zu müssen. Im ersten Kapitel z.B. fehlt u. a. der Satz " Kurz vor der Morgendämmerung jedoch würde die Fürstin Gelegenheit haben, sich zu bekreuzigen."(S.33) Ihr erinnert Euch? Der Wortlaut selbst ist aber , soweit ich sehe , unangetastet. Insofern kann bei Fragen auf ihn zurückgegriffen werden.


    Grüße an alle Mitleser G.


  • Bist Du zweisprachig aufgewachsen?


    Ich fürchte, ich hatte keine andere Wahl. Mein Vater spricht zwar gut deutsch (Großvater sprach es sogar perfekt und akzentfrei, was ihm als British Officer ab 1941 einen sehr gefährlichen Einsatz in Deutschland einbrachte), setzt sich aber aus Bequemlichkeit fast ausschließlich in seiner englischen Muttersprache mit mir auseinander. Als meine Muttersprache betrachte ich dennoch deutsch, allein schon, weil ich ausschließlich in Deutschland aufgewachsen und deutscher Staatsbürger bin.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


  • Lieber Namensvetter,


    ja, an Thomas Mann fühle ich mich auch erinnert (die "geistige Verwandschaft" des "Leoparden" mit den "Buddenbrooks" wurde bereits erwähnt).


    Deine letzte Frage kann ich nicht beantworten. Ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass damals an der Peripherie Europas die 24-stündige Uhrzeit gegolten haben soll.


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Deine letzte Frage kann ich nicht beantworten. Ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass damals an der Peripherie Europas die 24-stündige Uhrzeit gegolten haben soll.


    Bedenkt bitte, dass der Fürst ein anerkannter Astronom war !

  • Ihr Lieben,


    eine Stelle des 3. Kapitels habe ich gestern Abend mit Bleistift angestrichen, damit sie auf keinen Fall verloren geht:


    "Das ist don Calogero, Exzellenz, der neue Mensch, wie er sein muß; schade nur, daß er so sein muß." Das sagt don Ciccio während des Jagdausflugs zum Fürsten (S. 126 unten), unmittelbar bevor dieser seinen "Gang nach Canossa" antreten muss.


    Ich finde es interessant, wie Lampedusa die Sizilianer auf die neuen politischen Verhältnisse und die neuen Machthaber reagieren läßt. "Eine Strafe Gottes, Exzellenz, eine Strafe Gottes! Und das ist erst der Anfang seines (don Calogeros) Aufstiegs" (S. 126). Die neue herrschende Klasse, "für die Profitieren ein Naturgesetz ist" (S. 122), ist dem Fürsten nicht geheuer. So bewundert Don Fabrizio im 4. Kapitel den Pragmatismus, die Skrupellosigkeit und die "außergewöhnliche Intelligenz des Mannes (don Calogero); viele Probleme, die dem Fürsten unlösbar schienen, wurden von don Calogero im Handumdrehen gelöst; befreit von den hundert Fesseln, die die Ehrlichkeit, der Anstand und, vielleicht auch, die gute Erziehung dem Handeln vieler anderer Menschen aufzwingen, drang don Calogero in den Wald des Lebens vor wie ein Elefant, der, Bäume entwurzelnd und Höhlen zertrampelnd, unerschütterlich seinen Weg geht und nicht einmal die Dornenkratzer und das Gewinsel der Niedergetrampelten wahrnimmt. Der Fürst hingegen, in lieblichen Tälern erzogen, ..., fand sich jetzt schutzlos in einer Ebene, über die trockene Winde hinwegfegten ..." (S. 148)


    Ich bin sehr gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen altem Adel und neuem Bürgerstolz weiter entwickelt.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


  • Im italienischen Text heißt es nicht "quest'ultimo" (letzterer), sondern einfach nur "dieser". Du siehst, thopas , die italienische Ausgabe ist noch in meinem Besitz. Es ist , wie ich feststellen musste, aber eine Ausgabe für Gymnasien mit Kürzungen an" pikanten Stellen". Sehr interessant, was man meint, den Schülern vorenthalten zu müssen. Im ersten Kapitel z.B. fehlt u. a. der Satz " Kurz vor der Morgendämmerung jedoch würde die Fürstin Gelegenheit haben, sich zu bekreuzigen."(S.33) Ihr erinnert Euch? Der Wortlaut selbst ist aber , soweit ich sehe , unangetastet. Insofern kann bei Fragen auf ihn zurückgegriffen werden.


    Grüße an alle Mitleser G.


    Danke für´s Nachschauen, Gontscharow. Das finde ich ja interessant, daß bei diesem Roman die Notwendigkeit gesehen wurde, pikante Stellen zu kürzen. Wenn so etwas bei Lady Chatterly´s Lover geschah, dann kann ich das ja noch einigermaßen nachvollziehen, aber hier...?


    @ Sir Thomas: im vierten Teil läßt Lampedusa Don Fabrizio einem Nicht-Sizilianer das Wesen der Sizilianer erklären. Sehr interessant. Da erkennt man dann, daß jemand wie don Calogero doch eher untypisch ist, insofern wohl "der neue Mensch".


    Viele Grüße
    thopas