Juni 2008 / Lampedusa - DER LEOPARD

  • Ich möchte noch mal meinen Gesamteindruck nach dem Lesen der ersten zwei Kapitel zusammenfassen.


    Im Mittelpunkt des Romans steht eine alteingesessene Fürstenfamilie mit dem Patriarchen Don Fabrizio, der zusammen mit seiner großen Familie trotz großer politischer Unruhen in nächster Umgebung (die Revoluzzer besichtigen gar sein Haus) vollkommen unbeeindruckt so weiter zu leben versucht wie bisher. Durch einige Sonderrechte, die er sich erkämpft hat, gelingt ihm das bisher auch.


    Für mich wird es am spannendsten sein, weiter zu verfolgen, durch welche Begebenheiten sich wirklich etwas ändert im Leben dieser Familie, inwieweit man sich treiben lässt oder wann und wie man sein Schicksal selber zu beeinflussen versucht. Das sind diejenigen Fragen, die über den beschriebenen Zeithorizont herausragen.


    Die damalige ital. Geschichte interessiert mich nicht sonderlich und ich finde die Vielzahl von konkreten Namen, mit denen man heutzutage nichts mehr anfangen kann, eher hinderlich für den Gang der Geschichte. Andere Autoren wie Mann oder Proust bleiben da wesentlich zeitloser, auch wenn es bei ihnen ebenfalls historische Vorbilder gab. Das ist schon mutig, dass Lampedusa sich das so traut, denn er war sich bestimmt darüber bewusst, dass er mit seinem Können einen klassischen Roman schaffen kann. Zu viel Zeitgeschichte ist dann natürlich hinderlich, anderseits darf es nicht zu beliebig gestaltet sein. Ich werde weiterverfolgen, ob diese Balance, die jeder Autor hinzubekommen hat, nicht zu sehr zu einer Seite ausschlägt.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Sei froh, Sir Thomas, dass Dir keine andere Wahl blieb, als zweisprachig aufzuwachsen. Wenn Du Dich im Englischen ebenso gewählt auszudrücken verstehst wie im Deutschen, hast Du auch den literarischen Genuss verdoppelt.
    Im späteren Leben lernt man eine Fremdsprache mit allen ihren Feinschattierungen nie mehr so gut.


    Ihr habt ja auch beim Leoparden festgestellt, dass die Übersetzung vom Original abweicht.


    Von der Einstellung des Adels zur Einigung erfährt man recht viel im 4. Kapitel, die jedenfalls ganz anders gewesen sein dürfte, als ich mir das vorgestellt habe.
    Zumindest bis dorthin hat sich das Leben der fürstlichen Familie noch nicht geändert. Der Aufenthalt in Donnafugata ist sogar verlängert worden, weil Tancredi mit seinem Freund eingetroffen ist.


  • ... ich finde die Vielzahl von konkreten Namen, mit denen man heutzutage nichts mehr anfangen kann, eher hinderlich für den Gang der Geschichte. ... Das ist schon mutig, dass Lampedusa sich das so traut, denn er war sich bestimmt darüber bewusst, dass er mit seinem Können einen klassischen Roman schaffen kann. Zu viel Zeitgeschichte ist dann natürlich hinderlich ...


    Hallo, Thomas,


    ich stimme Dir zu und helfe mir mit großzügiger Nichtbeachtung der vielen, uns unbekannten Namen, über dieses kleine Hindernis hinweg.


    Grüße von


    Sir Thomas

  • Wie war das in der Realität mit einer Abstimmung, bei der in Donnafugata (fast) alle mit "JA" gestimmt haben? Hat es die wirklich gegeben?
    Wobei Frauen vom Wahlrecht ziemlich sicher ohnehin ausgenommen waren.


    Beim Werben des Fürsten im Auftrag des Neffen um des Bürgermeisters Tochter kommen die Gegensätze zwischen dem vornehmen Fürsten und dem wenig noblen, dafür umso reicheren Don Calogero sehr deutlich zum Ausdruck.
    Leicht ist es Don Fabrizio sicher nicht gefallen. Aber er hat die Kröte doch geschluckt.
    Ist darin womöglich die Verbindung des Alten mit dem Neuen zu deuten?


    Mit der Ankunft Tancredis und seines Freundes wird die Atmosphäre mit einer gewissen Erotik aufgeladen. Das junge Paar ist stundenlang allein im Schloss unterwegs, Tancredis Freund verliebt sich in Concetta und sogar die Gouverante sehnt auf ihrem einsamen Lager sämtliche männliche Mitglieder des fürstlichen Haushalts herbei.
    Wie hat man alle diese "pikanten" Stellen aus der Bearbeitung für die Gymnasien weglassen können? Das wäre dann ja fast die Hälfte des Kapitels gewesen.


    Die Ankunft des Regierungsgesandten, seine Angst vor dem "wilden" Sizilien, seine Erleichterung, als er im Fürstenhaus doch die ihm bekannte Zivilisiertheit vorfindet und das Gespräch zwischen dem Fürsten und ihm, hat mir bis jetzt am besten gefallen.
    Der Vergleich Siziliens mit einer sabbernden Hundertjährigen, die nur ihre Ruhe haben will, hat mich an meinen 1. Rombesuch erinnert. Für mich war Rom auch eine uralte Madrone im Gegensatz zur eleganten Weltstadt Paris, die sich ihr Alter wenigstens nicht anmerken läßt.
    Aus diesem Gespräch habe ich auch die Einstellung des Fürsten bezüglich der Einigung Italiens sehr deutlich herausgehört. Er ist dem alten System so tief verwurzelt, dass er nicht als Senator in der neuen Regierung mitgestalten will (das möchte er wohl den Jungen überlassen), aber als kluger, weitsichtiger Fürst, übt er Toleranz den Ereignissen gegenüber, die sich nicht aufhalten lassen, ohne dem Land Schaden zuzufügen.


    Er schildert auch Siziliens Landschaft sehr schön, die Heftigkeit des Klimas und den besonderen Menschenschlag, der daraus hervorgegangen ist.


    Aber was ist mit der Anspielung auf das Makkaroniessen in Mailand gemeint, das man schon eine Woche vorher bedenken muss? Was hat das mit der nationalen Einheit zu tun? Könnt Ihr mir das erklären?


    Liebe Grüße


    Madeleine

    Einmal editiert, zuletzt von Madeleine ()


  • Die Ankunft des Regierungsgesandten, seine Angst vor dem "wilden" Sizilien, seine Erleichterung, als er im Fürstenhaus doch die ihm bekannte Zivilisiertheit vorfindet und das Gespräch zwischen dem Fürsten und ihm, hat mir bis jetzt am besten gefallen.
    ...
    Er schildert auch Siziliens Landschaft sehr schön, die Heftigkeit des Klimas und den besonderen Menschenschlag, der daraus hervorgegangen ist.


    Hallo, Madeleine,


    das vierte Kapitel gehört für mich bislang auch zu den (vorläufigen) Höhepunkten, neben all den vielen schönen Landschaftsbeschreibungen und der melancholischen Grundstimmung, die sich durch das gesamte Buch zieht.


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Ich fand vor allem das Ende des vierten Teils sehr einprägsam. Nach dem Philosophieren über das Wesen der Sizilianer kommt dann diese kurze Szene, in der Chevalley im Morgengrauen durch Donnafugata zur Postkutschenstation geht.
    Die "zinnerene Morgendämmerung", die auf die "bleiernen Wolken sabbert" und die Räder der Postkutsche, die die Farbe von Erbrochenem haben, fand ich schon ziemlich bedrückend, wenn nicht sogar abstoßend. Don Fabrizio weiß, daß sich die Sizilianer immer für "das Salz der Erde" halten werden, auch wenn sie keine Pardelkatzen mehr sind, sondern nur noch Schafe. Das hat etwas sehr ernüchterndes und auch melancholisches.


    Der fünfte Teil beschert uns dann einen Szenenwechsel. Diesmal sieht man die Situation aus der Sicht der niederen Bevölkerung, der Bauern. Pater Pirrone besucht seine Familie in San Cono und philosophiert über den Adel.



    Aber was ist mit der Anspielung auf das Makkaroniessen in Mailand gemeint, das man schon eine Woche vorher bedenken muss? Was hat das mit der nationalen Einheit zu tun? Könnt Ihr mir das erklären?


    Hm. Das ist mir auch nicht ganz klar, Madeleine. Vielleicht sind Sizilianer viel spontaner als Norditaliener, leben mehr aus dem Bauch heraus und planen nicht so weit in die Zukunft? Noch heute existiert ja eine gefühlte Trennung zwischen Norditalien und Mezzogiorno... Zu verschiedene Wesensarten?


    Viele Grüße
    thopas

  • Guten Morgen, thopas!


    Das könnte hinkommen, wenn man die Makkaroni im Speziellen wegläßt:
    Das Betonen der Unterschiedlichkeiten in der Planung und Lebensweise von Nord und Süd.
    Dass Lampedusa da Makkaroni eingefallen sind, hat wohl keine weitere Bedeutung.


    Liebe Grüße,


    Madeleine


  • Noch heute existiert ja eine gefühlte Trennung zwischen Norditalien und Mezzogiorno...


    Hallo, thopas,


    es gab vor einigen Jahren sogar eine politische Initiative, Nord- und Süditalien zu trennen (erninnerst Du Dich an die Lega Nord von Umberto Bossi?). Schau Dir die aktuellen Bilder aus Neapel an: Diese Müllberge sind in einer norditalienischen Stadt wie Mailand undenkbar.


    Ich kenne den italienischen Süden nicht persönlich. Mich hat es immer nur in den Norden dieses schönen Landes verschlagen. Sehr angetan hat es mir die Riviera, aber selbst dort, im vergleichsweise preussischen Teil Italiens, ticken die Uhren anders - angenehm anders. Es ist zwar etwas ärgerlich, wenn der Überlandbus mal wieder nicht kommt und die geplante Fahrt auf "domani" verschoben werden muss. Auch die Züge sind nicht übermässig pünktlich, aber sie sind preiswert und werden von den Italienern geschätzt und stark genutzt, denn ein eigenes Auto ist ein ziemlicher Luxus. Die Italiener lieben deshalb ihre gute alte Staatsbahn und es käme ihnen nie in den Sinn, sie zu privatisieren und an die Börse zu verscherbeln. Eine ähnliche "Liebesbeziehung" zu "ihrer" Eisenbahn haben sonst nur die Schweizer (soweit ich das beurteilen kann).


    Italien ist alles in allem ein wenig rückständig (außer in der Mode), ein wenig "klüngelig", aber liebenswert rückständig und verbummelt. Lampedusas Roman liefert dafür einige interessante Hintergründe, auch wenn er natürlich speziell die sizilianischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert anspricht.


    Ich habe übrigens gestern meine Katzenlektüre kurz unterbrochen. Um nach so viel Hochliteratur mal wieder auf den Boden zu kommen, habe ich eine schmutzige kleine Story von Dashiell Hammett eingeschoben und unseren schönen literarischen Teppich mit ein paar Blutspritzern besudelt. Aber keine Sorge: Heute wird geputzt - und dann geht es pardelmässig weiter ...


    Es grüßt


    Sir Thomas


  • Im dritten Kapitel löst sich das Problem auf, ich denke, es hängt gar nicht am Astronomen. Der Erzähler stammt aus dem 20. Jh und berichtet über Überschallflugzeuge. Das ist natürlich eine ungewöhnliche Konstruktion, dass ein unsichtbarer Erzähler 100 Jahre vom Romangeschehen weg ist. Ist mir in dieser Weise bei keinem anderen (?) Werk aufgefallen. Es bleibt fraglich, woher die Erzähler seine Detailkenntnisse hat.


    Gruß, Thomas


  • Der Erzähler stammt aus dem 20. Jh und berichtet über Überschallflugzeuge. Das ist natürlich eine ungewöhnliche Konstruktion, dass ein unsichtbarer Erzähler 100 Jahre vom Romangeschehen weg ist.


    Hallo thomas,


    die Sache mit dem Überschallflugzeug wird regelmäßig angeführt, wenn Rezensenten das berühmte Haar in der Suppe finden möchten. :breitgrins:


    Befremdlich? Ja. Aber gestört hat es mich nicht.


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Soeben per Post eingetroffen ist Lampedusas "Die Sirene" - Kurzgeschichten und Kindheitserinnerungen, die allesamt in Beziehung zum "Leoparden" stehen sollen.


    Da bin ich mal gespannt!


    Viele Grüße


    Sir Thomas


  • Mich hat das auch nicht gestört. Ich wollte nur deutlich machen, dass ein Erzähler, der Flugzeuge ins Spiel bringt, ebenso die Uhrzeit in der 24-Stunden-Zählung angeben kann.


    Interessant an der Stelle mit den Flugzeugen ist doch auch, dass der Erzähler hier das Geschehen aus heutiger Sicht bewertet / kommentiert. Das macht er sonst an keiner anderen Stelle (zumindest nicht in den ersten drei Kapiteln).


    Gruß, Thomas


  • Ich kenne den italienischen Süden nicht persönlich. Mich hat es immer nur in den Norden dieses schönen Landes verschlagen. Sehr angetan hat es mir die Riviera, aber selbst dort, im vergleichsweise preussischen Teil Italiens, ticken die Uhren anders - angenehm anders. Es ist zwar etwas ärgerlich, wenn der Überlandbus mal wieder nicht kommt und die geplante Fahrt auf "domani" verschoben werden muss. Auch die Züge sind nicht übermässig pünktlich, aber sie sind preiswert und werden von den Italienern geschätzt und stark genutzt, denn ein eigenes Auto ist ein ziemlicher Luxus. Die Italiener lieben deshalb ihre gute alte Staatsbahn und es käme ihnen nie in den Sinn, sie zu privatisieren und an die Börse zu verscherbeln. Eine ähnliche "Liebesbeziehung" zu "ihrer" Eisenbahn haben sonst nur die Schweizer (soweit ich das beurteilen kann).


    Italien ist alles in allem ein wenig rückständig (außer in der Mode), ein wenig "klüngelig", aber liebenswert rückständig und verbummelt. Lampedusas Roman liefert dafür einige interessante Hintergründe, auch wenn er natürlich speziell die sizilianischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert anspricht.


    Ich kenne den Süden auch zu wenig. Meine Sizilienreise (vor ca. 15 Jahren) war eine geführte Gruppenrundreise, da kommt man mit den Einheimischen nicht so direkt in Kontakt :zwinker:. Sonst war ich nur in Kalabrien und an der Amalfiküste, aber mehr als die übliche Touristenabzocke ist mir nicht aufgefallen, außer: der Flughafen Neapel ist ziemlich fürchterlich (sprich: chaotisch)... Aber wahrscheinlich muß man länger dort sein, damit man die Mentalität richtig mitbekommt.



    die Sache mit dem Überschallflugzeug...


    Ich muß die Szene nochmal nachlesen, aber ich habe das so verstanden, daß der Erzähler ab und zu durchblicken läßt, daß er aus der Gegenwart schreibt, auch wenn er sonst unsichtbar bleibt. Es kommen ja immer mal wieder Szenen vor, wo er beschreibt, wie es jetzt dort aussieht, früher aber noch ganz anders ausgesehen hat.


    Ich überlege generell, ob Lampedusa evtl. kein so großartiger Erzähler ist. Damit meine ich jetzt nicht die Geschichte, sondern eher die Konstruktion der Geschichte. Mir kommen diese verschiedenen Teil so vor, als wären sie einfach so nebeneinander gestellt worden. Mir fehlt da so ein bißchen das harmonische Gesamtbild. Aber bis zu einem abschließenden Urteil muß ich noch warten, bis ich das Buch ausgelesen habe.


    Viele Grüße
    thopas


  • Ich überlege generell, ob Lampedusa evtl. kein so großartiger Erzähler ist. Damit meine ich jetzt nicht die Geschichte, sondern eher die Konstruktion der Geschichte. Mir kommen diese verschiedenen Teil so vor, als wären sie einfach so nebeneinander gestellt worden. Mir fehlt da so ein bißchen das harmonische Gesamtbild.


    Hallo, thopas,


    die Konstruktion ist schon recht eigenartig, da stimme ich Dir zu. Lampedusa deckt 50 Jahre seiner Familiengeschichte ab (von 1860 - 1910), konzentriert sich aber sehr stark auf die Jahre 1860 - 1862, während nur zwei Kapitel diesen Zeitraum verlassen.


    Ich habe mal irgendwo gelesen, was aus dem Roman hätte werden können, wenn Lampedusa nicht kurz vor dessen Erscheinen gestorben wäre. Hätte er sich noch einmal aufgerafft, um eine erweiterte Fassung oder gar eine Fortsetzung zu schreiben? Spekulation, wenn auch eine recht interessante ...


    Mich stört der eigenwillige Aufbau nicht, denn der großartige Erzähler und Stilist Lampedusa steht für mich eindeutig im Vordergrund. Geniale Schreiber dürfen sich halt ihre Extravaganzen leisten ...


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Bei diesem wunderschönen Stil kann man nur von einem großen erzählerischen Talent sprechen, da mag die Konstruktion des Romanes sein, wie sie will.
    Nach des Fürsten Tod liegt immerhin ein Zeitsprung von 30 Jahren. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass es sich hierbei fast um ein Fragment handelt, zumindest um eine Art gekürzte Version dessen, was der Autor vielleicht noch vorgehabt hätte.
    Vielleicht hat er sich schon krank gefühlt und wollte den Roman doch noch beenden.

  • die Konstruktion ist schon recht eigenartig, da stimme ich Dir zu. Lampedusa deckt 50 Jahre seiner Familiengeschichte ab (von 1860 - 1910), konzentriert sich aber sehr stark auf die Jahre 1860 - 1862, während nur zwei Kapitel diesen Zeitraum verlassen.



    Könnte das nicht wohl überlegt sein ?


    - Das Ende des alten Königreichs


    - Das Ende des Fürsten


    - Das Ende des Adelgeschlechts

  • Ja, Madeleine, ein Plebiszit, mit dem der Anschluss Siziliens an das vereinte Italien besiegelt wurde, hat es am 22.Oktober 1860 wirklich gegeben. Die Volksabstimmung wurde, da sie ja nach der "Eroberung" Siziliens lediglich bereits vollendete Tatsachen absegnen ließ, besonders von den radikalen Befürwortern der Republik Mazzinischer Prägung als scheindemokratisch heftig kritisiert. Im Roman ist Tumeo, der Jagdgenosse Fabrizios, mit seinem im Abstimmungsergebnis nicht vorkommenden "Nein" der lebende Beweis für den Wahlbetrug. Eindrucksvoll sein Lamento darüber, dass er "von dem Blutsauger von einem Sedara für null und nichtig " erklärt wird,"als hätt's mich nie gegeben"(S.121) Don Fabrizio beginnt zu ahnen, dass die neue Ordnung damit schon verspielt hat und seine Landsleute nur aus's Neue kolonialisiert werden. "Don Fabrizio konnte es damals noch nicht wissen, aber ein Teil der Trägheit und Unterwürfigkeit, derentwegen die Menschen aus dem Mezzogiorno in den folgenden Jahrzehnten geschmäht werden sollten, hatte seinen Ursprung in der törichten Annullierung der ersten Bekundung von Freiheit, die sich diesem Volke je geboten."(S.124).
    Am Plebiszit von 1860 durften Frauen selbstverständlich nicht teilnehmen :"Vor Sonnenuntergang erschienen die drei oder vier Nüttchen Donnafugatas...auf dem Hauptplatz, die Lockenmähnen mit grün-weiß-roten Bändern geschmückt, um gegen den Ausschluss der Frauen von der Wahl zu protestieren... und wurden sogar von den glühendsten Liberalen mit Hohn und Spott verjagt.."(S.119) Ein bisschen nehme ich es Tomasi übel, dass er hier die "Nüttchen" als Suffragetten auftreten lässt und damit das Unterfangen etwas diskreditiert. Aber vielleicht war es ja so.

  • Vom Frauenwahlrecht in Sizilien weiß ich so gut wie nichts. In Österreich gibt es dieses auch für Frauen seit 1918.
    Dann wäre man ja 1860 noch fast 60 Jahre davon entfernt gewesen. Und die Damen vom Gewerbe hätten sich zu dieser Zeit schon für Wahlen interessiert? Das wäre ja sehr fortschrittlich.
    Aber vielleicht gab es das Frauenwahlrecht in Italien ja auch schon früher. Muss ich mal nachschauen.


    Liebe Grüße,


    Madeleine.